Guillaume Farel

Wilhelm Farel.

Wilhelm Farel wurde geboren im Jahre 1489 zu Gap, einer kleinen Stadt in den Alpen des Dauphins. – Seine Eltern waren vornehmen Standes, hingen aber fest an dem hergebrachten Glauben; „mein Vater und meine Mutter, erzählte er später, zweifelten an nichts.“ Auch er bewies früh einen großen katholischen Eifer; noch in seinen letzten Lebensjahren erinnerte er sich, voll Kummers über solchen Aberglauben, an die Wallfahrten mit seinen Eltern zu einem wunderthätigen Kreuz im Gebirge, das von dem Kreuz des Herrn selber genommen sein sollte. Dabei zeichnete er sich aber aus durch außerordentliche Lernbegierde. Nur ungern gewährte ihm der Vater sein Verlangen, sich den Studien zu widmen; nachdem er von ungeschickten Lehrern etwas barbarisches Latein erlernt, wurde er nach Paris geschickt. Hier schloß er sich zunächst an den berühmten, die Jugend in hohem Grade anregenden Gelehrten Lefèvre d’Etaple an; er studirte Philosophie, alte Sprachen, selbst hebräisch, was damals noch eine Seltenheit war. Er erwarb sich den Grad eines Magisters der freien Künste und ward als Lehrer an dem Kollegium des Cardinals Lemoine angestellt. Anfänglich deutete Nichts in seinem Streben auf den zukünftigen Reformator hin. Mit der nämlichen Gluth, mit der er sich später der Sache des Evangeliums ergab, erfaßte er die katholische Lehre, überzeugt, „das Papstthum sei wahrhaft von Gott und jeder Gegner desselben müsse weggethan werden.“ Abergläubisch verehrte er Bilder und Reliquien; die Heiligenlegenden erfüllten seine lebhafte Phantasie; „ich trug so viel Fürbitter, so viel Götter in meinem Herzen, daß es für ein vollständiges Heiligenregister gelten konnte.“ Nichts auf Erden ging ihm über Mönchthum und Priesterstand.

Bald indessen sollte es anders mit ihm werden. Schon bevor die Nachrichten von dem Auftreten Luther’s nach Frankreich kamen, begann in dem Kreise, dem der junge Farel angehörte, das Regen des evangelischen Geistes. Es ging von dem vielseitig gelehrten und zu mystischer Frömmigkeit sich neigenden Lefèvre aus. Die jungen Männer, die sich um ihn sammelten, Gerhard Roussel, Martial Mazurier, Michel d’Arande und Andere, eigneten sich Alle mehr oder weniger reformatorische Grundsätze an; die meisten haben sie aber später wieder verläugnet oder nur unvollständig durchgeführt. Farel war der einzige aus dem Kreise, der sich völlig von dem Katholicismus lossagte, nachdem ihm das Vertiefen in die Bibel die Augen geöffnet hatte. Auf eigenthümlich ergreifende Weise hat er selber, in einer spätern Schrift, den Gang seiner geistigen Entwickelung geschildert, die Macht Gottes bewundernd, durch die „er aus so tiefen Abgründen gerettet wurde“. Er erzählt, welches Staunen ihn ergriff, als er erkannte, daß in der bestehenden Kirche so Vieles mit der heiligen Schrift nicht übereinstimmend war; wie dies Staunen sich in ängstliche Ungewißheit über die biblischen Lehren selber verwandelte; wie er die Beschlüsse der Päpste und die Werke der Doctoren studirte, um seine Zweifel zu lösen; welche Kämpfe seine Seele erfüllten, die zwischen dem hergebrachten, bisher so leicht angenommenen Glauben und der neugeahnten Wahrheit schwankte. Lefèvre half ihm durch diesen qualvollen Zustand hindurch, indem er ihm von der Verdienstlosigkeit der eigenen Werke und von der allein rechtfertigenden Gnade redete, und ihm verkündigte, Gott werde die Welt erneuern und er werde Zeuge davon sein. So gelangte er, stufenweise fortschreitend, ein Stück Katholicismus nach dem andern wegwerfend, von dem Dienste der äußern Form zur innern Freiheit des Geistes, und zur Ueberzeugung, daß nur in Christo das Heil zu suchen und die römischen Traditionen und Gebräuche nur Menschenerfindung seien. Mit dem ihn characterisirenden feurigen Eifer wandte er sich nun dem Evangelium zu. Er war dabei frei von jeder niedrigen Absicht; „weder Geld noch Ehre hatten mich bewogen, an dem Papstthum zu halten, sondern die Verblendung, in der ich meinte, es sei von Gott; ebensowenig sind es irdische Rücksichten, die mich davon abwandten, sondern ich that es gezwungen durch die heilige Schrift.“ Man darf ihm glauben, denn was konnte ein Reformator in Frankreich anders erwarten, als Verfolgung und Noth aller Art? Es drängte ihn, von seinen neuen Ueberzeugungen zu reden; seine Freunde erschraken und schlossen ihm den Mund. Lefèvre selber, so fromm er auch war, fürchtete einen Bruch mit der Kirche; er wähnte, das innere Leben könne bewahrt werden, auch bei der äußern Theilnahme an Gebräuchen, die er für gleichgültig und daher für unschädlich hielt. Diese Ansicht war auch die der Schwester Franz I. der geistreichen und liebenswürdigen Margaretha von Alencon, die Lefèvre und seine Schüler begünstigte und sich gerne mit ihnen von einer friedlichen Verbesserung der Kirche unterhielt.

Als indessen die Doctoren der Sorbonne anfingen, Lefèvre zu verdächtigen, gab Farel die Hoffnung auf, im Schooße des Katholicismus frei evangelisch leben zu können. Er erkannte, wie er sagte, die Feigheit der Theologen und begann sie weniger zu achten, als bisher. 1521 zog sich Lefèvre, der Ketzerei angeklagt, nach Meaux zurück, zu seinem Freunde dem mystisch-frommen Bischof Wilhelm Briconnet; auch die meisten seiner Schüler verließen nun Paris. Zu Meaux, von wo sie ihre Verbindung mit Margaretha fortsetzten, schien sich der evangelischen Thätigkeit dieser Männer ein reiches und freies Feld aufzuthun; Lefèvre übersetzte die Bibel in’s Französische; Farel, Roussel, Michel d’Arande wurden von dem Bischof ermächtigt, in der ganzen Diöcese zu predigen. Farel besonders zeichnete sich durch seine Freimütigkeit aus, so daß, auf die Anklage einiger Mönche, der schwache Briconnet den 12. April 1523 ihm das Predigen wieder untersagte. Er verließ Meaux, hielt sich kurze Zeit zu Paris auf und kehrte dann in seine Vaterstadt zurück. Im Kreise seiner Familie begann er hier seine Missionsthätigkeit; mehrere seiner Brüder, Daniel, Johann, Walther und Claude wurden für das Evangelium gewonnen, für das sie später Güter und Vaterland opferten. Aus Gap verjagt, irrte er in den Gebirgen und Wäldern umher, verkündigte das Wort Gottes in den Hütten der Hirten sowohl als in den Schlössern der Edlen; einen dieser letztern bekehrte er, den jungen gelehrten Ritter Anemund de Coct, Herrn von Chastelard; auch einem Prediger von Grenoble, dem Barfüßer Peter de Sébeville, zündete er das Licht des Glaubens an. Beide, Anemund und Sébeville, wurden thätige Beförderer der Reformation, mußten aber bald, so wie Farel selbst, sich durch die Flucht der Verfolgung entziehn. Farel wandte sich nach Basel, wo er außer Anemund noch andere französische Flüchtlinge traf, und wo Oecolampad ihn gastfreundlich in seinem Hause aufnahm. In Basel war er Zeuge des Gesprächs, welches der Pfarrer von Liestal, Stephan Stoer, über fünf gegen den Priester – Coelibat gerichtete Thesen hielt (16. Februar 1524). Der große Eindruck, den dieser Vorgang hervorbrachte, flößte auch Farel den Wunsch ein, öffentlich als Bekänlpfer der alten Lehre aufzutreten. Er bat den Rector der Universität um die Erlaubniß, über einige Thesen disputiren zu dürfen; da sie ihm verweigert wurde, begehrte und erhielt er sie von dem Magistrat. Als hierauf der bischöfliche Vicar, Heinrich von Schönau, den Geistlichen und Studenten verbot, dem Gespräche beizuwohnen, erschien den 14. Februar ein Mandat des Rathes, welches, unter Androhung verschiedener Strafen, sowohl den Geistlichen als den Mitgliedern und Studirenden der Universität das Gegentheil gebot. Farel veröffentlichte nun in lateinischer Sprache folgende dreizehn Sätze: Christus hat uns eine vollkommene Lebensregel vorgeschrieben; seine Vorschriften müssen befolgt werden, woraus folgt, daß denen, die die Gabe der Enthaltsamkeit nicht haben, die Ehe geboten ist; Fasten und sonstige Ceremonien sind jüdisch und nicht evangelisch; Gebete mit vielen Worten sind der Lehre Christi zuwider; das Amt der Geistlichen besteht vor Allem in der Predigt des Wortes Gottes; Christi Gebote sollen nicht für bloße Rathschläge ausgegeben werden, noch umgekehrt; wer seine Brüder nicht das reine Evangelium lehrt, dessen schämt sich Christus; wer glaubt, daß er durch seine Werke und eigenen Kräfte und nicht durch den Glauben allein gerechtfertigt wird, der macht sich selbst zu Gott; Gott verlangt keine andere als geistige Opfer; die Gesunden, die nicht Prediger sind, sollen Handarbeit treiben; der Bilderdienst ist Götzendienst; die aus dem Judenthum entlehnten Gebräuche sind zu verwerfen; nur von Christo sollen wir streben erleuchtet zu werden, denn durch ihn allein, nicht durch die Macht der Gestirne oder der Elemente, wird Alles regiert.

Man sieht, es herrscht in der Aufeinanderfolge dieser Sätze noch bedeutende Confusion; es war der erste Anlauf eines feurigen Geistes, dem es noch an einem festen durchgebildeten Systeme mangelte; der praktische Gegensatz gegen die Aeußerlichkeiten und die menschlichen Zuthaten im Katholicismus, gegen Bilder, Fasten, Ehelosigkeit, bettelndes Mönchthum herrscht vor; doch ist der große Grundsatz von der Rechtfertigung durch den Glauben bestimmt ausgesprochen, und Christus wird dargestellt als der alleinige Lehrer, Gesetzgeber und Herr. An die Spitze der Thesen stellte Farel eine Einladung an alle Christen, sich mit ihm über diese Gegenstände zu besprechen, „in welchen begriffen ist die Summe christlicher Freiheit, und durch welche die Tyrannei menschlicher Satzung darniedergelegt wird.“ Die Disputation fand lateinisch statt; da jedoch Farel, wegen seiner französischen Aussprache, nicht von Jedermann verstanden wurde, diente ihm Oecolampad als Dolmetscher. Er führte seine Sache so siegreich durch, daß Oecolampad an Luther schrieb, er halte ihn für stark genug, es mit der ganzen Sorbonne aufzunehmen. Das Gespräch, und mehr noch die Weigerung der Gegner, dabei zu erscheinen, verminderten sehr die Achtung des Volkes vor den Priestern; „es kam viel Gutes davon“, sagt ein gleichzeitiger, handschriftlicher Bericht. Auch zur Bekehrung Pellican’s soll Farel beigetragen haben. Zu Basel hielt er einige öffentliche Vorlesungen und gab auf den Rath mehrerer Landsleute und Oecolampads kleine polemische Schriften heraus; er setzte aber seinen Namen nicht dazu, und nicht einmal deren Titel sind bekannt. Ueberhaupt war Farel’s literarische Thätigkeit, in Vergleich mit der Viret’s, Calvin’s, Beza’s, unbedeutend; er war ein Mann der That und nicht der Feder; er schrieb nur ungern, und was er schrieb, legte er zuerst den Freunden zur Prüfung vor. Seine wenigen Schriften sind entweder polemischen Inhalts, oder Ermahnungen, im evangelischen Bekenntnisse zu beharren; sie sind voll Feuer und Leben, aber oft unklar und incorrect, und in theologischer Hinsicht von untergeordnetem Belang.

Seine in Basel veröffentlichten Pamphlete griffen ohne Zweifel das Papstthum und die Sorbonne mit einem jugendlichen Ungestüm an, das Manchen bedenklich schien und das Oecolampad vergebens zu mäßigen suchte. Farel lud dadurch den Haß der noch mächtigen katholischen Parthei auf sich; auch der bedächtige Erasmus, dem er Feigheit vorwarf, ward ihm gram und sprach sich in mehreren Briefen bitter gegen ihn aus; eine Unterredung der beiden Männer, in der auch die Heiligenverehrung zur Sprache kam, entzweite sie vollends statt sie zu versöhnen. Diesen verschiedenen Umständen ist es zuzuschreiben, daß der Rath, dem das zu rasche Vordringen Farel’s voreilig erschien, ihm um Pfingsten 1524 die Weisung gab sich aus der Stadt zu entfernen. Mit einer Empfehlung Oecolampad’s wollte er Luther besuchen; nichts bezeugt aber daß er die Reise nach Wittenberg wirklich unternommen. Oecolampad hatte ihm auch gerathen, sich in einer französischen Gegend der Verkündigung des Evangeliums zu widmen, denn der Landessprache nicht mächtig, konnte er in der deutschen Schweiz wenig wirken; eine von Basel aus im Frühjahr 1524, mit dem Lyoner Edelmann Anton du Biet, gemachte Reise nach Konstanz, Zürich, Bern, hatte nur das, allerdings für ihn wichtige Resultat gehabt, ihn mit den dortigen Reformatoren bekannt zu machen.

Von Basel begab sich nun Farel nach Straßburg, wo er mit Bucer und Capito Freundschaft schloß. Durch einen Brief Oecolampad’s wurde er auf Mümpelgard aufmerksam, wo Johann Gailing, ein Schüler Luther’s, bereits thätig war für die Reformation. Er ging hin, begleitet von dem Pariser Johann Dumesnil und dem Flamänder Wilhelm Dumoulin; und erhielt von dem aus seinem Lande vertriebenen Herzog Ulrich von Würtemberg, der in der ihm gehörenden Grafschaft Mümpelgard anwesend war, die Befugniß zu predigen. Im Juli 1524 kam er an; er predigte gewaltig in den Kirchen der Stadt, wurde aber mehrmals durch, von den Mönchen angeregte Volksaufläufe unterbrochen; als einst der Franziskaner-Guardian heftig gegen ihn eiferte, und Farel sich erbot, sich jeder Strafe zu unterziehen, wenn er Unchristliches gelehrt hätte, ließ der Herzog Beide verhaften. Dem Guardian ließ er die Wahl Farels Ketzerei zu beweisen oder selbst zu widerrufen; zum Erstaunen des Fürsten geschah Letzteres: der Mönch bekannte auf der Kanzel, Farel habe die Wahrheit gelehrt. Um zu zeigen daß dieser Widerruf nicht erzwungen worden, erklärte Ulrich, er sei bereit ein öffentliches Gespräch halten zu lassen, und versprach Farel streng zu bestrafen, wenn seine Predigt falsch erfunden würde. Zugleich wurde der ganze Vorgang durch eine Druckschrift, lateinisch und deutsch, bekannt gemacht. Durch dieß Alles wurde Farels Eifer noch mehr angefeuert; trotz der Briefe Oecolampad’s, die ihn zu Mäßigung und Milde ermahnten, trat er immer angreifender auf. Als ein Reliquienhändler nach Mümpelgard kam, erschienen Farel und Gailing vor dem Rath und wandten sich an den Herzog selbst, um ein Verbot des Krams zu ermitteln; man erzählt sogar, daß Farel mit eigener Hand die Reliquien ins Wasser warf. Wirksamer als solche Gewaltthat, wurde eine kleine Schrift, die er, auf Oecolampad’s Aufforderung, erscheinen ließ, und die in Kürze das zusammenstellte, was der Christ wissen müsse, um sein Vertrauen auf Gott zu setzen und seinem Nächsten zu dienen. Diese Schrift, die wie Alles was Farel geschrieben hat, außerordentlich selten geworden ist, verbreitet sich in 43 Abschnitten, die von Gott ausgehn und mit dem letzten Gerichte schließen, über die vorzüglichsten Stücke der christlichen Glaubens- und Sittenlehre. Die Darstellung ist einfach und allgemein verständlich, und doch voll lebendiger Bewegung; tiefere dogmatische Erörterungen kommen nicht vor; die Lehre von der Prädestination wird nicht berührt; dagegen finden sich aber, neben der unvermeidlichen Polemik gegen die römische Kirche, die trefflichsten Ermahnungen zu einem frommen, streng sittlichen Wandel. In dem Kapitel über die Erziehung der Kinder erkennt man bereits alle die Züge, welche später die französischen Reformirten ihren katholischen Landsleuten gegenüber so rühmlich ausgezeichnet haben. Als Beispiel seiner Schreibart und überhaupt seiner geistigen Eigenthümlichkeit, möge hier eine Stelle folgen über das Verbot des Bibellesens in Frankreich: „Ach Gott, welch ein Greuel! Sonne, kannst du mit deinen Strahlen ein solches Land bescheinen? Erde, kannst du solche Menschen tragen und denen, die ihren Schöpfer so verachten, deine Früchte schenken? Und du, o Herr, bist du so mitleidig, so langsam zum Zorn bei einem so großen gegen dich begangenen Frevel? Hast du nicht deinen Sohn zum König über Alle verordnet? Soll sein heiliges Wort, das du ihm aufgetragen hast uns zu lehren, verboten sein als ein unwürdiges, schlechtes, für die die es lesen gefährliches Wort? Erhebe dich, o Herr! Zeige, es sei dein Wille, daß dein Sohn geehrt und die heiligen Gesetze seines Reiches verkündigt, erkannt und von Allen gehalten werden. Laß die Posaune deines Evangeliums in aller Welt erschallen! Verleihe deinen Predigern Kraft und Muth, und zerstöre die welche Irrthum verbreiten, damit die ganze Erde dir diene, dich anrufe, dich anbete in tiefer Ehrfurcht.“

Auch noch einige andere kleine Traktate soll Farel damals geschrieben haben. Sein Freund, der nach Basel geflüchtete Lyoner Buchdrucker Johann Vaugris schrieb ihm sogar, er möchte an eine französische Bibel-Uebersetzung denken. Für eine solche Arbeit war er indessen der Mann nicht; wenn auch theologisch gebildet, so war er doch mehr zur thätigen Wirksamkeit nach Außen geboren, als zu ruhiger gelehrter Beschäftigung. Uebrigens hätte ihm jetzt, so wie in den nächsten Jahren, die Muße dazu gefehlt. Die katholischen Schweizer Kantone begehrten von dem Herzog, dessen Interesse erforderte sie zu schonen, die Entfernung der Prediger; Erasmus klagte Farel bei dem bischöflichen Offizial zu Besançon als gefährlichen Unruhstifter an; Ulrich von Würtemberg verließ Mümpelgard; seines unmittelbaren Schutzes entbehrend zog daher Farel im Sommer 1525 aus dem Lande fort, nachdem er auch in der Gegend von Belfort manchen Samen ausgestreut hatte. Er kehrte nach Straßburg, den Sammelplatz aller Flüchtlinge, zurück; hier traf er Lefèvre und seine andern Freunde aus Meaux. Noch während seines Aufenthalts zu Basel hatten er und Oecolampad Roussel in häufigen Briefen zu kräftigerm Auftreten ermahnt; Roussel hatte sogar von Farel die Sendung von Druckmaterial begehrt, um reformatorische Schriften zu drucken; mehrmals hatte er auch Bücher von ihm erhalten; allein die in Frankreich ausgebrochene Reaction und die Schwäche Briconnet’s hatten Roussel, Lefèvre und Michel d’Arande genöthigt zu fliehen. Da noch andere französische und lothringische Flüchtlinge sich in der freien Reichsstadt eingefunden hatten, unter andern Franz Lambert von Avignon und der Ritter von Esch, aus Metz, so sammelte Farel sie zu einer Gemeinde, deren erster Prediger er ward. Unter ihren Mitgliedern, so wie überhaupt unter den evangelischen Franzosen, brachte der damals ausgebrochene Abendmahlsstreit große Bewegung hervor. Während Franz Lambert zu Luther hielt, waren Farel und die meisten Andern der Zwingli’schen Auffassung zugethan, beklagten aber schmerzlich das drohende Zerwürfniß. Peter Toussaint, früher Kanonicus zu Metz und jetzt einer der thätigsten französischen Evangelisten, schrieb an Farel, die Straßburger zu vermögen mit Luther zu handeln: „bedenke, sagte er, die Verwirrung, wenn diese Verschiedenheit der Lehre benützt wird, der Welt vorzugeben, Straßburg habe einen andern Glauben, und Nürnberg einen andern. Würden nicht die Fürsten die Gelegenheit ergreifen, uns zum alten Götzendienst zurückzuführen?“ Was die Straßburger in der Sache thaten, ist bekannt; Farel seiner Seits sandte ein ausführliches Schreiben an Bugenhagen; da in demselben nur Zwingli’s Ansicht entwickelt und vertheidigt war, konnte es auf die Norddeutschen wenig wirken; es ist aber wichtig um Farel’s damaligen Standpunkt zu bezeichnen.

Nicht weniger als dieser unselige Streit schmerzte ihn die ängstliche Rückhaltung Lefèvre’s und Roussel’s, die es nicht einmal wagten in Straßburg ihren wahren Namen zu nennen; vergebens erinnerte Farel seinen ehmaligen Lehrer an dessen Weissagung von einer Erneuerung der Welt, und ermahnte ihn Mitarbeiter dabei zu sein. In einem Briefe an Zwingli (12. Dez. 1525) klagte er über die Unentschiedenheit dieser Männer, die statt das Kreuz Christi auf sich zu nehmen, Gott und den Menschen zugleich dienen wollten. Bald darauf (Mai 1526) wurde es Lefèvre und seinen Freunden gestattet nach Frankreich zurückzukehren, an den Hof Margaretha’s von Alencon, die Gerhard Roussel zu ihrem Prediger ernannte. Unter dem Schutze der edlen Fürstin, trat dieser nun, eine Zeit lang, mit größerem Muthe auf. Er wünschte sogar, daß auch Farel in das Vaterland zurückkommen könnte; von der mystischen Margaretha, welcher Farel’s kühner, durchgreifender Geist nicht zusagte, konnte er jedoch für diesen nichts erhalten als eine Summe Geldes. Er suchte sich nun bei Andern für den ihm immer noch theuern Freund zu verwenden; den 7. Dezember 1526 meldete er ihm, er habe endlich ein Arbeitsfeld für ihn gefunden; auf seine Empfehlung hin, solle er ihn im Namen der beiden Söhne des Fürsten Robert de la Marck, Robert von Saulcis und Wilhelm von Jamets, berufen um in ihren Gebieten das Evangelium zu predigen; sie erwarteten ihn mit Ungeduld und wären bereit eine Druckerei zu errichten, damit er auch durch Schriften wirken könnte. Auch Peter Toussaint schrieb ihm um ihn zu schnellem Kommen zu bewegen. Allein bereits war Farel nicht mehr frei. So sehr auch die Thätigkeit in Straßburg in Gemeinschaft mit seinen Landsleuten ihn erfreut hatte, und so anregend und lehrreich der Umgang mit Bucer und Capito für ihn gewesen war, so hatte er sich doch nach einem selbstständigern Wirkungskreise gesehnt; er fühlte sich berufen zur Missionsthätigkeit, zu freiem Handeln und Kämpfen für die Reformation. Zu diesem Berufe hatte ihm auch Gott alle nöthigen Eigenschaften geschenkt, einen zwar schmächtigen, aber rüstigen, alle Mühseligkeiten ausdauernden Körper, eine Donnerstimme, wie Beza sich ausdrückt, eine glühende, bilderreiche Beredsamkeit, einen Muth, den die Gefahr anfeuerte statt ihn einzuschüchtern, eine Kraft der Ueberzeugung und des Willens, die bis aus Ende seiner langen Laufbahn ungebrochen blieb. Das Eigenthümliche seines Wirkens ist das schonungslose Bekämpfen des bloß äußerlichen Gottesdienstes, und das strenge, oft schroffe Dringen auf Reinheit des Lebens. Es erklärt sich dies aus seiner eigenen innern Bildungsgeschichte, aus der Art wie er, der in seiner Jugend ein fanatischer Bilderverehrer gewesen, und trotz der Verweltlichung der Geistlichen und der Mönche dieselben für „göttlich“ gehalten hatte, sich zur Erkenntniß der Wahrheit durchgekämpft hatte. Entrüstet darüber, daß die Menschen an dem Aeußern und Unheiligen hingen, wollte er dieses unbedingt, und oft gewaltsam entfernen.

Im Oktober 1526 war er zu Fuß, und manche Gefahr ausstehend, von Straßburg nach Basel, und nach kurzem Aufenthalte in dieser Stadt wo eine Pest wüthete und der Rath ihm immer noch ungünstig war, nach Bern gegangen. Hier hatte ihm Berthold Haller den Rath ertheilt die Reformation der romanischen Schweiz zu versuchen, und zunächst zu Aelen (Aigle) im untern Rhonethale, das den Bernern unterthan war. Ohne Verzug war er diesem Rathe gefolgt; um sich in die Herzen des unwissenden und rohen Volkes den Weg zu bahnen, war er zu Aelen als Lehrer der Kinder aufgetreten, unter dem Namen Wilhelm Ursinus. Den 30. November wagte er es zum ersten Mal zu predigen; da erhob sich ein Sturm, Behörden und Priester widersetzten sich seiner weitern Thätigkeit. Er beklagte sich bei der Regierung von Bern, worauf diese den 8. März 1527 der Obrigkeit von Aelen den Befehl erließ ihn öffentlich und ungehindert das Wort Gottes verkündigen zu lassen; zugleich erhielt er seine förmliche Bestallung als Schullehrer und Prediger. Von nun an hatte sein Wirken bessern, obschon sehr langsamen Erfolg. Mehrere Thatsachen beweisen, wie unwissend die Geistlichen und Mönche in diesen Gegenden waren. Zu Lausanne war ein Prediger, Natalis Galéot, der den Ruf hatte ein gelehrter und der Wahrheit nicht unzugänglicher Mann zu sein. Farel richtete drei längere Schreiben an ihn, in der Hoffnung ihn zur Besprechung der großen Fragen zu bewegen, die die Christenheit beschäftigten. Erst auf den dritten Brief erfolgte eine Antwort, aber in hochfahrendem, beleidigendem Tone, und ohne sich auf irgend welche Gründe einzulassen. Ein ander Mal traf Farel auf offener Straße mit einem Bettelmönche zusammen, der an einem benachbarten Orte gegen ihn gepredigt hatte; ihre Unterredung zog eine Menge Leute herbei und endete damit, daß Beide ins Gefängniß abgeführt wurden; vor dem Richter that der Mönch Abbitte und versprach einer Predigt Farel’s beizuwohnen und ihn dann zu widerlegen, wenn er könnte; er zeigte sich jedoch nicht mehr in Aelen. Endlich mißglückte ein Versuch die Clarissinnen von Vevay zu bekehren.

Im Januar 1528 wohnte Farel dem Berner Religionsgespräch bei, wo er seine Freunde aus Basel und Straßburg wieder sah. Für die französischen Aemter Aelen und Granson wurde, den 15., ein eigenes Gespräch gehalten, in welchem Farel für die Reformation das Wort führte, ohne jedoch die Gegner gewinnen zu können. In Aelen selbst erwartete ihn neuer Widerstand von Seiten der Behörden und der Geistlichkeit; die Berner Regierung sandte zuletzt Abgeordnete, um den Prediger zu beschützen und den Stand der Dinge zu untersuchen; in den Gemeinden des Amtes Aelen wurde über die Reformation abgestimmt, Ormont blieb katholisch, Aelen, Bex und Olon erklärten sich für Abschaffung der Messe. Zwar fügte sich die Minorität nicht leicht in die durch Stimmen-Mehrheit eingeführte neue Ordnung; Farel hatte noch manchen Kampf zu bestehn, doch ging von nun an seine Wirksamkeit einen regelmäßigern und daher erfolgreichern Gang.

Im Juni 1529 ertheilte ihm der Berner Magistrat die Befugniß, auch in den Herrschaften und Orten zu predigen, mit denen Bern im Bürgerrecht stand, jedoch mit dem Vorbehalt, „daß dieselben es wünschten“. Er verließ Aelen, und schlug seinen Sitz zu Murten auf, welcher Ort zugleich Bern und Freiburg unterthan war, und wo er schon das Jahr zuvor einmal gewesen war. Eine seiner ersten Arbeiten zu Murten war die Abfassung eines Sendschreibens „an die Obrigkeiten und Völker, zu denen ihm der Herr Zutritt gestattete“ er erzählte darin, als belehrendes Beispiel, seinen eigenen religiösen Entwicklungsgang, wie er aus einem abergläubischen Katholiken ein Zweifler, und zuletzt nach schweren innern Kämpfen, ein Bekenner und Prediger der Wahrheit geworden. Daran knüpfte er Ermahnungen dieser Wahrheit allein zu folgen, und Warnungen besonders an die Lehrer des göttlichen Wortes, das Evangelium rein zu verkündigen, ohne Rücksicht auf Gunst oder Ungunst der Menschen. Er selbst fuhr fort auf diese Weise rastlos zu wirken. Von Murten aus machte er Reisen in die Umgegend, trat zu Lausanne auf, zu Neustadt (Neuveville) wo er den Pfarrer bekehrte, in den Jurathälern, zu Biel, und in den meisten Orten des Seegeländes der Waadt. Ueberall traf er auf Widerstand, überall ließ er aber auch Keime eines neuen Lebens zurück. Im Dezember kam er nach Neuenburg (Neufchatel); Georg von Rive, Herr von Prangin, Statthalter der am Hofe Franz des I. anwesenden Markgräfin Johanna von Hochberg, Wittwe des Herzogs von Longueville, erließ alsobald ein strenges Verbot gegen den gefürchteten Prediger. Der Pfarrer von Serrieres, Eymer Beynon, ließ ihn jedoch auf öffentlichem Platze auftreten; die versammelte Menge theilte sich in Gegner und Freunde, es entstand ein wilder Lärm. Leute aus Neuenburg, die Farel zu Serrieres hörten, führten ihn in die Stadt selbst, wo er gleichfalls in den Straßen und auf den Märkten seine Predigt erschallen ließ, und aller Drohungen ungeachtet, zahlreiche Anhänger fand. Als er kurze Zeit nachher abermals nach Neuenburg kam, war die Einwohnerschaft in zwei erbitterte Parteien getheilt, die eine für, die andere wider die Reformation. Bern ermahnte vergebens zur Mäßigung; selbst Farel, dessen Eifer in diesen Kämpfen immer mehr entbrannte überschritt die Grenzen. Als er einst sagte, da man in der Kathedrale das Recht habe Messe zu lesen, so sei es billig auch das Evangelium daselbst zu predigen, machten sich seine Zuhörer auf, führten ihn nach dem Münster, wo er alles Widerstandes ungeachtet, die Kanzel bestieg, und gegen den Bilderdienst so gewaltig eiferte, daß das Volk ohne Verzug an die Zerstörung der Bilder ging. Beide Theile wandten sich an Bern; es erschienen Abgesandte, welche auch hier die Einwohner abstimmen ließen; 19 Stimmen entschieden zu Gunsten der Reformation; die Abschaffung der Messe wurde vom 23. Oktober 1530 datirt, beide Theile gelobten sich in Frieden zu ertragen und ein Vertrag mit der Markgräfin von Hochberg bestätigte die neue Ordnung der Dinge. Mehrere Geistliche des Landes erklärten sich für die Reformation, und einige vorübergehende Stürme abgerechnet, befestigte sich die evangelische Kirche zu Neuenburg von Tag zu Tag. Während dieser Zeit durchzog Farel die Landgemeinden, mit manchen Widerspenstigkeiten kämpfend, ja häufig von den aufgehetzten Bauern mißhandelt. Zu Valengin, wo sein Gefährte und Landsmann, Anton Boyve, unkluger Weise dem Priester die Hostie aus der Hand riß, wurden sie geschlagen bis auf’s Blut und in das Gefängniß des Schlosses geworfen. Die Neuenburger eilten herbei, drohten das Schloß anzuzünden, und erhielten nur mit Mühe die Freiheit der Prediger. Bereits sechs Monate später wurde auch zu Valengin die Messe abgeschafft.

Farel kehrte nach Murten zurück, von wo aus er mehrere Missionsreisen in die Umgegend machte; auch schrieb er nach Straßburg, man möge ihm tüchtige französische Prediger schicken. Er predigte zu Avenches, und besonders zu Orbe, bald von dem Pöbel verfolgt, bald mit Mönchen disputirend, aber stets von Bern unterstützt. Zu Orbe hatte er anfänglich nur geringen Erfolg, obwohl schon vorher einige evangelisch Gesinnte unter den Bürgern waren; unter diesen war ein junger Mann, der bald einer der thätigsten Gehülfen Farel’s wurde, Peter Viret, dessen Schicksale wichtig genug sind eigens erzählt zu werden. Zu S. Blaise, wohin Farel von Neuenburg aus ging, ward er schwer mißhandelt und mit dem Galgen bedroht; nur mit Mühe entkam er nach Murten. Hier traf er einen andern seiner Landsleute, Christoph Fabri, von Vienne in Dauphine; Fabri ersetzte ihn nun zu Murten, während seiner häufigen Reisen; bald darauf wurden er und Anton Marcourt, von der Anfangs 1532 gehaltenen Berner Synode, der auch Farel beiwohnte, als Pfarrer von Neuenburg erwählt. Aehnliches geschah zu Granson, wo der unermüdliche und unerschrockene Farel, beschimpft, verleumdet, zu Boden geschlagen, in’s Gefängniß geworfen, und von der Berner Regierung selbst zuletzt gebeten die Gegend zu verlassen, dennoch, wenige Monate später, eine Gemeinde sich bilden sah. Es würde zu weit führen, sollten hier die Versuche erzählt werden, die er während dieser vielbewegten Jahre auch in andern Ortschaften des Juragebirges zu Corcelle, zu Boudevillier, u.s.w. machte, wo er, gegen die Rohheit des Volkes, und den Fanatismus der Priester kämpfend und vielfache Schmach erduldend, meist den Sieg errang oder ihn doch vorbereitete.

Zu Murten, im Juli 1532, verfaßte Farel ein Sendschreiben „an alle Liebhaber des heiligen Worts“, zum Zweck, die in Frankreich und anderswo bedrängten Evangelischen zur Ausdauer aufzumuntern und ihnen zu empfehlen, auch mitten in den größten Gefahren, ein frommes Leben zu führen. Bald darauf, als er die neue Gemeinde zu Granson ordnete, trafen daselbst zwei Waldenser Prediger bei ihm ein, Georg Morel und Peter Masson, die von einer Reise nach Straßburg und den protestantischen Städten der Schweiz zurückkehrend, ihn baten der Synode beizuwohnen, welche in dem Thale von Angrogne, in den Piemontesischen Alpen gehalten werden sollte. Farel und sein Gehülfe Anton Saunier, gleichfalls aus dem Dauphin, begaben sich dahin, aller Gefahren ungeachtet; die Synode trat den 12. September 1532 zu Chanforans in dem genannten Thale zusammen; sie beschloß sich den Grundlehren der Reformation anzuschließen um die Glaubensgemeinschaft zwischen den Waldensern und allen Evangelischen herzustellen. Farel rieth noch besonders Schulen in den Thälern zu errichten, und sandte später von Murten aus vier Lehrer, deren einer Robert Olivetan war. Die Waldenser wünschten auch, Farel möchte ihnen eine französische Bibel-Uebersetzung besorgen lassen; auf seine Empfehlung übernahm und vollbrachte Olivetan dieses Werk.

Bei ihrer Rückkehr aus Piemont, kamen Farel und Saunier Anfangs Oktober 1532 nach Genf. Die kirchliche und politische Gährung, die in dieser Stadt herrschte, konnte ihnen nicht unbekannt sein; auch hatten sie wohl von der kleinen Anzahl Protestanten gehört, die sich hier gesammelt, und gegen die man, schon im März 1530 Straf-Dekrete bekannt gemacht hatte. Schon 1531 hatte Zwingli Farel’s Aufmerksamkeit auf Genf gerichtet, als auf ein würdiges Ziel seiner Thätigkeit. Die aber, welche „den armseligen, schmächtigen Prädikanten, Meister Wilhelm“, einen kleinen Mann, mit sonnverbranntem Gesichte und röthlichem Barte, ankommen sahen, ahnten nicht, welche Folgen diese Ankunft haben würde, so wenig, als er selber das voraus sehen konnte, was Gott hier durch ihn zu wirken beschlossen hatte. Ein längerer Aufenthalt lag diesmal nicht in seiner Absicht; wie es kam, daß die Genfer, die im Geheimen der Reformation zugethan waren, seine Anwesenheit erfuhren, ist unbekannt; sie drängten sich aber um ihn, und belehrt über das, was noch unvollkommen in ihrem Glauben war, beeiferten sie sich, die evangelischen Grundsätze weiter zu verbreiten. Mit der politischen Lage Genf’s und den Partheiungen unter der Bürgerschaft, so sehr sie auch mit der Genfer Reformationsgeschichte verwoben sind, haben wir uns hier nicht zu befassen; wir müssen voraussetzen, daß sie den Lesern aus der Biographie Calvin’s bekannt genug sind.

Die durch die Ankunft der Prediger entstandene Bewegung veranlaßte den Rath, Farel und Saunier vor sich zu rufen; als jener sich diesmal mit Mäßigkeit vertheidigte und die Empfehlung der Berner vorwies, begnügte man sich, ihn, im Namen der öffentlichen Ruhe, zu bitten, die Stadt zu verlassen. Ehe er dieser Bitte nachkommen konnte, wurde er vor den bischöflichen Vikar, Abt von Beaumont gerufen, um sich wegen seiner Lehre zu rechtfertigen. Nichts konnte ihm erwünschter sein als dieser Ruf; da er vorher auf den Straßen von dem Pöbel beschimpft worden war, verlangte er sicheres Geleit; von zwei der Syndici begleitet, begab er sich dann mit Saunier in das Halls des Vikars. Seine Hoffnung auf eine regelmäßige Disputation wurde jedoch getäuscht; bei seinem Eintritt rief ihm der Fiscal-Procurator Wilhelm de Vegio die Worte entgegen: „Komm daher, du böser Teufel Farel, warum ziehst du in der Welt herum um alles zu verwirren? wo kommst du her? Was willst du hier? Wer hat dich gerufen und dir zu predigen erlaubt?“ Farel antwortete mit der größten Gelassenheit: „ich bin kein Teufel, ich ziehe herum um Jesum Christum zu predigen, der für unsere Sünden gestorben und zu unserer Rechtfertigung auferstanden ist, so daß, wer an ihn glaubt, das ewige Leben erhält, wer aber nicht an ihn glaubt, verdammt wird. Zu diesem Zwecke bin ich von Gott, unserm guten Vater, gesandt als Bote Christi, um ihn denjenigen zu predigen, die mich hören wollen. Ich bin bereit Rechenschaft von meinem Glauben vor euch abzulegen, sofern es euch gefällt mich anzuhören in Geduld; ich habe keine andere Autorität als die von Gott mir verliehene, um sein Diener, und nicht der Diener der Menschen zu sein.“ Er schloß, von dem Anblicke der zornentbrannten Gegner gereizt, mit den Worten: „nicht ich störe die Ruhe dieser Stadt, ihr thut es, indem ihr nicht nur Genf, sondern die ganze Welt durch eure Menschensatzungen und euer schlechtes Leben in Verwirrung bringt.“ Mehr brauchte es nicht, um die Wuth der anwesenden Priester zum Ausbruch zu bringen: „er hat Gott gelästert! mir brauchen keine Zeugen mehr, er ist des Todes schuldig,“ so riefen die geistlichen Herren, wie ehemals die Hohenpriester zu Jerusalem; „in die Rhone mit ihm! es ist besser, dieser abscheuliche Luther sterbe, als daß das ganze Volk zu Grunde gehe!“ Farel erhebt entrüstet die Stimme: „redet die Worte Gottes, und nicht die des Kaiphas!“ Er wird mit Saunier hinaus gestoßen und nach dem Berichte einer Nonne, die Zeuge des Auftrittes war, auf der Straße von mehr wie achtzig Priestern überfallen „die alle wohl mit Prügeln bewaffnet waren, um den heiligen katholischen Glauben zu vertheidigen und bereit für ihn zu sterben.“ Um dem Tumulte ein Ende zu machen, wird ihm von Raths wegen bei Todesstrafe befohlen, in drei Stunden die Stadt zu verlassen. Nur mit Mühe gelang es mehrern Magistratspersonen ihn den Händen der Priester zu entreißen; einer dieser letztern stach nach ihm mit einem Degen, ein andrer ließ durch einen Mann des Volkes eine Büchse auf ihn abfeuern, beidem aber entging er, zum großen Leidwesen der guten Nonne, welche diese Heldenthaten berichtet hat. Erst Tags darauf verließ er mit Saunier das damals noch so fanatische Genf; ein Schiff brachte sie über den See; bei Lausanne stiegen sie an’s Land und kehrten, diese Stadt vermeidend, nach Orbe und Granson zurück. Zu Granson traf Farel mit einem jungen Landsmanne zusammen, Anton Froment, den er bewog nach Genf zu gehen, um im Geheimen das begonnene Werk fortzusetzen. Er selber begann sein Predigen in der Umgegend wieder; im Juni des folgenden Jahres 1533 machte er zu Peterlingen (Payerne), wo Viret schon einige Freunde gesammelt hatte, einen Reformationsversuch, den er mit Gefängniß büßen mußte; doch bildete sich nicht lange nachher eine blühende evangelische Gemeinde in dieser Stadt.

Wenig Tage nach Farel’s Entfernung, im November 1532, war Froment nach Genf gekommen, und hatte sich als Lehrer der Kinder angekündigt; er gab Unterricht im Schreiben und Rechnen, sprach aber auch hin und wieder von religiösen Dingen. Mehrere Familienväter luden ihn ein ihnen das Evangelium zu erklären; auch die schon früher zum Protestantismus Bekehrten traten dazu, und Froment predigte mehrmals in Privathäusern vor immer wachsender Versammlung. Bald wuchs auch dieser der Muth, und es wurde beschlossen, daß am Sylvestertage Froment in der Magdalenenkirche predigen sollte. Die Geistlichkeit ließ Sturm läuten, das Volk lief zusammen, und die Predigt mußte unterbleiben. Allein am folgenden Tage, dem ersten des Jahres 1533, hielt der junge Reformator auf dem Molard-Platze, eine noch erhaltene freimüthige Rede über die Mißbräuche und Irrthümer des römischen Katholicismus; er konnte sie jedoch nicht beendigen, denn von dem Pöbel und den Priestern bedroht, mußte er sich in das Haus eines Freundes retten und nach mehreren gefahrvollen Tagen über den See entfliehen.

Die Zahl der Anhänger der Reformation war indessen bedeutend gestiegen; sie fühlten sich bereits stark genug um Abgeordnete nach Bern zu schicken, die Farel als Prediger begehren sollten. Bern gestattete ihn gern, mit Gesandten der Regierung dieses Ortes kehrte er nach Genf zurück, allein er mußte unverrichteter Sache abermals die Stadt verlassen. Dagegen berief die von Freiburg unterstützte katholische Parthei einen Doctor der Sorbonne, den gelehrten, aber heftigen Dominikaner Guy Furbity; dieser predigte, während des Advents 1533, mit maßloser Leidenschaftlichkeit gegen die Ketzer und gegen die Berner, deren Beschützer. Die Genfer Reformirten berichteten dies nach Bern; es kamen Gesandte, um sich zu beklagen, und mit ihnen Farel, Viret und Froment. Während der Rath über Bern’s Klage gegen Furbity verhandelte, predigten, dieser öffentlich gegen die Reformation, und Farel in Privathäusern gegen das Papstthum. Die Berner Gesandten drangen auf eine Disputation zwischen den zwei Gegnern; Furbity erklärte sich bereit, erhielt aber von dem bischöflichen Vikar die Erlanbniß nicht; auf wiederholtes Begehren des Magistrats, willigte er endlich ein sich mit Farel öffentlich zu besprechen, und that Abbitte wegen seiner Ausfälle gegen Bern. Den 29. Januar 1534 begann die Disputation, in dem Genfer Rathhause, vor dem großen und dem kleinen Rath, und vor den Berner Gesandten. Furbity behauptete das Recht der Kirche, Anordnungen zu treffen, die nicht von der Bibel verordnet wären; Farel läugnete es; dies war der Hauptgegenstand des, während mehrerer Tage fortgesetzten, und öfters durch Geschrei gestörten Gesprächs. Der Mönch zeigte sich in der katholischen Theologie tüchtig bewandert, aber unlogisch, ungeschickt und ungestüm; Farel widerlegte ihn mit Feuer, und stellte ihm die Sätze entgegen, Christus sei allein Herr der Kirche und was nicht in der Bibel gegründet sei, müsse verworfen werden. Seine Erörterungen wurden mehrmals von Furbity unterbrochen, der ungeduldig ausrief: „wir sind nicht hier um lange Predigten zu hören, ihr wißt nicht was Disputiren heißt.“ Er hatte nicht Unrecht; denn von seinem Eifer fortgerissen, ging Farel über die scholastische Form einer Disputation hinaus, und benutzte die Gelegenheit, um vor dem versammelten Rath die reformirten Lehren zu entwickeln und die katholische zu bekämpfen. Mochten indessen seine Reden zu lang sein, so waren seine Gründe schlagender und seine Beredsamkeit mächtiger als die des durch seine Verlegenheit mürrisch gewordenen Mönchs. Als dieser von dem Nutzen der Hierarchie für die Kirche redete, rief Farel aus: „Wollte Gott, daß ihr und alle, die den Namen Doctoren tragen, Liebe genug zur Kirche hätten, um sie zu erbauen und in ihrer Reinheit wieder herzustellen! In euern Universitäten und Versammlungen handelt ihr aber ohne Rücksicht auf Gott und sein Recht; ihr hört das christliche Volk nicht, das doch berufen werden sollte, sondern was ihr beschließt, es sei Recht oder nicht, das muß gehalten werden bei Todesstrafe; und will euch einer aus der Schrift widerlegen, so verweist ihr ihn mit seinen Gründen an den Henker. Die Schrift allein soll Autorität haben in der Kirche; so ist es nicht mehr, ihr allein seid Alles und thut Alles, ihr schneidet und näht wie es euch beliebt; auf das Volk wird so wenig geachtet als auf unvernünftiges Gethier. Ihr haltet die Fürsten unter eurer Gewalt, während ihr der Obrigkeit unterthan sein solltet. Eure Gebote sollen befolgt werden; die Gottes und der Obrigkeit tretet ihr mit Füßen. Die heilige Schrift weiß nichts von Papst, Kardinälen, Bischöfen. Wie könnt ihr eure Würden, Aemter, Grade, Benefizien dem heiligen Geiste zuschreiben? Wahrlich, nicht der Geist Christi, der sanftmüthig und demüthig ist, sondern der ihm feindselige Geist hat dies Alles eingeführt. Ihr wollt einen Christus, der reich und mächtig sei in dieser Welt und diejenigen tödten lasse die ihm widerstehn. So war unser Herr nicht, er war arm, verfolgt, verspottet, und wurde getödtet von seinen Widersachern. Ich staune, daß man zu sagen wagt die Kirche des Papstes werde wie die erste durch den heiligen Geist regiert und Christus lebe in ihr; in der That, der heilige Geist und Christus wären sonderbar verändert! Nein, er regiert vielmehr die welche in dieser Zeit verfolgt, vertrieben, verbrannt werden für sein Evangelium wie in den Zeiten der alten Kirche; mit diesen ist Christus; wie könnten sie sonst bestehn, da man sie grausamer behandelt als je? Der Herr hat uns dies vorausgesagt, wir tragen es in Glauben und Geduld, denn wir wissen, daß er vollenden wird was er begonnen hat, und das gerechte Blut rächen, das für sein Wort vergossen wird.“ Noch mehrmals sprach sich Farel in solcher Weise aus. Man begreift welchen Eindruck solche Reden machen mußten, zumal da der Gegner selber die Macht derselben empfand. Gedrängt, und unvermögend aus der Bibel zu argumentiren, sagte Furbity zuletzt: „was ich gepredigt habe, kann ich nicht durch die Schrift beweisen, ich habe es aus der Summe des h. Thomas genommen; ich bitte euch dies zu merken, ich habe Niemanden tadeln wollen.“ Er versprach sogar, in der Peterskirche öffentlich Abbitte zu thun und seine Irrthümer zu widerrufen; kaum hatte er aber, den 15. Februar, die Kanzel bestiegen, als er wieder in heftige Anklagen gegen die Ketzer ausbrach. Er wurde hierauf ins Gefängniß gelegt, und erst mehrere Jahre später, auf Verwenden des Königs von Frankreich, wieder befreit.

Während der Dauer des Gesprächs, dessen Haltung und Ausgang Viele für die Reformation bestimmte, hatten Farel und Viret fortgefahren in Privathäusern zu predigen. Die Gemüther erhitzten sich immer mehr; die schmählichsten Gerüchte wurden über die Reformatoren verbreitet, wüstes Gesindel verfolgte sie in den Straßen und tobte vor ihrer Wohnung, so daß mehrere ihrer Anhänger sich zu ihrem Schutze bewaffneten. Freiburg drohte das Bündniß mit Genf zu zerreißen; der Bischof hatte schon den 1. Januar 1534 alles Predigen ohne seine Erlaubniß verboten, und unter Strafe des Bannes das Verbrennen der Bibel-Uebersetzungen verordnet. Allein Farel’s Ansehn war bereits so groß, daß die Syndics ihm sagen ließen, er möge sich nicht stören lassen, nur möge er noch nicht öffentlich predigen. Als jedoch, den 1. März, der Barfüßer Franz Coutelier in der Kirche seines Klosters die Reformation angriff, bestieg Farel, der diese Rede mit angehört hatte, sofort die Kanzel und widerlegte den Mönch; dies war seine erste öffentliche Predigt zu Genf; sie setzte den noch zögernden Magistrat in nicht geringe Verlegenheit. Man bat die Berner Gesandten, die im Begriff waren abzureisen, Farel zu bewegen, sie zu begleiten und versprach zugleich, dem Coutelier das fernere Predigen zu verbieten. Farel blieb jedoch und erbot sich mit Letzterem zu disputiren; der Rath gab es zu, nur mit der an Farel gerichteten Bitte, Rücksicht zu nehmen auf den in der Stadt herrschenden unglücklichen Zwiespalt. Die Disputation fand nicht statt; Farel war bereits gefürchtet, „als die Geißel der Priester,“ wie die Gegner ihn nannten. Das Reformationswerk machte die raschesten Fortschritte; schon den 30. April sprach der Bischof, der sich nach Annecy zurückgezogen hatte, den Bann aus über Genf; Freiburg sagte sich von dem Bündnisse los und der Herzog von Savoyen drohte mit Krieg. Genf wurde aber von Bern unterstützt, und unter dem Schutze dieses mächtigen Verbündeten, und nicht mehr genöthigt auf Freiburg Rücksicht zu nehmen, zeigte sich der Magistrat der Reformation täglich günstiger. Es darf indessen nicht verschwiegen werden, daß auch Gewaltthätigkeiten, Zerstören von Bildern und Altären, Mißhandlungen von Priestern und Mönchen vorfielen, und daß in dieser ersten Zeit manche unreine Elemente sich mit den reformatorischen Bestrebungen des Volkes vermischten; die herrschende Sittenlosigkeit, die politischen Entzweiungen, das fanatische Betragen der römischen Geistlichkeit mögen diese Erscheinungen erklären, ohne sie zu entschuldigen. Erst Calvin vermochte, nach langen Kämpfen, aus dem gährenden Stoff ein neues Leben zu gestalten.

Ein von einem Genfer Canonicus gegen Farel, Viret und Froment angestifteter Vergiftungsversuch mißlang, brachte aber eine Entrüstung hervor, welche das Ansehn der Geistlichkeit vollends vernichtete. Farel predigte ungehindert in der Kirche der Vorstadt Rive; er begann sogar Ehen einzusegnen und die Sakramente zu verwalten. Den 2. April 1535 wies der Magistrat ihm und Viret eine Wohnung an im Kloster von Rive. Mehrere Mönche dieses Klosters traten zur Reformation über; einer derselben besonders, Jakob Bernard, wurde von der am Pfingsttage gehaltenen Predigt Farels so ergriffen, daß er ausrief, er wolle von nun an sich dem Evangelium widmen; bereits den 30. Mai hielt er, von Farel und Viret unterstützt, eine Disputation mit Dr. Peter Caroli, der früher zu Meaux zu den evangelisch gesinnten Predigern Briconnets gehört hatte, und mit dem Dominikaner Chappuis über die Rechtfertigung, die guten Werke, die Tradition, die Heiligenverehrung und die Messe. Nach beendigtem Gespräch erklärten sich auch die beiden Gegner für die Reformation. Bald nöthigen die Bürger Farel, auch in andern‘ Kirchen zu predigen; der Rath will es ihm verbieten, Farel aber dringt darauf, man möge nicht länger zögern; aus den gehaltenen öffentlichen Gesprächen könne man genugsam schließen, auf welcher Seite die Wahrheit sei; auf seinen Vorschlag beschließt man zuletzt die Zusammenberufung des Rathes der Zweihundert auf den 10. August. Zugleich wurde ihm zwar das Verbot wiederholt, anderswo zu predigen, als zu Rive; allein die Bürger ließen es nicht zu; ja den 8. August führte man ihn in die Kathedralkirche zum h. Petrus, wo er von Christo predigte, der die Verkäufer und Käufer aus dem Tempel gejagt, und von der römischen Kirche, die ein großer Markt von Benefizien und Indulgenzen geworden sei und einer durchgreifenden Reinigung bedürfe. Leider schickte sich das Volk sofort an, des Predigers Worte in die That zu übersetzen, indem es die Bilder der Kathedrale zerbrach. Zwei Tage später fand die Versammlung des großen Rathes der Zweihundert statt; Farel erschien, von Viret und Bernard begleitet; er verlangte abermals, in mächtiger Rede, die Einführung der Reformation und schloß mit den Worten: „Wir sind bereit, die Wahrheit dessen, was wir verkündigen, durch unser Blut zu besiegeln; selbst der grausamste Tod erschreckt uns nicht; wir verurtheilen uns selber dazu, wenn unsere Gegner beweisen können, daß das, was wir in den öffentlichen Gesprächen und in unsern Predigten behauptet haben, der heil. Schrift zuwider ist.“ Nach einigem Zögern beschloß die Versammlung die provisorische Abschaffung der Messe; schon den 27. August erschien ein definitives Reformations-Edikt. Nach diesem Siege widmete sich Farel mit unermüdlichem Eifer der Befestigung des begonnenen Werkes; er predigte Eintracht, ermahnte den Rath, Gebete halten zu lassen für die Erhaltung des Friedens und der Freiheit der von dem Herzog von Savoyen blockirten und der Hungersnoth Preis gegebenen Stadt; er ließ eine Schule errichten, drang auf Maßregeln zur Verbesserung der Sitten, auf Einführung der Reformation in den Landgemeinden, machte eine auf die ursprünglichste Einfachheit gegründete Kult-Ordnung und bereitete eine Kirchen – Disciplin vor. Viret ging nach Lausanne ab; Christoph Fabri ersetzte ihn, wurde aber bald nach Thonon versetzt, wo ihm in den ersten Zeiten Farel häufig behülflich war. Den 21. Mai 1536 ließ Letzterer die Genfer Bürger den Eid ablegen, dem Evangelium treu zu bleiben. Die letzten Priester und Mönche verließen die Stadt, während das Volk die letzten Bilder aus den Kirchen entfernte. Dabei gab es aber Viele, die in dem Triumph der Reformation nur einen Sieg über den Herzog von Savoyen und den Bischof sahen, und im stolzen Gefühl der neu errungenen Unabhängigkeit von der strengen Sittenreform nichts wissen wollten, die, nach Farel’s Sinn, von der Reform des Kultus und der Lehre unzertrennlich war. Es war daher für den vereinzelt stehenden Reformator ein schweres Ding, das zu erhalten, was er gegründet hatte.

Dies war der Stand der Dinge, als um die Mitte des Jahres 1536 Johann Calvin, von Ferrara kommend, in Genf anlangte. Seine Absicht war, nach kurzer Rast, nach Straßburg weiter zu reisen. Peter Caroli erfuhr seine Ankunft und beeilte sich, Farel dieselbe zu melden. Farel, der allein die Last der Genfer Kirche zu tragen hatte und sich nach einem diesem großen Amte gewachsenen Gehülfen sehnte, begab sich alsobald zu dem durch seine Gelehrsamkeit und seinen Glaubenseifer bereits berühmten Ankömmling; er drang in ihn, in Genf zu bleiben, und da Calvin zögerte und begonnene literarische Arbeiten vorschützte, beschwor ihn der Reformator mit so feierlichen Worten, daß er, beinahe erschreckt, sich dem fügte, was ihm als ein ernster Ruf Gottes erschien. Er bot Farel und dem Magistrat seine Dienste an, die mit Freude angenommen wurden; er ward Farel’s College und blieb sein innigster Freund bis zu seinem Tod. Obschon zwanzig Jahre jünger als Farel, übte er doch einen mächtigen Einfluß auf ihn aus; Farel’s kühner Geist beugte sich unter den hohen, festen Sinn des Meisters; er hörte willig auf seine Zurechtweisungen und nahm später, in den Lehren vom Abendmahl und der Prädestination, dessen Ansichten an. Bald fanden die beiden Männer einen neuen Gehülfen, den ehemaligen Augustiner Courault, der sich von Paris nach der Schweiz geflüchtet hatte, und obgleich blind, ein thätiger Beförderer der Reformation zu Genf und in der Umgegend ward.

Um diese Zeit wurde ein öffentliches Religionsgespräch zu Lausanne veranstaltet, wo Viret mit Erfolg das Evangelium verkündigte. Die Veranlassung dazu war die Weigerung der Geistlichen der Vogtei Thonon, sich mit dem dortigen Prediger Fabri in eine Disputation einzulassen. Da sie stets gegen die Reformation predigten, aber jede öffentliche Verhandlung vermieden, hielt es Farel für um so nöthiger, eine solche abhalten zu lassen; sie wurde nun von der Berner Regierung auf den ersten Oktober 1536 ausgeschrieben. Man berief Farel, Calvin, Fabri, Marcourt, um mit Viret und Karoli die reformatorischen Lehren zu vertheidigen. Farel stellte zehn Thesen auf über das Grundprinzip der Reformation, die Rechtfertigung durch den Glauben und die daraus sich ergebenden Folgen in Bezug auf das Wesen der Kirche und des Gottesdienstes. Es waren folgende: 1. Die heilige Schrift kennt keinen anderen Weg der Rechtfertigung, als den durch den Glauben an den einmal für uns dahingegebenen Christus; diesen täglich opfern wollen, heißt seine Kraft und sein Verdienst verkennen. 2. Dieser gekreuzigte, auferstandene und zur Rechten des Vaters erhobene Christus ist der einzige Hohepriester, Mittler und Herr der Kirche. 3. Die Kirche Gottes besteht aus denen, die glauben, daß sie blos durch das Blut Christi erkauft sind, und die seinem Worte allein vertrauen. 4. Diese Kirche erkennt man an den durch Christum eingesetzten Anstalten, Taufe und Abendmal, welche Sacramente heißen, weil sie Symbole und Zeichen der Gnade Gottes sind. 5. Sie erkennt keine andern Diener an, als solche, welche das Wort rein predigen und die Sacramente recht verwalten. 6. Sie kennt keine andere Beichte, als die, welche vor Gott geschieht, und keine andere Absolution, als die, welche Gott ertheilt. 7. Sie kennt keinen andern Gottesdienst, als einen geistigen, der weder der Ceremonien noch der Bilder bedarf. 8. Sie kennt keine andere Obrigkeit, als die der Laien; dieser ist der Christ Gehorsam schuldig, insofern sie nichts gegen Gott befiehlt. 9. Die Ehe ist kein Hinderniß der Heiligkeit irgend eines Standes, 10. Was die gleichgültigen Dinge betrifft, wie Speise, Trank, Beobachtung gewisser Zeiten, so ist der Fromme frei zu handeln, wie es ihm gut dünkt, sofern es nur in Liebe geschieht.

Das Gespräch wurde am bestimmten Tage eröffnet, trotz des Widerredens der katholischen Kantone, trotz der wiederholten, von Farel widerlegten Protestationen der Lausanner Stiftsherren, trotz selbst eines kaiserlichen Schreibens an den Magistrat der Stadt. Zahlreiche Priester und Mönche waren zugegen; Drogy, Vicar zu Morges, Johann Mimard, Schullehrer zu Vevay, Johann Michod, Dekan an diesem Orte, der Abt Ferdinand Loys von Lausanne, der Vicar Johann Berilly traten für den Katholicismus auf; der vornehmste Vertheidiger dieses letzteren war aber der französische Arzt Claude Blancherose. Die Verhandlungen wurden, unter dem Vorsitz der Berner Abgesandten, mit allen bei solchen Gelegenheiten damals üblichen Förmlichkeiten in französischer Sprache geführt. Farel vertheidigte die erste These, indem er dem Pelagianismus der Gegner die betreffenden Bibelstellen entgegensetzte; besonders zeigte er, wie ungegründet der Vorwurf war, die Reformirten läugneten die guten Werke, während sie ja gerade die Menschen zur wahren Quelle dieser Werke, zum Glauben, zurückführen wollten. Viret widerlegte die vermittelst sophistischer Auslegung mehrerer alt- und neutestamentlicher Stellen behauptete Nothwendigkeit des täglich zu wiederholenden Opfers Christi. Gegen die zweite These, die Viret entwickelte, trat Niemand auf. Desto mehr Widerspruch fand die dritte, bei welcher auch die Transsubstantiation zur Sprache kam. Farel, Viret, Calvin nahmen nach einander das Wort; Letzterer wies nach, daß das katholische Dogma noch nicht in den Kirchenvätern enthalten ist. Da auf seine Rede die Gegner schwiegen, stand der Barfüßer Johann Tandi auf und erklärte mit eindringlichen Worten, er erkenne die Wahrheit der evangelischen Lehre und entsage dem Papstthum. Bei der vierten und fünften These sprach Viret über die Auctorität des Papstes und der Kirche, und über die verschiedenen Grade der Hierarchie. Entrüstet, daß Niemand sich erhob, um ihn zu widerlegen, sagte der Arzt Blancherose: „Ich bitte mich zu entschuldigen, wenn ich bisher keine genügenden Gründe vorgebracht habe; ich weiß nicht mehr, was man gegen die aufgestellten Sätze einwenden könnte; die Priester, statt mir beizustehn, lassen mich im Stich.“ Auch über die von Viret entwickelten sechste und siebente Thesen schwiegen die Gegner, obwohl deren über hundert anwesend waren. Erst über die achte entspann sich ein lebhafter Streit zwischen Farel, Viret und Caroli einerseits, und Blancherose und Michod andrerseits; auch die Transsubstantiation wurde wieder hereingezogen. Die neunte und die zehnte der Thesen wurden von Farel und Viret gegen Blancherose vertheidigt; dieser zog sich zuletzt aus der Versammlung zurück. Zum Schluß beklagte sich der Vicar Drogy über die Art, wie die Prediger „die armen Priester“ behandelten; sind sie unwissend, so müsse man Mitleid mit ihnen haben; es sei kein großer Ruhm, sie zu besiegen; man solle ihnen Zeit lassen, zu studiren, um sich vertheidigen zu können und keine Irrthümer zu lehren. Er hatte Recht; denn in der That hatten sie durch ihre Haltung beim Gespräch, und besonders dadurch, daß sie das Hauptgeschäft einem Laien, einem Arzte, überließen, genugsam gezeigt, wie unwissend die Geistlichkeit damals in diesen Gegenden war, wie wenig sie zum Kampfe taugte gegen die in jeder Hinsicht ihr so weit überlegenen Reformatoren. In seiner Erwiderung auf Drogy’s Rede sagte Viret unter Anderm: „Ihr verurtheilt selbst eure Priester, wenn Ihr sie durch ihre Unwissenheit entschuldigen wollt. Würde ein Schuster berufen, sein Handwerk zu vertheidigen, er fände gewiß die besten Gründe dafür. Ist es daher nicht eine Schmach für die Priester, daß sie das, was sie treiben, nicht zu rechtfertigen vermögen? Thun sie was Rechtes, warum behaupten sie es nicht? Ihr begehrt Zeit, um zu studiren: seid ihr so herabgekommen, daß ihr nicht einmal wißt, ob Ihr recht handelt oder nicht? Wenn Ihr nicht versichert seid, daß die Messe von Gott ist, warum feiert Ihr sie? Sind die Priester so unwissend, wie Ihr es sagt, so sollten „sie ihr Amt aufgeben. Ihr wäret nicht thöricht genug, um Euch einem Schiff anzuvertrauen, dessen ungeschickter Steuermann Euch der Gefahr zu ertrinken aussetzen würde. Wie könnt Ihr Euch daher wundern, daß wir Eure Leitung nicht mehr wollen?“ Farel beschloß die Verhandlungen, die acht Tage gedauert hatten, durch eine lange Predigt, in der er die zehn Thesen nochmals entwickelte, das Volk und die Priester zur Annahme der Wahrheit ermahnte, und die Reformatoren gegen die gegen sie ausgestreuten Verleumdungen vertheidigte. Der Schultheiß von Bern, Jakob von Wattwyl, lud hierauf die Versammlung ein, in Ruhe die Beschlüsse der Regierung zu erwarten. Die Folge des Gesprächs war, daß schon den ersten November die Reformation zu Lausanne eingeführt, und Viret und Caroli als Prediger der neuen Gemeinde angestellt wurden.

Nach Genf zurückgekehrt legte Farel, den 10. November, dem Rath ein Glaubensbekenntniß und einige disciplinarische Artikel vor. Das Bekenntniß bestand, so wie die Augsburger Confession, aus 21 Artikeln. An der Spitze steht der Grundsatz, daß die heilige Schrift allein die Regel des Glaubens ist; alles, was folgt, ist wesentlich nur eine Entwickelung der theoretischen und praktischen Folgerungen aus diesem Prinzip, sowohl positiv die evangelische Lehre aufstellend, als polemisch die katholischen Irrthümer abweisend. Zuerst wird die Einheit Gottes behauptet; dieser Gott soll allein und im Geiste und in der Wahrheit angebetet werden, woraus die Verwerfung der Heiligenanrufung und der äußern sinnlichen Gebräuche folgt. Sein Gesetz ist das höchste; in dessen Befolgung besteht die Gerechtigkeit, deren Grundzüge sich in den zehn Geboten finden. In Folge des Sündenfalls ist aber der Mensch unvermögend, das Gesetz zu erfüllen und verfällt dem göttlichen Strafurtheil. Durch sich selber kann er sich nicht retten; allein Gott hat ihm in Christo einen Erlöser gegeben; durch den Glauben an diesen erfolgt das Heil. Die Summe des Glaubens ist im apostolischen Symbolum enthalten. Der Glaube bewirkt Rechtfertigung, Wiedergeburt und Vergebung der Sünden bei den Wiedergeborenen, dies Alles aber nur aus freier Gnade Gottes, ohne Rücksicht auf irgend ein Verdienst von Seiten des Menschen. Der Glaube ist ein sicheres Vertrauen in die Verheißungen Gottes, eine Aufnahme Christi so wie er von dem Vater gegeben und in der heiligen Schrift dargestellt ist. Christus ist daher allein anzurufen, und zwar durch Jedem verständliche Gebete; das Mustergebet ist das des Herrn. Der Sacramente sind nur zwei; sie haben zum Zweck, den Glauben an die Verheißungen Gottes zu stärken und denselben vor den Menschen zu bezeugen. Die Taufe ist ein äußeres Zeichen der Wiedergeburt; das Abendmahl ist ein Zeichen, durch welches unter Brod und Wein die wahre geistige Gemeinschaft dargestellt wird, die wir mit dem Leib und Blut des Herrn haben; es soll Allen unter beiderlei Gestalt gereicht werden. Die Kirche bedarf einer Form und Ordnung, aber alle Gesetze, die nur dazu dienen, die Gewissen zu binden, müssen verworfen werden. Die rechte Kirche erkennt man an der reinen Predigt des Wortes Gottes und an der reinen Verwaltung der Sacramente; wo dies nicht stattfindet, ist die Kirche nicht. Da es aber auch in der wahren Kirche, insofern sie eine sichtbare ist, Verächter Gottes und seines Wortes geben kann, so ist der Bann, als heilsames Mittel der Zucht, einzuführen. Es kann keine andere Geistliche (pasteurs) geben, als Diener des Worts; sie haben keinen andern Auftrag, als das Volk Gottes nach seinem Gesetze zu leiten. Alle Obrigkeit ist von Gott eingesetzt; man ist ihr Gehorsam schuldig in Allem, was nicht gegen die heilige Schrift anstößt.

Ob Calvin bei Abfassung dieses Bekenntnisses mitwirkte, ist nicht bekannt; es verräth keine Spuren seines Einflusses. Die Prädestination ist mit Stillschweigen übergangen; von der Dreieinigkeit kommt nichts Anderes vor, als was das apostolische Symbolum sagt; in Bezug auf das Abendmahl wird noch die einfache Zwingli’sche Ansicht ausgesprochen; Farel weiß nichts von einem geistigen Genuß, das Sacrament ist ihm blos Zeichen der geistigen Gemeinschaft Christi. Dem Ganzen lagen die drei althergebrachten Hauptstücke, die zehn Gebote, das Symbolum und das Vater Unser zum Grunde; sie finden sich auch an den betreffenden Stellen eingeschaltet. Es genügte jedoch zur Feststellung der Reformation und zum entschiedenen Bruch mit dem römischen Katholicismus. Dieses Bekenntniß sollte nun von allen Einwohnern und Unterthanen Genfs beschworen werden, bei Verlust ihres Bürgerrechts. Dieser Antrag war an sich schon ein äußerst bedenklicher, wiewohl er den Ideen des sechzehnten Jahrhunderts über Verhältniß von Staat und Kirche entsprach; er wurde aber noch gefahrvoller, bei dem damaligen Zustande Genfs. Leute, welche der strengen Sittenreform widerstrebten, die Farel und Calvin bezweckten; andre, welche mystische und pantheistische Träumereien als Wahrheit predigten, hatten sich zu einer Parthei verbunden, die, unter dem Namen der Libertiner bekannt, verschiedenartige Elemente in sich vereinigte, und nur in der Bekämpfung der sogenannten Tyrannei der Prediger übereinstimmte. Zwei flämische Wiedertäufer, mit welchen im März 153? Farel und Calvin disputirten, wurden zwar verbannt, ließen aber doch einige Anhänger zurück. Doctor Caroli, bisher der Reformatoren Gehülfe, klagte Farel, Viret und Calvin des Arianismus an; auf zwei Synoden zu Lausanne und zu Bern vertheidigten sie sich, Caroli wurde mit Gefängniß bedroht, entfloh und kehrte zum Papstthum zurück; allein seine Schmähungen hatten bei den Gegnern der Prediger Gehör gefunden. Es genügt hier auf diese Erscheinungen aufmerksam zu machen, um den Widerwillen zu erklären, der sich bei Vielen gegen das Glaubensbekenntniß und die Kirchendisciplin äußerte. Dessenungeachtet wurde jene im Juli 1537 von dem großen Rathe angenommen; durch eine feurige Predigt in der Peterskirche empfahl sie Farel dem Volk. Die Bürger wurden aufgefordert sie zu beschwören; gegen die, die sich weigerten, wurde ein unausführbares Verbannungsdekret bekannt gemacht. Dies diente nur dazu, die Parthei der Libertiner zu vermehren; unter der aufgesteckten Fahne der Gewissensfreiheit sammelten sich Alle, die nicht nur für ihren Glauben, sondern auch für ihre Sitten die größte Ungebundenheit verlangten. Muß man sich gegen die theocratischen Grundsätze der Reformatoren aussprechen, so muß man noch entschiedener die Tendenzen der Libertiner mißbilligen.

Leider kam zu diesen den Genfer Predigern ungünstigen Umständen ein Angriff, von einer bisher befreundeten Seite. Farel, in seinem Bestreben die Kirche auf die äußerste Einfachheit der apostolischen Zeit zurückzuführen, hatte auch einige Gebräuche abgeschafft, die zu Bern noch beibehalten waren. Im Interesse der Eintracht wünschten nun die Berner, man möchte dieselben auch in Genf wieder einführen; es handelte sich dabei um Aeußerlichkeiten, namentlich um das beim Abendmal zu gebrauchende Brod, um die Taufsteine, um die Feier andrer Feste außer des Sonntags. Farel und Calvin gaben nicht nach; sie widerstanden selbst den Beschlüssen einer deßhalb zu Lausanne gehaltenen Synode. Da zugleich die Parthei ihrer Gegner, durch die Wahl von drei Syndics, zur Regierung gelangte, traten sie mit großer Kraft, ja mit Heftigkeit gegen die Libertiner auf. Es ward ihnen verboten in ihren Predigten von den Angelegenheiten der Stadt zu reden; nichts destoweniger fuhren sie mit ihrem öffentlichen Tadel fort. Courault wurde gefangengesetzt; Farel und Calvin erklärten, sie würden das Abendmal nicht in der von Bern beliebten Form, und viel weniger noch Solchen reichen, die das Glaubensbekenntniß nicht beschworen hatten. Man untersagte ihnen am Ostertage die Kanzel zu betreten; da sie es dennoch thaten und sich zugleich weigerten das Sacrament zu ertheilen, erging, den 23. April, der Befehl an sie „in drei Tagen die Stadt zu verlassen, weil sie der Obrigkeit nicht gehorchen wollten.“ Farel rief aus: „wohlan! es ist Gottes Wille“; Calvin: „hätten wir den Menschen gedient, so wären wir schlecht bezahlt; wir dienen aber einem größern Herrn, der uns lohnen wird.“ Auch Saunier und einige andere jüngere Prediger wurden verbannt, und durch neue, aber unglücklich gewählte ersetzt. Die Unordnung, die Verwirrung in der Stadt nahm zu; die Erbitterung der Partheien wuchs, und das Werk der Reformation schien für lange Zeit gefährdet.

Farel und Calvin eilten nach Bern, wo sie, ungeachtet der Meinungsverschiedenheit über die Ceremonien, gastliche Aufnahme und williges Gehör für ihr Begehren fanden, man möge sich ihrer Sache annehmen. In Zürich, wo eben eine Synode versammelt war, erklärten sie sich bereit die Berner Gebräuche zu befolgen, um nicht indifferenter Dinge wegen die Kirche zu spalten. Mit Empfehlungen Zürichs kehrten sie nach Bern zurück, und baten den Rath sie durch zwei seiner Glieder nach Genf begleiten zu lassen; es ward ihnen gestattet; Viret wurde von Lausanne aus vorausgeschickt, um ihre Rückkehr vorzubereiten; vergebens sprachen aber er und einer der Berner Gesandten zu ihren Gunsten, in tumultuarischer Sitzung wiederholte der Rath das Verbannungs-Dekret. Die beiden Reformatoren wandten sich nun nach Bern, wo Einige daran dachten, sie durch förmliche Berufung zurückzubehalten; von da ritten sie nach Basel. In einem Augenblicke der Entmuthigung dachten sie daran, dem Predigt-Amte zu entsagen; allein von den Freunden gedrängt, gaben sie diesen Gedanken sofort wieder auf. Calvin ging nach Straßburg, wo er Theologie lehrte und Prediger der Flüchtlings-Gemeinde ward; Farel wurde nach Neuenburg berufen von der Prediger-Klasse, der er selber, einige Jahre vorher, ihre Organisation gegeben hatte; zwei Rathsherren und zwei Mitglieder der Klasse kamen nach Straßburg, um ihn ehrenvoll abzuholen. Anfangs weigerte er sich, weil die Klasse sich der Einführung einer Kirchen-Polizei widersetzt hatte; erst auf die Bitten Hallers, Virets und andrer Freunde, und auf die Zusage, man würde ihm die Disciplin gewähren, begab er sich nach Neuenburg. Seine erste Sorge war nun die Ausarbeitung einer Disciplinar-Ordnung, deren Annahme jedoch auch hier durch große Schwierigkeiten verzögert wurde. In der Zwischenzeit bereiste er die Umgegend, predigte an verschiedenen noch katholischen Orten, führte fast überall die Reformation ein, und sah selbst den Statthalter des Landes, den Herrn von Prangin, dem Katholicismus entsagen. Gegen Ende des Jahrs 1539 erfuhr er, daß Caroli zu Bonneville sei und den Wunsch habe, wieder als Prediger aufgenommen zu werden. Er begab sich sofort nach dem Orte und in Beisein Viret’s, einiger Prediger und Rathsglieder, stellte er Caroli zur Rede. Dieser behauptete, er habe seit er die Schweiz verlassen, in verschiedenen Städten Frankreichs zu Lyon, Montpellier, Avignon, das Evangelium gepredigt; er widerrief, was er über vorgebliche Ketzereien der Reformatoren ausgesagt hatte, und erklärte sich förmlich gegen die Messe, das Fegfeuer, die Gebete für die Verstorbenen. Farel nahm diesen Widerruf an und nach einem Gebete, versöhnten sich Alle den 29. Januar 1540, mit dem scheinbar reuigen Caroli. Farel verwandte sich für ihn zu Bern und zu Mümpelgard, ja wollte ihm zu einer Stelle im Neuenburgischen verhelfen; man traute ihm aber nicht mehr, und mit Recht, denn bald darauf kehrte der unbeständige Mann zum zweiten Mal zum Katholicismus zurück.

Viel wichtiger und ernster waren die Nachrichten, welche in dieser Zeit Farel aus Genf erhielt. Unter der Regierung der Libertiner war die Anarchie aufs höchste gestiegen; Volksaufstände und Hinrichtungen brachten jedoch die Parthei zum Sturz. Da erinnerte man sich an die vertriebenen Prediger, als an die, welche allein im Stande wären, die Gemüther zu besänftigen und Ruhe und Zucht wieder herzustellen. Im Oktober 1540 wurde ein Bote an Calvin nach Straßburg gesandt, mit dem Auftrage, auch Farel zur Rückkehr zu bewegen; im November wurde ein zweites Mal an Letztern geschrieben. Calvin wollte zuerst nur kommen wenn auch Farel wieder käme; dieser aber, der, trotz der wiederholten Bitten des Genfer Raths, Neuenburg nicht verlassen konnte, drang in den Freund dem Rufe zu folgen. Den 13. September 1541 kehrte Calvin in die Stadt zurück, die nun bereit war, ihn ungehindert wirken zu lassen. Um alle Spuren der Vergangenheit auszuwischen, war bereits den 1. Mai das Verbannungs-Dekret aufgehoben worden; später wurde ein förmlicher Aussöhnungs-Akt aufgesetzt, den Calvin kurz nach seiner Ankunft unterschrieb, und den man auch an Farel nach Neuenburg sandte. Letzterer hatte, während Calvin noch in Straßburg war, ihn daselbst besucht und war bis Worms gereist, wo er sich mit Melanchthon unterhalten hatte. Zu Neuenburg erregte ihm, wie früher zu Genf, sein Drängen auf strenge Zucht, viele Feinde. Als er einst, von der Kanzel herab, über eine Frau von edler Herkunft, die ihren Gatten verlassen hatte, heftigen Tadel aussprach, brach der Groll gegen ihn los; die Parthei der Unzufriedenen, zu der auch Libertiner und schlecht bekehrte Katholiken gehörten, erlangte einen Rathsbeschluß, dem zufolge der lästige Sittenrichter in zwei Monaten Neuenburg verlassen sollte. Es begann für ihn eine schwere Zeit; die Berner, die ihn bisher beschützt hatten, schienen ihn diesmal verlassen zu wollen. Von mehreren Seiten, besonders von Calvin, der selber deßhalb nach Bern ging, aufgefordert, sich Farel’s und der Neuenburger Kirche anzunehmen, schickte die Regierung zwei Abgeordnete um die Sache zu untersuchen. Der eine war der Schultheiß von Wattwyls, Farel nicht mehr so günstig als früher. Auch Viret und Andere erschienen. Von Farel’s Gegnern bearbeitet, riethen ihm die Berner, sich dem Rathsbeschluß zu fügen; Wattwyl meinte die weltliche Obrigkeit könne Prediger so gut wie andere Diener absetzen; Farel aber erklärte er werde nicht weichen, denn er sei von der Kirche berufen, sie allein habe das Recht ihn zu entlassen, handelte er anders, so verriethe er Christum seinen Herrn. Mit diesem Berichte kehrten die zwei Abgesandten nach Bern zurück; auf ihren Antrag schrieb der Rath an den Reformator, er möge sich eine andere Stelle suchen, da die Gemüther sich ihm entfremdet hätten. Durch Briefe und Boten wurde noch viel verhandelt, Farel aber blieb standhaft, ja während einer Pest war er einer der treuesten Seelsorger der Gemeinde. Die Neuenburger Klasse nahm sich seiner an und ordnete zuletzt eines ihrer Glieder, Cynard Pichon, an mehrere schweizerische und ausländische Kirchen ab, um ihnen den ganzen Vorgang und dessen Ursache, die beabsichtigte Einführung der Kirchenzucht vorzulegen. Alle sprachen sich zu Gunsten Farel’s und der Disciplin aus, so daß zuletzt selbst die Berner nachgaben, und den 29. Januar 1542 der Ausweisungsbeschluß von dem Neuenburger Rathe zurückgenommen wurde. Schon den 5. Februar wurde von dem Rathe eine „Ordonnanz“ bekannt gemacht, welche nicht nur die Sittenpolizei, sondern auch die Kirchenzucht und die „brüderliche Censur“ unter den Geistlichen betraf.

Jetzt, nachdem die Gemüther versöhnt und das von Farel erstrebte Ziel erreicht waren, erbat sich dieser vom Rathe die Erlaubniß, Genf zu besuchen. Er erhielt Urlaub für einen Monat; zu Genf wurde er auf’s ehrenvollste von dem Magistrate empfangen, sprach mit Rührung von seinem steten Wunsche, dieser Stadt zu dienen, unterhielt sich mit Calvin, und als er zurückkehrte, gab man ihm ein Pferd und Alles, was ihm zur Reise nöthig war. Zu Neuenburg wieder angelangt, traf er nicht Alles nach Wunsch; es war wohl leicht eine Kirchen – Disciplin zu dekretiren, aber schwer, sie den Gemüthern annehmbar zu machen; auch hatte die Ordonnanz vom 5. Februar, da sie blos von der weltlichen Obrigkeit ausgegangen war, die Klasse nicht völlig befriedigt. Farel ging daher nach Bern, erwirkte die Berufung einer Synode, und ließ durch dieselbe (Mai 1542) eine Reihe von Artikeln annehmen, die mit den frühern beinah gleichlautend waren, aber die Schwierigkeiten der Ausführung nicht zu beseitigen vermochten.

Zu Metz, der damals lothringischen Stadt, hatte sich seit längerer Zeit eine evangelische Gemeinde gesammelt; nach manchen schweren Schicksalen, schien für sie im Jahre 1542 unter dem Schutze des Schöffenmeisters Kaspar von Heu, eine Zeit größerer Freiheit anzugehen. Sie berief Farel, der schon 1541 an den Metzer Magistrat zu Gunsten der Protestanten geschrieben hatte. Die meisten seiner Freunde widerriethen ihm die Reise, der Gefahren wegen, denen er sich im katholischen Lothringen aussetzen würde; er aber kannte keine Furcht, und Calvin unterstützte seinen Entschluß. Der Neuenburger Rath ließ ihn nur ungern fort; den 3. September 1542 traf er in Metz ein, Kaspar von Heu nahm ihn auf. Er predigte auf dem Kirchhofe des Jakobinerklosters, trotz der Gerichtsdiener, die ihn daran verhindern sollten, und trotz der Mönche, die alle Glocken läuteten, um seine Stimme zu übertönen. Vor den Magistrat gerufen und befragt, mit wessen Erlaubniß er predigte, antwortete er: „auf Befehl des Herrn und auf die Bitte der Glieder seiner Kirche.“ Sein Versuch, in der Peterskirche aufzutreten, wurde verhindert, ja die Protestanten wurden genöthigt, die Stadt zu verlassen; sie zogen sich nach Montigni zurück, wo Farel fortfuhr ihnen zu predigen. Zu der Verfolgung, welche selbst das Dazwischentreten der deutschen Fürsten nicht hindern konnte, gesellte sich eine verheerende Pest; Farel blieb entschlossen an seinem Posten, durch die Briefe und Gebete seiner fernen Freunde ermuthigt. Von Montigni mußte er mit seinem Häuflein, vielfach geschmäht und mißhandelt, nach Gorze wandern, das dem deutschen protestantischen Grafen Wilhelm von Fürstenberg gehörte. Es ist hier nicht der Ort, die Verwicklungen und Verhandlungen zu erzählen, welche diese Periode der kirchlichen und politischen Geschichte von Metz bezeichnen; wir haben es in der Kürze nur mit dem zu thun, was Farel betrifft. Den 11. März 1543 verfaßte er zu Gorze ein, bald darauf zu Genf gedrucktes, Sendschreiben an den Herzog von Lothringen, worin er ihn ermahnte, die Evangelischen nicht mit Rebellen oder Wiedertäufern zu verwechseln, und ihnen Gewissensfreiheit zu gestatten; er gab eine Darstellung der protestantischen, aus der Bibel geschöpften Lehre, welcher er die Irrthümer und Mißbräuche der römischen Kirche entgegensetzte. Es war vorauszusehen, daß diese Epistel ohne Erfolg bleiben würde. Den 25. März, am Ostertage, wurde die Versammlung zu Gorze, welcher Farel eben das Abendmal ausgetheilt hatte, von lothringischen Truppen überfallen; mehrere wurden getödtet, andere ertranken auf der Flucht; der Prediger selbst, verwundet, entging nur mit Mühe der Gefahr; auf einem Siechenwagen kam er in Straßburg an. Zu Metz wurden die letzten Anhänger der Reformation verbannt; statt Farel predigte nun der Apostat Caroli, der der Verfolgung nicht fremd gewesen war, und bald waren die letzten Spuren des Protestantismus, wenigstens äußerlich, entfernt. Caroli wagte es nun, den 14. Mai, Farel eine Aufforderung zur Disputation zuzuschicken. Er begann sie mit den übermüthigen Worten: „Wisse, daß ich, Gott sei Dank, deine Drohungen und Anschläge nicht mehr fürchte, denn der Geist unseres Herrn Jesu Christi hat mich durch das Kreuz gestärkt und wird mich, wie ich hoffe, nach seiner Güte ferner unterstützen, daß du mich nicht mehr so schwach finden wirst wie ehemals.“ Hierauf machte er ihm die ungereimtesten Vorschläge: er berief ihn entweder vor den Papst, oder vor das Concil von Trident, oder vor den Kaiser, oder vor den König von Frankreich, oder vor die Sorbonne, oder nach Salamanca, nach Padua, nach Löwen; in acht Tagen solle er ihm Bericht geben, wohin er kommen wolle; erscheine er nicht, so werde er ihn für einen überwundenen feigen Ketzer erklären. Zuletzt machte er noch einen seltsamen Vorschlag: Beide sollten sich gefangen stellen, er Caroli zu Metz, Farel in die Hände des Königs von Frankreich, und so aus dem Gefängniß heraus mit einander disputiren. Farel antwortete bereits den 21. Mai: er sei bereit vor allen, selbst den höchsten Behörden, wo Gott ihn hinrufe, seine Predigt zu vertheidigen, und allein gestraft zu werden, wenn er nicht die evangelische Lehre verkündigt habe. Dabei zeigte er das Lächerliche der Vorschläge Caroli’s und wies diesen, wegen seiner maßlosen Ehrsucht, mit ernsten Worten zurecht. Calvin und Viret gaben beide Schreiben zu Genf im Druck heraus. Farel verweilte in Straßburg, anfangs niedergeschlagen wegen der Zerstreuung der Metzer Gemeinde, bald jedoch wieder ermuthigt durch die „Gutthaten, Freundschaft, Unterhaltung und Schirm“, die er in der Reichsstadt fand. Der Genfer Magistrat sandte ihm Trostbriefe und Geld; Calvin, Viret, die Neuenburger schrieben ihm, um ihn aufzurichten. Da es ihm, im Interesse der Metzer Protestanten, am Herzen lag, die Verläumdungen Caroli’s zu widerlegen, wünschte er nichts sehnlicher, als eine öffentliche Disputation mit ihm; er wandte sich deßhalb an die Genfer, die an die Metzer schrieben, um die Bewilligung des Gesprächs zu verlangen; auch Calvin sollte daran Theil nehmen, und kam nach Straßburg mit Empfehlungen Genfs und Basels an den Magistrat, er möge sich der Sache annehmen. Calvin und Farel schlugen dem Straßburger Rathe, in einer eigenen Denkschrift, drei Wege vor: entweder ihnen sicheres Geleit nach Metz zu geben, wo sie dann auf eigene Gefahr hin wirken wollten, oder den Metzer Magistrat zu bewegen sie anzuhören, oder endlich bei den zu Schmalkalden versammelten Ständen dahin zu wirken, daß „sie die Sache in die Hand nähmen.“ Dieser letztere Vorschlag wurde als der allein mögliche angenommen. Während die beiden Freunde den Ausgang der Verhandlungen erwarteten, gab Farel im Juni ein zweites Schreiben an Caroli heraus, in dem er ihn an sein früheres schlechtes Leben, seine Umtriebe, seinen wiederholten Religionswechsel erinnerte, und ihn zur Einkehr in sein Gewissen und zum aufrichtigen Bekennen der Wahrheit ermahnte. Seine und Calvin’s Hoffnung, nach Metz berufen zu werden, ging jedoch nicht in Erfüllung; Caroli erschien zu Straßburg, wo er mit Calvin eine um so unnützere Disputation hielt, da deren Akten nicht veröffentlicht worden sind.

Wie sehr nun auch Farel das Schicksal der Metzer Gemeinde schmerzte, so gab er doch die Hoffnung für sie nicht auf; den 11. Januar richtete er an die Ueberreste derselben ein aufmunterndes Sendschreiben, indem er zugleich die Geschichte seiner Wirksamkeit in Lothringen erzählte, und dem er erhebende, wahrhaft erbauliche Gebete beifügte. An die Fürsten und Obrigkeiten, die sich der Metzer angenommen hatten, schrieb er, um sie zu bitten in ihren Bemühungen fortzufahren, und namentlich den Magistrat der Stadt zu überzeugen, daß die Protestanten, wie ihre Verläumder es behaupteten, keine Unruhestifter und Aufrührer seien. Ein ähnliches Schreiben ließ er an die evangelischen Kirchen ergehn; er empfahl die Metzer ihren Gebeten und ihrer brüderlichen Theilnahme. Auch später noch werden wir ihn für diese ihm theuer gewordene Gemeinde thätig sehn.

Neuenburg war von nun an, während einer Reihe von Jahren, der Hauptgegenstand der Fürsorge Farels. Einige vorübergehende Mißhelligkeiten abgerechnet, mit Cortesius, der ihm Irrthümer in Bezug auf die Person Christi vorwarf, mit seinem Collegen Chaponneau, der sich der Censur nicht unterwerfen wollte und über Privat-Kommunion mit ihm stritt, konnte er ohne Widerstand das Kirchenwesen ordnen und befestigen. Häufige Reisen, jedoch meist nur von kürzerer Dauer, unterbrachen allein seine Wirksamkeit zu Neuenburg. Im November 1543 folgte er einer Einladung des Genfer Magistrats, der ihm, da er in ärmlicher Kleidung ankam, eine neue anbot, und ihn ersuchte, sich in Genf niederzulassen; er antwortete, er könne dies nicht thun, Gottes Ruf binde ihn an Neuenburg, er würde aber immer der Genfer treuer Diener sein. Außer den schon angeführten Schriften in den Metzer Angelegenheiten, gab er im Jahr 1543 eine Auslegung des Vaterunser und einen Tractat über das Fegfeuer heraus, und im folgenden ein Schreiben an alle Christen, die das Evangelium kennen, um sie aufzumuntern, durch ihr frommes Leben Gott zu preisen und den Nächsten zu erbauen. 1545 wurde abermals ein Versuch gemacht, ihn für Genf zu gewinnen; Neuenburg konnte aber seiner Dienste nicht entbehren, so daß auch Viret’s und Calvin’s Vorschlag an Bern, ihn als Professor an der Lausanner Akademie anzustellen, nicht ausgeführt wurde; dabei wirkten freilich auch andere Beweggründe mit; Bern wünschte nicht zu Lausanne den Einfluß der calvinischen Ansichten über Kirchenregiment und Kirchenzucht zu verstärken.

Im März 1546 reiste Farel mit Viret nach Genf, und von da, im Namen mehrerer schweizerischen Kirchen, nach Straßburg, um zu Gunsten der verfolgten Metzer und Waldenser zu handeln. In den zwei folgenden Jahren kam er häufig nach Genf, um Calvin in dem neu ausgebrochenen Kampfe mit den Libertinern zu unterstützen; in Predigten an das Volk und in Reden an den Rath warnte er vor dem Treiben dieser Parthei, und ermahnte die Genfer sich durch dieselbe nicht irre machen zu lassen; er vertheidigte Calvin gegen die Angriffe der Gegner, und die ernsten Worte, in denen er sich darüber aussprach, verfehlten ihren Eindruck nicht; der Rath beschloß ihm zu danken, und bat ihn einige Zeit zu bleiben, um die Gemüther zu besänftigen. 1548 ging er mit Calvin nach Zürich, um Viret gegen einige Verdächtigungen seiner Lehre in Schutz zu nehmen; das Jahr darauf wohnte er in derselben Stadt der Versammlung bei, welche die Uebereinkunft der Schweizer über das Dogma vom Abendmahl zu Stande brachte (Consensus Tigurinus); Farel gab sich dabei unendliche Mühe, die verschiedenen Kirchen zur Annahme der neuen Formel zu bewegen, durch welche Calvin’s Ansicht die vorherrschende wurde. „Farel,“ schrieb Letzterer, „hat mir den ersten Anstoß zu dieser Sache gegeben; ihm gebührt die Ehre, der Urheber davon zu sein.“ Bern allein widerstrebte und hielt an der Zwing tischen Lehre fest. Ob eine Schrift über das Abendmahl, die Farel 1551 verfaßte, aber erst zwei Jahre später im Drucke erscheinen ließ, sich auf den Consensus bezog oder nur erbauliche Zwecke hatte, vermögen wir nicht zu sagen; es war uns nicht möglich, uns dieselbe zu verschaffen. Dagegen können wir von einer andern Arbeit reden, die er im Jahr 1550 herausgab, und die zu seinen wichtigern gehört. Ein ehemaliger Barfüßer hatte in einem gegen Calvin gerichteten, der Schild der Verteidigung betitelten Tractat, die eigenthümlichen Lehren der pantheistischen Libertiner entwickelt. Diesen bekämpfte nun Farel in seinem Schwerdt des Worts. Diese Schrift ist eine Hauptquelle für die Kenntniß des falschen Spiritualismus, der damals in Flandern und in verschiedenen Gegenden Frankreichs nicht wenig Anhänger zählte. Des Barfüßers Buch scheint verloren zu sein; Farel gibt aber Auszüge daraus, an deren Aechtheit nicht zu zweifeln ist, obschon sie von einem Gegner der Sekte gemacht worden sind; denn nicht nur hatte dieser keinen Grund, eine Lehre zu entstellen, die an sich schon irrig genug war, sondern seine Auszüge stimmen auch mit dem überein, was Calvin als System der Libertiner bekämpft, so wie mit den in einigen handschriftlichen Tractaten entwickelten Grundsätzen, die von der Sekte selber herrühren und sich in unserm Besitze befinden. Der Barfüßer behauptet, die heilige Schrift müsse geistig ausgelegt werden: die Reformatoren feien Knechte des Buchstabens und noch nicht zum tiefern Sinne durchgedrungen; der Mensch müsse der Sinnlichkeit absterben, und hat er dies gethan, so werde er sich bewußt, daß nicht er, sondern Gott allein Alles wirke; die Sünde bestehe darin, daß man das Ich außer Gott setze und glaube, es habe ein eigenes Dasein und eigene Thätigkeit. Es war für Farel ein Leichtes, das Verkehrte der mystischen Bibelauslegung nachzuweisen, wie die Libertiner sie trieben; auch die unsittlichen Consequenzen ihrer pantheistischen Ansichten boten ihm reichen Stoff zu gründlicher Widerlegung; nur ist zu bedauern, daß er in seiner Entrüstung darüber, statt mit ruhigem Ernst zu argumentiren, sich die heftigsten Ausfälle und die beleidigendsten Ausdrücke erlaubt. Doch erhebt er sich auch zuweilen, wenn er den Christen das Wort Gottes als allgenügend empfiehlt und sie vor den Irrlehren warnt, zu wahrer Beredtsamkeit.

Den 4. März 1551 hielt Farel eine Synode, der auch Calvin beiwohnte, und welche mehrere auf die Ehe bezügliche Fragen schlichtete. Einige Monate später finden wir ihn zu Genf, wo Hieronymus Bolsec, ein ehemaliger Karmeliter aus Paris, als Bekämpfer der Prädestination aufgetreten war. Nach einer Predigt des Johann de Saint-André, worin diese Lehre entwickelt war, trat Bolsec, aus den Zuhörern hervor und widerlegte sie mit unziemlichen Worten. Calvin, der dazu kam, vertheidigte sie in einer stundenlangen Rede. Nach ihm nahm Farel, der gleichfalls anwesend war, das Wort, um den Anwesenden den Glauben an die göttliche Gnadenwahl an’s Herz zu legen und ihnen Liebe und Ehrfurcht für Calvin zu empfehlen. Nachdem er in seinen frühern Schriften und in der Genfer Confession von 1536 über die Prädestination geschwiegen hatte, war er unter Calvin’s Einfluß dazugekommen, diese Lehre für die allein tröstliche zu halten; doch wollte er nicht, daß sie der Gegenstand des Disputirens würde; in dem Schwerdt des Geistes hat er die Frage nur im Vorbeigehn berührt, um zu sagen, daß sie dem Verstande unbegreifbar sei und nur mit dem Beistand des heiligen Geistes gelöst werden könne. Bolsec wurde als Ruhestörer aus Genf verbannt; in seiner Schmähbiographie Calvin’s hat er auch Farel genugsam gelästert.

Anfangs 1553 wurde Farel von einer schweren Krankheit befallen, alsobald reiste Calvin mit einigen Freunden nach Neuenburg; er war Zeuge bei dem Aufsetzen des Testamentes, in welchem Farel auf würdige Weise seinen Glauben und seine Hoffnung aussprach. Obgleich dem Tode nahe, genas er wieder; schon den 15. Mai konnte er eine neue Synode halten, welche die frühern Beschlüsse bestätigte und sie als Sammlung „evangelischer Ordonnanzen“ über Kirchenordnung und Kirchenzucht bekannt machte. Ueber den Kirchenbann waren jedoch die Stimmen getheilt; während Farel ihn in seiner ganzen Strenge beibehalten wollte, waren Andere, namentlich Fabri, seit einigen Jahren sein College, für eine mildere und seltenere Anwendung. Es wurden von mehreren Kirchen Gutachten begehrt, es herrschte jedoch über diese schwere Frage selbst damals keine Uebereinstimmung; Calvin billigte Farel’s Meinung, rieth aber zur Eintracht; die Berner billigten sie gleichfalls, meinten jedoch, man könne sich nicht überall der nemlichen Form bedienen; nur Basel lobte unbedingt den Eifer Farel’s.

Nach mehrern Reisen in die Landgemeinden und nach Lausanne, und nach neuer Krankheit, ward Farel im October 1553 nach Genf berufen, wegen Servet’s Prozeß, der sich seinem Ende nahte. Schon im September hatte er, mit unbeugsamer Härte, an Calvin geschrieben, in nichts nachzugeben dem unverbesserlichen Ketzer gegenüber: „wenn du eine Milderung der entsetzlichen Strafe wünschest, so handelst du wie ein Freund gegen deinen gefährlichsten Feind; würde ich Jemanden von dem rechten Glauben abwendig machen, so müßte ich mich für des Todes schuldig halten; von einem Andern kann ich aber nicht anders denken, als von mir selber.“ Mit dieser Gesinnung begleitete Farel, den 27. Oktober, Server zum Scheiterhaufen, ihn vergebens aufmunternd, seinen Irrthümern zu entsagen, und das Volk ermahnend zu beten, daß sich der Herr dieser verlornen Creatur annehmen möchte. Wie bedenklich auch die Irrthümer des spanischen Arztes gewesen sein mögen, so war doch der, der Theologen des sechszehnten Jahrhunderts, ein nicht minder schwerer, wenn sie meinten, die weltliche Obrigkeit müsse über die Reinheit des Glaubens wachen, und die davon Abweichenden mit dem Tode bestrafen. Während des Prozesses hatte Calvin erneuerte Kämpfe gegen die Libertiner zu bestehn gehabt; nach Servet’s Hinrichtung trat die Partei noch drohender auf. Farel eilte nach Genf zurück; in der Hoffnung, sein Alter und seine der Stadt geleisteten Dienste würden seinen Worten bessern Eingang verschaffen, predigte er gegen die Feinde Calvin’s und der Kirchenzucht. Mehrere junge Leute hielten sich durch diese Predigt beschimpft; sie erwirkten von dem Rath ein Schreiben an Neuenburg, Farel solle erscheinen, um sich zu rechtfertigen. Er kam zu Fuß, trotz Regen und Sturm, ein Pöbelhaufe verfolgte ihn mit Mordgeschrei, vor dem versammelten Rathe sprach er aber so kräftig, daß „Alle erklärten, sie hielten ihn für ihren geistlichen Vater, daß jeder ihm die Hand reichte, und ein Versöhnungsmahl gehalten wurde.“

Auf ähnliche Weise machte Farel sein Ansehn auch in andern Angelegenheiten geltend; er war überhaupt, wenn auch nicht einer der gelehrtesten, doch einer der entschiedensten und thätigsten Theologen der Schweiz; sein Name war allgemein geachtet; überall wo man des Rathes bedurfte, wandte man sich an seine reiche Erfahrung, oder begehrte man die Unterstützung seiner kraftvollen Rede. Fremde aus allen protestantischen Ländern, englische, französische, italienische Flüchtlinge besuchten ihn, manchmal in der alleinigen Absicht, ihn, den berühmten Redner, predigen zu hören. Zu Mümpelgard vermittelte er öfter den Frieden, oder vertheidigte seinen alten Freund Toussaint gegen Anfeindungen; Lismanini bat ihn um ein Gutachten, über die dogmatischen Zweifel, welche die polnischen Protestanten beunruhigten. Die Frankfurter Fremdengemeinde wandte sich an ihn um einen Prediger, und als die Entzweiung in ihr ausgebrochen war, suchte auch er den Vermittler zu machen. Ueberall wo es galt, die Reformation zu vertheidigen und zu befestigen, oder deren verfolgte Bekenner zu unterstützen, half er nach besten Kräften mit. Als im Jahr 1555 die vertriebenen Locarner nach Zürich auswanderten und in der ganzen Schweiz Liebesgaben für sie gesammelt wurden, betrieb Farel, mit seinem gewohnten Eifer die Collekte; die Prediger, der Statthalter, der Rath, das Hospital, die Bürger, die Landgemeinden steuerten dazu. 1553 richtete er ein Trostschreiben an die zu Lyon gefangenen zum Scheiterhaufen verurtheilten jungen Prediger, und 1555 ein ähnliches an fünf Franzosen, die zu Chambory im Gefängniß waren und bald darauf hingerichtet wurden. Ueberhaupt war sein Auge stets auf Frankreich gerichtet, für die bedrängten Protestanten seines Vaterlandes war er zu jedem Opfer bereit. In ihrem Interesse namentlich wünschte er eine Annäherung zwischen den Reformirten und den Lutherischen rücksichtlich des Abendmals, da bekanntlich die damalige französische Politik, während sie mit den deutschen Ständen eine Verbindung zu erhalten strebte, die Verfolgung der Hugenotten damit entschuldigte, daß sie Rebellen und Fanatiker seien. Er hoffte eine Synode, von Schweizern und Deutschen zusammengesetzt, würde die Abendmalsdifferenz ausgleichen; „die Augsburgische Confession, schrieb er 1558 an Calvin, halte ich für ganz erträglich und sehe nicht ein, warum man ihr so sehr widerstrebt“. In dieser Ueberzeugung, die gewiß ein merkwürdiger Zug dieses sonst so strengen, entschiedenen Charakters ist, unternahm er im Jahr 1557 mit Beza eine Reise, um die deutschen Stände zu veranlassen, zu Gunsten der Waldenser und der französischen Reformirten Schritte zu thun. Bei dieser Gelegenheit übergaben Beide zu Heidelberg jenes von Beza verfaßte Bekenntniß über das Abendmal, dessen Zweideutigkeit ihnen in der Schweiz so viel Tadel zuzog. Das geringe Resultat dieser Unterhandlung hinderte Farel nicht, sich noch einmal an Beza anzuschließen, als dieser im September desselben Jahrs, nach der Verfolgung der Evangelischen zu Paris, seine zweite Reise nach Deutschland antrat. Wilhelm Bude und Carmel, Farel’s Neffe und Prediger der Pariser Gemeinde, begleiteten sie. Nachdem sie zu Zürich, das durch das unklare Bekenntniß Beza’s gestörte Einverständniß wieder hergestellt und sich über dem Consensus die Hände gereicht hatten, begaben sie sich nach Basel, wo sich Farel im Gasthof in bittern Worten über Erasmus äußerte und deßhalb von den alten Freunden desselben der Verläumdung angeklagt wurde. Ueber Straßburg reisten sie dann nach Worms, wo gerade das Colloquium gehalten wurde, das Protestanten und Katholiken wieder vereinigen sollte. Während die Schweizer Theologen, wenig von den Bemühungen, die Reformirten und die Lutherischen sich näher zu bringen, erwarteten, meinten Andre, Männer wie Beza und Farel könnten nicht anders als günstiges Gehör bei den Deutschen finden; Hotmann schrieb an Bullinger: „Farel ist ganz geeignet für diese Sache; sein Alter und die hohe Rechtschaffenheit seines Lebens müssen allen Frommen Ehrfurcht einflößen.“ Zu Worms reichten sie ein bestimmteres Bekenntniß ein, erlangten aber weder eine nachdrückliche Verwendung bei dem französischen Hof, noch eine Verständigung mit den Lutherischen.

Um diese Zeit (1557 und 1558) machte Farel einige Versuche, die Reformation zu Brundrutt (Porentrup) im Bisthum Basel einzuführen. Bei Rath und Bürgerschaft fand er bereitwillige Aufnahme; vor dem bischöflichen Syndic erklärte er sich freimüthig über seinen Beruf, und sagte, er wolle nichts als die Wahrheit verkündigen, dafür sei er aber bereit, sich jeder Gefahr auszusetzen. Nichtsdestoweniger mußte er sich wieder entfernen. Der Erzbischof von Besançon schickte einen Mönch, um das Volk im katholischen Glauben zu erhalten; ein von Neuenburg gesandter Prediger, Jakob Sorel, wurde arg mißhandelt; Farel, der nach Brundrutt zurückeilte, wurde gleichfalls überfallen und beklagte sich vergebens bei dem Basler Bischof und dem Rath; die Mönche fuhren fort, in Predigten ihn zu beschimpfen. Er ging nach Bern, wo sich die Regierung der Sache annahm, allein nichts auszurichten vermochte. So sehr auch die Bürger von Brundrutt und andern Orten der Reformation geneigt waren, so mißlang doch jeder Versuch, Gemeinden zu gründen.

Farel war 69 Jahre alt; nach so vielen Mühen und Arbeiten gedachte er sich häusliche Ruhe und eine Stütze für sein Alter zu bereiten, indem er sich mit Marie Torel von Rouen verlobte, die mit ihrer verwittweten Mutter nach Neuenburg geflüchtet war. Die meisten seiner Freunde widerriethen ihm diesen Schritt, der zu so vielem Gerede Anlaß gab, daß Calvin, der selber ihn stark getadelt hatte, an die Prediger von Neuenburg schrieb, sie möchten die Thorheit des alten Mannes mit Geduld ertragen. Das Aufgebot geschah im September 1558; erst nachdem Farel noch verschiedene Reisen gemacht, verehlichte er sich den 20. Dezember. Bald erwachte sein alter Eifer wieder. Zu Anfang 1559 erfuhr er, daß der Graf Adolph von Nassau-Saarbrücken eine Anzahl französischer Flüchtlinge in seinem Gebiete aufgenommen hatte; sogleich machte er sich auf den Weg, um sie zu besuchen; er ordnete ihre Gemeinde und gab ihnen Johann Loquet zum Prediger.‘ Aus Dankbarkeit widmete er dem Bruder und Nachfolger des Grafen, Johann, seinen 1560 erschienenen und mit einem Vorworte Viret’s versehenen Traktat von dem wahren Gebrauche des Kreuzes Christi, in dem er nicht nur den mit dem Crucifix getriebenen Aberglauben, sondern überhaupt jede Art „römischer Idolatrie“ bekämpfte. Nach einer Reise nach Straßburg, um für Metz zu wirken, wo sich für die Protestanten die Umstände anfingen besser zu gestalten, begleitete er Waldensische Boten in die Städte der Schweiz, um Beiträge für die Verfolgten, aller Noth preisgegebenen Brüder zu sammeln. Zu Genf befragte der Rath (20. Mai 156!) die Prediger, ob man ihn nicht zurückhalten und ihm eine Pension geben sollte, da er der erste gewesen, der in dieser Stadt das Evangelium verkündigt und so viel dafür gelitten hatte; würde man nichts für ihn thun, so müßte man mit Recht des Undanks angeklagt werden. Da Farel das Anerbieten nicht annehmen konnte, wurde ihm zu Ehren ein Gastmahl gegeben. Zu derselben Zeit, wo Viret nach Nismes berufen wurde, kamen auch nach Neuenburg Boten von Gap und Vienne, um Farel und Fabri für eine Zeit lang vom Rath zu erbitten; der damaligen Sitte gemäß erhielten sie einen zweimonatlichen Urlaub. Bei vierzig Jahre hatte Farel sein Vaterland nicht gesehn. Mit Dank gegen Gott nahm er, trotz seines hohen Alters, den Ruf an; mit ihm reisten Fabri und der Prediger Eynard Pichon. Letztern ließ er zu Grenoble, wo er selbst in dem Hause eines Kaufmanns eine Predigt hielt. Fabri ging nach Vienne und später nach Lyon. Den 15. November 1561, es war ein Sonnabend, kam Farel nach Gap; gleich den folgenden Tag predigte er vor so zahlreicher Versammlung, daß die Meisten vor der Kirche bleiben mußten. Am folgenden Dienstag führten ihn der erste Syndic und der königliche Procurator zu dem ice-Bailli, der ihn zwar mit Achtung empfing, aber fragte, wer ihm die Befugniß zum Predigen gegeben und ob er sich nicht des königlichen Ediktes erinnere, das die öffentlichen Zusammenkünfte verbot. Er antwortete, indem er sich auf das Wort Gottes berief, dem Jeder folgen müsse; auch führte er die öffentlichen Predigten zu Lyon und anderswo, und das Colloquium von Poissy an, wo die Reformirten selbst vor dem König ihren Glauben frei hatten bekennen dürfen. Der Vice-Bailli bat ihn hierauf, mit Predigen noch inne zu halten, bis er an das Parlament von Grenoble und den königlichen Statthalter berichtet hätte. Farel wurde ehrenvoll in seine Herberge zurückgeführt und taufte noch denselben Abend ein Kind. Da wurde durch Ausruf in den Straßen bekannt gemacht, daß keine Versammlungen mehr gehalten und die Kirchen zurückgegeben werden sollten. Die Reformirten kamen bei Farel zusammen und beschlossen, standhaft in dem Bekenntniß ihres Glaubens zu bleiben und sich an den König zu wenden. Da sie die große Mehrzahl in der Stadt bildeten, konnte Farel noch bis im Januar 1562 ungehindert unter ihnen wirken; der Eifer seiner Landsleute begeisterte ihn; er schien, wie er sagte, ein neues Leben zu beginnen. Als Neuenburg ihn zurückverlangte, und noch so Vieles zu thun war, um die Gemeinde zu ordnen, bat er Calvin einen Prediger zu senden, um ihn zu ersetzen. Er kehrte wahrscheinlich schon vor der Bekanntmachung des Januar-Ediktes zurück, das in Frankreich die Restitution der Kirchen an die Katholiken befahl. So gerne er auch länger in seiner Vaterstadt geblieben wäre, so zogen ihn doch manche Sorgen nach Neuenburg zurück. Während seiner Abwesenheit war die Landesherrin, Marquise von Rothelin, mit ihrem Sohne dem Herzog von Longueville, in die Stadt gekommen; sie hatte eine Synode halten lassen, an der Farel nicht hatte Theil nehmen können; ein von ihr gemachter Reformationsversuch zu Landeron hatte zu Streit mit Solothurn geführt, und nach einem Aufstand der katholischen Bürger hatte man davon abstehn müssen. Als Farel zurückkam, hatte der Herzog die Gegend bereits wieder verlassen; die edle Marquise jedoch, eine eifrige Bekennerin des Evangeliums, gewährte dem greifen, immer noch mit Schwierigkeiten kämpfenden Reformator, ihren thätigen Beistand.

Den ersten Mai 1564 erhielt er von dem seinem Ende nahenden Calvin einen kurzen rührenden Abschiedsbrief; sogleich eilte er nach Genf, wo er den Freund noch lebend fand und noch ein längeres Gespräch mit ihm führte; dessen letzten Augenblicken konnte er jedoch nicht beiwohnen, er mußte nach Neuenburg zurück; Calvin starb erst den 27. Mai. „O, schrieb Farel an Fabri, daß ich nicht für ihn sterben konnte! welch einen schönen Lauf hat er glücklich vollendet! Gott gebe uns, daß wir auch den unsern so vollenden, nach der Gnade, die er uns verliehen hat.“ Farel’s letzte Reise ging nach Metz, im Mai 1565; 1562 hatten die dortigen Protestanten eine Kirche und Prediger erhalten; Farel wünschte sie, und sie ihn noch einmal zu sehn. Der Neuenburger Rath gab dem 76jährigen Greise eines seiner Mitglieder als Begleiter mit. Er predigte „zum unglaublichen Trost der ganzen Gemeinde.“ Im Juli kehrte er zurück, müde und leidend, aber glücklich seine geliebte Metzer Kirche in blühendem Stande zu wissen. Auch für ihn nahte sich nun das irdische Ende; Freunde und Schüler besuchten ihn täglich, auf die Lehren horchend, die er von seinem Krankenlager an sie richtete. Er entschlief ruhig, den 13. September 1565. In seinen letzten Tagen hatten seine Freunde voll Verwunderung zu einander gesagt: „seht, der Mann bleibt sich immer selber gleich; niemals war er über eine Gefahr erschrocken, und wenn wir noch so bestürzt und niedergeschlagen waren, so zeigte er sich standhaft und fest, vertrauend auf seinen Herrn; er richtete uns Alle durch seinen Heldensinn auf und stärkte uns durch die Hoffnung eines guten Ausgangs.“

Guillaume Farel

Guillaume Farel

Noch zu Anfang des letzten Jahrhunderts sah man auf dem Kirchhofe zu Neuchatel einen Grabstein mit dem Sinnbilde eines Kreuzes oder – wie Andere wollen – eines Schwertes; wahrscheinlich war es Beides zugleich. Wahrer und treffender ließ sich in der That die Ruhestätte des Mannes nicht bezeichnen, der um des reiner n Glaubens willen aus Frankreich verbannt, sein ganzes Leben hindurch an der theuren Heimath Gränzen das Kreuz hoch und voran trug und mit dem Schwerte des Geistes wie mit der eigenen Brust unter tausend Leiden und Gefahren dem Evangelium überall eine Gasse zu machen suchte; – wir meinen Farel, welchen die westliche Schweiz, wenn nicht ihren größten, doch ihren ersten evangelischen Lehrer und Reformator nennt.

An den grünen Vorbergen der Dauphins in einem kleinen Dorfe zwischen Gap und Grenoble, das noch jetzt seinen Namen trägt, wurde Wilhelm Farel im Jahre 1489 geboren. In seiner Familie von gutem und altem Adel herrschte von jeher ein Geist eifriger Religiosität nach der Weise der Zeit, strenges Festhalten an den Lehren und Ueberlieferungen der Kirche, gewissenhafte Erfüllung der kirchlichen Vorschriften, Legenden- und Wunderglaube, Bilder- und Heiligenverehrung, und diesem Zuge folgte auch ohne Rückhalt der feurige Knabe, ein Sohn des Südens voll Phantasie und Gemüth, dessen dunkles Auge von Geist und innerem Leben strahlte und dessen kleiner aber zäher Körper Beweglichkeit und Energie verrieth. Mit wehmüthigem Rückblicke erzählt er uns, wie andächtig er schon früh mit seinen Eltern zu einem wunderthätigen Kreuze in der Nachbarschaft gewallfahrtet und wie so manches Zweideutige, was er da sah und hörte, ihm doch nicht die Augen geöffnet habe. Sein sinniger Ernst, seine Wahrheitsliebe, seine tiefe, wenn auch misleitete Religiosität gaben ihm den Wunsch ein zu studieren; durch Beharrlichkeit überwand er den Widerwillen seines Vaters, und da die Provinz ihm die Mittel zu. höherer Ausbildung nicht darbot, so bezog er um 1510 die weltberühmte Universität von Paris, wo ihm ungesucht und unerwartet ein neues Leben aufgehen sollte.

Unter den dortigen Gelehrten befand sich auch ein Doktor der Sorbonne, Jakob Lefevre d‘ Etaples, welcher dem katholischen Glauben, der Hierarchie, den kirchlichen Einrichtungen und Gebräuchen von Herzen zugethan, doch auch den Regungen des überall erwachenden freiern Geistes sich nicht zu verschließen vermochte, der die alte Scholastik durch höhere philosophische Klarheit, so wie durch Zurückgehen und Vertiefen in die Bibel neu zu beleben suchte. Es war zunächst nicht diese, sondern jene Seite seines Wesens, was Farel zu ihm hinzog; Beide fühlten sich durch die naive Innigkeit und Frömmigkeit, durch den Eifer und die Andacht verbunden, welche sie bei den Messen und Gebeten, in der Feier der Heiligenfeste, in der Ausschmückung der Kirchen und Altäre an den Tag legten. Allein wie bei Lefevre zuweilen der Blitz eines höhern Bewußtseins die Dämmerung durchdrang, so zündete er auch in Her Brust seines jungen Freundes und Schülers; es blieb diesem unvergeßlich, daß jener einmal zu ihm sagte: „Wilhelm, Gott hat mit der Welt ein Neues vor, und du wirst davon Zeuge sein.“ Immer mehr gerieth er in’s Schwanken, immer weniger konnte er sich genug thun, wie sehr auch er sich an die geheiligte Autorität der Kirche anzuklammern suchte. Er nahm wohl seine Zuflucht zur Schrift; doch ihr ganzer Inhalt schien ihm mit dem damaligen Zustande der Christenheit in so offenbarem Widerspruche, daß nur die Vorstellung ihn einigermaßen beruhigen konnte, er müsse das Gelesene aus Mangel an der nöthigen philosophischen Bildung nicht recht begriffen haben. „Ich war, so schreibt er von jener Zeit, der unglücklichste unter den Menschen, ich schloß die Augen, um nicht zu sehen.“ Erst als Lefevre durch göttliche Fügung von den Legenden zu den Briefen Pauli gewiesen wurde, als die große Grundlehre des Evangeliums, Rechtfertigung aus Gnaden durch den Glauben, ihn ergriff und er dieselbe unter wachsendem Aufsehen zu lehren und zu vertheidigen anfieng, erst da wurde es auch für Farel klar: Nichts aus Verdienst, Alles aus Gnaden, – und so wie er es hörte, glaubte er’s. Ein Irrthum sank nach dem andern; der Dienst der Heiligen wich dem einigen Christus, das oberste Ansehn des Pabstes, diese von jetzt an in seinen Augen teuflische Erfindung, und überhaupt alle menschliche Autorität in Glaubenssachen der unbedingten Geltung des göttlichen Wortes; mit dem ganzen Ernst und Wahrheitsdurst seiner Seele warf er sich auf die Schrift, studierte Griechisch und Hebräisch; der kirchliche Cultus kam ihm je länger desto widersinniger und abgöttischer vor. Das geschah von 1512 an; mithin manches Jahr früher, als Luthers mächtige Stimme die Welt durchdrang.

Indessen fieng die religiöse Bewegung an sich auszubreiten; es bildete sich ein Kreis von Männern mehr oder minder ausgeprägter, evangelischer Gesinnung, dessen Seele Lefevre war, und zu welchem außer Farel, dem Magister am Collegium Lemoine, und einigen Jüngern, auch der von seiner Gesandtschaft nach Rom zurückgekehrte Wilh. Brisonnet, Graf von Montbrun und Bischof v. Meaux gehörte. Selbst am Hofe zählte diese Geistesrichtung Gönner und Freunde; zu ihr neigte sich besonders die geist- und gemüthreiche Margarethe von Valois, und durch ihren Einfluß einigermaßen der König Franz I. selbst. Allein bald wurde er von seiner Mutter und dem Kanzler Duprat zu dem bekannten Concordate und zu enger politischer Verbindung mit dem Pabste bewogen, und die Universität, den unversöhnlichen Feind aller Neuerung, Nat. Beda, an der Spitze, suchte die veränderte Stimmung nach ihrem Sinne auszubeuten. Zwar setzte der König den gerichtlichen Verfolgungen immer noch ein entschiedenes Nein entgegen; dessenungeachtet wurde die Luft so schwül und die Lage in Paris so drückend, daß die Freunde froh waren, das ihnen von Brisonnet zu Meaux angebotene Asyl anzunehmen. Eine Reihe kirchlicher Reformen wurde nun in der Diöcese vorgenommen, die vielen untüchtigen und verweltlichten Seelsorger beseitigt, eine theologische Schule errichtet, an welcher auch Farel einen Wirkungskreis für seinen Eifer und seine Talente fand. Nach und nach ließ Lefevre seine treffliche Bibelübersetzung in französischer Sprache drucken; es erschienen belehrende und erbauliche Traktate; zahlreich versammelte sich das Volk zum Hören der evangelischen Predigten, die der Bischof zum Theil selbst hielt; es bildeten sich Vereine zum gemeinsamen Lesen und Besprechen des Wortes Gottes. – Alles dieß blieb jedoch nicht ohne Gegenwirkung von Seiten der in ihren Interessen bedrohten Welt- und Klostergeistlichkeit; man durfte es schon wagen, den zu früh und zu laut hoffenden Evangelischgesinnten mit einem Kreuzzuge und der Vertreibung des Königs zu drohen, wenn er ihre Predigt gestatte. Brisonnet, bei’m Parlamente denuncirt, konnte für seine Person sich leicht rechtfertigen; gleichwohl that er den ersten, folgenreichsten Schritt rückwärts, indem er 1523 seinen Freunden die Erlaubniß zu predigen wieder entzog; und obschon auch Lefevre von einer königlichen Commission freigesprochen wurde, so mußte doch der Kreis, seiner Stütze beraubt, sich auflösen. Farel gieng nach einem kurzen Aufenthalte zu Paris in seine Heimath, wo er seine evangelische Predigt fortsetzte und vier seiner Brüder für die Wahrheit zu gewinnen das Glück hatte. In Gap vor Gericht gestellt und unter Mißhandlungen aus der Stadt vertrieben, zog er missionirend auf dem Lande umher; allein der geringe Erfolg seiner Arbeit, der Wunsch, die Reformation in ihren Stammländern kennen zu lernen und wohl auch die Einladungen vorangegangener Freunde, bewogen ihn, sich nach Basel zu begeben, wo er Anfangs 1524 auf geheimen und beschwerlichen Wegen anlangte.

Von Oekolampad herzlich und gastfreundlich aufgenommen, schloß sich der Flüchtling auf’s Innigste an diesen an, während die natürliche Charakterverschiedenheit zwischen Erasmus und ihm gegenseitige Abneigung und sogar Feindschaft zur Folge hatte. Oekolampad war keineswegs blind gegen die Fehler seines Freundes, indem er besonders seine Hitze und Heftigkeit zu mäßigen suchte. Um nicht unthätig zu sein, bewarb sich Farel um die Erlaubniß, dreizehn Sätze in öffentlicher Disputation vertheidigen zu dürfen; es wurde ihm von der Universität verweigert, vom Rathe hingegen gestattet; allein es fanden sich keine Gegner, was ihn nicht hinderte, seine Sätze mit Oekolampads Hülfe vor dem Publikum vorzutragen und zu erläutern. Von einer Reise in die östliche Schweiz, auf welcher er auch Zwingli kennen lernte, nach Basel zurückgekehrt, fand er die Stimmung des Rathes so sehr verändert, daß er auf dessen Befehl die Stadt verlassen mußte. Oekolampad konnte nichts für ihn thun, als seine Entrüstung über dieses Verfahren öffentlich aussprechen und ihn an Capito und Luther empfehlen. Zu Straßburg trat Farel in genaue Verbindung mit den dortigen Predigern, während die Reise nach Wittenberg unterblieb, weil ein nahegelegenes Feld seine Kräfte in Anspruch nahm. Mömpelgart, damals die Residenz des vertriebenen Herzogs Ulrich von Würtemberg, verlangte mit dessen Zustimmung einen evangelischen Prediger, und Farel ließ sich nach vielen Bedenken durch Oekolampad bestimmen, im Sommer 1524 dahin zu gehen. Die Lage des Ortes machte ihn zu einem sehr geeigneten Vorposten, um durch Wort und Schrift, so wie durch das bereits übliche Colportiren evangelischer Bücher und Bibeln auf Burgund, Lothringen und Südfrankreich zu wirken: Farel fand mit seiner Predigt eben so freudiges Gehör beim Volke, als entschiedenen Widerspruch bei Adel und Geistlichkeit. Ein Mönch von Besancon, der ihn öffentlich angriff, mußte widerrufen, weil er seine Behauptungen nicht erweisen konnte, und Farels Feuer wurde durch den Vorfall nur noch gesteigert, obschon man ihn von Basel aus zur Mäßigung ermahnte. Einst, wird erzählt, begegnete er auf schmaler Brücke einer Prozession zu Ehren des h. Antonius. In rasch aufloderndem Eifer entriß er dem Priester das Bild und warf es mit den Worten in den Strom: „Arme Götzendiener! Wollet ihr nie von eurer Abgötterei lassen?“ Zwar entkam er glücklich dem Getümmel; aber seines Bleibens war natürlich in Mömpelgart nicht mehr. Ueber Basel gelangte er wiederum nach Straßburg, wo er unter andern flüchtigen Landsleuten auch seinen alten Lehrer Lefevre antraf.

Eine neue Thüre that sich ihm auf, als Bern nach dem Gespräche zu Baden mehr und mehr zur Reformation hinneigte. Durch Vermittelung der Basler wurde er im Herbste 1526 nach dem französisch redenden, in einem Gebirgswinkel zwischen der Waadt und Wallis gelegenen Gouvernement Aigle gesendet, erst nur unter dem Titel eines Schullehrers und dem angenommenen Namen Ursinus, ohne Besoldung, – dann als förmlich bestellter Prediger und Lehrer zugleich. Es war ein harter Stand, den er hier durchzufechten hatte: nicht nur das unwissende, von Welt- und Klostergeistlichen bearbeitete Volk widersetzte sich seiner Predigt; auch der bernische Gouverneur und andere Beamte wirkten ihm eher entgegen. Unentmuthigt und von Bern geschützt, hielt er aus; auch hier hatte er mit einem Mönche, der ihn von der Kanzel Verführer und Teufel gescholten, einen gerichtlichen Streit zu bestehen; dem besiegten und demüthig abbittenden Gegner aber reichte er eben so edelmüthig als herzlich die Hand. Selbst an dem benachbarten Bischofssitze Lausanne suchte er Einzelne, wiewohl vergeblich, durch Briefwechsel zu gewinnen. An dem Gespräche zu Bern (1528) nahm er wesentlichen Antheil; die Reformation wurde angenommen, aber nirgends fast kostete es größere Mühe sie durchzuführen als in Aigle. Farel sollte nun überall predigen dürfen; er that es trotz aller Drohungen und Gefahren‘; die ärgsten Verläumdungen trafen ihn, die Berner und die evangelische Lehre; in Ollon wurde er von Männern und Weibern thätlich mißhandelt. Erst die Ankunft eines neuen Gouverneurs und einer ansehnlichen Botschaft, verbunden mit einer kräftigeren Justizpflege, brachte endlich Ruhe und Ordnung, und es gelang Farel, mehrere Mitarbeiter zu finden und anzustellen.

Auch anderwärts wußte man den unerschrockenen Streiter Christi bestens zu verwenden; so in Murten, einer bernisch-freiburgischen Herrschaft, welches bald die Reformation annahm und welches ihm zu einem Stütz- und Ausgangspunkt für seine Feldzüge diente. Erfolglos blieb zwar sein persönliches Auftreten in Lausanne trotz des Patentes der Berner; dagegen konnte weder der Bischof von Basel noch der Abt von Bellelay verhindern, daß Neuenstadt am Bielersee sich durch Farels Bemühungen zum Evangelium bekannte, und im Münsterthale predigte er mit solcher Kraft, daß das Volk Bilder und Altäre zerstörte und der Priester aus der Kirche floh. Vor Allem wichtig und folgenreich war Farels Erscheinen zu Neuchatel, damals der Herzogin von Longueville-Hochberg zugehörig, aber mit Bern verbündet. Nachbarliche Einflüsse, das fast nirgends so große Sittenverderben des Clerus, die grellen Mißbräuche der Kirche hatten der Reformation daselbst vorgearbeitet. Farel predigte zuerst zu Serriores auf einem Steine, dann durch die Bürger eingeladen auch in der Stadt auf Straßen und Plätzen. Im Sommer 1530 setzte er seine Arbeit unter allen Hindernissen fort; man räumte ihm die Kapelle des Spitals ein; als er jedoch am 23. October wie es scheint, nach einem schon gefaßten Beschlusse des Magistrats, die Bemerkung äußerte: es gebühre dem Evangelium nicht weniger als der Messe die Ehre, in der Stiftskirche gehört zu werden, – da erhob sich die ganze Menge, um ihn dorthin zu führen. Die versuchte Abhaltung steigerte nur den Eifer; man erzwang den Zutritt zur Kanzel und Farels allgewaltige Rede hatte eine solche Wirkung, daß gegen die Bilder und Zeichen des Aberglaubens ein Sturm entstand, der am folgenden Tage fortdauerte. Der Gouverneur G. de Rive, in der Meinung, die große Mehrheit stehe dennoch zum alten Glauben und nur ein aufrührerischer Haufe dagegen, wollte sofort eine Abstimmung vornehmen lassen; allein man verlangte die Anwesenheit bernischer Boten. Und als diese gekommen, als die Parteien gehört, die Anklagen auf Gewalt und Empörung durch Gegenklagen und Versicherung der Treue gegen die Landesfürstin außer in Sachen des Glaubens beantwortet worden waren, entschied am 4. Nov. eine zwar geringe Mehrheit zu Gunsten der reinern Lehre. Alle gemachten Anschläge, diesen Schluß durch List oder Gewalt wieder zu stürzen, scheiterten an der Festigkeit der Berner; die Rechte der Fürstin wurden gewahrt und festgestellt; aber ebenso auch die religiöse Freiheit der Stadtgemeinde und aller andern, welche ihrem Beispiele folgen würden.

Daß dieß wirklich auch von den Landgemeinden geschehe, war nun Farels eifrigstes Bemühen, worin nichts ihn wankend oder muthlos machen konnte. Eines Abends, nachdem er gepredigt und sein Gefährte in unklugem Eifer dem Priester die angebetete Hostie aus der Hand gerissen, wurden sie bei Valangin von einer Rotte überfallen, geschlagen, nach dem Schlosse geschleppt; man wollte sie zwingen, ein Marienbild zu verehren; – umsonst; darauf neue Mißhandlungen durch die Priester; blutend warf man sie in’s Gefängniß, aus welchem zwar Freunde von Neuchatel sie befreiten; Genugthuung aber, wie die Berner für sie verlangten, erhielten sie nicht; war doch Alles mit der Fürstin Wissen und Beifall geschehen. Aehnliches widerfuhr ihm auch anderwärts, auch unter bernischer Mitherrschaft, wie zu Orbe und Granson. Dort suchte man ihm sogar im Beisein bernischer Rathsboten das Predigen regelmäßig durch Lärm und Geschrei unmöglich zu machen; nichtsdestoweniger predigte er sechs Tage lang zweimal täglich fort und nicht ohne Frucht, selbst bei entschiedenen Anhängern des alten Glaubens, wie er denn auch den jungen schüchternen P. Viret für den Dienst des Evangeliums und zugleich zum Herzensfreunde gewann. So ganz gab er sich seinem Reformatorberufe hin, daß ihm für seine persönlichen Angelegenheiten, seine Correspondenz schlechterdings keine Zeit übrig blieb: wohl aber fand er noch Zeit, durch Kreisschreiben seine Brüder im Herrn überall zum Ausharren und Vertrauen im Kampfe für Gott gegen den seelenverderblichen Antichrist zu ermuntern.

Eine Reise zu den Waldensern nach Piemont, um ihnen auf ihre Bitte ihr Kirchenwesen besser ordnen zu helfen, brachte ihn im October 1532 zum ersten Male nach Genf. Sein Name war auch hier nicht unbekannt; Manche besuchten ihn in der Herberge. Der Rath, von der Gegenpartei gedrängt und die verbündeten Freiburger fürchtend, wollte ihn mit seinem Begleiter Ant. Saunier ausweisen; als sie jedoch mit dem bernischen Schirmbriefe in der Hand sich vertheidigten, entließ man sie unbelästigt. Unter dem Vorwande einer Unterredung berief man sie nun vor das Domcapitel; der Rath gab ihnen zwei seiner Syndices zur Sicherheit mit. Es war keineswegs überflüssig: vom Official in einer Art von Verhör wie Landstreicher und Verführer empfangen, wurden sie von der geistlichen Versammlung, in welcher Mehrere heimliche Waffen trugen, sogleich mit den gröbsten Schimpfwörtern überhäuft. Ruhig setzte Farel seinen Zweck und Beruf auseinander, das Wort Gottes allen denen zu verkündigen, die es hören wollten; nicht er, sie seien es, welche Israel verwirrten. Während der geheimen Berathung fiel draußen ein Schuß auf Farel, allein das Gewehr zersprang, ohne ihm zu schaden. Man befahl ihnen, die Stadt binnen drei Stunden zu verlassen bei Lebensstrafe, und dieß aus Gnaden und Rücksicht für die Berner. Auf Farels Einrede, daß man ihn ja ungehört verdamme, fiel Alles mit Geschrei und Schmähreden über ihn her. „Was bedürfen wir weiter Zeugniß, er ist des Todes schuldig!“ – hieß es, und: „Es ist besser, der Ketzer sterbe, als daß er das ganze Volk verderbe!“ Umsonst rief Farel: „Redet doch mit Gott, und nicht mit Kajaphas!“ man drang auf ihn ein, trat ihn mit Füßen, schlug ihn in’s Gesicht, Dolche wurden gezückt; nur die Dazwischenkunft des einen Syndices rettete sie. Früh Morgens geleiteten die Freunde sie über den See, und zum Ersatz wurde Farels eben angekommener Landsmann, Ant. Froment von ihm nach Genf gesandt.

Die altgläubige Partei war offenbar noch die stärkere; um auch Predigt durch Predigt zu bekämpfen, berief sie einen Dominikaner, Guy Fürbity, der in der Kathedrale mit hohen Worten wider die „Deutschen und andere Ketzer“ loszog. Die Berner nahmen dieß für eine gegen sie gerichtete Beleidigung und schickten deßhalb eine Botschaft, unter deren Schutze auch Farel mit Viret nach Genf zurückkehrte. Bei der drohenden Haltung der Päbstlichgesinnten ergriff der Rath nur halbe und illusorische Maaßregeln; aber neue Boten der Berner drohten ihrerseits mit Absage des Bundes, und obschon die Freiburger dasselbe thaten, so überwog doch zuletzt das Ansehen, das gebieterische „Entweder-oder“ der Erstern. Nach vielen Windungen und Berufungen auf die geistlichen Gerichte und die Sorbonne, deren Doktor er war, mußte sich Fürbity zu einem Gespräche herbeilassen, welches auf dem Rathhause (29. Jan. – 11. Febr. 1534) gehalten und von Farel im versöhnlichsten Geiste mit den Worten eröffnet wurde: „Der schönste Sieg ist Erhaltung der Wahrheit, und gern gäbe ich mein Leben drum, daß sie von Allen erkannt würde.“ Fürbity konnte die Fastengebote nicht durch die Schrift rechtfertigen, und wurde, da er dem zu leistenden öffentlichen Widerrufe auswich, gefangen gesetzt. Ein neuer Prediger, gemäßigter als er, trat an seine Stelle; allein nun verlangten auch die Berner das Recht der öffentlichen Predigt für die ihrigen. Der Rath war wie immer unschlüssig; das Volk jedoch führte Farel in die Baarfüßerkirche, wo am 1. März der Glockenklang zum ersten Male zur evangelischen Predigt einlud. Immer mehr machte dieselbe Fortschritte; die Freiburger kündigten den Bund auf; das Abendmahl wurde zu Pfingsten nach der Einsetzung des Herrn gehalten; Priester verließen ihre Altäre; vereitelte Gewaltstreiche, Vergiftungsversuche gegen die Prediger, der über die Stadt vom Bischof und Pabst verhängte Bann, mehrten nur den Haß gegen die Urheber; eine Kirche nach der andern ward dem Evangelium erobert und ein neues Gespräch im Baarfüßerkloster, durch welches der von Farel bekehrte Ordensbruder Joh. Bernard seinen Aus- und Uebertritt rechtfertigte, setzte die Wahrheit in ein neues und helles Licht. Die Entscheidung war nicht mehr aufzuhalten; vor dem Rathe der Zweihundert sprach Farel den 12. Juli so überzeugend und hinreißend, daß nach einer nochmaligen, vergeblichen Anfrage an die Priesterschaft, ob sie etwas Mehreres und Besseres für ihre Sache anzubringen habe, die Reformation am 27. August beschlossen und in aller Ordnung eingeführt wurde.

Die Anfeindungen der entflohenen Gegner und ihrer Freunde von außen hielten das Werk nicht auf; die Bürgerschaft verband sich feierlich zum Frieden und zur evangelischen Lehre. Farel wollte nicht nur den Glauben, sondern auch das Leben erneuern, die Sitte reinigen, christliche Bildung und Unterricht befördern; er war unermüdlich, aber er sollte überall sein, zu Genf, auf der Landschaft, in der mittlerweile von Bern eroberten Waadt, und es fehlte ihm am rechten, tüchtigen Gehülfen. Da sandte ihm Gott den Mann, den er suchte. Eines Tages im Jahre 1536 kam der 27jährige, aber der Welt schon bekannte Calvin flüchtig nach Genf; nur die Nacht wollte er dort zubringen und seine Reise nach Basel und Straßburg am andern Morgen fortsetzen. Farel, davon benachrichtigt, eilt sogleich zu ihm und fordert ihn auf zu bleiben, um in den Dienst des Herrn und seiner Gemeinde zu treten. Calvin äußert Bedenken, will sich weigern, läßt seine Vorliebe für eine literarische Laufbahn und Thätigkeit durchblicken.

Doch sieh‘ , vom heil‘ gen Zorn entglommen,
Vom Geist Eliä hingenommen.
Hebt Farel an ihn zu bedroh’n:
„Du hast den Ruf des Herrn vernommen,
Und weh‘ dir, sprächest du ihm Hohn!“

Bei dem Worte des Mannes Gottes besonders: „Verflucht seien fortan deine Studien, wenn du dich um ihrer willen dem Werke des Herrn entziehst,“ –

Bei diesem Donnerwort erblaßte
Calvin, als ob ihn plötzlich faßte
Die Hand, die eigne Hand des Herrn.
Wie schwer das Amt auch auf ihm laste –
Der Herr gebeut’s, ihm folgt er gern.

Es war in dem thatenreichen Leben Farels die folgenreichste That, ein Moment von weltgeschichtlicher Bedeutung.

Innig vereint mit dem neugewonnenen Bruder arbeitete er daran, Genf zu einer Gottesstadt und Felsenburg des Evangeliums zu machen; es kümmerte ihn nicht, daß neben dem hell aufgehenden Sterne Calvins der seinige in blasserem Lichte strahlte; Neid war immer seiner großen Seele fremd. Er verfaßte das Genfer Glaubensbekenntniß, widerlegte in einem Gespräche die Wiedertäufer, nahm vorzüglichen Antheil an der Disputation zu Lausanne, welche über die Zukunft der Waadt entschied. Als aber Calvin dem natürlichen, wider Christi Joch und Geist reagirenden Freiheitsgeiste für den Augenblick weichen mußte, traf auch ihn das Schicksal der Verbannung. Mit dem Freunde reiste er von Genf nach Basel und Straßburg, der alten Zuflucht derer, die um des Glaubens willen heimathlos geworden.

Doch in Neuchatel hatte man seiner nicht vergessen. Einstimmig wurde er von Rath, Bürgerschaft und Geistlichkeit durch eine Abordnung dahin zurückberufen. Ungern ließ er sich wieder in ein Joch spannen, dessen ganze Schwere er so eben nur zu wohl empfunden; aber durfte er anders, nach dem, was er Calvin gesagt und was man nun auch ihm von allen Seiten wiederholte? Im Juli 1538 kam er nach Neuchatel, welches von nun an der Hauptschauplatz seines Wirkens blieb. Das Evangelium war fast überall im Lande angenommen, das Kirchenwesen theilweise geordnet: dennoch gab es für ihn viel wegzuräumen, einzurichten, durchzusetzen. Vor Allem lag ihm eine strengere Sittenzucht am Herzen, – hatten doch auch die Berner dringend dazu gerathen; aber er fand dabei ähnlichen Widerstand wie in Genf, der auch hier besonders von den höhern Ständen ausging. Eine vornehme Dame lebt ohne Grund getrennt von ihrem Gatten und setzte der Mahnung sowie der öffentlichen Rüge nur Trotz und Verachtung entgegen. Als nun der eifrige Prediger auf der Kanzel über die Duldung solcher Aergernisse und den Haß aller Zucht klagte, ergriff man begierig den Anlaß und brachte es dahin, daß er in einer stürmischen Gemeindeversammlung seines Amtes entlassen wurde; doch sollte dieser Schluß erst nach zwei Monaten in Kraft treten. Farel war fest entschieden, „dem Satan nicht zu weichen; Gott habe ihm die Gemeinde anvertraut und werde sie von seiner Hand fordern.“ Von allen Seiten suchte man zu vermitteln; Calvin, Viret und andere Freunde eilten herbei; auch von Bern kamen Boten, aber diese, theils persönlich, theils aus Politik Farel abgeneigt, traten eher auf Seite seiner Gegner. Die Klasse von Neuchatel bat die auswärtigen Kirchen um ihre Verwendung. Während Farel mit Ruhe und Gottvertrauen und wo möglich mit noch größerer Treue bei herrschender Pest seinem Amte nachgieng, gelangten von Basel, Straßburg, Constanz und Zürich die dringendsten Vorstellungen zu seinen Gunsten an Neuchatel und Bern; selbst die Berner, nachdem sie Farel umsonst zum freiwilligen Rücktritte gerathen, lenkten ein, und so kam es, daß nach Verlauf der zwei Monate eine große Mehrheit den Entlassungsbeschluß wieder aufhob, und Farels Ansehen und Stellung nun für immer gesichert blieb. Seine Sorge und Thätigkeit beschränkte sich jedoch keineswegs auf Neuchatel, sondern wo es irgend galt, für das Wort Gottes oder die Bekenner desselben einzustehen, da sieht man ihn handelnd auftreten. Genf besonders, wo er lieber der Letzte zu sein wünschte, als an jedem andern Orte der Erste, war der Gegenstand seiner steten Aufmerksamkeit und Bemühung; durch seine kräftige Fürsprache bei Calvin wurde dieser zum zweiten Male für dasselbe gewonnen, und in allen kritischen Augenblicken trat er ungesäumt vor den Riß der Kirche und dem Freunde zur Seite. An den Schicksalen der Waldenser und seiner verfolgten Glaubensgenossen in Frankreich nahm er den lebendigsten Antheil; nicht nur die Schweizer Regierungen, sondern auch die deutschen Fürsten suchte er zur Intercession für dieselben zu bewegen; zweimal reiste er deßhalb 1557 mit Beza nach Deutschland, zugleich eine Union mit den Lutheranern anstrebend, was ihm, dem eigentlichen Stifter der Vereinbarung zwischen Calvin und Bullinger, wegen bewiesener allzugroßer Nachgiebigkeit, wie man meinte, in der Schweiz wenig Dank einbrachte. Noch als Greis bewies er sich, obwohl kränkelnd, immer rüstig, neue Posten zu gründen, verlorne wiedereinzunehmen. In Pruntrut, der Residenz des Fürstbischofs von Basel, wurden seine vielversprechenden Anfänge im J. 1557 durch die Anstrengungen und Mittel des Clerus wieder vereitelt. Einer Einladung nach seiner Heimath folgte er 1561 ohne Zaudern; es schien ihm ein neues Leben aufzugehen, als er zu Gap und Grenoble das Wort der Gnade bei nur schwachem Widerstande predigen durfte; voll Hoffnung kehrte er zurück, nachdem er zwei Andere Collegen in jener Gegend zurückgelassen. Noch einmal, im Jahre 1565 nahm er seinen Flug nach Metz; dort hatte er 1542 beim ersten Versuche die Obrigkeit lau und furchtsam, die Mehrheit des Volkes abgeneigt gefunden, trotz seiner Mahnung, noch nie habe Gott eine Obrigkeit verlassen, welche für das christliche Wohl der Ihrigen treu gesorgt habe; in der Nähe, auf einem Gute des Grafen von Fürstenberg war er bei zahlreicher Feier des Abendmahls von einer Schaar lothringischer Söldner gewaltthätig überfallen, mit vielen Andern schwer verwundet und mit genauer Noth nach Straßburg gerettet worden. Jetzt schienen die Umstände günstiger; es bestand zu Metz eine evangelische Gemeinde, der Adel hielt sich großentheils zu ihr und suchte Schutz bei den evangelischen Fürsten und Ständen. Von einem Rathsgliede von Neuchatel begleitet, machte Farel sich auf; beim Einzuge freudig bewillkommt, predigte er gleich Tags darauf mit alter Kraft zu großer Erbauung. Aber es war das letzte Aufflammen des gewaltigen Geistes; krank kehrte er heim nach Neuchatel; gepflegt von seiner Gattin, der Tochter einer aus Frankreich geflüchteten Wittwe, die er erst in späteren Jahren geehlicht, lebte er noch mehrere Wochen; Alle die ihn besuchten, besonders aber seine Brüder im Amte ermahnend und den Glauben freudig bekennend, den er gelehrt und für den er gekämpft hatte. Den 13. September 1565 schied er sanft im Alter von 76 Jahren, fünfzehn Monate nach dem Hinscheiden seines tiefbetrauerten Calvin.

Man hat Farel nicht immer richtig und billig beurtheilt. Er war allerdings kein sanfter Oekolampad, kein milder Melanchthon, sondern eher eine mit Luther verwandte Natur, ein kühner ritterlicher Geist, aber eben ganz so, wie der Herr ihn brauchte an seinem Orte, um Burgen zu stürmen und seiner Sache Bahn zu brechen. Dieser heiligen Sache, nie der Person galt auch Farels viel besprochene Heftigkeit: Kein Mensch, bemerkt sein Biograph, hat ihn persönlich so viel und bitter gekränkt, wie der charakterlose, mehrfach abtrünnige Pet. Caroli; und Keinen hat er so treu auf dem Herzen getragen, an Keinem so viel gearbeitet, für Keinen so lange gehofft, bis gar nichts mehr zu hoffen war. Innerhalb der gewohnten, zahmen Gränzen blieb freilich sein Eifer und seine Treue nicht stehen; das Evangelium war seine Leidenschaft; wer nun aber sich rühmen darf, das rechte volle Maaß besser als er getroffen, es nur annähernd erfüllt zu haben, – dem sei es unverwehrt, auf sein Uebermaaß den Stein zu werfen.

Trechsel in Vechingen, jetzt in Bern.

Evangelisches Jahrbuch für 1856 Herausgegeben von Ferdinand Piper Siebenter Jahrgang Berlin, Verlag von Wiegandt und Grieben 1862