Anna Zwingli.

Als würdig, der deutschen Reformatorenfrau an die Seite gestellt zu werden, erscheint die Gattin Ulrich Zwinglis, Anna, die Tochter von Oswald Reinhart, Gastwirt zum Rösli in Zürich und der Elisabetha Wynzürn, geboren 1487. Sie zog schon frühe durch ihre leibliche Schönheit, die Lebhaftigkeit ihres Geistes, sowie ihr feinfühlendes, kindlich-frommes Gemüt, die Blicke ihrer Umgebung auf sich, und erwarb sich den Namen der apostolischen Rehe (Apostelgesch. 9,30). Auch Johannes, der einzige Sohn des angesehenen altadeligen Züricher Ratsherrn, Gerold Meyer von Knonau, wurde von Liebe zu der schönen Anna ergriffen und fand Erwiderung. Aber der Vater verweigerte seine Einwilligung, indem er den Plan gefasst hatte, seinen Sohn mit einer adeligen Familie aus dem Thurgau zu verbinden. Da erlaubte sich der junge Johannes einen Schritt, den wir nicht billigen können und der auch nicht ohne nachteilige Folgen für ihn geblieben ist. Er ließ sich 1504 heimlich in einer Dorfkirche mit der geliebten Anna einsegnen. Der alte Ratsherr verstieß seinen ungehorsamen Sohn, verkaufte einige Güter um einen Spottpreis und ging eine zweite Heirat ein, die darauf berechnet war, dem Sohne alles Vermögen zu entziehen. Es würde dem jungen Paare übel ergangen sein, wenn andere Leute nicht bereitwilliger gewesen wären, demselben beizustehen. Der junge Patrizier wurde in den großen Rat aufgenommen und auch von anderer Seite unterstützt, z. B. von dem Bischof von Konstanz, einem Verwandten der Meyerschen Familie. Am 26. November 1516 versetzte der Tod des Gatten die hart geprüfte und doch zufriedene Frau in frühen Witwenstand. Von nun an zog sich dieselbe noch mehr von der Welt zurück, als sie es bisher schon getan hatte. Auch jetzt kam keine Versöhnung mit dem erzürnten Schwiegervater zu Stande; nur der Enkel Gerold gewann das Herz des alten Mannes. Dieser bemerkte einstens einen spielenden Knaben auf der Straße; er fand Wohlgefallen an demselben, ohne zu wissen, wer er sei. Auf nähere Erkundigungen erfuhr er, dass es sein Enkel sei, und so wurde er veranlasst, denselben zu sich zu nehmen; doch erlaubte er dem Knaben, bisweilen. seine Mutter zu besuchen.

Unter denen, welche mit Wohlgefallen das gottselige Leben der christlichen Witwe beobachteten, war auch der Leutpriester an der Münsterkirche, Ulrich Zwingli. Besonders war der älteste Sohn Annas der Gegenstand seiner Liebe. Er unterrichtete ihn in eigener Person und sorgte dafür, dass er auch durch fleißigen Schulbesuch seine Kenntnisse erweiterte. Als der Rat den Wunsch aussprach, die Geistlichen möchten alle in die Ehe treten, folgte Zwingli dem von einigen Amtsbrüdern gegebenen Beispiele; er erwählte die Mutter seines Lieblings zu seiner Lebensgefährtin. Die Annahme seiner Feinde, dass er diese Wahl um des Vermögens willen getan habe, bedarf kaum der Widerlegung. Anna brachte ihm 400 Gulden mit; außerdem war ihr ein Leibgeding von 30 Gulden zugesichert; doch sollte dieses zum Besten der Kinder verwendet werden. Zwingli selbst äußerte: Seine Frau sei zwar mit Kleidern, Ringen und allerlei Geschmeide versehen, aber von dem Tage ihrer Verehelichung an habe sie den Plunder nicht angerührt; sie habe sich gekleidet wie die anderen Bürgerweiber, schlecht und recht, dass man ihr den vorigen Stand nicht angemerkt habe. Er selbst betrachte all‘ ihr Vermögen als ein fremdes, anvertrautes Gut.

Dagegen fand Zwingli, was er gesucht hatte, eine treue Gehilfin bei seinen vielen Berufs- und anderen Arbeiten. Wenn er verstimmt war, erheiterte sie ihn durch ihr munteres Wesen und ihre traute Unterhaltung. Er legte nicht geringes Gewicht auf ihr natürliches, unbefangenes Urteil. Auch verstand sie es gar wohl, mit Personen aus verschiedenen Ständen, selbst mit Hochgebildeten und Gelehrten, eine inhaltsvolle Unterredung zu führen. Gar oft traf es sich, dass ihr Gatte, von Geschäften überladen, den Leuten, die ihn aufsuchten, keine Zeit widmen konnte; da empfing die Hausfrau die Ankommenden; sie erteilte ihnen Rat, gab Auskunft, so viel sie vermochte, und tröstete insbesondere die Trostbedürftigen. Die angesehensten Männer in Zürich verweilten gern in ihrer Gesellschaft und waren nicht unwillig, wenn ihr Gatte anderweitig beschäftigt war.

Sie las die Flugschriften und Broschüren, welche die Ereignisse der Zeit behandelten, mit dem größten Eifer, und Zwingli versäumte nicht leicht, ihr die neu erschienenen zur Lektüre zu übergeben, um sich dann später mit ihr über den Inhalt zu besprechen.

Mehrmals bot sie die Hand, um den Nonnen, welche das Kloster verlassen hatten, Gelegenheit zur Verheiratung zu verschaffen. Sie meinte: Priester und Nonnen passten wohl am besten zusammen; beide schmachteten nach Erlösung aus ihrem bisherigen Zustande; auch wären sie nicht verzärtelt und gewissermaßen der Welt abgestorben. Besonders eifrig las sie in der Bibel; es verging kein Tag, an dem sie nicht Stärkung des Glaubens in derselben gesucht und gefunden hatte. Jeder neue Bogen der von Lev Judä in Verbindung mit ihrem Manne bearbeiteten Züricher Bibelübersetzung wurde von ihr begierig in die Hand genommen, wenn Zwingli verhindert war, solchen vorzulesen.

Mit besonderem Eifer und besonderer Liebe nahm sie sich der Armen und Kranken, namentlich der Waisen, an. Sie besuchte dieselben und brachte ihnen Speise und Trank, Arznei und Kleidung; von dem Ihren gab sie reichlich und forderte Andere zur Mildtätigkeit auf. Fremde, besonders solche, die um des Evangeliums willen verfolgt waren, fanden in ihrem Hause gastliche Aufnahme. Selten war dieses ganz von Gästen leer; nicht Wenige blieben, bis ihnen sonst ein Unterkommen verschafft war.

Häufig kamen des Sonntags Nachmittags mehrere Predigerfrauen bei ihr zusammen, um sich über religiöse Dinge zu besprechen; bisweilen gesellten sich Männer dazu; es wurden alsdann geistliche Lieder gesungen, die Zwingli großenteils gedichtet hatte.

An Sorgen und Bekümmernissen fehlte es ihr nicht. Ihr Gatte hatte der Feinde eine ziemliche Anzahl. Selbst auf der Tagsatzung((Die Tagsatzung war in der Schweiz bis 1848 die Versammlung der Abgesandten der Orte (Kantone) der Alten Eidgenossenschaft. Sie besaß sowohl exekutive als auch legislative Kompetenzen.)) stieß man Drohungen gegen ihn aus. Es wurden Äußerungen vernommen: Man solle es ihm machen, wie es der Bischof von Konstanz dem Johann Huglin((Johann Hüglin, auch Johannes Hüglin, Hans Hüglin, Johannes Heuglin, Johann Heuglin, Hanns Heuglin, Johannes Hügelin, Johannes Hügli, Johann Hügli, Johann Heuglein oder Johann Heugelin, im Englischen mitunter John Heuglin, im Französischen entsprechend Jean Heuglin, im Niederländischen Jan Heuglin geschrieben (* vor 1490 in Lindau (Bodensee); † 10. Mai 1527 in Meersburg), war Frühmessner (Pfarrer) in dem am Bodensee gelegenen Pfarrdorf Sernatingen (heute Bodman-Ludwigshafen, damals zur Reichsstadt Überlingen gehörig). Er gilt als evangelischer Märtyrer.)) von Meersburg gemacht habe; man solle ihn verbrennen. In Luzern übergab man seine Bücher dem Feuer und machte bekannt: Wer ihn finde, solle ihn gefänglich einliefern. Auch kamen tatsächliche Feindseligkeiten gegen ihn vor. 1525 warfen zwei Bürger mit großen Steinen die Fenster im Zwinglischen Hause ein, so dass die Stücke umherflogen und die Anwesenden in Angst und Unruhe versetzt wurden. Zwingli beruhigte dieselben und verscheuchte durch sein bloßes Erscheinen am Fenster die Übeltäter.

Ein anderes Mal begehrte ein Mann am späten Abend mit Zwingli zu sprechen. Die anwesenden Diakonen hielten denselben ab, vor die Türe zu gehen. Einer von ihnen trat heraus; er wurde alsbald ergriffen und fortgeschleppt; doch ließ man ihn wieder frei, sobald man den Irrtum gewahrte. Über das Alles war Anna betrübt; doch sie verzagte nicht, fest im Vertrauen auf den Schutz des Allmächtigen. Auch der Abendmahlsstreit beunruhigte sie nicht wenig; ganz besonders war sie voll Sorgen und Kummer, als Zwingli 1529 zum Religionsgespräch nach Marburg reiste und schon auf dem Schweizer Boden in Lebensgefahr geriet. Er kehrte indes wohlbehalten im Oktober zurück. Aber die Zeiten wurden schlimmer und schlimmer. Am 11. Oktober 1531 kam es zwischen den evangelischen und katholischen Kantonen zur unheilvollen Schlacht bei Kappel. Zwingli begleitete die Züricher Miliz, selbst mit einem Schwerte bewaffnet. Wie bekannt, fiel er in dieser Schlacht.

Welche Schreckensbotschaft für das liebende Weib, als sie erfuhr, dass sie zur Witwe geworden sei! Aber diese Trauerbotschaft blieb nicht vereinzelt. Auch ihr Sohn, Gerold Meyer von Knonau, war unter den Getöteten, sowie ihr Bruder Bernhard Reinhard, ihr Tochtermann Anton Wirz, und der Gatte ihrer Schwester, Hans Lütsch. Nur ihr zweiter Tochtermann, Balthasar Keller, den man ebenfalls für tot gehalten hatte und der auf dem Schlachtfelde geblieben war, hatte sich wieder aufgemacht und gerettet. Außer ihren zwei Töchtern erster Ehe waren ihr noch drei Kinder zweiter Ehe, zwei Söhne und eine Tochter geblieben.

Sie fasste sich zuerst trotz ihres namenlosen Schmerzes und trotz des Jammerns ihrer Kinder. Auch fehlte es ihr nicht an Trost und Teilnahme. Sie selbst dichtete ein Trauerlied((Dieses Trauerlied ist nicht von ihr, sondern von Johann Martin Usteri „Der armen Frouw Zwinglin Klag“, zu finden https://glaubensstimme.de/doku.php?id=autoren:u:usteri:usteri-der_armen_frau_zwingli_klag)), in dessen letzten Versen sie die Bibel anredet:

Komm, du Buch! Du warst sein Hort,
Sein Trost in allem Übel;
Ward er verfolgt durch Tat und Wort,
So griff er nach der Bibel,
Fand Hülf‘ bei ihr, – Herr! zeig‘ auch mir
Die Hülf‘ in Jesu Namen!
Gib Mut und Stärk‘ Zum schweren Werk
Dem schwachen Weibe; Amen!

Anna lebte jetzt noch mehr zurückgezogen als früher. Ihre ganze Sorgfalt war der Erziehung ihrer Kinder gewidmet. Sie fand auch einen Freund in der Not. Der Nachfolger ihres Mannes, Heinrich Bullinger, wurde ihr Fürsprecher beim Rate und nahm sie selbst in sein Haus und an seinen Tisch; ihre Kinder behandelte er wie seine eigenen; zwei Söhne und eine Tochter starben früh; den jungen Ulrich ließ er auf seine Kosten studieren.

Die weiteren Nachrichten über die Witwe sind spärlich, doch mehr als hinreichend, um zu beweisen, dass sie bis zum Tode von ihrer Frömmigkeit nicht gewichen ist. Am 6. Dezember 1538 beschloss sie ihr vielbewegtes und vielgeprüftes Leben. Bullinger schrieb an einen Gesinnungsgenossen: „Ich weiß mir kein seligeres Ende zu wünschen; sie verlosch sanft, wie ein mildes Licht, und schwebte anbetend und uns Alle Gott befehlend heim zu dem Herrn.“

Katharina Luther

Luther behauptete einmal: „Wenn die Weiber die Lehre des Evangeliums annehmen, so halten sie viel härter und steifer darüber als die Männer.“ Dieses Wort wird vielfach durch die Reformationsgeschichte bestätigt, so auffallend es im ersten Augenblick erscheinen mag. Wir müssen anerkennen, dass nicht wenige Frauen die Reformation in Deutschland wesentlich gefördert haben. Um dieses zu würdigen, müssen wir zuerst in Erwägung ziehen, welche Förderung die Reformatoren selbst durch ihre Frauen in ihrer ganzen Stellung erfahren haben((Nur im Vorübergehen sei daran erinnert, dass es Frau Cotta in Eisenach war, welche den Knaben Luther bei sich aufnahm und es dadurch verhinderte, dass er zu seinen Eltern zurückkehrte.)). Wir dürfen zunächst die Behauptung aufstellen: Luther wäre nicht geworden, was er gewesen ist, wenn ihm nicht seine Käthe als treue Gehilfin zur Seite gestanden hätte. Es ist eine falsche Beschuldigung, dass der Augustinermönch durch das Verlangen nach dem ehelichen Leben zur Bekämpfung der herrschenden Missbräuche veranlasst worden wäre. Als er zuerst seine Stimme gegen den Ablass erhob, dachte er an Nichts weniger als an eine Heirat; selbst noch im Jahre 1520 schrieb er an Spalatin: „Unsere Wittenberger wollen sogar den Mönchen Weiber geben; aber mir sollen sie keine Frau aufdrängen.“ Ja, noch im Oktober 1524 bemerkte er demselben Freunde: „Bei der Gesinnung, die ich bisher gehabt habe, wird es nicht geschehen, dass ich eine Frau nehme; ich bin dem Heiraten abgeneigt.“ Doch ehe ein Jahr verging, hatte er seinen Entschluss geändert.

Mit seinem Vorwissen, ja durch seine Vermittlung waren am 4. April 1523 neun Nonnen aus dem Kloster Nimptschen bei Grimma entflohen; Luther nahm sich derselben liebevoll an und suchte ihnen bei Bekannten Unterkunft zu verschaffen und die jüngeren zu verheiraten. An seine Verheiratung dachte er immer noch nicht; wenigstens war nicht Katharina von Bora (geb. 29. Januar 1499) der Gegenstand seiner Sehnsucht. Wenn er damals eine Wahl zu treffen gehabt hätte, hätte er einer anderen Nonne, Eva von Schönfeld, den Vorzug gegeben. Die Katharina hielt er für stolz und darum für ungeeignet, seine Gehilfin zu werden. Er gab sich alle Mühe, den reichen Nürnberger Patrizier Baumgartner zu bewegen, dass er seiner Schutzbefohlenen die Hand reiche, ehe solche einem Andern gegeben würde. Es hatte sich nämlich Dr. Glatz, Pfarrer zu Orlamünde, um dieselbe beworben. Katharina wies diesen Bewerber zurück, und Baumgartner tat keine weiteren Schritte. Dagegen gab Katharina nicht undeutlich zu verstehen, dass es ihr nicht zuwider sein würde, wenn Luther sie zur Lebensgefährtin erwähle. Anfangs war den Freunden des Reformators gerade diese Heirat ein Stein des Anstoßes, weil sie die öffentliche Meinung fürchteten, da unter dem Volke die Ansicht verbreitet war, aus einer Verbindung eines Mönches mit einer Nonne werde der Antichrist geboren werden. Vielleicht ließ sich Luther gerade durch dieses Vorurteil in seiner Wahl bestärken. Ohne sich mit seinen Freunden besprochen zu haben, bat er um das Jawort und erhielt dasselbe. Am 13. Juni 1525 wurde er durch seinen Freund Bugenhagen in Gegenwart weniger Zeugen ehelich eingesegnet. Natürlich erregte dieser Schritt nicht geringes Aufsehen; namentlich gab diese Heirat den Feinden der Reformation Veranlassung, durch allerlei üble Nachreden ihrem Ärger Luft zu machen. Luther äußerte sich: „Ich habe mich durch meine Heirat so geringschätzig und verächtlich gemacht, dass ich hoffe, es werden die Engel lachen und die Teufel weinen.“ So viel ist wenigstens gewiss: Luther wurde durch sein eheliches Leben in seiner Reformationstätigkeit nicht gehindert, sondern gefördert. Allerdings konnte Katharina nicht durch Rat und Tat ihren Gatten unterstützen, namentlich nicht in wissenschaftlicher Beziehung. Ihre Kenntnisse waren beschränkt, wie schon die vielerwähnte Frage, ob der Hochmeister in Preußen des Markgrafen von Brandenburg Bruder sei, beweist; es war eine und dieselbe Person. Doch ist die Äußerung von Erasmus zu beachten, dass Luther seit seiner Verheiratung gegen seine Feinde sanfter und milder geworden sei. Der Mann bedurfte bei seinen vielen, amtlichen und nichtamtlichen Arbeiten einer ihm wohltuenden Erholung und Erheiterung, und diese wurde ihm in reichem Maße in seiner Familie zu Teil. Er fühlte sich glücklich an der Seite seines Weibes und im Kreise seiner Kinder, deren ihm Katharina sechs gebar; er teilte derselben mündlich und schriftlich mit, was sie über den Fortgang der Reformation interessieren konnte. Der gelehrte Mann verachtete auch nicht das gesunde, natürliche Urteil seiner Gattin. Bisweilen erinnerte ihn diese daran, dass er ein gebrechlicher Mensch sei und solches über seinem unermüdlichen Eifer vergesse. Einmal zeigte er sich während dreier Tage nicht in dem Familienzimmer. Frau Käthe ließ die Tür der Arbeitsstube erbrechen, da all‘ ihr Pochen ohne Erfolg und Antwort blieb. Luther war mit der Übersetzung des 22. Psalmes beschäftigt, und erwiderte auf die Vorwürfe seines treuen Weibes: „Meinst Du, es sei etwas so Schlechtes, was ich vorhabe? Weißt Du nicht, dass ich wirken muss, so lange es Tag ist?“ Besonders gerne besprach er sich über den Katechismus mit derselben, und nannte sie deshalb auch seine Katechissima. Auch die Erklärung einzelner Bibelstellen machte er zum Gegenstande der Unterredungen der Familienstube, sowie er auch seine Käthe aufforderte, fleißig in der heiligen Schrift zu lesen. 1535 schrieb er an seinen Amtsgenossen Dr. Jonas: „Die Käthe hat angefangen, die Bibel zu lesen. Ich habe ihr 50 Gulden versprochen, wenn sie zu Ostern damit fertig wird.“ Dass sie auch unter den regelmäßigen Zuhörern ihres Mannes war, versteht sich von selbst, und wird durch ein Gemälde von Lukas Kranach bestätigt. Man bemerkt auf demselben unter den Personen, welche Luthers Kanzel umgeben, auch das wohlbekannte Gesicht seiner Gattin.

Bei seinen geselligen Erholungen, Spaziergängen usw. ging, saß und stand Katharina an seiner Seite. Während dieselbe im Garten arbeitete, spielte Luther mit seinen Kindern oder zeigte seinen Freunden die schönen Blumen und Früchte.

Bei der Kindererziehung konnte die Mutter die dem mütterlichen Herzen eigentümliche Schwäche und Nachgiebigkeit nicht verleugnen, und es war gut, dass hier der Mann häufig seine Rechte geltend machte. Einstens ließ er seinen dreijährigen Sohn Johannes wegen einer Ungezogenheit drei Tage nicht vor sich. Die Mutter bat um Nachsicht; der Vater aber erklärte: „Lieber einen toten als einen ungeratenen Sohn.“ Und wir wissen doch, wie groß die Vaterliebe des Mannes war. Mit welcher Sorgfalt saß und wachte derselbe an dem Krankenbette seiner Kinder? Wie war sein Herz mit Trauer erfüllt, wenn der Todesengel ihm ein Kind wegnahm; z. B. sein liebes Lenchen. Und wie wusste er sich selbst und seine Gattin über den schmerzlichen Verlust zu trösten? Mit welcher Zärtlichkeit und Kindlichkeit schrieb er an seine Kinder Briefe, wenn er von denselben entfernt war? Man muss das Alles erwägen, um zu erkennen, welchen wohltätigen Einfluss das eheliche Leben auf das Gemüt Luthers gemacht hat. Er fühlte sich glücklich im Kreise der Seinen, wie aus unzähligen mündlichen und schriftlichen Äußerungen hervorgeht.

Am 11. August 1526 schrieb er an seinen Freund Stiefel: „Es grüßt Euch Käthe, meine Rippe. Sie befindet sich mit Gottes Hilfe wohl und ist mir willfährig und in Allem gehorsam und gefällig, dass ich meine Armut nicht mit Krösus‘ Reichtum vertauschen möchte.“ Und es war nicht das Feuer der ersten Liebe, wodurch er zu solchen Äußerungen veranlasst wurde. Noch im Jahre 1538 schrieb er an einen guten Freund: „Wenn ich ein junger Witwer wäre, so wollte ich doch, auch wenn mir eine Königin nach meiner Käthe angeboten würde, lieber sterben, als zum zweiten Male mich verehelichen. Ich kann keine gehorsamere Frau bekommen; ich müsste mir sie denn aus Stein hauen lassen.“ In seinen Tischreden sagt er: „Ich achte sie teurer, denn das Königreich Frankreich und der Venediger Herrschaft; denn mir ist ein fromm Weib von Gott geschenkt und gegeben.“ „Ich habe meine Käthe lieb, ja ich habe sie lieber, denn mich selbst; das ist gewisslich wahr. Ich wollte lieber sterben, denn dass sie und die Kinderlein sterben sollten.“ „Es ist keine lieblichere, freundschaftlichere und einmütigere Verwandtschaft, Gemeinschaft und Gesellschaft, denn eine gute Ehe.“

Sein Herz war hoch erfreut, wenn sein Weib von einer Krankheit genesen war; er schrieb in einem solchen Falle: „Meine Käthe fängt an, mit Wohlgefallen zu essen und zu trinken und schleicht mit den Händen an Tischen und Bänken umher.“

Wurde er selbst auf das Krankenlager geworfen, so hatte er an seinem Weibe eine unermüdliche Pflegerin. Käthe war eine sorgsame Hausfrau, und das war für Luthers Verhältnisse ein großer Gewinn. Seine Besoldung war nicht groß, und seine Vermögensverhältnisse nicht die besten. Als er 1527 erkrankte und sich dem Tode nahe glaubte, empfahl er die Seinen der väterlichen Obhut Gottes, da er denselben weder Haus noch Acker, noch Geld noch Gut hinterlassen könne. Er erwähnt das öfters, dass er von armen Eltern geboren sei und selbst noch in das Register der Armen gehöre. Dabei gestand er, dass er kein guter Haushalter sei und dass er übel beraten wäre, wenn sein Weib nicht das Wenige, was er habe, zu Rate hielte. So sagt er in seinen Tischreden: „Eine jegliche Person in der Ehe soll ihr Amt tun, was ihr gebührt; der Mann soll erwerben, das Weib aber soll ersparen; darum kann das Weib den Mann wohl reich machen und nicht der Mann das Weib; der ersparte Pfennig ist besser, denn der erworbene.“ Später kaufte Luther ein kleines Gut in der benachbarten Gemeinde Zülsdorf für 610 Gulden. Hier waltete Katharina als sorgsame Hausfrau, auf die ihres Mannes Herz sich verlassen konnte; sie bekümmerte sich um den Viehstand und die Landwirtschaft. Luther nannte sie deshalb bisweilen scherzend „Katharina Luther von Bora und Zülsdorf.“ Noch am 16. Februar 1546 schrieb er an dieselbe „Katharina Lutherin, die Zülsdorferin.“

Was wäre Luther ohne die sorgsame und sparsame Käthe geworden? Er folgte bei seiner Freigebigkeit mehr dem Drange des liebenden Herzens als dem Rat des berechnenden Verstandes. Eines Tags kam ein armer Student zu ihm und klagte ihm seine Not. Da Luther im Augenblick einen leeren Beutel hatte, nahm er einen silbernen, vergoldeten Becher, den er von einem Fürsten erhalten hatte, drückte denselben zusammen und schenkte ihn dem Studenten. Er gewahrte in diesem Augenblicke die bedenkliche, unwillige Miene seiner Frau; darum äußerte er: „Ich brauche keinen silbernen Becher.“ Ein ander Mal gab er einem Bedrängten, der um eine Unterstützung bat, das Patengeschenk des jüngsten Kindes. Als die Wöchnerin die Tatsache erfuhr und zürnte, suchte sie Luther zu beruhigen, indem er sprach: „Gott ist reich; er wird ein anderes Geschenk bescheren.“

Scherzweise beschwerte er sich bisweilen, dass Käthe allzustrenge die Herrschaft führe. Dagegen ist auch folgende Äußerung seiner Frau gegenüber nicht zu übersehen: „Du überredest mich zu Allem, was Du willst. Du hast die ganze Herrschaft. In dem Haushalte gestehe ich Dir es gerne zu, meinem Rechte unbeschadet; denn der Weiber Regiment hat noch niemals etwas Gutes gestiftet.“

Luther vermachte in seinem 1542 errichteten Testamente der treuen Lebensgefährtin das Gütlein Zülsdorf, mit 200 Gulden Schulden belastet, ein Haus in der Stadt, einen Becher und Kleinodien im Werte von 1000 Gulden, mit dem Bemerken: „Das tue ich darum, dass sie mich als ein fromm, treu, ehrlich Gemahl allezeit lieb, wert und schön gehalten, und mir durch reichen Gottes Segen fünf Kinder gegeben und erzogen hat, und zu allermeist darum, dass ich will, sie müsse nicht den Kindern, sondern die Kinder ihr in die Hände sehen, sie in Ehren halten und unterworfen sein, wie Gott geboten hat.“

Als Luther am 18. Februar 1546 sein tatenreiches Leben beendete, war die Zukunft seiner Witwe keineswegs sichergestellt. Zwar gewährte ihr der Kurfürst von Sachsen eine jährliche Unterstützung, so wie auch der König von Dänemark die Pension, die er Luther versprochen hatte, fortzuzahlen versprach; aber der für die Evangelischen so verhängnisvolle schmalkaldische Krieg verstopfte ihr alle Hilfsquellen. Der Kurfürst Johann Friedrich geriet in Gefangenschaft und konnte nicht halten, was er gelobt hatte. Der König von Dänemark hielt die versprochene Unterstützung zurück, so dass Katharina oft in große Verlegenheit geriet. Sie nahm Studenten in Kost und Logis, um sich besser nähren zu können; doch konnte sie sich nicht der Notwendigkeit entziehen, ihr Gut mit neuen Schulden zu belasten. 1552 brach in Wittenberg eine ansteckende Krankheit aus, so dass die Universität nach Torgau übersiedelte. Auch die verlassene Witwe wollte folgen, damit sie ihren geringen Verdienst durch Kostgänger nicht verliere. Unterwegs wurden die Pferde scheu, und Katharina, um ihre Kinder besorgt, sprang aus dem Wagen, fiel auf die Erde und dann in einen mit Wasser angefüllten Graben Schrecken und Erkältung zogen ihr eine bedenkliche Krankheit zu, welche sich bald in Zehrung verwandelte. Sie starb am 20. Dezember desselben Jahres zu Torgau und wurde am folgenden Tage in der Stadt- und Marienkirche beigesetzt.

Erdmute Dorothea von Zinzendorf.

Schließlich geben wir noch ein Beispiel weiblicher Frömmigkeit aus dem Kreise der Herrnhuter und wählen hierzu die Gemahlin Zinzendorfs selbst, deren wir schon unter den geistlichen Liederdichterinnen gedacht haben. Erdmute Dorothea war geboren zu Ebersdorf am 7. November 1700; sie war eine Enkelin der vorher erwähnten Gräfin Benigna von Solms-Laubach, und wurde am 7. September 1722 mit dem Grafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf vermählt. Ausdrücklich erklärte der Graf, als er sich um die Hand der Auserkorenen bewarb, er erwähle vor Allem dazu eine Gemahlin, damit sie ihm, seinen Untertanen und Anstalten eine Hausmutter sei, während er für seine Person das Zeugnis Jesu, dem er bereits mit Wort und Werk diene, ungehinderter durch die Welt tragen und auf des Herrn Wink alle Stunden den Pilgerstab in die Hand nehmen und zu den Heiden gehen könne, um denselben den Heiland zu predigen. Würde ihm der Ehestand solches, statt möglich, unmöglich machen, so würde er lieber gar nicht heiraten. Wiewohl die Familie einige Bedenklichkeiten über diese Bedingungen hatte, willigte Erdmute mit Übereinstimmung ihrer Eltern ein, und sie hat treulich gehalten, was sie versprochen. Sie besorgte nicht nur die schwierigen ökonomischen Geschäfte des ausgedehnten und verwickelten Haushaltes mit außerordentlicher Geschicklichkeit und Sorgfalt, sondern sie war auch ihrem Gemahl eine Gehilfin in der Seelenpflege der weiblichen Glieder der Gemeinde. Dabei wurde sie Mutter von zwölf Kindern, die freilich meistens frühe wieder starben.

Besonders nahm sie sich der Armen und Hilfsbedürftigen an; sie war eine Almosenpflegerin, welche die dargebotenen Gaben mit freundlichen Worten und gutem Rat begleitete. Wer zu ihr seine Zuflucht nehmen wollte, um Trost oder Hilfe zu suchen, wurde liebevoll aufgenommen und gar Manchem ist sie eine wirksame Fürsprecherin gewesen. Spangenberg, Bischof der Brüdergemeinde und Biograph Zinzendorfs, sagt von ihr: „Sie hatte an Gnade und Gabe etwas Ungemeines und ihre lobenswerten Eigenschaften blieben bei Allen, die sie kennen gelernt hatten, unvergessen. Sic stammte aus einer Familie, die Gottes Wort in Ehren hielt, und bei der die Kinder Gottes und Diener Jesu, ob sie auch sonst mit Schmach bedeckt waren, lieb und wert gehalten wurden. Sie war in der heiligen Schrift sehr geübt und hatte die Gotteswahrheiten, worauf sich unser Glaube und Wandel gründet, in trefflichem Zusammenhange inne. Auch in anderen Wissenschaften war sie nicht unbekannt. Im Ratgeben war sie besonders glücklich. In kleinen Ausgaben sparsam und wirtschaftlich, war sie, wenn es die Sache des Herrn erforderte, willig und bereit, selbst über Vermögen zu tun. Ihre Gesichtsbildung zeigte vom klarsten Verstande; sie war eine durch und durch „gescheite“ Frau. So war sie eine Fürstin Gottes unter ihrem Volke, indem sie eine gesegnete Dienerin desselben war, namentlich gegen die Elenden und Notleidenden mitleidig und mütterlich, und um das Kleinste und Größte besorgt; daher man sie auch nur „Mama“ nannte. Das Köstlichste von Allem aber war immer, dass ihr Herz mit einer innigen Liebe an Jesu hing und ihre liebsten Stunden in einem kindlich vertrauten Umgange mit ihm zubrachte.“

Hiermit verbinden wir das Urteil Zinzendorfs selbst. „Ich habe,“ so sagt er, „fünf und zwanzig Jahre aus Erfahrung gelernt, dass die Gehilfin, die ich habe, die Einzige gewesen, die von allen Enden und Ecken her in meinen Ruf passt. Wer hätte sich in meiner Familie so durchgebracht? Wer hätte vor der Welt so unanstößig gelebt? Wer hätte den Pharisäismus so gründlich gekannt? Wer hätte die Irrgeister der Zeit so tief eingesehen? Wer hätte. meinen ganzen Haushalt so viele Jahre so wirtschaftlich und so reichlich geführt, wie es die Umstände erfordert? Wer hätte mir das Kleinwesen im Hause so ganz abgenommen? Wer hätte so sparsam und doch so anständig gelebt? Wer hätte so rechtzeitig immer niedrig und hoch sein, die Welt ehren und verachten können? Wer hätte bald eine Dienerin, bald eine Herrin dargestellt, ohne in vornehme Geistlichkeit oder Weltlichkeit zu verfallen? Wer hätte einem Ehegatten solche Reisen und Proben hingehen lassen? Wer hätte unter so mancherlei fast erdrückenden Verhältnissen des Brüdergemeinwesens das Haupt immer empor gehalten und den Stifter der Gemeinde trog aller Anfechtungen unterstützt?“

Man muss bedenken, dass der Graf die meiste Zeit auf Reisen war und dass in dessen Abwesenheit seine Gemahlin doppelt in Anspruch genommen wurde. Auch war sie öfters vom Hause entfernt. Sie machte im Interesse ihres Gemahls und der Brüdergemeinde Reisen nach Berlin, Petersburg, öfters nach England und Holland.

1738 musste sie es geschehen lassen, dass ihr Gemahl selbst einige Brüder als Missionare nach Thomas in Westindien begleitete. Die Gräfin sollte einstweilen in Marienborn bei Büdingen, wo damals der Hauptsitz der Herrn-Huter war, bleiben. Die Reise nach Thomas wurde wegen des ungesunden Klimas damals für überaus gefährlich gehalten, indem man behauptete, dass von hundert Europäern, die dorthin reisten, kaum zehn zurückkehrten. So nahmen denn die beiden Gatten von einander Abschied, als ob Zinzendorf nie wieder zurückkehren werde. Die Gräfin fügte sich mit christlicher Geduld und Ergebung in das Unvermeidliche; sie übergab dem Grafen beim Abschied ein Gedicht, in welchem sie unter Anderem sagte:

Willst du nun Botschaft gehen?
Ist’s nun des Herren Wille,
So will ich in der Stille
Derweilen zu ihm flehen,
Dass, weil er dich geheißen
Nach Indien zu reisen,
Er Alles lass geschehen,
Was er dadurch ersehen.

Ich bleibe dann zurück,
Und seh‘ dir nach mit Beugung,
Doch auch mit Überzeugung
Von deinem Zeugenglück.
Hier soll Natur ersterben,
Und gehen ins Verderben,
Weil ich in diesem Stück
Nur auf die Sache blick‘.

Ich gebe dir die Hand,
Ich will des Heilands bleiben
Und seine Sache treiben
In meinem schwachen Stand,
Du gehest dann schon weiter
Und bist sein Wegbereiter
Durch Wasser und zu Land;
Sein Will‘ ist dir bekannt.

Während ihrer letzten Lebensjahre nahmen ihre Kräfte sichtbarlich ab. Ihre Gesundheit war durch viele Sorge, Mühe und Arbeit zerrüttet. Der Tod ihres einzigen noch lebenden Sohnes Renatus trug das Seine dazu bei, ihre Gesundheit vollends zu untergraben. Am 19. Juni 1756 erlöste sie der Tod von ferneren Leiden; sie war noch nicht 56 Jahre alt.

Eleonore Petersen, geborene von Merlau

Den Übergang von diesen Verirrungen zu den besseren Erscheinungen des Pietismus bildet Johanna Eleonore von Merlau, Gemahlin des Lüneburger Generalsuperintendenten Joh. Wilhelm Petersen. Dieselbe ist geboren 1644 als die Tochter eines in der Nähe von Frankfurt am Main begüterten Edelmannes. In ihrem neunten Jahre verlor sie ihre vortreffliche Mutter und von jetzt an hatte sie eine Reihe von Leiden zu ertragen, welche nicht ohne Einfluss auf die Bildung des Charakters bleiben konnten. Ihr Vater lebte meistens an einem benachbarten Fürstenhofe und ließ seine Tochter unter der Aufsicht einer Haushälterin auf seinem Landgute zurück. Diese Person behandelte Eleonoren mit fast unmenschlicher Härte, so dass sich diese glücklich fühlte, als sie in ihrem zwölften Jahre bei der Gemahlin des Grafen von Solms-Rödelheim eine Stelle erhielt. Aber sie war aus dem Regen in die Traufe gekommen. Die Gräfin, bisweilen geistesverwirrt, drohte mehrmals, das junge Mädchen zu ermorden; dasselbe schwebte in steter Todesgefahr. Drei Jahre später kam Eleonore in den Dienst der Herzogin von Holstein, einer geborenen Landgräfin von Hessen. Hier erwarb sie sich eine große Geschicklichkeit in weiblichen Handarbeiten und gewöhnte sich einigermaßen an das Hofleben. Doch stellte sie sich dem übrigen Hofgesinde keineswegs in jeder Beziehung gleich. Sie las gern in der Bibel und sonstigen Andachtsbüchern und besuchte fleißig die Kirche; sie klagte sich selber an, dass sie immer mehr in das weltliche Treiben verstrickt und von der Nachfolge Christi abgehalten werde. Ein junger Edelmann, von Bressewitz, schenkte ihr seine Liebe und verlobte sich mit ihr. Nach dem Willen seines Vaters musste derselbe noch eine Zeit lang in der Armee dienen. Nach seiner Rückkehr zeigte er sich kalt gegen seine Braut, und das Verhältnis löste sich ohne Schwierigkeit wieder auf. Nicht lange nachher kam Eleonore auf dem Marktschiff zwischen Frankfurt und Mainz mit Spener zusammen, ohne denselben zu kennen. Sie wurde durch die Unterhaltung auf das Tiefste ergriffen und noch ernster gestimmt als bisher. Öfters dachte sie: „Ach, wäre ich doch eines Hirten Tochter; Niemand würde mich hindern, nach der einfachen Lehre Jesu zu leben.“ Sie bat um ihre Entlassung und verhehlte nicht den Grund ihrer Bitte. Die Herzogin erwiderte: „Ihr lebt ja als gottselige Jungfrau. Es ist nicht verboten, sich des Lebens zu freuen, wenn man sein Herz nicht daran hängt.“ Alles Zureden fruchtete wenig. Eleonore blieb zwar vorerst in ihrer Stellung; aber sie zog sich vom Hofleben, so weit als möglich, zurück. Doch war ihr Einfluss nicht unbedeutend. Alle Leute scheuten sich, in ihrer Nähe etwas Unrechtes zu reden oder zu tun; selbst ausgelassene junge Leute hielten sich ehrbar, sobald sie sich zeigte.

Nach einiger Zeit forderte sie der Vater nach Hause, da die Stiefmutter bei der Geburt eines Kindes gestorben war. Es hielt aber schwer, bis sie die Entlassung bekam; sie musste versprechen, zurückzukehren, wenn sie wieder eine Stelle einnehmen könne. Als sie nach Hause kam, war das Kind gestorben und der Vater wurde Hofmeister beim Fürsten von Philippseck. Eleonore begab sich bei einer frommen Witwe zu Frankfurt in Kost und Logis und blieb sechs Jahre bei derselben.

Während dieser Zeit lernte sie Petersen kennen; er hielt um ihre Hand an. Der Vater erklärte: Wiewohl er die Tochter nicht gern von sich ab und außer Standes verheirate, so wüsste er doch nicht, wie er dem Willen Gottes widerstehen solle. Er war selbst in seiner neuen Stellung für den Pietismus gewonnen worden. Die Trauung erfolgte am 7. September 1680.

Petersen war damals Hofprediger des Herzogs von Holstein zu Eutin; er predigte mit Unerschrockenheit Buße und Bekehrung. Doch verfiel er immer mehr in apokalyptische Träumereien. Er studierte die Offenbarung Johannis, und seine Frau ohne Vorbereitung und unabhängig von ihm ebenfalls. Sie glaubten, dieselbe Deutung durch die Eingebung des heiligen Geistes gefunden zu haben. Und so noch öfters; sie lasen in dem prophetischen Buch, jedes für sich, und teilten einander ihre gefundene Deutung mit, die jedesmal übereinstimmend war, so dass sie in ihrer Überzeugung, dieses Resultat einer göttlichen Inspiration zuschreiben zu müssen, bestärkt wurden.

Längere Zeit behielten sie ihren Fund für sich, bis sie mit Rosamunde Juliane von Asseburg bekannt wurden, einem adeligen Fräulein aus einer in Thüringen begüterten Familie, geb. 1672. Auch diese behauptete schon frühe, Visionen und Offenbarungen zu haben. Ihr Ruf verbreitete sich, so dass auch Petersen davon Kunde erhielt. Es entstand ein Briefwechsel zwischen beiden, der bald zu persönlicher Bekanntschaft führte. Petersen und seine Gemahlin wurden dadurch in ihren scholastischen Ansichten bestärkt. Sie gaben eine Schrift heraus, in welcher sie lehrten, das tausendjährige Reich werde in nicht ferner Zeit mit der Wiederkunft Christi beginnen. Es würde dann in tausendjährigen Phasen das Menschengeschlecht zur Seligfeit kommen; die Lutheraner und Reformirten würden vereinigt. Auch der Teufel würde nach 30.000 Jahren in einen Engel verwandelt werden. Von da an sollte allenthalben Freude, Liebe und Herzensgüte sein.

1688 wurde Petersen Generalsuperintendent in Lüneburg. Hier trat er immer offener mit seinen apokalyptischen Ansichten hervor. Deshalb wurde er von seinen Gegnern denunziert und 1692 seines Amtes entsetzt. Von jetzt an war das Leben beider Ehegatten ein steter Kampf mit den Orthodoxen. Sie fanden Anhänger selbst an Fürstenhöfen, in den Schlössern der Adeligen und bei Stadtbehörden. Zuletzt lebten sie auf einem Gute in der Nähe von Zerbst. Eleonore starb 1724; Petersen 1729.

Zinzendorf verfasste ein Gedicht auf die Erstere:

Von ihren Meinungen, die sonderlich gewesen,
Hab‘ ich bis diesen Tag noch keinen Satz gelesen;
Was aber bauet ihr ein Denkmal bei uns auf?
Ihr eingekehrter Mensch mit sanftem stillen Geiste,
Damit sie unverrückt die Jesuliebe preiste,
Ihr vor der ganzen Welt untadelhafter Lauf.

Überhaupt urteilten die Genossen jener Zeit ganz anders wie wir über dergleichen apokalyptische Schwärmereien und Inspirationen. Spener konnte sich nicht dazu verstehen, solche absolut als ungöttlich zu verwerfen; wenn er sie auch nicht ohne Weiteres als göttlich und übernatürlich annehmen wollte. Am wenigsten wollte er sie als betrüglich und satanisch bezeichnen. Selbst Leibniz nahm Petersen in Schutz und verteidigte den sittlichen Charakter der Affeburg; er verglich ihre Visionen mit denen der Brigitta und Hildegard, von denen wir im ersten Teil geredet haben.

Beata Sturm

Beata Sturm, gewöhnlich die württembergische Tabea (Apostelg. 9,36) genannt, ist geboren am 17. Dezember 1682 zu Stuttgart. Schon in ihrem zehnten Jahre bekam sie an beiden Augen den Star und erlangte durch eine fünfmalige Operation nur ein notdürftiges Augenlicht. Ihr Vater, Joh. Heinr. Sturm, Oberjustizrat, war ein äußerst frommer Mann; er wurde Jahre lang als Geisel in französischer Gefangenschaft festgehalten. Ihre Mutter starb während seiner Abwesenheit, so dass eine alte herrschsüchtige, lieblose Magd dem jungen Mädchen das Leben verbittern konnte. Als ihr Vater 1709 gestorben war, führte Beata mit ihrem jüngeren Bruder die Haushaltung fort; hierauf fand sie bei einem Herzensfreunde ihres Vaters, dem Prälaten Esenwein zu Blaubeuren, ebenfalls zwei Jahre lang eine gastliche Aufnahme. Von 1713 bis zu ihrem Ende blieb sie bei ihrem älteren Bruder, Advokat und Sekretär der Landschaft in Stuttgart. Von Zeit zu Zeit musste sie zur Stärkung ihrer schwachen Augen eine Badekur brauchen. In ihrem, von ihr selbst verfassten kurzen Lebensabrisse sagte sie, wie ihr Taufname Beata, d. h. die Selige, ihr stets eine Aufmunterung zu einem frommen Wandel gewesen sei. Sie habe, obwohl von vortrefflichen Eltern geboren und erzogen, doch von Natur ein trotziges und verzagtes Herz gehabt, aber erst nach und nach durch die Gnade Gottes solches erkannt. Ihr Vater war ein Verehrer der heiligen Schrift, der sich sein hebräisches altes und sein griechisches neues Testament in bestimmte Abschnitte eingeteilt hatte, dass er die ganze Bibel in einem festgesetzten Zeitraume durchlas. Auch Beata befolgte diese Ordnung, so dass sie etliche dreißig Mal diese erbauliche Lektüre vollendete. Sie wurde auf diese Weise mit der ganzen Bibel so bekannt, dass sie nur den Anfang eines Abschnittes zu hören brauchte, und dann auswendig fortfahren konnte. Auch fehlte ihr nie ein passender Bibelspruch, wenn sie eines solchen zu ihrem Troste, zur Stärkung ihres Glaubens oder zum Kampfe wider die Versuchung bedurfte. Außer der Bibel las sie kein einziges Buch; sie meinte, bei ihren schwachen Augen, die sie nicht anstrengen dürfte, müsse sie ihre Lektüre auf das Notwendigste und Nützlichste beschränken. Nur später, als ihr Luthers Schriften geschenkt wurden, beschäftigte sie sich auch mit diesen und bekannte öfters, welche köstliche und kräftige Geistesnahrung sie aus denselben geschöpft habe. Dass sie eine eifrige Beterin war, versteht sich wohl nach dem Erwähnten von selbst. Das Abendmahl genoss sie, so oft ihr Herz Verlangen danach hatte, bisweilen alle Vierteljahr. Bei ihrer ängstlichen Gewissenhaftigkeit und bei ihrem ernsten Ringen nach Heiligung hatte sie oft innere Anfechtungen, dass sie sich einmal sogar für unwürdig hielt, das heilige Abendmahl zu genießen. Da fielen ihr die Worte ein aus Spr. Sal. 9,4.5: „Kommt, ihr Albernen, und esst von meinem Bissen“ und Joh. 6,37: „Wer zu mir kommt, den will ich nicht hinaus stoßen.“ So gewann sie wieder die verlorene Freudigkeit. Einige Male hatte sie selbst Anfechtungen zum Selbstmord, aber auch in solchen bösen Stunden gedachte sie an das Wort des Herrn: „Du sollst nicht töten“ und so wurde sie vor einer so schweren Sünde bewahrt.

Dass ihre Frömmigkeit nicht in einer kraftlosen Gefühlsschwelgerei und Schwärmerei bestand, zeigte ihr rastloser Wandel in der Liebe. Wir haben schon gehört, wie sie durch eine Magd ihres Vaters in ihrer Kindheit Viel zu leiden hatte. Niemals beklagte sie sich hierüber bei ihrem Vater, weil jene Magd diesem diente, was sie bei ihren blöden Augen nicht konnte. Nach ihres Vaters Tode kam die Person in ein anderes Haus. Beata machte sich Vorwürfe, dass sie die Kränkungen von Seiten derselben nicht mit mehr Liebe und Sanftmut ertragen habe. Sie fühlte sich durch ihr Herz getrieben, die Magd deshalb um Verzeihung zu bitten. Anfangs lachte diese über die vermeintliche Einfalt; denn sie musste sich sagen, dass sie nicht die Beleidigte, sondern die Beleidigerin gewesen sei. Doch bald darauf wurde auch ihr Herz von solcher Sanftmut und Demut ergriffen und sie tat alles Mögliche, um Beaten ihre Liebe zu beweisen. Als sie von einer ekelhaften Krankheit befallen wurde, dass Niemand um sie bleiben mochte, stand ihr Beata tröstend und helfend zur Seite, besuchte sie fleißig und vollendete ihre Bekehrung.

Überhaupt widmete Beata, so weit sie konnte, ihr ganzes Leben dem Dienste christlicher Samariterliebe. Sie ging umher, die Mühseligen und Beladenen aufzusuchen und zu erquicken. Sie besuchte die Hütten der Armen, das Lager der Kranken, insbesondere die Spitäler, um Trost und Hilfe zu bringen, geistliche und leibliche Speise, je nachdem die Leute derselben bedurften. Ihr väterliches Erbe an Kleidern und Schmuck verkaufte sie, damit sie Mittel erlange, Gutes zu tun. Sie selbst kleidete sich unter ihrem Stande, um desto besser Nackende kleiden zu können. Als sie einstens einer armen Frau Essen brachte und diese äußerte, wenn sie jetzt nur Jemand wüsste, der ihr ein altes Kleid zukommen ließe, in welchem sie sich auch nach einem Stück Brot umsehen könne, zog Beata alsbald ihr Oberkleid aus und schämte sich nicht, in dem Untergewand nach Hause zu gehen. Es war ihr vom Arzte verordnet worden, bei Tisch ein Glas Wein zu trinken; sie meinte, an einem halben habe sie auch genug, die andere Hälfte könne sie zur Labung von Kranken verwenden. Einstens wurden ihr so viele Unterstützungsbedürftige bekannt, dass ihr geringes Einkommen nicht hinreichte, Allen zu geben, wie sie wünschte; da ruhte sie nicht eher, bis ihr gestattet wurde, einige hundert Gulden ihres eben nicht großen Vermögens aufzukündigen und das Geld für die Armen zu verwenden. Wollten Leute Geld von ihr leihen, so schenkte sie ihnen lieber Etwas, weil sie wusste, dass die Schuldner leicht ihr Herz gegen die Gläubiger verschließen. An sich selbst dachte sie so wenig, dass sie öfters aus Mangel an Geld die Badekur für ihre Augen unterlassen musste; sie behauptete in solchem Falle, ihre Augen wären den Winter über so gestärkt worden, als wenn sie im Bade gewesen wäre. Wo sie nicht selbst helfen und geben konnte, da wusste sie die Herzen Anderer zu erwärmen.

Sie wollte ihren Mitmenschen dienen, aber Niemandem lästig werden; darum nahm sie für sich selbst, auch wenn sie in Not war, keine Geschenke an. Um nicht besser zu leben als so viele Tausende ihrer armen Mitmenschen, entzog sie sich dem Tische ihres Bruders und kochte für sich ganz einfach. Wurde ihr von irgend einer Seite besseres Essen geschickt, so brachte sie es den Armen und Kranken. Einmal kam sie selbst so in Not, dass sie zwei Tage lang Nichts zu essen hatte; sie klagte nicht, sondern freute sich, dass sie an sich selber erfahren habe, wie entsetzlich es sei, Hunger leiden zu müssen.

Erst nach und nach lernte sie, dass auch bei der Mildtätigkeit Vorsicht notwendig sei, um nicht selbst in Not zu geraten und um nicht durch die Freigiebigkeit an unwürdige und schlechte Personen mehr zu schaden als zu nützen. Manche schmerzliche Erfahrung diente dazu, ihr die Augen zu öffnen. Doch ihr Sinnen und Streben wurde dadurch nicht geändert. Von Herzen freute sie sich, wenn sich durch ihre Hilfe das Sprichwort bewährte: „Wo die Not am größten, da ist Gott am nächsten.“ Als ihr einstens Geld in die Hände kam, übergab sie einem Bekannten 25 Gulden, damit er solche einem frommen, aber in Armut lebenden Pfarrer einhändigen möge. Dem Pfarrer war gerade ein Kind gestorben und er war in der größten Verlegenheit, da er kein Geld hatte, dasselbe anständig beerdigen zu können. Während der Pfarrer also in doppelter Traurigkeit betete, kam der Bote und überbrachte das Geschenk. Das Jahr 1720 endete ihr gesegnetes, gottseliges Leben.

Margaretha Juliane Adelung.

M. J. Adelung war die Tochter von Wilhelm Barthold, Hofprediger der Herzogin von Württemberg zu Mömpelgard; sie verheiratete sich zuerst mit dem Prediger Fritsche zu Halbau in Schlesien, sodann in zweiter Ehe mit J. Paul Adelung, Pfarrer zu Schwanebeck bei Berlin. Bei den mancherlei Leiden, von denen sie heimgesucht wurde, namentlich Krankheiten der Ihrigen und ihrer eigenen Schwachheit, zeigte sie einen frommen, gottergebenen Sinn; sie starb am 21. November 1704. Von ihr heißt es in ihrer Lebensbeschreibung: „Alle, die sie näher kennen lernten, fanden in ihr eine aufrichtige Liebe Gottes und ihres Heilandes und eine Bereitwilligkeit, ihm durch Kreuz und Leid nachzufolgen. Ihren Eheherrn und ihre Kinder liebte sie herzlich und war um ihr zeitliches und ewiges Wohl stets bekümmert. Dem Geize war sie von Herzen gram und den Armen tat sie so viel Gutes, als sie nur konnte. Im täglichen Umgange hatte sie stets das im Auge, dass Andere durch sie und sie mit ihnen zur Liebe Gottes möchten ermuntert werden; daher auch aller Orten ihr Umgang gesegnet war.“

Sie hinterließ ihren Kindern schriftliche Ermahnungen zu einem gottseligen Leben. Aus den Ermahnungen an ihre Töchter teilen wir einige Stellen mit: „Weil ich spüre, dass ich euch bald verlassen werde und ihr alsdann vater- und mutterlose Waisen sein werdet, so habe ich meiner mütterlichen Pflicht ein Genüge tun und euch noch mit dieser Anrede zu Statten kommen wollen. Du, meine liebe Susette! weißt, was ich dir oft und viel gesagt. Ach, vergiss es nicht und nimm es wohl in Acht. Du hast von Natur ein stilles Gemüt empfangen; siehe zu, dass dasselbe durch die Heiligung in die rechte Ordnung gebracht wird. Merke fleißig auf das, was dir schädlich werden will. Seufze und streite dawider in der Kraft Gottes. Muntere dein Gemüt täglich auf mit guten Betrachtungen und bedenke, dass dich der liebe Gott fleißig und getreu in deinem Berufe haben will, dass er auf dein Tun genau Achtung gibt und dass du Rechenschaft geben musst von Allem, was er dir anvertraut hat. Liebes Kind! die Zeit ist teuer; kaufe sie wohl aus. Verliere nicht einen Augenblick. Sei willig, dienstfertig, gehorsam, freundlich gegen Alle, mit denen du zu tun hast, ohne Leichtsinn. Insbesondere bitte ich dich, hüte dich vor vertraulichem Umgang mit Mannspersonen. Meide ihn, so viel du kannst. Bedenke, wie gefährlich es ist, mit ihnen umzugehen, und wie leicht dein Herz berückt werden könnte. Schenke deine Liebe Jesu, dem Liebenswürdigsten, der allein treu und wahrhaftig ist und dich hier und dort ewig glücklich machen kann. Du bist Zeuge gewesen des Leidens, das ich habe ausstehen müssen. Der Herr weiß es; er hat es tragen helfen. Es ist wahr, dass ich an eurem Vater einen frommen, liebreichen und treuen Mann gehabt. Allein mein Ehestand war doch ein Wehestand. Was habe ich für Kreuz, Leid und Ungemach erduldet, die ich im ledigen Stande nicht gehabt hätte. So ist doch bei dem größten Glücke viel schweres Leiden. Darum, weil ich die Last so schwer gefunden, die dich gewiss nicht weniger drücken würde, wofern du in den Ehestand trätest, so wollte ich dich gerne verschont wissen und dich warnen, dass du die Menschen wollest fahren lassen. Opfere dich dagegen Gott mit Leib und Seele und diene ihm in keuscher Liebe. Halte dich gering in Kleidung, mäßig im Essen und Trinken, demütig in Gebärden, abgeschieden von Menschen. Suche, was droben ist, nicht, was irdisch und vergänglich ist. Erwähle mit Maria das beste Teil. Bleibe in täglicher Erneuerung eine Jungfrau, die dem Lamme nachfolgt. Der Herr gebe dir ein gläubiges, keusches Herz!“

„Und du, Gretchen! meine jüngste Tochter, wache ja über dein Herz. Lass dasselbe nicht ausschweifen, wirf dich in die Arme Jesu und bitte, dass er deine Seele stillen möge, damit du nicht von ihm entwöhnt werdest. Siehe beständig auf dein Inwendiges und lass den Begierden des Herzens nicht Raum. Wirf deine Augen nicht hin und her und lass dein Gemüt nicht in die Eitelkeit der Welt ausflattern. Ach, mein Kind! nimm dich wohl in Acht und hüte dich vor aller Verführung. Folge nicht, wenn man dich zum Bösen leitet. Meide alle Weltlust; denn sie ist die Türe zum Abgrund. Betrübe nicht den heiligen Geist, der in der Taufe über dich ausgegossen ist. Tue deinen armen Eltern nicht Schande auf Erden. Du bist eines frommen Vaters Tochter; darum sei behutsam in deinem Wandel. Bitte Gott ohne Unterlass um die Regierung des heiligen Geistes. Dämpfe dein hitziges Gemüt mit Fasten, Beten, Wachen und Arbeiten.“

„Liebe Kinder! Ich hinterlasse euch nicht viel Geld und Gut, aber dennoch einen großen Segen; denn das Wenige, das ihr finden werdet, ist ein lauteres Geschenk des lieben Gottes. Es ist Wenig in den Augen des Geizhalses, aber Viel vor meinen Augen und vor meinem Herzen. Es ist Viel, ja vielleicht Mehr, als ich mir noch einbilden kann, denn den verborgenen Segen, der daran ist, kann ich jetzt nicht sehen, aber ich wünsche, dass ihr ihn nicht von euch stoßt“ usw.

Anna Maria Gerhard.

Der berühmte Paul Gerhard, dem wir das Lied: „Befiehl du deine Wege“ und so viele andere geistliche Lieder verdanken, erhielt erst in seinem 45. Lebensjahre eine Anstellung zu Mittenwalde, 4 Meilen von Berlin. Er heiratete Anna Maria Berthold, die Tochter eines Advokaten zu Berlin. Wes Geistes Kind sie war, sehen wir aus ihren Aufzeichnungen in der Familienbibel, wovon wir Einiges mitteilen wollen.

Am Sonntage Kantate, den 19. Mai 1622, ward ich geboren. Es sei denn, dass Jemand geboren werde aus dem Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch (Joh. 3,5.6.). Herr, zu mir komme dein Reich.

Am Dienstage, den 21. Mai, ward ich durch die Taufe meinem Herrn Jesu Christi zugeführt. Ihr seid alle Gottes Kinder durch den Glauben an Christum Jesum. Denn wie viel euerer getauft sind, die haben den Herrn Jesum angezogen (Gal. 3,26.27.). Herr, lass mich dein Kind sein!

Am 11. Febr. 1655. Der ehrwürdige Herr Probst Vehr segnet in meines Vaters Hause den Bund meines Herzens mit meinem lieben Paul Gerhardt ein. – Freut euch, seid vollkommen, tröstet euch, habt einerlei Sinn, seid friedsam, so wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein (2. Kor. 13,11.).

Am 14. Januar 1657. Unser Kind, Maria Elisabetha, stirbt, kaum acht Monate alt. Herr, warum nimmst du mir meiner Augen Lust und meines Herzens Freude? Doch ich will nicht klagen und weinen. Schlaf wohl, mein Kind, in deinem Ruhebettlein! Wenig und böse war die Zeit deines Lebens, du lieber, flüchtiger Gast auf Erden! Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, der Name des Herrn sei gelobt! (Hiob 1,21.)

Am 12. Januar 1658. Unser zweites Kind, Anna Katharina, wird geboren. So hast du, Herr! die Wunden wieder geheilt, die du geschlagen hast. Ach! segne uns dies Kind, dass es dir wohlgefällig ist. Es ist vor eurem Vater im Himmel nicht der Wille, dass Jemand von diesen Kleinen verloren werde. (Matth. 18,24.)

Am 25. März 1659. Unsere Anna Katharina ist in ihr Ruhekämmerlein getragen. Ach, soll ich denn sein, wie Eine, die ihrer Kinder beraubt wird? Warum, Herr! züchtigst Du mich so sehr? Wie habe ich’s verschuldet, dass du auch diese Freude in Herzeleid verwandelst? Mein Gerhard tröstet mich: Das Kind ist nicht gestorben, sondern es schläft! Ja wohl, es schläft, aber so, dass es die Mutterstimme nicht aufwecken kann. Ich weiß, Herr, du hast Macht, zu tun mit dem Deinen, was du willst, aber lass mich weinen und klagen. (Lasset die Kindlein zu mir kommen usw. Mark. 10,14.)

Ähnlich bei dem Verlust ihres dritten und ihres fünften Kindes; dieselbe Glaubenstreue bei sonstigen Heimsuchungen.

Am 6. Februar 1666. Mein lieber Herr ist heute seines Amtes entsetzt worden. Auch diese Prüfung noch! Meine Kraft ist schwach; aber der Herr weiß, wie viel ich noch tragen kann. Halte du aus, mein Gerhard! schäme dich des Evangelii von Christo nicht und lege immerdar ein gutes Zeugnis ab vor vielen Zeugen. Ich folge dir ins Elend, in die Wüste, in Not und Tod. Fürchte dich nicht vor denen, die wohl den Leib töten, aber die Seele nicht mögen töten. Bleibe treu, sieh nicht auf mich und unser Kind; ohne Gottes Willen fällt ja kein Sperling vom Dache – wir werden nicht Hungers sterben. Halt‘ aus, mein Gerhard! bis du gekommen bist zu dem Berge Zion, zu dem himmlischen Jerusalem, zu der Menge vieler Tausend Engel und zu der Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel angeschrieben sind usw. Gott segne dich, mein Gerhard! Jetzt fühle ich, wie groß du bist und wie gering ich bin, deine arme Magd.

Am 29. Februar 1668. Ein unheimlicher Hauch geht durch meine Glieder, der mich von hier erkältet. Es wird wohl der Bote sein, der mich abruft. Soll es also sein, Herr! so gib, dass ich die Schwachheit meines Herzens besiege. Dir befehle ich mein einziges Kind, das du mir armen, sündigen Magd aus großer Gnade gelassen hast. In deine Hände befehle ich Seele und Leib!

Ihre Todesahnung täuschte sie nicht. Bei ihrem Begräbnis bewies die allgemeine Teilnahme, welche große Liebe und Achtung sie bei ihren Mitbürgern genossen hatte.

Sibylle Matthesius.

Sibylle Matthesius, geborene Richter, Ehefrau des bekannten Bergmannspredigers in Joachimsthal, Johann Matthesius, welcher Predigten über Luthers Leben gehalten hat. Dieser ihr Gatte sagte nach ihrem Tode zu seinen Kindern: „Eure liebe Mutter hat dies Zeugnis männiglich in dieser Gemeinde, auch bei mir und ihrem Beichtvater hinter sich gelassen, dass sie eine gottesfürchtige, gläubige und christliche Matrone ist gewesen, die den Sohn Gottes, sein Wort und seine Diener lieb und wert gehalten. Ihr wisst, dass sie keine Predigt versäumt und allezeit ihr Psalterlein mit zur Kirche getragen und daheim sehr gerne gelesen hat. O, wie eine fleißige Zuhörerin war sie! Darum sie auch allemal den Text, den man auslegte, vor sich hatte. Die ganze Bibel hat sie ihrem Mann nach Tische dreimal fein deutlich gelesen. Dabei blieb sie stets in Demut dessen eingedenk, dass der Mann des Weibes Haupt ist. Sie war liebreich, freundlich, holdselig gegen Jedermann. Nie hörte man ein unschön, unfreundlich Wort von ihr, oder sah eine übelstehende Gebärde. Nie ist sie uneins mit mir geworden; sie hat nur zu Glimpf und Sühne helfen reden, ist verschwiegen, pünktlich und reinlich gewesen und meine treue Schatzmeisterin. War ich in Nöten und Betrübnis, so tröstete sie mich mit Gottes Wort und riet mir, dass ich ja Nichts wider das Gewissen tun solle. Sie war willig und bereit, mit mir bis an der Welt Ende zu ziehen, so es in die Not erforderte. Einmal, da es mit meiner Stellung in Joachimsthal sehr übel stand, tröstete sie mich: „Seid getrost, lieber Hauswirt; ich will über Berg und Tal mit Euch; man wird uns unseres Herrn Gottes Land wohl nicht können verbieten. Denn die Erd‘ ist des Herrn und was darin ist. Er wird uns kraft seiner Verheißung nicht Waisen lassen, sondern schon ein Hüttchen und Örtlein geben. Tut was recht ist; um meinetwillen handelt bei Leib nicht wider Euer Gewissen!“„

Sie erfreute ihren Gatten mit sieben Kindern, darunter waren vier Söhne. Einer von diesen hatte eine abschreckende Hafenscharte und aufgespaltenen Gaumen mit auf die Welt gebracht. Als die Mutter dieses Kind sah, war sie natürlich sehr erschrocken und betrübt; doch tröstete sie sich alsbald und sagte: „Am jüngsten Tage wird dies Alles heilen, wenn Christus uns von allem Jammer und Herzeleid erlösen wird.“

Das Eheglück hatte nun etwa zehn Jahre gewährt, als Sibylle zu kränkeln anfing und sich immer mehr mit dem Gedanken an den Tod befreundete. Sie tröstete ihren trauernden Gatten: „Wie stellt Ihr Euch also? Haben nicht Eure guten Freunde auch ihre liebsten Hausfrauen zu Gott wieder heimgehen lassen und die sind unverloren. Ihr werdet mich auch wieder finden.“

Sidonie Borke

Einen minder glücklichen Ausgang hatte das Liebesverhältnis zwischen Sidonie Borke (geb. 1540) und dem jungen Herzog Ernst von Pommern-Wolgast. Sidonie stammte aus einem alten pommerschen Adelsgeschlecht, und meinte auch, zu etwas Höherem berufen zu sein. Mit der ihr eigentümlichen Heftigkeit erwiderte sie die Liebe des jungen Fürsten; sie träumte von einer schönen Zukunft, wenn sie an dessen Seite den Thron besteigen würde. Als aber der alte Herzog von dem Verhältnisse seines Sohnes zu Sidonie Kunde erhielt, sprach er mit aller Entschiedenheit zu demselben: „Nur einer Prinzessin gehört deine Hand; der Umgang mit dem nicht ebenbürtigen Mädchen muss aufhören. Ist derselbe edel, so führt er Euch ins Verderben; ist er schlecht, so taugt er ebenfalls nichts.“ Ernst wagte nicht, seinem strengen Vater zu widersprechen; er entsagte seiner Verbindung mit der Geliebten. Diese, leidenschaftlich wie sie war, überhäufte den Wortbrüchigen mit den heftigsten Vorwürfen. „Geht hin,“ sprach sie, „und lebt mit der Euch zugeführten Gattin, so gut Ihr könnt. Ihr werdet kinderlos sterben, wie ich.“ Sidonia ließ sich alsbald in das protestantische Fräuleinstift Marienfließ aufnehmen. Hier lebte sie bis an ihr 80. Jahr; sie bekleidete längere Zeit die Würde einer Oberin, und erlebte, dass ihre Weissagung bei dem Herzog in Erfüllung ging; er starb, ohne einen Erben zu hinterlassen. Durch ihr stolzes, hochfahrendes Wesen zog sie sich die Feindschaft ihrer Umgebung zu. Gerne benutzten die andern Glieder des Stiftes jede sich darbietende Gelegenheit, die alte Frau ins Verderben zu stürzen. Man wusste es, dass sie öfters mit Zigeunern verkehrte und dass sie sich gegen den Hexenglauben als gegen eine bedauernswerte Verirrung aussprach. Als eine Zigeunerfrau als Hexe ergriffen und auf die Folter gebracht wurde, gab sie Sidonie als Mitschuldige an. Diese beteuerte ihre Unschuld, bekannte aber auf der Folterbank Alles, was man haben wollte. So wurde sie 1610 vor dem Mühlentor zu Stettin enthauptet und hierauf verbrannt.

Philippine Welser

Doch finden wir einige Frauen niederen Standes in rechtmäßiger Ehe mit Fürsten verheiratet. Die bekannteste darunter ist Philippine Welser, eine Augsburger Patrizier-Tochter. Von ihrer Familie singt ein deutscher Dichter (Theodor Hell):

Rühmlich mit erworbenen Schätzen
Pranget das Geschlecht der Welser
Unter Augsburgs Edelbürgern,
Und es wehten seine Flaggen
Werbend in den fernen Meeren,
Und hin nach Venezuela
Ließ sie Karl der Fünfte segeln,
Dass sie dort die weite, reiche
Pfandverliehene Länderstrecke,
Mit der Waffen Macht besetzten;
Und es schifften sich die Deutschen,
Nahe an fünfhundert Männer,
Ein für diese Unternehmung;
Kamen, stritten, überwanden
In Amerikas Gefilden
Stolze Reich‘ am Meergestade.

Ein besonderes Kleinod dieser Familie war um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts Philippine Welser((Die Welser gehörten damals zu den reichsten Familien Deutschlands. Bartholomäus Welser, zur Zeit Karls V., ließ acht ausgerüstete bewaffnete Schiffe auf dem Meere gehen und konnte dem Kaiser noch zwölf Tonnen Goldes leihen.)), geboren 1530, mit den herrlichsten Gaben des Geistes und Herzens ausgestattet. Im Herbste 1547 hielt der Kaiser einen Reichstag zu Augsburg, auf dem viele Fürsten versammelt waren; auch der jugendliche Neffe des Kaisers, Ferdinand, ein Sohn des Königs Ferdinand, befand sich unter den Anwesenden. Er sah die Perle von Augsburgs Töchtern und wurde von Liebe zu ihr gefesselt, so dass er seine Gefühle nicht verbergen konnte; auch fand er Gegenliebe. Wiewohl er den Zorn seines Vaters zu fürchten hatte, ließ er sich doch die schöne Augsburgerin, welche jede andere Verbindung verweigerte, 1550 durch priesterlichen Segen als Gattin vermählen. Der Vater war, wie der Kaiser, über die Missheirat höchst erzürnt. Ferdinand sollte verstoßen und enterbt werden, wenigstens musste er den Hof verlassen und durfte weder allein, noch mit seiner Gemahlin daselbst erscheinen. Häusliches Glück, gegründet auf innige, gegenseitige Liebe, entschädigte Beide. Wer Gelegenheit hatte, Philippine näher kennen zu lernen, musste sie lieb gewinnen; so tadellos hielt sie sich in jeder Beziehung. Selbst der erzürnte Schwiegervater konnte am Ende der Liebenswürdigkeit derselben nicht widerstehen. 1558, als Ferdinand, nun auf den Kaiserthron erhoben, sich zu Prag befand, überreichte ihm Philippine in verhüllter Gestalt fußfällig eine Bittschrift, in welcher, ohne Nennung der Namen, ihr Verhältnis geschildert wurde. Ferdinand bewunderte die Anmut, Sittsamkeit und Schönheit der Unbekannten, und da er erfuhr, wer sie wäre, verzieh er seinem Sohne und erkannte im September 1561 die Ehe als rechtsgültig an; doch sollten, die aus derselben entsprossenen Söhne nur Markgrafen von Burgau, nicht Erzherzöge von Österreich genannt werden; aber nach dem Aussterben des österreichischen Mannsstammes sollten sie in allen Erblanden – Böhmen und Ungarn ausgenommen – erbberechtigt sein. Vorerst bekam Ferdinand Tirol und Vorderösterreich zur Regierung übergeben. Er führte auf dem reizenden Ambras bei Innsbruck ein glückliches Leben, vom ganzen Volke mit seiner Gemahlin geehrt und geliebt. Beide sorgten auch für das Wohl ihrer Untertanen, namentlich in dem Hungerjahre 1570. Sie ließen eine Menge Getreide aufkaufen und billig wieder verkaufen. Philippine hatte eine eigene Kasse für arme und dürftige Leute und teilte fleißig und reichlich Almosen aus; auch zeigte sie eine große Liebe zu den Wissenschaften und Künsten. Sie starb 1580 zu Innsbruck in einem Alter von 50 Jahren. Ferdinand ehrte ihr Andenken dadurch, dass er eine Münze mit ihrem Bildnis und der Umschrift: Divinae Philippinae (der göttlichen Philippine) prägen ließ.