Johannes Spangenberg

Johannes Spangenberg, geb. den 3. März 1484 zu Hardegsen im Fürstenthum Göttingen, empfing seine erste Erziehung von unbemittelten, aber wohl gesinnten Ältern. Von seinem Vater, Tilemann Spangenberg, ist noch der Ausspruch aufbehalten: Unsere Geistlichen sollten Seelsorger sein, sie sind aber Leib- und Seelwürger. Johannes besuchte zuerst die Schulen zu Hardegsen und Göttingen. Erfolgreich benutzte er hier den Sprachunterricht des M. Wüstefeld. Dabei trieb er Privatstudien mit grosser Originalität. Seinem Gedächtniss zu Hilfe zu kommen, erfand er eine eigene Mnemonik, zu der er die Bilder aus der Johanniskirche entnahm.

Von Göttingen ging er nach Einbeck, wo er gleichfalls ausser der Schule noch andere Lehrquellen zu benutzen wusste. Von einem Küster empfing er unentgeltlichen Unterricht in der Musik und von einem kunstsinnigen Kürschner die ersten Ideen von Poetik. Zugleich förderte er sich wissenschaftlich und praktisch durch ertheilten Privatunterricht.

Noch sehr jung bekleidete er eine Zeit lang den Rectorat in Gandersheim und bezog dann die damals so blühende Universität zu Erfurt, wo er sich dem eben wieder höher aufgehenden Lichte der Sprachwissenschaften zuwandte, mit deren Studium er das der Gottesgelahrtheit, so weit ein solches in jenen Zeiten möglich war, auf’s innigste verband.

Nach Beendigung seiner academischen Studien wurde er Rector und bald darauf (1521) Mittagsprediger zu Stolberg. Schon als Rector hatte er oft gepredigt und Gedanken ausgesprochen, die vom Wittenberger Geiste berührt waren. In seiner Stellung als Prediger gab er sich mit ganzer Seele der lutherschen Lehre hin. Er predigte täglich und verbreitete die reformatorischen Ansichten überdies durch geistliche Lieder.

Im Jahre 1534 wurde er zum ersten Prediger an die Blasiuskirche zu Nordhausen berufen. Hier erwarb er sich nicht nur durch seine Predigten, sondern auch durch Stiftung eines Privatinstitutes, durch Gründung des Gymnasiums und durch Abfassung guter Schulbücher grosse Verdienste. Von den Reformatoren wurde er sehr hochgestellt. Luther schrieb 1542 eine Vorrede zu Spangenberg’s Postille, und Melanchthon rühmt seine Gelehrsamkeit und Sittenreinheit, ins Besondere seine Freiheit vom Ehrgeiz.

Luther’s letzte Reise veranlasste seine Vocation nach Eisleben. Hier hatte Caspar Güttel, von Luther „der fromme Doctor Caspar“ genannt, die evangelische Predigt eingeführt und als Superintendent jene Mansfeldsche Kirchenordnung abgefasst, die Luther 1546 approbirte. Güttel war 1541 gestorben, und sein Nachfolger zu St. Andreas, Simon Wolferinus, lebte seit 1543 mit Friedrich Rauber, Pastor zu St. Petri, in einem heftigen Streite über die Reste von Brodt und Wein nach dem heil. Abendmahle, welche jener zum gemeinen Gebrauche verwenden wollte. Nachdem er schon früher und noch 1546 vergeblich zum Frieden von Luther ermahnt war, bewirkte dieser Wolferinus‘ Entlassung und die Berufung Spangenberg’s zum Pastor zu St. Andreä und zum Superintendenten der Mansfeldschen Kirche. Wie sehr er sich um dieselbe verdient gemacht hat, beweist ein Brief Melanchthon’s, den er nach dem am 13. Juni 1550 erfolgten Tode Spangenberg’s an die Mansfelder schrieb. Es heisst darin u. A.: „Eure Kirche hatte den bedeutenden und hochachtbaren Greis, Güttel, der zuerst die reine Lehre Euch verkündete. Nachher stand der nach Luther’s Urtheile verehrungswürdige Greis, Johannes Spangenberg, Euern Gemeinden vor. Seine Bücher zeugen von ihm und ihr wisset, dass er von dem ehrwürdigen Dr. Luther, dem Dr. Lange von Erfurt, dem Dr. Pommer und den übrigen Lehrern von ganz Sachsen anerkannt worden ist. Damit nun die Nachkommen wissen, dass ihr diesen Zeugen der Wahrheit gehabt habt, und die von ihm empfangene Lehre bewahren (wie Paulus befiehlt, die Beilage treulich zu bewahren), so ermahne ich Euch, dass Ihr seinen Namen und die Zeit seiner Amtsführung in Euern Denkmälern anmerkt und Sorge traget, dass seine Schriften aufbehalten werden.“

Spangenberg’s Sohn ist der berühmte Prediger und Historiker Cyriacus Spangenberg.

Die bedeutendsten Kanzelredner
der
lutherschen Kirche des Reformationszeitalters,
in Biographien und einer Auswahl ihrer Predigten
dargestellt
von
Wilhelm Beste,
Pastor an der Hauptkirche zu Wolfenbüttel und ordentlichem Mitgliede der
historisch-theologischen Gesellschaft zu Leipzig
Leipzig,
Verlag von Gustav Mayer.
1856