Otto, Apostel der Pommern.

In der Kirche des Klosters Michelsberg zu Bamberg befindet sich ein Denkmal mit dem in Stein gehauenen Bildnisse des Bischofs Otto I. von Bamberg. Das edle Haupt mit der hohen, ernsten Stirne und den milden, frommen Zügen macht auf den sinnigen Beschauer einen bedeutenden Eindruck. Als diese Kirche vor vielen Jahren durch eine Feuersbrunst zerstört wurde, blieben nur der Hochaltar und Otto’s Denkmal unverletzt. Und ob es damals auch in Trümmer gefallen wäre, die Jahrbücher des Bisthums Bamberg, das über ein Menschenalter von Otto’s Hirtenstab geweidet, zu großer lange noch dauernder Blüthe sich erhob, würden sein Gedächtniß der Nachwelt erhalten haben. Ja selbst, schwiege Bamberg über einen seiner treuesten Hirten, – als Apostel der Pommern hat Otto selbst sich ein lebendiges unvertilgbares Denkmal errichtet.

Otto gehörte zu dem hervorragenden Menschen, die gleichsam aus einem Guß, von einem großen Gedanken begeistert, der Verwirklichung desselben alle Kräfte ihres Lebens widmen. Und der große Gedanke, der ihn bis an’s Ende beseelte, war die Befestigung und Ausbreitung der Kirche des Herrn, die Verklärung Christi in den Herzen der Menschen. Otto’s Leben fällt in jene Zeit, in welcher die vom Papste Gregor VII. ausgegangene Bewegung noch in mächtigen Schwingungen fortwirkte. Er theilte mit den bedeutendsten Kirchenhäuptern seiner Zeit die klare und lebendige Ueberzeugung von der erhabenen Bestimmung der Kirche, mit ihrem Heile die Welt zu überwinden (1. Joh. 5,4.). In seinem rastlosen Streben für die Verwirklichung dieser großen Aufgabe darf er Zeitgenossen, wie Bernhard von Clairvaux, Anselm von Canterbury und Norbert von Magdeburg würdig an die Seite gestellt werden.

Otto wurde in der ehemaligen Grafschaft Bregenz um das Jahr 1069 geboren, der jüngere Sohn des reichsfreien Otto und der Adelheid von Mistelbach. Der früh verwaisete, mittellose Knabe empfing seinen ersten Unterricht in einer Klosterschule. Die Hand der Vorsehung führte den Jüngling nach Polen, wo er bei bedeutenden Familien, deren Söhne er unterrichtete, durch Frömmigkeit und Treue, Gewandtheit und Bescheidenheit hohe Achtung gewann. Sie bahnte ihm den Weg an den Hof Herzog Wladislav Hermann II., der ihn zu seinem Kaplan und Geheimschreiber ernannte. Mit des Herzogs Vertrauen beschenkt, vermittelte er dessen zweite Verheirathung mit Sophia, Kaiser Heinrich’s IV. verwittweten Schwester. Er sah den Kaiser an dessen Hoflager zu Bamberg, späterhin öfter in anderen Geschäften. Bald gewann ihn Heinrich IV. so lieb, daß er ihn an seinen Hof in dieselben Aemter berief, die er bei Herzog Wladislav mit so vieler Treue verwaltet. Was aber den Kaiser vornämlich an ihn fesselte, – es spricht für Beide, es war die innige Vertrautheit Otto’s mit der Schrift, besonders mit dem Psalter, den der vielgeprüfte Kaiser vorzüglich werth hielt.

So kam Otto, den Winken Gottes folgend, in die Verbindungen, die ihn später, ohne sein Suchen, auf den bischöflichen Stuhl Bambergs und über Polen als Missionar nach Pommern führten.

Bei seinem Abschiede aus Polen reichlich beschenkt, begann Otto schon damals in größerem Maßstabe die Werke der Bruderliebe (Matth. 25, 34-40.), die sein ganzes Leben auszeichnen; er stiftete in Würzburg ein Spital für arme Reisende. Bei der Vollendung der Domkirche zu Spei er, mit welcher der Kaiser ihn beauftragte, zeigte Otto zuerst die Liebe zu dem edlen romanischen Baustyl, in welchem er später als Bischof so viele schöne kirchliche Bauwerke schuf. Die glückliche Vollführung jenes Auftrages führte ihn zur Würde des kaiserlichen Kanzlers und Siegelbewahrers, und schon jetzt stand ihm die Wahl zwischen den erledigten Bisthümern Augsburg oder Halberstadt frei.

Da starb im Jahre 1102 Bischof Rupert von Bamberg. Wem wird Heinrich IV. Ring und Stab dieses von seinen Vorgängern mit so vieler Liebe ausgezeichneten Bisthums anvertrauen? Der Kaiser bescheidet Bambergs geistliche und weltliche Vorstände zum heiligen Christfest nach Mainz. Am Sonntage vor Weihnachten strömt die gläubige Menge in die Kirche des Klosters Michelsberg zu Bamberg, von dem Herrn sich einen würdigen Bischof zu erflehen; da empfängt zu Mainz der Kaiser die Abgeordneten Bambergs. „Viele Hohe von Geburt strebten nach eurem Bisthum, ich aber wollte dasselbe nur einem Mann verleihen, der sich durch Eifer für die Kirche und Weisheit, durch frommen Wandel und Regierungsgabe auszeichnet.“ Er ruft seinen Kanzler und belehnt ihn mit Ring und Stab. Und als Otto seine Unwürdigkeit bekennt, Beringer von Sulzbach aber, einer der Bambergischen Abgeordneten sein Erstaunen äußert, daß die Wahl einen Mann von so unbekannter Herkunft getroffen; da spricht der Kaiser das kräftige Wort: „Ich will es, ich bin sein Vater, Bamberg soll seine Mutter sein, dies Bisthum ist ihm von der Vorsehung bestimmt.“

Am 2. Februar 1103 hielt Otto, begleitet von mehreren Bischöfen und anderen geistlichen und weltlichen Großen seinen feierlichen Einzug in Bamberg. Alles begrüßt ihn mit hoher Freude, er aber steigt beim Eingange der Stadt vom Rosse, zieht die Schuhe ab (2 Mos. 3, 5.) und wandert an dem scharfen Wintertage über hochliegenden Schnee barfuß in die Domkirche zur Uebernahme des Bisthums.

Es war für ihn ein schwerer Gang, nicht blos, weil er seine Unwürdigkeit aufrichtig fühlte; auch Gewissensunruhe beschwerte sein Herz wegen des Streites über die Belehnung der Bischöfe mit Ring und Stab, der zwischen dem Kaiser und dem Papste herrschte. Mit den meisten Geistlichen seiner Zeit von ernsterer Richtung billigte er die Grundsatze der gregorianischen Kirchenlenkung, und betrachtete sich deshalb nicht eher als wirklichen Bischof von Bamberg, als bis er drei Jahre später in Rom vom Papste PaschaIis II. die Weihe und oberbischöfliche Bestätigung empfangen hatte. Inzwischen war (1106) der unglückliche Heinrich IV. gestorben, und hatte den Kampf mit dem Papste auf seinen Sohn und Nachfolger Heinrich V. vererbt. Und es war gewiß eine schöne Frucht der Friedensliebe (Röm. 12, 18) und Klugheit (Matth. 10,16.) des Bischofs Otto, daß er ohne Verläugnung seiner Grundsätze mit dem Papste und Kaiser zugleich zum Wohle seines Sprengels und zur Förderung seiner Unternehmungen fast immer in gutem Verhältniß blieb.

Otto war eine reich begabte Persönlichkeit. Von hoher, edler Gestalt und einnehmenden Sitten, trug seine Erscheinung bei allem Ernste, der in seinem Wesen lag, das Gepräge herzlicher Demuth und einer tiefen Milde, die ihm bald die Herzen gewann. Sie mäßigte seinen glühenden Eifer für die Kirche, und den kühnen Muth, der ihn mehrmals dem Märtyrertode nahe brachte. Oft, wenn seine Umgebung die Standhaftigkeit verlor, stand er besonnen inmitten der ihn umgebenden Gefahren, und flößte durch seine ruhige Würde den Zagenden neues Vertrauen ein. Was ihm an umfassender Gelehrsamkeit fehlte, ersetzte er durch hervorragende praktische Tüchtigkeit und einen reichen Schatz an Erfahrung. Als Bischof zeichnete er sich aus durch seinen Eifer für den Religionsunterricht des Volkes in der Landessprache, und er selbst besaß in hohem Grade die Gabe, volkstümlich zu predigen. Gegen Andere überaus mildthätig und leutselig, in seinem eignen Leben höchst einfach, übte er gegen sich selbst eine große Strenge, und beschränkte seine Bedürfnisse bis auf das Unentbehrlichste. Durch solche Entsagung und eine haushälterische Sparsamkeit gelang es ihm, die reichen Einkünfte des Bisthums und die vielen, ihm zufließenden Geschenke fast ausschließlich im Dienste seines. Heilandes und der Kirche zu verwenden, und so große Unternehmungen durchzuführen, die den Ruf seiner Frömmigkeit unter seinen Zeitgenossen weit verbreitet und der Nachwelt überliefert haben.

Das Wort Christi: „Arme habt ihr allezeit bei euch“ schwebte seinem mildthätigen Herzen beständig vor. Einst, während der Fasten brachte man ihm einen sehr theuren Fisch zur Tafel. „Fern sei es, sprach er zu seinem Haushalter, daß der elende Otto heute allein so viel Geld verzehren sollte. Bring diesen kostbaren Fisch meinem Herrn Christus (Matth. 25, 40.), welcher mir theurer sein muß, als ich mir selbst bin. Bring ihn demselben, wo du Einen auf dem Krankenlager findest. Mir, als einem Gesunden, ist mein Brot genug.“ Zu einer anderen Zeit ward ihm ein köstlicher Pelz zum Geschenk gesendet. „Ich will die kostbare Gabe so gut aufbewahren, rief der Bischof, daß keine Diebe sie stehlen und keine Motten sie verzehren können“ (Matth, 6, 20.), und warf den Pelz einem armen, gichtbrüchigen Mann um.

Seine Fürsorge für die Armen seines Sprengels ging so weit, daß er von allen einzelnen Kranken in Bamberg, ihren Leiden und sonstigen Umständen ein genaues Verzeichniß hielt, um so für die besonderen Bedürfnisse jedes Einzelnen sorgen zu können. Das war kirchliche Armenpflege um Christi willen, aus deren Verfall die meisten Uebel unserer Zeit entstanden sind, und deren Wiederherstellung eine dringende Forderung unserer Tage ist. Otto beförderte auch insbesondere die Ausbreitung des Benedictiner-Ordens, der sich zur Zeit seiner Blüthe so hohe Verdienste um die Unterweisung der Jugend, um die Erhaltung der wissenschaftlichen Schätze des Alterthums erworben hat. Besonders trug er die schön gelegene Benedictiner-Abtei Michelsberg zu Bamberg auf. dem Herzen, die er zu einer Musteranstalt klösterlicher Zucht erhob. Unter den vielen Kirchen und Klöstern, die er theils neu erbauen, theils wiederherstellen ließ, nennen wir hier nur die Domkirche in Bamberg, welche noch heute in ihrer Einfachheit, Zierlichkeit und Stärke von Otto’s Baukenntniß und kirchlicher Kunstliebe zeugt.

So wirkte Otto, ein rechter Bischof, segensreich für die ihm anvertraute Heerde, als ihm der Erzhirte Christus noch ein weiteres Feld kirchlicher Thätigkeit anwies. Von Herzog Boleslav III. von Polen, dem Sohne Wladislav Hermann II., erging die dringende Einladung an den Bischof, die noch heidnischen, damals unter Polens Oberhoheit stehenden Pommern für die Kirche Christi zu gewinnen. Die Jugenderinnerung an den Freund seines Vaters hatte den Herzog auf den rechten Mann gelenkt. Am Schlüsse des Bamberger Reichstages im Frühling 1124 eröffnete Otto dem Kaiser und den versammelten Großen seinen Entschluß, nach bereits vom Papste empfangener Ermächtigung die Mission für die heidnischen Pommern zu übernehmen. Er rüstet sich zur Reise, er wählt als Begleiter den talentvollen Sefrid und fünf andere Geistliche, sorgt umsichtig und rastlos für alle Reisebedürfnisse, auch für Meßgewänder, Bücher, Kelche und andere Kirchengerathe. Er kauft zu Geschenken für die Pommern seine Tücher und andere kostbare Gegenstände; denn er will durch Freigebigkeit den Verdacht entfernen, der früheren Missionaren in jenem Lande geschadet, als suche er nicht die Pommern, sondern das Ihre (2 Cor. 2, 14.). Er übergiebt die Leitung des Bisthums dem Abte Hermann von Michelsberg, und tritt die für jene Zeit große, beschwerliche und gefahrvolle Reise an.

Der Ruf seiner Frömmigkeit, ausgezeichneter Gaben und Wohlthätigkeit ging ihm vorauf. Wo er rastete, strömte die gläubige Menge zusammen, um den verehrten Bischof zu sehen, der alle Herrlichkeit seines berühmten Sitzes verließ, mm sie mit dem Dornenwege des Missionars zu vertauschen. In den Sprengeln anderer Bischöfe verlangt man von ihm die Einweihung neuer Kirchen, das Sakrament der Firmung. Sein Zug geht über den Böhmerwald nach Prag. Hier empfängt ihn Bischof Meginhard in feierlicher Versammlung des Volkes und der Geistlichkeit und lange hat die Ueberlieferung den Tag seiner dortigen Anwesenheit aufbewahrt. Ueber das Glatzer Gebirge gelangt er, an der Gränze von Abgeordneten Boleslaus III. empfangen, nach dem damals polnischen Breslau. Von dort erreicht er Posen. Zahllos hat sich das Volk versammelt, und nimmt mehrere Wochen die Werke seines Hirtenamts in Anspruch. Barfuß kommt ihm bei seiner Annäherung an Polens Hauptstadt, Gnesen, der Herzog, die Geistlichkeit, das Volk entgegen, und bittet um seinen Segen und das Sakrament der Firmung. Er hält seinen Einzug in die Hauptkirche zu St. Jakob, wo die Gebeine des heiligen Adalbert, des Märtyrers unter den Preußen ruhen. Bereit, ihm nachzufolgen, fleht er den Herrn mit der Gemeinde an um das Gelingen seines Werkes. Nach einer mühevollen Reise, auf ungebahnten Wegen, durch sumpfige und waldige Gegenden gelangt Otto endlich an die Gränze von Pommern, zu dem Schlosse Uscz an der Netze. Hier ist die erste Zusammenkunft mit dem Herzoge des Landes, Wartislav, der durch des Bischofs Leutseligkeit gewonnen, den Boten des Heiles willkommen heißt.

Die Thüre war aufgethan, und freudigen Muthes zog der Apostel mit seinen Gefährten in das südöstliche Pommern ein. Bei Pyritz hatte ein heidnisches Fest Tausende versammelt. Hier errang Otto’s Verkündigung des Herrn den ersten Sieg. Viele meldeten sich zur Taufe. Der Bischof und die Priester seiner Begleitung widmeten sich mehrere Tage dem ersten Unterrichte und am 15. Juni 1124 taufte Otto zuerst die Pommern aus jener Quelle, welche noch heute, von uralten Linden umgeben, den Namen des Ottobrunnens tragt, und durch König Friedrich Wilhelm III. 1824 mit einem sinnigen Denkmal geschmückt ward.

An dieser Quelle predigte auch Gützlaff, der neuere Apostel China’s, dessen Geburtsstadt Pyritz ist, im Sommer 1850 das Wort des Lebens seinen ehemaligen Landsleuten, die, wie einst bei Otto’s Aufenthalt, zu mehreren Tausenden herbeigekommen waren, gedachte der Segnungen, die von hier aus über Pommern einst ausgegossen wurden, und ermunterte zum Gebete für die Heiden, denen der Brunnen des Heils noch nicht eröffnet ist.

Otto ließ in Pyritz einen Altar errichten, stellte einen Priester an und brach nach einer kraftvollen Abschiedspredigt gen Cammin auf. In dieser damaligen Residenz Wartislavs, dem späteren Sitze der Bischöfe von Pommern, hatte bereits Haila, die christliche Gemahlin des Herzogs, dem Boten des Heils vorgearbeitet. Vierzig Tage reichten kaum hin, den vielen zum Unterrichte und zur Taufe sich Meldenden das Sacrament zu ertheilen. Der Herzog entsagte der Vielweiberei und Otto konnte den Grund zur ersten Kirche für Pommern legen. Ungünstiger war seine Aufnahme in Wollin (Julin), Otto selbst war dem Märtyrertode nahe und mußte unverrichteter Sache nach Stettin, der wichtigsten Stadt des Landes, sich einschiffen. Auch hier Anfangs wenig Geneigtheit für die Annahme des Evangeliums. Allein Otto’s glühender Eifer erkaltete nicht, er verkündigte häufig auf dem Markte das Wort, er predigte durch seine ehrfurchtgebietende Persönlichkeit, durch Werke der Barmherzigkeit, er nahm sich besonders des Unterrichts der Jugend an; auch äußere Umstände wirkten ein. Und als der Bischof nach fünfmonatlichem Aufenthalte Stettin verließ, waren die heidnischen Tempel, Bildsäulen, Gesellschaftshäuser zerstört, die Mehrzahl der Einwohner getauft, zwei Kirchen gegründet, mit Priestern versehen. Jetzt nahmen die Wolliner den Apostel mit willigeren Herzen auf, so daß er hier die Erbauung zweier Kirchen anordnen, ja, den Gedanken fassen konnte, daselbst ein Bisthum zu errichten. Nachdem er noch zu Gollnow, Belgard, Naugard, Colberg das Wort des Herrn gepredigt und den Grund zu christlichen Kirchen gelegt, macht er eine Besuchsreise in den neuen Gemeinden, empfiehlt dem Herrn und den eingesetzten Priestern die junge Kirche in Pommern, und kehrt über Polen nach Bamberg zurück, wo er am 28. März 1125 mit großer Freude empfangen wurde.

In ganz Franken hatte indeß die Pest höchst verderblich gewüthet. Otto’s Hirtenliebe zeigte sich hier im schönsten Lichte. Tag und Nacht besuchte er selbst die Kranken, nahm der Armen sich an, ja, versagte sich selbst alle entbehrliche Speise, damit es den Leidenden daran nicht fehle.

So arbeitete er rastlos drei Jahre für das Wohl der ihm zunächst befohlenen Heerde, – da rief ihn die Sorge für seine kirchliche Pflanzung in Pommern noch einmal in dieses Land. Die Umwandlung war zu rasch erfolgt, an einer genügenden Anzahl tüchtiger Lehrer hatte es gefehlt. Die junge Gemeinde zu befestigen, die Abtrünnigen zum Gehorsam Christi zurückzuführen, brach Otto im März 1128 wieder gen Pommern auf; diesmal den Weg durch Deutschland nehmend über Halle, Magdeburg, Havelberg. In Magdeburg sahen sich die beiden geistesverwandten Kirchenhäupter, Otto und Erzbischof Norbert.

Von Havelberg gelangte der Pommern-Apostel durch eine waldige und seenreiche Gegend diesmal an die westliche Gränze Pommerns, nach Dem min, wo das Heidenthum noch herrschte. Der aus einem Kriege mit den Lutiziern zurückkehrende Herzog Wartislav führte, als er mit Otto hier zusammentraf, viele Gefangene mit sich. Sie waren diesmal die Erstlinge der Missionsthäitigkeit des Bischofs. Die Losgekauften wurden als Christen den Ihrigen zugesendet. Zum Pfingstfeste finden wir Otto auf dem Landtage zu Usedom, wo er die Landstände bewegt, die freie Verkündigung des Christenthums in ganz Pommern zu bewilligen. Jetzt sendet der Bischof in der Regel zwei Priester vor sich her, und geht über Wolgast, wo die Götzentempel fallen, nach Gutzkow. Das Evangelium errang hier einen besonders schönen Sieg, Otto konnte eine neuerbaute Kirche weihen, Werke der Barmherzigkeit üben und den Neubekehrten Christum vor die Augen malen.

Nach einem mißglückten Versuche, mit dem Evangelium auch nach der Insel Rügen vorzudringen, vertheilte Otto den größten Theil der ihn begleitenden Geistlichen nach Demmin und anderen Orten zur Fortsetzung des Missionswerkes; er selbst begab sich mit den übrigen nach Stettin.

In dieser Stadt, in der heidnische Priester die Abgefallenen zur Wuth gereizt und die meisten, noch treuen Anhänger der Kirche eingeschüchtert hatten, drohten dem Apostel Verfolgung und Märtyrerthum. Auch zagten seine Begleiter; aber im Namen des Herrn schritt Otto ihnen voran, und nahm seine Herberge in der von ihm vor der Stadt erbauten Kirche zu St. Peter und Paul.

Der Ruf seiner Anwesenheit verbreitete sich in der Stadt, die heidnische Partei sinnt auf Verrath, doch fuhren die Gutgesinnten den Bischof in die Stadt. Er predigt auf dem Markte; das Wort entwaffnet die zu Aufruhr und Mord bereiten Gegner, Otto segnet die beruhigte Menge und weiht die durch Heiden beschimpfte St. Adalberts-Kirche wieder ein. Am anderen Tage beschließt eine Volksversammlung die gänzliche Ausrottung des Heidenthums. Otto, voll des Glaubens, der die Welt überwunden hat, predigt abermals, und die Abtrünnigen und Unschlüssigen kommen zur Neue. Der Bischof, mehrmals dem nahen Tode entronnen, hat die Freude, die Hauptstadt des Landes wiedergewonnen und fester auf den ewigen Fels gegründet zu haben. Jetzt errichtet er den Bischofssitz in Mollin, legt dem ersten Pommerschen Bischof Adalbert die Fortführung des Werkes auf’s Herz und eilt nach einer Besuchsreise durch die neuen Gemeinden zurück in das ihn sehnlich erharrende Bamberg.‘

Hier warteten seines Eifers und seiner Einsicht zahlreiche Arbeiten als Bischof und als Reichsstand. Er widmete sich ihnen, wenngleich durch ein Leben voll Mühe und Entsagung frühe körperlich alternd, mit gewohnter Thatkraft und Geistesfrische. Er fuhr fort mit der Stiftung von Hospitälern, mit der Gründung von Kirchen, mit der Ausstattung der von ihm erbauten Klöster; er nahm sich der Verfolgten an, er blieb ein Vater der Armen, er weidete seine geliebte Heerde. Dabei wurde er vom Papste wie vom Kaiser zu wichtigen Geschäften verwandt. In dieser mannigfaltigen Thätigkeit lag ihm die junge Pommersche Kirche stets auf dem Herzen. Auch sie erfreute sich fortwährend seiner bischöflichen Sorgfalt und milden Hand, Als einst Pommersche Christen in heidnische Gefangenschaft gerathen waren, sandte er das Lösegeld zu ihrer Loskaufung. Je mehr er die Annäherung des Zieles seiner Wallfahrt fühlte, um so reger ward sein frommer Eifer, die begonnenen Werke zur Vollendung zu führen. Dem siebzigjährigen, von rastloser Arbeit für die Heerde Christi müden Greise entfiel der treugeführte Hirtenstab am 30. Juni 1139.

Nicht die äußere Ausbreitung der Kirche und der Herrschaft des Papstes hatte er erstrebt, wie Kurzsichtige und Beschränkte geurtheilt haben, – nein, das lag ihm am Herzen, daß Gottes Reich zu den Menschen komme in Gerechtigkeit, Friede und Freude in dem heiligen Geiste. Dafür zeugt laut sein eigner Wandel, dafür seine ganze Wirksamkeit bis an sein selig Ende. Und wenn Papst Clemens III. ihn auch nicht in die Zahl der Heiligen aufgenommen hätte, das Andenken an ihn, als ein Ehren-Gefäß des heiligen Geistes, würde uns dennoch heilig sein. Ja, wenn einst Bamberg nicht mehr sein wird, wenn die Orte, die in Pommern seinen Namen tragen, die St. Otten (Schloß-)Kirche und die Ottoschule in Stettin, das Ottostift und das Denkmal am Ottobrunnen in Pyritz, als Menschenwerke zergehen werden (Z. Petri 3, 10), dann wird die Krone des Lebens noch glänzen auf dem Haupte des seligen Zeugen, der in der Anfechtung bewährt und seinem Heilande treu gewesen ist bis an den Tod.

 

.H. Lengerich in Demmin.