Johann Gigas

Johann Gigas (Hühne) wurde im J. 1515, nach Adamus schon am 22. Februar 1514, zu Nordhausen geboren. Die dortige Schule war in tiefem Verfall. Johann Spangenberg, seit 1524 Pastor in Nordhausen, suchte, da er sie nicht mit einem Schlage reformiren konnte, durch Privatunterricht ihre Mängel zu ersetzen, und unter den Schülern, die er desshalb in seinem Hause unterrichtete, war auch Johann Gigas. Gut vorbereitet vollendete Letzterer seine Schulbildung zu Magdeburg. Von hier ging er nach Wittenberg, wo er den Unterricht und die Freundschaft der Reformatoren genoss. Besonders innig und gehaltvoll war und blieb sein Verhältniss zu Melanchthon. Von diesem existiren noch zwei lateinische Briefe an Gigas, deren zweiter vom 29. Oct. 1556 einen Beweis liefert, wie hoch Melanchthon seinen jüngern Freund schätzte. „Ich bitte Dich,“ heisst es darin u.A., „dass Du mich aufmerksam machst, wenn ich irre. Desshalb schicke ich Dir meine Blätter über den Römerbrief und wünsche, Dich und andere fromme und gelehrte Männer zu Censoren zu haben.“ Gigas verwaltete zuerst den Rectorat zu Joachimsthal, wo er Mathesius’ Nachfolger war, als dieser zum zweiten Male als Student in Wittenberg sich niedergelassen hatte. Berührungen mit Mathesius gehen aus einem Briefe hervor, den Letzterer an Gigas schrieb, und von welchem Balthasar Mathesius im Leben Joh. M.’s. folgendes Bruchstück mittheilt: „O mi Gigas, sis tenax verbi (halt fest am Worte)! Da ich vor etlichen Jahren die vier Worte: „das ist mein Leib“ verlor und die mit Menschenaugen ansah, erschrak ich, kam in grosse Anfechtung, Angst und Trübsal; aber ich hielt am Gebet an und ergriff wieder die Mutterbrust (Ps. 131,2.) und liess hierinnen Ptolemaeum und Eucliden mit ihrem Messen und Rechnen fahren; da ward ich wiederum im Gewissen still und fröhlich, dafür ich Gott in alle Ewigkeit danke.“ Auch gedenkt Gigas eines Briefes von Joh. Mathesius, in welchem ihn dieser von seinen hochfliegenden Schulplanen zur Behandlung der Declinationen und Conjugationen zum Segen der Schüler zurückrief. „Ich muss hie anzeigen“ (erzählt Gigas in der Predigt auf den Tag Gregorii, Postille S. 89), „was mir in meinen jungen Jahren widerfahren ist, da ich für 28 Jahren in St. Joachimsthal ein junger, freudiger Schulmeister war und meine ersten Hörner noch hatte, gedachte ich Alles zu Bolzen zu drehen, griff’s tapfer an, machte einen eigenen Katechismus, eine eigene Prosodiam, schrieb den Schülern viele Statuta und Leges für. Als Solches Dominus Mathesius seliger, der zur selben Zeit zu Wittenberg seine Studia continuirte, erfuhr, schrieb er mir dandide et libere: Mein Freund Gigas, was schreibet Ihr lange und viel Statuta und Leges scholasticas? Decliniret, conjugiret, repetiret, emondiret dafür. Solches ist der lieben Jugend viel nöthiger und nützlicher. Diese Vermahnung des alten, getreuen und erfahrnen Schulmeisters nahm ich zu Dank an und danke ihm noch heute darum; denn was sich nicht gern vernahmen, warnen und freundlich strafen lässet, da ist wenig Hoffnung.“

Gigas bekleidete rasch nach einander die Rectorate zu Joachimsthal, Marienburg und Pforta (seit 1543), wurde 1546 Pastor zu Leutmannsdorf und bald darauf zu Freistadt in Schlesien, wo er sieben und zwanzig Jahre lang in Segen wirkte, und starb als Prediger zu Schweidnitz, den 12. Juli 1581. Er hinterliess einen Sohn, Heinrich Gigas, und zwei Töchter, welche an seinen Amtsbruder zu Schweidnitz, Nicolaus Praetorius, und an einen weiter nicht bekannten Antonius Herfart verheirathet waren. Die drei Männer wurden von ihm dringend aufgefordert, den 131. Psalm: „Herr, mein Herz ist nicht hoffärtig, und meine Augen sind nicht stolz,“ fleissig zu beten, fest an der Augsburgischen Confession zu halten und „gut altwittenbergisch zu sein und zu bleiben.“

Gigas vereinigte mit gründlicher Gelehrsamkeit tiefe Frömmigkeit. Dennoch quälte ihn eine Zeit lang schwerer Trübsinn. Aber er sollte ihm zum Segen werden. Denn als die Schwermuth von ihm gewichen war, dankte er sein ganzes Leben lang dem Herrn für die Befreiung unter häufiger Anführung der Worte Jacobs: „Ich bin zu geringe aller Barmherzigkeit und Treue, die Du an Deinem Knechte gethan hast!“ Auf ein und dasselbe Leiden bezieht sich unstreitig, was Polius und Strahle von ihm erzählen: „Als Herr Johann Gigas Nordhusanus noch zu Freistadt Pastor war, ist er in schweren Anfechtungen des Nachts aufgestanden, aus seiner Kammer gegangen, ehe es Jemand der Seinigen gewahr geworden, in einen tiefen Brunnen gerathen und gar triefend nass wieder in die Kammer kommen und gesagt: Er wisse nicht, wie er in den Brunnen kommen wäre, das wüsste er aber wohl, dass ihm ein fremder Mann herausgeholfen, welches gewiss ein Engel Gottes gewesen.“ (Polius, Homerologia Siles. p. 264). „Gigas hat einstmals in so schweren Anfechtungen gesteckt, dass er gar keinen Trost wollen annehmen und von vier Personen müssen gehalten werden, damit er nicht entwischen und sich Schaden thun möchte.“ (Strahlius, Trost über Trost. p. 131.).

Von Gigas’ Predigten rühmt Adamus, dass sie ihm nicht auf den Lippen, sondern im Herzen geboren wurden. Er selbst schreibt, „er habe Nichts gelehrt, als Mosen und Christum und den christlichen Kriegsdienst, in welchem man streiten sollte, vertrauend auf das ewige Pascha.“ Seine Vorträge hielt er nach der gründlichsten Vorbereitung, wie ihm denn Nichts mehr zuwider war, als ein vages Extemporiren. „Es sollen auch alle Praeceptores“ – sagt er in seiner Predigt am Gregoriustage – „auf ihre lectiones fleissig studiren, dass sie selbst Alles recht verstehen und fassen und den Knaben fruchtbarlich fürbringen mögen, dass es ihnen nicht ergehe, wie einem alten Professori, der Logicam und Dialecticam mit Unverstand las, und da das Jahr um war, seine Auditores fragte, ob sie vernommen hätten, was er gelesen, und sie Antwort gaben: Domine Praeceptor, non intelleximus; sprach er: Optimi auditores, ignoscite, nec ego intellixi. Ach, wie ungern höre ich auch die Wäscher und Drescher predigen, die nur Vocales und Locales sind, und sich rühmen, dass sie auch ex tempore und aus dem Stegreif eine Predigt thun können, gehen ungebetet, ungestudiret, auch wohl mit einem guten Rausch auf die Kanzel, et dant sine mente sonum.“ Ähnliche Gedanken spricht er in einer über Ps. 134. gehaltenen Predigt „von Predigern und Zuhörern“ aus. „Der königliche Prophet David“ – heisst es daselbst – „vermahnet die Prediger, sie wollen ja im Worte des Herrn fleissig sein, mit Lehren und Wehren anhalten; denn wo Solches nicht geschieht, hat der boshaftige, listige, unverdrossene Satan gewonnenes Spiel. Wer aber fruchtbarlich lehren und wehren soll, Der muss zuvor redlich studirt und eingesammelt haben, muss der Hauptartikel christlicher lehre gewiss sein, ja, er muss sich für und für zur heiligen Biblia halten, beten, lesen, meditiren. 1. Timoth. 4. Episcopum non tantum docere sed et discere oportet, sagt Cyprianus. Er muss auch fleissig die Sprachen lernen, dass die Wahrheit aus Israels Brünnlein durch Hilfe des heiligen Geistes erforscht werde. Ja, ein Prediger soll nicht allein gelehrt, sondern auch lehrhaftig sein, apposibus ad docendum, 1. Timoth. 3. Derwegen die faulen Socii und Fratres ignorantiae sich gar nicht damit zu behelfen haben, dass der Herr spricht Matth. 10.: Ihr seid es nicht, die da reden, sondern meines Vaters Geist ist es, der durch euch redet. Es ist auch eine schale, kahle, faule, nichtige Rede: Scientia inflat, ergo nihil est discendum. Item, sind doch Petrus und Andreas Laien und Fischer gewesen. Rependeo: Die Apostel hatten einen solchen Praeceptorem, der sie bald gelehrt und sprachkundig machen konnte. So ist St. Paulus ja ein gelehrter Mann und der Sprachen kundig gewesen, hat von Jugend auf fleissig in seinem Vaterland zu Tarsen und hernach zu Jerusalem studiret. Actor. 22. Fürwahr, wer fruchtbarlich seine Schäflein weiden, bescheidentlich lehren und wehren soll, wie eines guten Hirten Amt ist, muss zuvor studiret haben.“

Der Form nach sind Gigas’ Predigten bald Homilien, bald ohne Thema in loci getheilt, bald synthetisch. Man bewunderte an ihnen, trotz vielfach unterlaufender lateinischer Citate, den ausgezeichneten deutschen Ausdruck und freuete sich über ihre Fasslichkeit. Diese wurde durch die häufige Benutzung der Frageform nicht wenig gefördert.

G. ist Verfasser vieler metrischer und poetischer Schriften. Dahin gehören: Methodus scribendi carmina pro imperitioribus. 1538. 8. Sylvae. Epigrammata innocua. Encomium Lipsiae. Die Lieder: Ach, wie elend ist unser Zeit! Ach, lieben Christen seid getrost. Ach, wie bin ich in Angst und Noth! Bemerkenswerth ist seine dogmatische Schrift: Tractabus de rectitudine religionis christiane. Francof. ad Viadrum 1551. 8. Predigten: Postilla der Sonntagsevangelien und etlicher Feste. Alten-Stettin 1570. fol. Von Predigern und Zuhörern Frankf. a.O. 1568. 4. Von redlicher Obrigkeit und Unterthanen. Frankfurt a.O. 1568. 4. Von rechtem und falschem Fasten. Frankf. a.O. 1568. 4. Von christl. Schulmeistern und Schülern. 1566. 4. Vom Gebet. 1509. 4. Predigt von Schwenkfeld’s Schwärmerei und Calunicen. Budissin 1564. 4. Christpredigt. Frankf. a.O. 1568. 4. Von den Stufen zum Himmelreich. 1564. 4. Das Leiden Christi in 9 Predigten. Vom jüngsten Tage. Eine Predigt, wie man vor Gott gerecht und selig wird. Das Lied: Ein Kindelein so löbelich, kurze Erklärung. Frankfurt a.O. 1561. 4. 8. Adami vitae eruditorum. p. 254. Kindervater, Nordhusa illustris p. 73.

Die bedeutendsten Kanzelredner der lutherschen Kirche des Reformationszeitalters, in Biographien und einer Auswahl ihrer Predigten dargestellt von Wilhelm Beste, Pastor an der Hauptkirche zu Wolfenbüttel und ordentlichem Mitgliede der historisch-theologischen Gesellschaft zu Leipzig Leipzig, Verlag von Gustav Mayer. 1856