geb. 1487. gest. 1538.
Anna, in Zürich einst „die apostolische Dorkas“ (Rehe, Apostelgesch. 9,30.) genannt, war die Tochter des Junkers Oswald Reinhard, Gastwirts zum Rössli, und der Elisabetha Wynzürn. Ihr Großvater, Hans Reinhard von St. Gallen, hatte sich 1432 in Zürich niedergelassen. Sie wurde einige Jahre nach Zwingli, um 1487 geboren. Mit seltener weiblicher Anmut des Körpers verband sich in ihr eine große Lebhaftigkeit des Geistes, eine edle, feinfühlende Seele und ein kindliches Gemüt, das ihr alle Herzen gewann. Sie heißt in den alten Familienschriften ihres Geschlechts „ein überaus schön Mentsch“, und zog schon dadurch die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich, noch mehr aber wissen die Zeugnisse ihrer Zeitgenossen von ihrer Frömmigkeit, Sittsamkeit, Treue, Sanftmut und Herzlichkeit zu sprechen.
Einige Jahre älter war Johannes, einziger Sohn des altadeligen Gerold Meyer von Knonau, Ratsherrn von Zürich, und der Anna von Hinweil. Der gewann die schöne Anna Reinhard lieb – aber das war nicht nach dem Willen des Vaters, der damals Zeugherr in Zürich und ein sehr geschätzter, ernster Mann war. Er sandte daher den Sohn zu weiterer Ausbildung an den Hof seines Vetters, des weithin herrschenden Bischofs von Konstanz, Hugo von Landenberg. Unterdessen zeigte sich eine Verbindung des Sohnes mit einer Tochter aus einem angesehenen adeligen Hause im Thurgau möglich und der Vater, nach alter Sitte über seine Familie unumschränkt verfügend, rief den Sohn schnell zurück, um ihm seine Willensmeinung zu eröffnen und die Heirat in Vollzug zu bringen.
Hans aber wurde nach seiner Heimkehr nur noch mehr zu der kaum zur Jungfrau herangeblühten Anna Reinhard hingezogen, und da die Ihrigen es nicht missbilligten, verlobte er sich eilends mit ihr. Während der Vater seinen Sohn auf der Brautreise ins Thurgau glaubte, ließ sich Hans mit seiner Anna heimlich in einer Dorfkapelle des Kantons trauen. Der Vater war von solcher Nachricht wie vom Donner gerührt, und das Familienbuch schreibt: „Da hat man die schon eingeleitete Heirat, nicht ohne große Verkleinerung, abschlagen und davon mit Spott stehen müssen. Welches dem Vater so mächtig ins Herz gegriffen und ihn erzürnt hat, dass er den Sohn, sobald er die Reinhardin hinterrucks und ohne Vorwissen des Vatters und ganzer Früntschaft genommen, hatt Ihn der Vatter niemals mehr begnadet, und Ist Inn syn Hus mit wüssen und an synen Tisch niemals mehr khommen. Es hatt auch der Vatter die schönsten Kleinoten, die dies Geschlecht gehabt, in solchem widermut und Unwillen verkauft, vermacht, verschenkt und seinem Tochtermann auch viel angehenkt. Aber die Reinhardin hatte diesen ihren Ehegemahl und er sie hinwieder herzlich lieb.“
Die ersten Jahre waren kinderlos, dann gebar Anna 1509 den nachher berühmt gewordenen Gerold, und ihm folgten 1510 und 1512 zwei Mädchen, Margaretha und Agathe, nach. Trotz dem väterlichen Unwillen erhielt Hans mehrere städtische Ehrenstellen, und sein Vetter, der Bischof Hugo, blieb ihm der Art zu Gnaden geneigt, dass er ihm 1515 „einen lustigen thrunk“ verehrte, und dazu zweihundert gedigner gangfisch (die berühmten Konstanzer Bodenseefelgen), „die wöllest umb unsertwägen mit fröwden niessen.“
Von seinem Vater getrennt nahm er in fremden Kriegsdiensten als Schützenfähnrich Teil an dem großen Siege der Eidgenossen bei Novara, wo seine Kriegsgenossen die Nacht darauf ihn „unter den Kanonen“ schlafen sahen. Wenige Jahre nachher begann seine Gesundheit zu wanken, und am 26. Nov. 1516 ließ er die, um der gemeinsamen Übertretung des vierten Gebotes willen schon viel genug geprüfte Anna – in ihren Armen sterbend als Witwe zurück. Sie aber lebte ihren Kindern in Gottesfurcht, hielt sich eingezogen und still, als eine rechte Witwe, und so musste es ihr zuletzt auch wieder wohlgehen.
Schon das war ihr ein Glück, dass der alte Schwiegervater bereits vorher sich ihres Knaben angenommen hatte. Wenige Wochen nämlich, nachdem der alte eiserne Ratsherr in fortwährendem und von außen fortgenährtem Grolle 1512 die Herrschaft Knonau um den Spottpreis von 1650 rheinischen Gulden an die Regierung verkauft hatte, befand er sich in Gesellschaft anderer angesehener Zürcher aus dem Vereine der Böcke, der jetzt noch in Zürich besteht, auf der Gesellschaftsstube zur Schnecke, die ans Rathaus gegen den Fischmarkt zu angebaut war. „Auf diese Zeit,“ so erzählt die Familienchronik, „hat des Hansen Magd den Gerold, der etwan dreijährig gewesen, mit sich in den Fischmarkt genommen, dahin sie geschickt worden, Fisch zu kaufen, da hat sie denselben in eine Fischbränte((Die «Bränte» ist ein Holzgefäss, das in vielen Formen und Funktionen auftritt)) gesetzt, bis sie den Fischer bezahlt hat. In solchem luget des Kindes Großvatter zum Schnecken zum Fenster uß, und ersah das Kind in der Bränten so frisch und fröhlich sitzen, fraget bald, wes doch das schön lustig Kind wäre, dem bald geantwortet ward, ob er’s nit kenne, es sei synes Sohns, Hansen Meyer. Wie das der Großvater gehört, befahl er ohne Verzug, man sollte ihm das Kind bringen, nahm dasselbe in seine Arme, weint und sagt: „wiewohl dein Vater mich erzürnt, will Ich doch dich dessen nit entgelten lassen, und will dich an deines Vaters Statt zum Kind und Erben nehmen. Und ließ es gleich darauf heim in sein Haus, inn Meyerhof (in Zürch) tragen, und hielt es da als wan es sein eigen Kind wäre, bis dass er gestorben (ein Jahr nach dem Sohne Hans), und folgends hat auch die Regin (seine zweite Gattin) das Kind behalten ihr Leben lang.“
Anna, die natürlich ihr Kind heimholen lassen konnte, so oft sie wollte, hatte ihre Kinder in der Zucht und Vermahnung zum Herrn zu erziehen treulich für ihren Mutter- und Witwenberuf gehalten. Der Knabe Gerold namentlich sollte die neu aufgerichteten und sich immer mehr hebenden und mehrenden Unterrichtsanstalten seiner Vaterstadt wohl benützen, und als durch Ulrich Zwingli über Stadt und Land ein neues Leben sich verbreitete, so waren Mutter und Kinder von den ersten, bei welchen dies bemerkbar wurde.
Zwingli, wie Luther Alles von Heranbildung der Jugend hoffend, suchte jedes Pfund auch in Andern zu entdecken und zu Wucher zu bringen. Sein Blick fiel bald auf den durch Fleiß, Anlagen und feine Sitte, durch einnehmendes Äußere und ansprechende Gesichtszüge sich auszeichnenden Gerold, zog ihn hervor, widmete ihm manche Privatstunde und bildete ihn in den alten Sprachen aus. Schon 1520 hielt er den elfjährigen Jüngling für reif zur hohen Schule in Basel, dem damaligen Hauptsitze der schweizerischen Gelehrsamkeit. Als derselbe im Sommer 1523 zu Baden im Aargau das Bad gebrauchte, schickte ihm Zwingli als Badgeschenk einen trefflich geschriebenen lateinischen Brief, „wie man die Jugend in guten Sitten und christlicher Zucht ziehen und lehren solle,“ worin er in drei Abschnitten über Glauben, Wissen und Leben eines rechten Gottesgelehrten und Christen einen köstlichen Jugendspiegel aufstellte, der damit schließt, dass „vollkommen wird der sein, der sich vorsetzte, einzig Christum nachzuahmen.“
Schon mehr als fünf Jahre war Zwingli tätig in seinem großen Werke. Seit 1523 war auch in der Schweiz die Priesterehe, welche bis zur Zeit Gregors VII. noch in der römischen Kirche Geltung hatte, von der evangelisch erneuerten Kirche wieder aufgenommen worden. Am ersten verehelichte sich im April 1523 Wilhelm Rubli, Pfarrer zu Wytikon, vorher zu St. Alban in Basel, gebürtig von Rotenburg am Neckar. Bald darauf heiratete Diakonus Schmied eine Klosterfrau im Kleebach, Verena Schiltknecht. Im Gegensatz zu den herrschenden Sünden der ehelosen katholischen Geistlichkeit wurde sogar die Ehelichung von den Predigern des Evangeliums bald gefordert, nachdem das erste Gemurmel des Volks durchs Evangelium beschwichtigt war. So entschloss sich nach andern Vorgängen auch Zwingli in seinem vierzigsten Jahre zu dem ernsten Schritte.
Gleich von seinem ersten Auftreten an war Anna eine seiner aufmerksamsten Zuhörerinnen gewesen, mochte er in der Stadt predigen, oder im Kloster am Detenbach den Nonnen die Lehre von dem Reiche Gottes nach den Schriften verkündigen, oder den Stiftsfrauen am Frauenmünster die Bibel erklären. Ihre Frömmigkeit, Bescheidenheit und Muttertreue konnten dem Seelsorger, in dessen Nähe sie wohnte, nicht verborgen bleiben. Gerold und dessen kindliche Liebe für den Lehrer und Leiter seines Lernens wurden das Mittel, den Pflegevater und die sorgsame Mutter noch näher mit einander zu verbinden. Anna war über die Jugendzeit hinaus, schwere Erfahrungen hatten ihrem ganzen Wesen und Benehmen einen Ernst aufgedrückt, aus dem ihre stillen aber tätigen Tugenden desto lieblicher hervorleuchteten. Ihr Vermögen bestand aus nicht mehr, denn vierhundert Gulden. Aus dem ganzen großen Nachlasse, der nach des Großvaters und seiner zweiten Ehefrau Ableben den Kindern zufiel, war ihr nur ein Leibgeding von dreißig Gulden vorbehalten. Sie konnte, obschon mit dem „Weinstocke“ tiefinnerlich verbunden, der seine Reben nicht welken noch verderben lässt, doch eine Stütze in ihrer Schwachheit brauchen, und an wen unter Menschen durfte sie sich getroster anlehnen, als an einen Mann, der wie Zwingli die tiefe Bedeutung der Ehe aus dem Evangelium erkannt hatte. Nennt er sie doch in seinen Schriften „ein hochheiliges Bündnis,“ und sagt zum fünften Kapitel des Epheserbriefes: „dass wie Christus für die Seinigen gestorben, und so ganz der Ihrige geworden, also sollen auch die Ehegatten wechselseitig Alles für einander tun und leiden; der Mann als das Bildnis Gottes soll vornämlich sein Weib lieben, schützen, sich für dasselbe hingeben, das Weib soll dem Manne allein anhangen mit Liebe und Treue. Dadurch werden die Ehegatten Gott am allerähnlichsten, da hinwiederum Gott sich herablasse, sich und seine Kirche mit dem Namen Mann und Weib zu bezeichnen.“
Er hatte gesehen, wie Anna in schwieriger Lage, aller häuslichen Missverhältnisse ungeachtet, als Tochter, Gattin und Mutter sich auszeichnete, dass in ihren Kindern bereits edle Früchte einer echt christlichen Kinderzucht heranreiften, dazu war sie ganz geeignet für sein munterernstes Wesen: er konnte nicht zweifeln, durch ihre Ehelichung ein evangelisches Vorbild weiter für seine Herde zu geben. Nachdem er die vom Herrn ihm zugesandte Freundin wie sein Mitkämpfer Heinrich Bullinger die Anna Adlischweiler an der Hand der Schrift dem ernsten Berufe der Pfarrfrau einige Jahre hindurch näher zugebildet hatte, ließ er sich Samstags den 2. April 1524 mit ihr ehelich einsegnen. „An der Hochzeit war manch ehrlicher, redlicher Mann.“ Freunde wünschten ihm Glück, und namentlich Capito (Wolf Köpflin), Probst zu St. Thomas in Straßburg, schrieb ihm: „Herzlich wünsch ich, dass deine Gattin, die treu bewährte Schwester, in der Erkenntnis täglich wachse. Sie ist durch die Verbindung mit dir gewissermaßen mit Christo selbst in eheliches Verlöbnis getreten. Sie ist eine Mitdienerin des Wortes als Gehilfin eines solchen Apostels.“
Es fehlte nicht an hämischen Feinden und Lästerern, namentlich hörten Zwinglis Gegner in seinem Vaterlande Toggenburg nicht auf, ihn beim dortigen Landrate zu verunglimpfen, er habe eine reiche Witwe geheiratet, und lebe mit ihr jetzt flott und locker zum Ärgernis einer ehrbaren Welt. Da rechtfertigte er sich in einem Schreiben, worin er angibt, seiner lieben Ehefrau bares Vermögen bestehe aus mehr nicht als vierhundert Gulden. Mit schönen Kleidern, Ringen und allerlei Geschmeide ist sie zwar versehen, aber von dem Tage ihrer Verehelichung an hat sie den Plunder nicht angerührt, geschweige ihn zur Schau getragen. Wie sich’s für eine ehrbare Altfrau geziemt, ist sie gerade wie unsere Bürgerweiber gekleidet, schlecht und recht, dass man ihr den vorigen (adeligen) Stand nun gar nicht anmerkt. Das Geld der Kinder berührt die Gattin nichts, als was sie für den Leib bedarf, und jährlich dreißig Gulden Leibgeding Zinses. Die Brautgeschenke, welche ihr gesetzlich gehört hätten, wollte ich nicht einmal rechtlich einfordern. All ihr Vermögen aber sehe ich an als fremdes, mir angetrautes Gut.“ In gleicher Weise erwiderte er dem Konstanzer Vikar Johann Faber, der sich sogar über Zwinglis Freude an Musik und Saitenspiel ärgerte. Den Schluss seiner derben Antwort machte er mit dem Worte des alten Dichters: er hasse solch gemeines Volk und es soll ihm von der Schwelle bleiben((Odi profanum vulgus et arceo. Horatius.)).
Für den Reformator begann mit seiner Verehelichung ein neues Leben. Er arbeitete noch einmal so munter und leicht, denn Leid und Freud teilte Anna mit ihm wie sein zweites Ich. Sie betrachtete sich nur als Gehilfin ihres Mannes und erleichterte ihm seine mannigfaltigen Berufspflichten, schriftstellerischen Arbeiten, seinen ausgebreiteten Briefwechsel. In trüben Stunden erheiterte sie ihn. Ihr verständiges und unbefangenes Urteil diente ihm nicht selten als gewichtiger Rat, und bei dem allgemeinen Vertrauen, das sie genoss, und bei dem reichen Schatze ihres für Gott und den Nächsten schlagenden Herzens befriedete und beruhigte sie, wenn der Gatte von Geschäften überladen sich nicht jedem der vielen Besuche unbedingt hingeben konnte, manches des Trostes und Rates bedürftige Gemüt durch die freundliche und herzliche Auskunft, den ihr teilnehmendes Wort gewährte.
Die Züricher Ratsherren, die Prediger und übrigen Gelehrten, die sich häufig in Zwinglis Hause einfanden, waren alle voll Achtung für die vernünftige Hausfrau und für ihr immer bescheidenes und schüchternes, aber desto richtigeres Benehmen, das oft durch bloße Fragen manchem raschen Worte die gefährliche Spitze brach. Da war Anna nicht bloß die alle Hausgeschäfte pünktlich besorgende Martha, die selbst vieles Amtliche dem Manne abzunehmen wusste, sondern die anmutige Gesellschafterin, welche die Gäste sogar lehrreich unterhielt, bis der Gatte erschien und das Gespräch fortsetzte, bei dem er sie gerne behielt, wenn sie Zeit hatte. Die neuen Zeit- und Flugblätter und die andern gelehrten Sachen aus Basel, welche immer frisch von der Presse oder Messe ankamen, gaben reichen Stoff zur Unterredung. Anna war für Alles empfänglich und besonders auch für die damals erschienenen köstlichen Spottschriften gegen das Papst- und Mönchtum. So übersetzte ihr Zwingli ganze Stellen aus Erasmus Lob der Narrheit, aus den 1515 erschienenen Briefen der Dunkelmänner, ebenso gab er ihr die geistreichen Schriften Ulrichs von Hutten in die Hand und ganz besonders die herrlichen Sachen. aus der Feder oder dem Pinsel des Berner Dichters, Malers und Staatsmannes Niklas Manuel, den uns Späteren die Schrift von Grüneisen so trefflich schildert.
Diese Schriften las Anna aufs Begierigste und teilte sie ihren vertrauten Freundinnen mit. Durch ihre Besuche bei den Nonnen am Detenbach und bei den Stiftsfrauen zu Münster wirkte sie eine schnellere Bekehrung vom Papsttum zum Evangelium. Nicht selten war sie Veranlassung zu ihrer Verehelichung mit wackeren Pfarrherren. Denn, sagte sie, Priester und Nonnen paffen wohl am besten zusammen und beide schmachten nach Erlösung aus ihrem bisherigen Klosterhimmel. Sie sind auch nicht verzärtelt, ja gewissermaßen der Welt abgestorben und machen nicht viel Geräusch. Wer sollte besser wissen als sie, was keuscher Wandel ist und was der Weiber Zierde sein soll. 1 Petri 3.
Vor allen Schriften aber war für Anna die wichtigste die heilige Schrift. Zwingli las ihr gewöhnlich, ehe sie sich zur Ruhe legte, die ersten aus der Presse kommenden Bogen der Züricher Bibel-Übersetzung vor, welche bei Froschauer vom Herbste 1525 an herauskam, und woran er so viel Anteil hatte, dass man sie für ein gemeinschaftliches Werk von ihm und Leo Judä halten konnte. Im Jahr 1529 konnte er ihr das erste vollständige Exemplar der kleinen Handbibel (in fünf Bändchen) bringen. Diese blieb ihr Lieblingsbuch bis zum Tode und durch ihre Empfehlung kam sie schnell in die Haushaltungen der Bürger. Anna selbst konnte jetzt sich auch selber in der Schrift erbauen und brauchte nicht daheim zu kurz zu kommen, während ihr Mann von den Auswärtigen und von Geschäften ganz in Beschlag genommen wurde.
Gar köstlich schreibt Zwingli an seinen Herzensfreund Bürgermeister Vadian von St. Gallen, wie unendlich er mit Geschäften überladen und fast nie im Stande sei, seinen Arbeiten die letzte Feile zu geben, denn da stehe immer, lange vor Vollendung der Handschrift der Setzer vor der Türe und fordere Fortsetzung. „Mein treues Hausmütterlein zupft mich zwar nicht selten am Ärmel, wenn sie merkt, dass ich’s leiden mag und eben bei guter Laune bin und sagt mir ins Ohr: „Gönne dir doch mehr Ruhe, mein Lieber!“ „Aber was Ruhe,“ sag‘ ich dann, „du siehst es ja, an Ruhe gönnen fehlt es nicht, aber am geben können. Denn da steht ein guter Freund dann kommt ein Klopffechter hierauf ein redlicher ehrlicher Landapostel – jetzt folgt ein Schullehrer, und schon steht ein Ratsherr auf der Schwelle – kaum ist der fort, so ruft man den armen Müdling an ein Krankenbett, und auf dem Wege mahnt Herr Froschauer, der Buchdrucker, an die versprochene Schrift; kommt endlich der Übelgejagte todmüde heim, so liegen noch ein Dutzend eilende Briefe auf dem Pulte, so dass nicht selten der Morgenstern den armen Müdling noch am Tintenfass antrifft.“
Um so fleißiger ging Anna für ihn zu den Kranken, besonders zu den Wöchnerinnen, und brachte Speise und Trank, Arznei und Kleidung. Die Armen fanden bei ihr stets Gehör und sie war auch darin ganz die rechte Hand ihres Eheherrn, der mit stetem Eifer für Anstalten zu wohltätigen Zwecken predigte und wirkte. Durch ihn kam es dazu, dass die Einkünfte der reichen. Frauenmünsterabtei zu solchen Zwecken bestimmt und ein Almosenamt für den Kanton angeordnet wurde, in welches bald bedeutende Vermächtnisse flossen; dass das Augustinerkloster sich in eine Küche für Arme umgestaltete; dass aus dem Barfüßergebäude ein Speicher des Almosens, aus den Klöstern am Detenbach und Selnau ein Hospital für Kranke und eine Herberge für Fremde, später ein Waisenhaus wurde.
Ebenso freundlich und zuvorkommend wie gegen die Armen war Anna gegen Fremde, besonders solche, welche anderwärts vertrieben in Zürich Schutz und Unterkommen suchten. Ihr Haus war selten von Fremden leer und Alle bewunderten, wie ihr heiteres Gemüt und ihre Selbstverleugnung unerschöpflich an Mitteln war, die Gäste zu erfreuen und zu erheitern. Man hieß sie ebendaher nur die apostolische Rehe; sie war zu einer Pflege- und Herbergsmutter wie geschaffen. Bis Zwingli den Vertriebenen in Zürich Brot und Anstellung verschafft hatte, sorgte sie gewöhnlich für einstweilige Nahrung und Kleidung, teils aus eigenen Mitteln, teils durch Fürsprache bei Andern.
Sonntags Nachmittags kamen bei ihr gerne auch etliche Stadtpredigerfrauen zu religiöser Unterhaltung zusammen, und wenn den Männern es die Amtsgeschäfte erlaubten, so ordnete Pfarrer Leu (Leo Judä) zu St. Peter eine Haus- Musik an. Zwingli und er setzten selbst mehrere Lieder und Gesänge; denn er war wie Luther ein ebenso großer Freund der Geselligkeit als der „lieben Musika.“
So war Zwinglis Haus ein Sammelplatz der religiösen und der gelehrten Welt, und nicht bloß ein Nikolaus Arator (Ober-Kanzler in Schlesien) schrieb noch in späterer Zeit, wie ihm bei diesen lieben Leuten die christliche Hausordnung so wohlgefallen, dass er derselben nimmer vergessen werde sein Leben lang und werde sie den Seinigen immer anpreisen. Gewöhnlich saß einer der Diakonen, oder zwei mit der Familie an dem einfachen Bürgertische, bis sie eigene Familie und Wohnung hatten. Diese waren ihrem Hausherrn zur Hand, wo er ihrer bedurfte; oft auch zum Schutz, der allerdings hin und wieder nötig war, denn Zwingli hatte viele Feinde und Auflaurer. Am 28. August 1525 liefen zwei Bürger vor sein Haus und „schmissen mit großen Steinen die Fenster ein, so dass die Stücke umherflogen und die Steine dem Hausvölklein in der Stube nachliefen.“ Die guten Leute fingen an zu jammern; da beschwichtigte sie Zwingli, stand auf zu seinem Schwert und sah nach, ob man ihm etwa ins Haus gestiegen sei. Dann rief er zum Fenster hinaus: so fern sie ihn um etwas zu sprechen hätten, sollten sie die Sache am Tage mit Recht vornehmen und nicht mit Gewalt zu Nacht. Die Sache wurde ruchbar und einer der Übeltäter gefangen. Bei aller Wachsamkeit der Hausgenossen, so wie der vor Gift rc. warnenden Freunde und Mitbürger war Zwingli fast täglich in solcher Gefahr. Einst begehrten zwei Mönche spät Abends mit ihm zu sprechen. Die Diakonen warnten ihn, sich nicht vor die Türe zu begeben, und statt seiner ging einer von ihnen hinaus. Sogleich ward dieser ergriffen und sollte gebunden abgeführt werden, als man sich in seiner Person getäuscht sah, und ihn wieder laufen ließ. Selbst auf Tagsatzungen ließen sich ernste Drohungen gegen Zwingli hören: „man solle es ihm machen, wie es der Bischof von Konstanz mit Johann Hüglin zu Meersburg 1526 machte, nämlich verbrennen, oder mit Peter Spengler, nämlich ertränken.“ In Luzern verbrannte man seine Bücher und machte bekannt, man solle ihn, wo man ihn finde, gefänglich einliefern. Auf dem Wege zum Religionsgespräch in Bern fiel unweit Mellingen vom Wald her, als man vorbeizog, ein Schutz, der wahrscheinlich auf Zwingli gerichtet war, aber glücklicherweise fehlte.
Unter solchen Umständen durfte Anna wohl die rüstige Beraterin und Helferin sein nach innen und außen und das eigene Herz wie das ihres Mannes mit dem heitern Gemüte stillen, in welchem das göttliche Wort ihr eine feste Burg und gute Wehr errichtet hatte. Während er in Bern war, genas sie eines Knäbleins, was sie ihn sogleich wissen ließ. Mit umgehendem Boten schrieb er ihr: „Gnade und Frieden von Gott unserm Herrn Jesu Christo! Ich sage dem Herrn Lob und Dank, liebes Herz, dass er er dir eine fröhliche Geburt verliehen hat. Er gebe uns Gnade, dass wir sein teures Geschenk wie die früheren nach seinem Willen erziehen und einzig ihm weihen und heiligen. Dich erhalte, stärke, befestige, segne Er, und gebe dich bald wieder gesund und munter den Kindern, den Freunden, der Gemeinde und mir! Sei meiner Person halber ganz ruhig und unbesorgt. Ich bin, Gott sei Dank, wohl und trefflich aufgehoben bei Freunden unter Gottes Schutz, wie du. Alles geht seinen erwünschten Gang. Die Lieben im Hause erkundigen sich nach dir und segnen und grüßen dich, die Deinen und Meinen. Schick‘ doch der Base ein oder zwei Kopftüchlin, wie du sie trägst. Du machst ihr Freude damit. Sie trägt sich nach ihrem Stand, fast wie die geistlichen Weiber, doch nicht begynlich (betschwesterlich). Jetzt möchte sie einen Kopfschmuck, wie du hast. Sie hat ihre vierzig Jahre auf sich, und mir und uns Allen tut sie über die Maßen gütlich. Hiermit Gott befohlen. Grüße mir, wer dir lieb ist; er ist’s auch mir. Bitte Gott für mich und uns Alle. Herze, küsse, segne mir alle deine Kinder. Sie sollen der Mutter nie zu viel Unmuss machen. Hör’st du’s? Der Herr sei mit dir. Auf baldiges Wiedersehen! Du Seele meiner Seele. Dein Hauswirt, Huldreich Zwingli.“
Dies Briefchen an sie vom Januar 1528 ist das einzig übrig gebliebene; von Anna ist gar nichts Schriftliches mehr vorhanden.
Ein Jahr nach seines Ulrichs Geburt reiste Zwingli, um nicht gefährdet zu sein, heimlich bei Nacht über Basel zu dem Religionsgespräch mit Luther nach Marburg (1529). Es war ein hitziger Kampf, da sich Luther mit Kreide auf den Tisch schrieb: „Das ist mein Leib,“ gegenüber dem Zwinglischen Satz: „Das bedeutet meinen Leib.“ Man trennte sich unverglichen, aber Zwingli behielt Luthern, „der mit ihm einhellig die Lehre Christi treibe, und der ein so fromm treu Herz zu wahrer göttlicher Wahrheit und dem Worte Gottes habe,“ in ehrenvollem Gedächtnis und hielt seine Schriften hoch, ja stellte den sächsischen Reformator weit über sich hinauf.
Am 19. Oktober 1529 langte Zwingli wieder in Zürich an, um zu sehen, wie die Eidgenossen mit einander der Religion willen haderten und auf der Grenze der Kantone Zug und Zürich sich bewaffnet gegenüber stellten. Zwingli zog als Vermittler mit aus. Die Entzweiten versöhnten sich, kein Blut floss und der Gatte und Vater kehrte glücklich zu den erfreuten Seinigen zurück. Gleich darauf im Dezember reiste er auf die Kirchenversammlung zu Frauenfeld. Von da an blieb er in der Stadt bis zu seinem letzten schweren Gang.
Der Schweizer Friede hatte um der neuen Lehre willen zu brechen begonnen. In Zürich selbst wurden Viele dem Reformationswerke gram, weil ihr Eigennutz darunter litt. Zweimal kam in Folge davon Zwingli um seine Entlassung ein. Nur auf dringende Bitte verblieb er. Aber um den Frieden war es geschehen. Rasche Männer, die in Allem durchgreifen wollten, verdarben die Sache. Eifersucht, Feindseligkeit, Erbitterung über Änderungen und strenge Maßregeln im städtischen Wesen zu Gunsten der reformatorischen Partei nahm überhand. Die fünf Orte Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug wurden durch Sperrung der Getreidezufuhr bei einer auch Zürich drückenden Teuerung noch mehr verfeindet, und während jene sich fest zusammenschlossen, versäumte man in Zürich ganz, sich in Verteidigungsstand zu setzen. Bote um Bote verkündigte am Abend des 9. Okt. 1531 das Vorrücken der Feinde, erst am andern Morgen ordnete man einige hundert Mann ab unter einem unsicheren. Anführer, und erst am zweiten Tage, den 11. Oktober, sammelten sich endlich etwa 700 Mann, die teilweise nur halbgerüstet langsam und stille gen Kappel zogen. Zwingli, vom Rate aufgefordert, das Banner zu begleiten, gehorchte und griff zum Schwerte. Standhaft, aber tief ergriffen und nachdenklich bestieg er das Ross, das in diesem Augenblicke scheu zurückwich – ein trübes Vorzeichen für die Seinen, von denen er in tiefer Bewegung schied, als schon der Donner des schweren Geschützes über den Albis herüberdröhnte.
Neben dem geliebten Gatten hatte Anna mit schwerem Herzen ihren Sohn Gerold und noch Andere ihrer Nächsten in dem kleinen Häuflein wegziehen sehen. Sie übergab sich und sie in die Hand ihres Gottes. Zwingli empfahl desgleichen, wenn er einzeln neben dem Zuge ritt, eifrig betend, seine Kirche und sein Vaterland Gott dem Herrn, und war, sobald Jemand ihn ansprach, ruhig und gefasst. Als man auf der Höhe des Albis auf die Zurückgebliebenen warten wollte, war er fürs Forteilen, denn soll man sich erst lang hier sammeln, besorg‘ ich, es werde unsern biederen Leuten zu spat und füget sich gar nit, dass wir hier standind und die unsern drunten leiden lassind und es noch darzu hörend. Ich will recht in dem Namen Gottes zu den biderben Leuten und willig mit ihnen und unter ihnen sterben oder sie helfen erretten.“ In der Schlachtlinie angekommen konnte die Schar mit allem Mute das Glück der Evangelischen nicht mehr wiederherstellen. Die Niederlage bei Kappel war entscheidend. Fünfundzwanzig Geistliche fielen mit Zwingli in der Schlacht; mit dem Pfarrer Schmied von Küssnacht 36 Männer seiner Gemeinde. Zwingli hatte so eben einem neben ihm eingesunkenen Mitbürger, Balthasar Keller, den er am Tode glaubte, noch einige Trostworte zugerufen, als er selbst von einem Schleudersteine gefährlich getroffen wurde. Er raffte sich auf und fiel von Neuem betäubt nieder. Man hörte ihn rufen: „Was soll das? Den Leib können sie wohl töten, aber die Seele nicht!“ Da wurde er durch mehrere Stiche verwundet, lag ausgestreckt auf dem Rücken mit gefalteten Händen und seine noch nicht gebrochenen Augen gen Himmel richtend. So fanden ihn diejenigen, die nach dem mörderischen Kampfe die mit Leichen und Sterbenden bedeckte Stätte des Todes durchsuchten. Vielleicht wäre er gerettet worden, wenn er hätte verleugnen wollen. Er aber, dazu aufgefordert, schüttelte das Haupt still und stumm; erzürnt darüber, versetzte ihm Hauptmann Vockinger von Unterwalden mit dem Schwerte den Todesstreich. Noch war er nicht erkannt; aber am folgenden Morgen wurde seine entseelte Hülle mit Feuer verbrannt. Hans Schönbronner, Konventherr von Kappel, der bei den Katholischen stand, rief bei dem Anblicke des Leichnams aus: „Welches auch dein Glaube gewesen, ich weiß, dass du ein redlicher Eidgenosse warst; Gott sei deiner Seele gnädig!“
Unfern von Zwingli hatte auch sein Stiefsohn, Gerold Meyer von Knonau, mit Jugendkraft unter den Entschlossensten gestritten. Er solle sich ergeben und werde geschont werden, riefen ihm wackere Männer, die ihn kannten, aus dem vordringenden Feindeshaufen zu. Aber treu seiner Sache und seinen Gefährten, nicht achtend seiner drei unmündigen Kinder, seiner geliebten Gattin und Mutter, „hat er sich an der Schlacht gar tapfer und redlich erzeigt und gehalten und wollt‘ er sich nit gefangen geben, sagt, es wäre ihm loblicher, ehrlich gestorben, dann sich schandlich in die Flucht oder gefangen begeben.“ So starb er den Heldentod.
Anna konnte in ihrer Wohnung das dumpfe Tönen des Geschützes hören. Die aufeinander folgenden, zur Hilfe gegen die Übergewalt auffordernden Boten blieben ihr nicht verborgen; endlich kam die Schreckensnachricht. Außer ihrem Gatten und Sohne war auch ihr Bruder, ihr Tochtermann und der Mann ihrer Schwester umgekommen. Alles, woran ihre Seele sich erfreute, war hin ohne letzten Scheideblick, ohne Gruß, ohne Trost. Ihre verlassenen Kinder erhoben ein Jammergeschrei, das Haus war voll Klagen und Trauern geworden. Doch eilte auch Trost und Teilnahme herbei, und wie aus einem Munde ermahnten und stärkten die Freunde die schmerzenreiche Mutter und Witwe. Simpert Schenk, der früher Karthäuser Mönch war und später Reformator der Reichsstadt Memmingen wurde, schrieb an sie: „Ehrsame, tugendsame und in Gott mein Geliebte: Der Vater alles Trostes erleuchte sein Angesicht mit Freuden über euch; dann ich nit finden kann jemands anders auf dem weiten Umbkreis der Erden, er sei, wer er wolle, der euch in eurer Trübsal trösten könne und möge, weder Er allein. O des weinbarlichen und kläglichen Tages! darein der teure Mann, mein lieber Zwinglius, mit so treffentlichen Leuten gefallen ist. Weil ich aber gewisslich weiß, dass wie niemand lebendig machet, also auch niemand tötet weder der Herr selbs und allein, wann wie und durch wen er will, und seinem Willen niemand Einred tun kann, auch nit soll, und muss ich’s vor Hand geben und den Herren loben in seinen Werken: denn sie sind wahrlich Gericht und Gerechtigkeit ohn allen falsch und trug, voll aller barmherzigkeit und güte. Ist das Haupt Christus durch den Tod ins Leben, wird lang kein Glied dahinten bleiben. O fromme liebe fraw, seid getrew! weder ihr noch wir hand Zwinglin und die anderen verloren. Denn wer in Christum glaubt, hat das ewig Leben. Ist hierum mein Vermahnung, wann ihr etwan, euren Zwinglin, im Haus, bei den Kinden, bei euch, an der Kanzel, in der Lektion, bei den Gelehrten nit mehr leiblich finden, so erschrecken nit; sind nit zu vil traurig, sondern gedenket, er seie im Haus Gottes, bei allen kinderen Gottes, da er hört den Mund der Weysheit und das Gespräch der Engelen. Wohlan der Herr wird nichts an seiner kirchen versäumen: wirds auch nit verlassen: Sie wird nichts desterminder sieghaftig fürfahren und wachsen: Geschiehts nit in der Zahl, wirds doch geschehen im Wesen. Behüte und tröste euch selbs mit eueren kinderen der barmherzige liebe Gott und verleihe euch stärke im heil. Geist, alle Trübsal im Herren zu überwinden, Amen. Lasset mich und mein Memmingen euch gegen Gott in euerem Gebett befohlen sein. Datum zu Memmingen den IX. Novbr. 1531.“
Hatte Anna schon früher jedem geräuschvollen Lebensgenusse entsagt, und im Berufe der Gattin, Mutter und barmherzigen Schwester ihre Freuden gefunden, so hörte ihr jest nach diesem schweren Schlage fast jeder Verkehr außer mit ihren Nächsten auf. Alle ihre Sorge widmete sie den verwaisten Kindern, ihren Töchtern erster Ehe und der ebenfalls von drei Waisen umgebenen verwitweten Schwiegertochter. Gott, ihr Gott, erheiterte in dessen noch die letzten Tage ihres Lebens durch einen edlen Freund ihres Mannes. Der treffliche Oberpfarrer Bullinger machte es sich zur Herzensangelegenheit, für die Witwe und ihre Waisen zu sorgen. Da sie weiter kein Vermögen hatte als das Zugebrachte aus erster Ehe, da Zwingli selbst ihr nichts als Kinder und Schriften und Hausgeräte hinterlassen hatte, weil er Alles, was er an sich selbst ersparte, sogleich den Armen gab, so sprach er für sie beim Rat, stand auch sonst mit Rat und Tat ihr bei und nahm sie unter sein Dach und an seinen Tisch. Ebenso übernahm er die Erziehung und Ausbildung der noch lebenden Kinder, als wären sie seine eigenen. Der Sohn Wilhelm starb leider schon auf der Schule zu Straßburg 1541; die Tochter Anna starb sehr frühe. Den jungen Ulrich ließ er auf seine Kosten auf der hohen Schule lernen, sorgte für seine Anstellung und gab ihm seine erste Tochter Anna zur Ehe, wie der ältesten, durch Schönheit und Frömmigkeit nach dem Ebenbilde ihrer Mutter ausgezeichneten Tochter Regula, seinen Pflegesohn Rudolf Gwalther (1541), der später sein Nachfolger wurde, dem sie aber schon 1565 durch die Pest entrissen wurde. Die wenigen Nachrichten, die von dieser Zeit über die schwergeprüfte Frau auf uns gekommen sind, sprechen von nichts Anderem, als wie sie Gott diente und die Nächsten liebte.
Im November 1538 ward sie von einer heftigen Krankheit befallen, nach einigen Wochen schon, am 6. Dezember, starb sie still und sanft, wie sie gelebt. Bullinger schrieb an Vadian über sie: „Ich möchte mir kein seligeres Leben wünschen als das Ende der Edeln. Sie löschte sanft aus wie ein mildes Licht, und schwebte, anbetend und uns Alle Gott empfehlend, hinüber, heim zum Herrn.“