Johann Reinhard Hedinger

Johann Hedinger

Hofprediger zu Stuttgart

Geb. 7. Sept. 1664, gest. 28. Decbr. 1704

„Thun wir zu viel, so thun wirs Gott.“
(2. Kor. 5, 13.)

Am 7. September 1664 wurde Johann Reinhard Hedinger in Stuttgart geboren. Kaum vier Jahre alt, verlor er durch den Tod seinen Vater. Noch vor dem fünften Jahre trat er in das Pädagogium in Stuttgart ein. Als ihn sein Lehrer, Fischer, fragte, was er werden wolle, war mit der Antwort rasch bei der Hand: „Ich will Doktor werden,“ (nämlich Doktor der Theologie, Geistlicher). Er hatte ausgezeichnete Anlagen, so daß sich seine Lehrer oft höchlich verwunderten. Dabei bewies er einen solchen Fleiß, daß er bald seine Mitschüler weit zurückließ. Am Pfingsten 1677 machte er ein treffliches Examen, und studirte dann Theologie. Im Jahre 1687 gab ihn sein Herzog als Reiseprediger und Sekretär dem Prinzen Johann Friedrich nach Frankreich mit. Aber bald brach ein Krieg mit dem Könige von Frankreich aus, sodaß er wieder zurückkehren mußte. Durch diese Reise war der Trieb zu weiteren Reisen in ihm erwacht. Er besuchte die Universität Leipzig, Berlin, ging nach Holland, und von da nach England. Die Rückreise trat er über Dänemark an. Ueberall kam er mit vielen großen Gelehrten und frommen evangelischen Christen in Verbindung. Im November 1691 langte er in seiner Vaterstadt wieder an, reich beladen mit Kenntnissen aller Art. Aber er erklärte späterhin, daß er alle diese Reisen und noch vieles Andere dem Leben Jesu weit nachzusetzen gelernt habe.

Am 9. April 1692 erhielt er den Ruf, als Feldprediger den Feldzug gegen Frankreich mitzumachen. Das war ein unglückliches Unternehmen. Die Würtemberger wurden geschlagen, und mit Zurücklassung seines Gepäckes kam Hedinger, in seiner Gesundheit geschwächt, in Stuttgart wieder an. Sein Amt hatte er treulich ausgerichtet. Um diese Zeit trat er in den Stand der h. Ehe. Es war eine friedliche, überhaupt sehr glückliche Ehe. Was er gesucht hatte, herzliche Liebe, beständige Treue, uns besonders eine Jüngerinn Jesu Christi, das fand er in seiner Frau. Der Kindersegen fehlte ihnen.

Im Jahre 1694 wurde Hedinger als Professor des Natur- und Völkerrechts nach Gießen berufen. Aber dabei vergaß er nicht die Theologie. Bald nahm er die theologische Doktorwürde an, wurde Universitätsprediger, und versah diese Stelle mit solcher Treue und Sorgfalt, daß er unter vielen Kämpfen seine werthe Gemeinde, die mit herzlicher Liebe an ihm hing, „durch Einpflanzung eines kindlichen Geistes zu dem wahren Leben in Jesu“ einzuleiten suchte. Um diese Zeit wirkte Spener mit großem Erfolge für ein wahres, lebendiges Christenthum. Wir können uns denken, daß Hedinger mit beiden Händen zugriff, und seinerseits auf das eifrigste bemüht war, dies neue Leben zu pflegen und zu fördern. Das hinderte ihn aber nicht, die Auswüchse des Pietismus, wie wir sie schon zu Speners und Frankes Zeiten wahrnehmen, nach Kräften zu bekämpfen. So hatte sich später in Würtemberg eine Sekte gebildet, die sich an eine gewisse Christina Regina Baderin anschloß. Diese nämlich, die Tochter eines würtembergischen Predigers von Simmensfeld, gab bald vor, einen Engel gesehen zu haben, der dem Lande viel Plage und Gerichte, ihr aber viele göttliche Tröstung angekündigt habe; bald behauptete sie, die h. Dreieinigkeit habe sich mit ihr unterhalten. Ein anderes Mal sagte sie, sie habe einen Kampf mit dem Satan gehabt, dann wieder sprach sie von zukünftigen Dingen, die ihr offenbart würden. Das Buch Tobias rechnete sie unter die kanonischen Bücher. Wenn man sie fragte, warum ihr die Augen so oft übergingen, antwortete sie, ein unaufhörlicher Schwefeldampf steige ihr unter die Nase u. dgl. Ihr Vater ließ darüber eine Schrift ausgehen: „Das Lob Gottes aus dem Munde der unmündigen Kinder.“ Der Herzog von Würtemberg ordnete eine Untersuchung an, und beauftragte Hedinger, der damals wieder im Vaterlande war, sie in sein Haus aufzunehmen. Auf sein ernstliches Zureden ging sie endlich in sich, und bekannte unter Thränen, daß Alles Betrug gewesen sei. Sie mußte Kirchenbuße thun, und widerrufen. Bei dieser Gelegenheit predigte Hedinger über 2. Petr. 1, 19 gegen die vorgeblichen Offenbarungen, Träume, Gesichte und Engel-Gespräche. Solche Auswüchse des Pietismus bekämpfte er, während er das Wahre und Gute desselben kräftig förderte.

Der Herzog Eberhard Ludwig von Würtemberg berief ihn im Jahre 1699 als Hofprediger und Consistorialrath nach Stuttgart. Er nahm den Ruf an, und mit evangelischem Ernst, mit dem Eifer eines Elias zeugte er von der Wahrheit am würtembergischen Hofe. Der Herzog war ein gutmüthiger, aber leichtsinniger Mann, der wohl zuweilen Stunden hatte, in welchen er seine Sklaverei fühlte, und an den Ketten rüttelte; aber die Macht der Sünde war bei ihm zu groß, als daß er sich aus ihrer Umstrickung hätte losmachen können. Das Militär, die Jagd und die Fleischeslust war ihm die Hauptsache. Weil er nun auf die Ermahnungen seines ernsten Bußpredigers nicht hörte, so mußte er 20 Jahre lang unter der Herrschaft einer Mätresse stehen, die sich in der Geschichte Würtembergs ein trauriges Gedächtniß gestiftet hat. Sie verkaufte viele Stellen, auch die geistlichen, für Geld, und wollte auch mit Namen im öffentlichen Kirchen-Gebete genannt seyn. Als der Herzog diesen Wunsch einem hochstehenden geistlichen Mitgliede des Consistoriums, Joh. Osiander, aussprach, erklärte diese freimüthig, es werde ihrer schon lange im Kirchengebete gedacht durch die Worte: „Erlöse uns von dem Uebel!“. Auch Hedinger war nicht, wie die stummen Hunde, sondern zeugte laut gegen dies ungöttliche Wesen. Sein Leichenredner sagt von ihm: „Mit was lauterer Absicht auf göttliche Ehre, mit was dringender und bis in den Tod hinein brennender Liebe gegen seinen gnädigen Fürsten und desselben hohes Haus, mit welch tausend Aengsten und Bekümmernissen seiner Seele über den Schaden Josephs, mit was großer und unermüdlicher Arbeit, die Brüche der nothleidenden Kirche zu heilen, mit welch standhaftem Muthe gegen den Trotz und Widerstand des Teufels diese hochwichtigen Funktionen bis daher von ihm versehen worden, dessen können diejenigen das unverfängliche Zeugniß ablegen, welche in seinem Umgang und Predigten öfters die Angst seiner Seele wahrgenommen haben.“

So schloß Hedinger seine Antritts-Predigt in der Hofkirche über Jer. 17, 16 mit folgenden Worten: „Dieweil ich nun das Glück habe, mit und vor Seiner Hochfürstlichen Durchlaucht erstmals und zwar öffentlich zu reden, bitte ich mir eine besondere Gnade aus, in der Hoffnung, es solle meine Bitte nicht fehlen. Nilus, ein gottseliger Mönch in Italien, wurde einst von dem großmächtigen Kaiser Otto III. besucht, und über viele wichtige Sachen das Christenthum betreffend, befragt. Als nun dieser hohe Monarch alle Vergnügungen deßwegen empfangen und erklärt hatte, Nilus möge sich eine besondere Gnade von ihm erbitten, bat der Mönch, es möchten Seine Majestät ihm erlauben, daß er etwas zu Ihrem Besten erinnern dürfte. Er trat demüthig hinzu, legte dem Kaiser seine Hand auf’s Herz, und sprach: Serva, Imperator, animam tuam! Gnädigster Kaiser! Erhalten und bewahren Sie Ihre Seele wohl! Sie müssen einst sterben, wie andre Menschen, und die Herrlichkeit dieses Lebens wird ihnen nicht nachfahren. Darum ist das allerbeste, bei Zeiten an das zu denken, worüber Sie sich in Ewigkeit werden zu freuen haben. Kaiser Otto, solches hörend, konnte sich des Weinens nicht entbrechen, und schied davon. Gnädigster Fürst und Herr! Ich verlange gleichfalls mit tiefster Unterthänigkeit keine andere Gnade, so lange mir Gott das Leben in dieser Pilgerfahrt fristen wird, als daß ich Amtshalber beständig zu Dero Thron und Fürstenstuhl hintreten, meine unwürdige Hand auf Dero Brust legen und das, war Dero hohen Vergnügung zu statten kommen, Dero zeitliches und ewiges Wohl befördern kann, demüthig erinnern dürfe. Ich rufe Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht, meinem allergetreuesten Landesvater, meinem gnädigsten Fürsten, meinem nach Gott allerhöchsten Wohlthäter demüthigst zu: Serva, Princeps, animam tuam! Bewahre, großer Fürst, der Seelen theures Pfand, das Gott mit seinem Blut so kostbar hat erworben! Kein Zweifel ist, daß auf eine so edle Bekümmerniß die völlige Erleuchtung, auf die Sorge der Nutzen, auf die Bewahrung der Reichthum, alles gedeihlichen Segens erfolgen werde, dergleichen ich von der Quelle aller Gaben von Herzen wünsche. Ist die Seele, die theure Seele, von aller Befleckung, von dem Zorn Gottes, von der Verführung der Welt wohl bewahrt, wir das Uebrige nicht außen bleiben, womit der Herr die Seinigen, so ihm am nächsten sind, Fürsten und Obrigkeiten, reichlich schmücket.“ –

Einst hatte der Herzog eine ärgerliche Verordnung erlassen, hatte aber das Gefühl, daß sein Hofprediger ihm gewiß deswegen Vorstellungen machen würde. Er gab daher den Schildwachen vor dem Thor den strengsten Befehl, Niemand vorzulassen. Hedinger erschien in seinem Amtskleide vor dem Schlosse, wurde aber mehrfach abgewiesen, da der Fürst heute Niemand sehen wolle. Er ließ sich aber dadurch nicht zurückschrecken, und drang auf das Bestimmteste auf den Zutritt. Als die Wachen mit gekreuzten Gewehren ihm den Eingang verwehren wollten, drückte er sie mit Ruhe hinunter, stieg über die Gewehre hinüber, und ging mit gemessenem, würdevollen Schritte in das Zimmer des Herzogs, der sich in ein anderes Gemach zurückzog, als er ihn ankommen sah. Hedinger folgte ihm in mehrere andere nach, bis jener nicht mehr ausweichen konnte. Ernst und feierlich trat er vor den Herzog hin, und sprach mit solchen Bitten und Gründen an sein Herz, daß dieser wirklich die Maßregel aufhob.

Ein anderes Mal hatte der Herzog am Sonntag Morgen einer leichtsinnigen Dame zu lieb einen Wagen anspannen lassen, und wollte eben von seinem Schlosse aus an der Kirche vorüber fahren. Hedinger hatte das gesehen, und entschloß sich, ihm in seinem geistlichen Ornate in den Weg zu treten, und stellte ihm ernstlich vor, wie er sich durch diese Entheiligung des Sonntags an dem Herrn versündige. Der Herzog blickte ihn finster an; aber Hedinger, vor den Pferden stehend, sprach unerschrocken: „Wenn Ew. Durchlaucht mit einem Käppchen voll Bluts gedient ist, so fahren Sie nur zu! Ich fürchte den Tod nicht!“ Der Fürst ließ zurückfahren.

Einst hatte der Hofprediger von der Kanzel den Herzog wegen gewisser Sünden gestraft, und zur Buße aufgefordert. Dieser war auf das Höchste ergrimmt, so vor der ganzen Gemeinde, bloß gestellt zu seyn. Er ließ Hedinger auf das Schloß kommen, und hatte den festen, verruchten Vorsatz, sich thätlich an ihm zu vergreifen. Hedinger stärkte sich im Gebet, und ging in Gottes Namen, in dem Bewußtseyn, des Herrn Ehre verfochten zu haben, auf das Schloß. Als der Herzog in hereinkommen sieht, ruft er ihm betroffen zu: „Hedinger, warum kommt Er nicht allein?“ Dieser entgegnet: „Ich bin allein, Ew. Durchlaucht.“ „Nein, Er ist nicht allein,“ erwiedert der Herzog. „Und dennoch bin ich allein, Ew. Durchlaucht,“ lautete abermals die Antwort. Der Fürst sah immer auf die rechte Seite Hedingers hin, und beharrte darauf: „Er ist nicht allein.“ Da merkte dieser, daß Gott seine Hand dabei hatte, und sagte: „Ich bin wahrhaftig allein gekommen; aber sollte es dem großen Gott gefallen haben, einen Engel jetzt neben mich zu stellen, so weiß ich es nicht.“ Der Herzog winkte ihm mit der Hand, und entließ ihn mit den Zeichen der tiefsten Erschütterung.

Nach solchen und anderen Vorfällen war der Fürst oft von den Feinden Hedingers, deren es natürlicher Weise am Hofe viele gab, gedrängt worden, ihn zu entlassen; aber er verweigerte dies Ansinnen entschieden. Doch erlaubte er einst in einer bösen Stunde, da Hedinger wieder einmal eine ernste Straf- und Bußpredigt gehalten hatte, einigen Höflingen, ihm eine Beleidigung zuzufügen, jedoch nur unter der Bedingung, sich nicht an seiner Person zu vergreifen, und mit der Prophezeihung, sie würden vom Hofprediger ihre Strafe schon bekommen. In Folge dessen brauchten sie ihm in der Nacht eine Katzenmusik. Hedinger ließ sie eine Zeit lang toben; dann erhob er sich aus seinem Bette, zog seinen Schlafrock an, und rief mit seiner Donnerstimme hinunter: „Wohl, wohl, so haben es einst die bösen Buben in Sodom auch gemacht!“ Da schlichen die elenden Wichte getroffen einer nach dem andern von dannen. – Solche Unerschrockenheit zeigte er überall. Bei der Besetzung einer Pfarrstelle wurde ein Candidat berücksichtigt, der, obschon im Uebrigen würdig, die Stimme der Glieder des Consistoriums mit Geld erkauft hatte. Hedinger, der es erfuhr, trat im Consistorium auf, hielt an alle Mitglieder eine ernste Rede, und zeigte ihnen, welcher Sünde sie sich theilhaftig machten, wenn sie das Geld behalten würden. Sie gaben dasselbe zurück. Dies Geld soll das erste gewesen seyn zum Bau des Waisenhauses in Stuttgart.

Trotz dieser Entschiedenheit hatte er die Freude, nicht nur in Stuttgart, sondern auch am Hofe selbst liebliche Früchte seiner Wirksamkeit reifen zu sehn. Zu diesen gehört die Herzoginn-Wittwe, Magdalena Sibylla, der er sein treffliches Büchlein „Der Passionsspiegel“ widmete. Eine andere Garbe, die er in die Scheuern Jesu Christi sammelte, war der Leibarzt Lentulus. Hedinger hatte das neue Testament mit Anmerkungen herausgegeben. Lentulus schrieb in sein Exemplar die schönen Worte: „O Du lieber Hedinger, Gott lasse dich um dieser herrlichen theuern Arbeit willen, die Du uns als einen rechten Segen hinterlassen hast, am Firmanente des Himmels als ein Stern erster Größe leuchten! Du hast in Deinem Leben mit Deinem güldenen Munde sowohl, als Deinem vortrefflichen Exempel ihrer Viele zur Gerechtigkeit bekehrt, und bekehrest deren noch viel mehr durch Deine hinterlassenen geistlichen Schriften, sonderlich aber auch durch dies herrliche Testament, nachdem Gott Diene sichtbare Gegenwart uns entzogen hat. wer sollte Dich dafür nicht lieben und loben?“

Im Sommer 1704 stellte sich bei dem sonst starken und rüstigen Manne eine große Mattigkeit ein. Namentlich, wenn er gepredigt hatte, sanken jedesmal seine Kräfte zusammen. Mit dem Herbste trat noch ein schwächender Husten dazu. Bangigkeit des Herzens und zuletzt noch heftiges Fieber rieben seine Kräfte auf. Die Aerzte wendeten alle ihre Kunst an, das Leben eines solchen Mannes zu erhalten; auch fehlte es nicht ander treuesten und zärtlichsten Sorgfalt der Seinen und dem inbrünstigen Gebete Vieler. Aber mächtiger als dies Alles war „das sehnliche Verlangen seines gen Himmel eilenden Geistes durch Krankheit uns sein Tod ein Zeugniß davon, daß der Herr Jesus in ihm Gestalt gewonnen hatte. „Was für ein elender Mann wäre ich jetzt, sagte er, wenn ich mich jetzt erst bekehren, und unter vielen Aengsten auf der Aerzte Gesichter Achtung geben müßte, was sie von meiner Krankheit urtheilen. So aber kann ich mich mit süßer Ruhe in die Arme und den Schooß meines Jesu, dem meine Seele anhängt, als ein Kind hinlegen, und mein schon längst bestimmtes Stündlein mit Freuden erwarten.“ Obgleich seine Schmerzen groß waren, so hörte man doch kein Wehklagen aus seinem Munde, sondern Ein Halleluja drängte das andere. Er stärkte sich durch den Leib und das Blut unsers Herrn. Er wollte nur Freudenlieder hören, und bat deswegen eines Tages den Diakonus, ihm das mächtige Siegeslied Luthers: „Christ lag in Todesbanden“ vorzulesen. Als der Vorleser an die Worte kam: „Da bleibt Nichts denn Tod’sgestalt, den Stachel hat er verloren“, und die Bemerkung machte: „Also nur ein Schatten von dem Tode ist noch zu viel, ein Spott, ein Spott aus dem Tode ist geworden.“ Am Christtage fragte man ihn, ob er sich auch erinnern könne, was das für ein Tag sei? „Der Christtag,“ erwiederte er, und bald darauf: „O welch ein Geheimniß! Himmel und Erde kommen zusammen.“ und für dann fort, die Freundlichkeit und Gnade Gottes zu rühmen: Ich werde gewiß sterben, rief er aus, und o wie freut sich mein Geist, zu meinem Jesu zu kommen! Ich werde zu den Vätern gehen!“

Am 27. Dezember Morgens erkundigte sich der Arzt nach seinem Zustande. Er antwortete: „Meine Seele ist krank von der Liebe Jesu!“, und war dann stille. Mittags zeigten sich Phantasien bei ihm, zur Abendzeit aber verloren sie sich wieder, so daß er sich mit einem Freunde über das verderbte Wesen der Welt unterhalten konnte. Die letzte Nacht kam heran. Auf seine Frage, ob es nicht heute Samstag sei, erhielt er die Antwort, daß es also sei, und daß es der letzte Christfeiertag sei. Der Todtkranke fügte hinzu: „So will ich denn meinem Herrn Christo zu Ehren einen Trunk thun.“ Er that es. Die Anwesenden erboten sich, einige Lieder zu singen, und eine nützliche Vorbereitung auf den Sabbath anzustellen. Da wiederholte er zweimal: „Ich bin schon längst vorbereitet!“ Zwischen Ein und zwei Uhr nahm die Schwäche überhand; Hedinger aber hielt mit lauter Stimme, mit gewaltigem Nachdrucke eine Abschiedsrede an seinen Landesfürsten. Man sah daraus, was in seinem Amte, und auch während der Krankheit seine angelegentlichste Sorge gewesen war. Er forderte ihn zum letzten Male zur Buße und zur Bekehrung auf, und schloß mit den Worten: „Ich hoffe, daß meine letzten Worte nicht ohne Frucht abgehen werden. Ich gehe nun dahin, wo man nimmer mit Worten reden, sondern Gott von Angesicht zu Angesicht schauen, und dem erwürgten Lamm Reichthum und Weisheit, Stärke und Ehre, Preis und Lob bringen wird von Ewigkeit zu Ewigkeit. Selig ist, der diese Worte höret, und denselben nachkommt.“ Jetzt wurde er stille, und entschlief nach einer Stunde sanft in seinem Herrn. Es war Morgens 6 Uhr, am 28. Dezember 1704.

Dr. Theodor Fliedner, Buch der Märtyrer, Verlag der Diakonissen-Anstalt zu Kaiserswerth, 1859