Francesco Gamba von Brescia

Erlitt den Märtyrertod zu Como 21. Juli 1554.

1. Evangelische Einflüsse, unter welchen Gamba heranwuchs.

Francesco Gamba entstammte einer angesehenen Familie von Brescia, der Vaterstadt des nach ihr genannten evangelischen Märtyrers Arnold. Vom Mittelalter her bekundeten die Bürger dieser norditalischen Stadt ein lebhaftes Streben nach politischer und kirchlicher Freiheit und Unabhängigkeit. Als daher im ersten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts von Wittenberg und von Zürich aus die Predigt „von der Freiheit eines Christenmenschen“ durch die abendländische Kirche ertönte, fand sie auch in den Herzen vieler Brescianer einen freudigen Widerhall. Diese freie Geistesrichtung wurde genährt und gepflegt durch Männer, welche, wie der uns bekannte Franziskaner Giovanni Mollio, selbst vom Zug des neu erwachten evangelischen Geistes ergriffen waren und an der Hochschule dieser Stadt lehrten und wirkten. Unter dem Einfluss dieser evangelischen Geistesregungen entfaltete sich die Jugend von Francesco Gamba, der wahrscheinlich noch zu den Füßen Mollios gesessen ist. Wir erblicken auch unter den Männern von Brescia, welche von diesem evangelischen Geisteszug ergriffen wurden, zwei Mitglieder der gräflichen Familie Martinengo von Barcho, die sich dem höchsten Adel Venedigs ebenbürtig fühlte. Ulisses von Martinengo musste zur Rettung seiner evangelischen Überzeugung und seines Lebens sich flüchten und versah sodann eine Zeit lang das evangelische Pfarramt in der Veltlinischen Gemeinde Morbegno; Massimiliano Celso von Martinengo war Augustiner Chorherr geworden und zeichnete sich namentlich auch durch gründliche Kenntnis der griechischen Sprache aus. Als daher Peter Martyr von Neapel nach Lucca als Probst des Stiftes San Frediano daselbst kam, berief er auch Massimiliano Celso dahin, damit er im Verein mit ihm und anderen Gelehrten evangelischer Geistesrichtung die Novizen dieses Stiftes durch Unterricht in den klassischen Sprachen und in der heiligen Schrift zu einer reineren Theologie vorbereiten helfe. Die Chorherren selbst wurden zu gewissenhafter Erfüllung ihrer kirchlichen Pflichten angehalten. Während nun Peter Martyr unter großem Zudrang nicht allein der Mitglieder des Stiftes, sondern auch der Patrizier und Bürger der Stadt die Briefe des Apostels Paulus und eine Auswahl von Psalmen erklärte, hielt Martinengo Vorlesungen über die griechische Sprache. Daneben wurden auch die Kirchenväter, sowie einzelne Schriften der deutschen und schweizerischen Reformatoren fleißig gelesen. Alle Sonntage predigte Peter Martyr oder Martinengo vor einer so großen Zuhörerschaft, dass sie die Stiftskirche zu San Frediano kaum zu fassen vermochte. So entfaltete sich hier infolge der Wirksamkeit dieser Männer sowohl unter den Mitgliedern des Chorherrnstiftes als unter der Bürgerschaft ein vielversprechendes evangelisches Leben, das aber auch bald die Aufmerksamkeit der Inquisition auf sich zog. Zu Pfingsten 1542 reichte der Vikar zu San Frediano bereits vielen Patriziern und Bürgern das heilige Abendmahl nach evangelischem Brauche unter beiden Gestalten, indem er sie ermahnte, „nur des erlösenden Todes Christi dabei zu gedenken.“ Obgleich dieses gegen den Rat Martyrs geschehen war, so wurde doch er als Probst des Stiftes dafür verantwortlich gemacht und in Folge davon gezwungen, um sein Leben und seine evangelische Überzeugung zu retten, sich im Herbste 1542 nach der Schweiz zu flüchten. Inzwischen bestand noch einige Zeit im Verborgenen eine kleine evangelische Gemeinde in Lucca, die durch Martinengo und andere evangelische Männer in der Stille erbaut wurde. Aber sobald die Schergen der Inquisition die Spuren derselben entdeckten, brach auch die Verfolgung mit verstärkter Wut über sie herein. Diesem neuen Sturm musste auch Massimiliano Celso von Martinengo weichen. Er wandte sich nach Norditalien und wäre in Mailand bald ein Opfer der Inquisition geworden. Während des Winters 1550-51 verweilte er in seiner Vaterstadt Brescia und wirkte in der Stille im Dienst der evangelischen Wahrheit, indem er seine alten Freunde in ihrer evangelischen Überzeugung befestigte und neue Jünger für das Evangelium warb. Ohne Zweifel wurde auch Francesco Gamba durch diesen bewährten evangelischen Lehrer in seiner evangelischen Überzeugung befestigt und gefördert, so dass er sich in der Folge durch die Pflicht der Dankbarkeit und durch das Band christlicher Bruderliebe mit ihm aufs Innigste verbunden fühlte. –

2. Francesco Gambas verhängnisvolle Reise oder „des Menschen Herz schlägt seinen Weg an, aber der Herr allein gibt, dass er fortgehe.“

Massimiliano Celso von Martinengo ward, als er sich nach der Schweiz hatte flüchten müssen, 1552 nach Genf berufen zum Prediger der Gemeinde, welche sich aus den evangelischen Flüchtlingen Italiens gebildet hatte. Als Francesco Samba solches vernahm, erwachte in ihm eine heiße Sehnsucht nach der Teilnahme an einem öffentlichen Gottesdienst in der Muttersprache und nach dem Genuss des heiligen Abendmahles mit seinen evangelischen Glaubensbrüdern. Um diese Herzensbedürfnisse zu befriedigen, begab er sich auf Pfingsten 1554 nach Genf, um dieses Fest mit seinen evangelischen Glaubensbrüdern zu feiern und das heilige Abendmahl mit ihnen zu genießen. Wie fühlte sich sein Herz erquickt und gehoben durch den Glaubenseifer, welcher diese kleine Gemeinde beseelte, die sich hier aus den Trümmern so vieler zerstörten evangelischen Gemeinschaften Italiens neu gebildet hatte! An der Spitze der Gemeinde stand der edle Neapolitaner Galeazzo Caracciolo, Markgraf von Vico, der durch Peter Martyr erweckt und für die evangelische Wahrheit gewonnen worden war und nun hier in den bescheidensten Verhältnissen lebte und sich selig im Glauben fühlte, nachdem er um Christi willen die schwersten Opfer gebracht. Auch Christoforo Terna, der Patrizier aus Lucca, vormals ein Mitglied der evangelischen Gemeinschaft in seiner Vaterstadt, war nun eine Zierde der evangelisch-italienischen Gemeinde in der Stadt Calvins. Hier bereitete sich damals Luigi Pasquali für den Beruf eines Predigers des Evangeliums vor, in dem er sich später die Märtyrerkrone errang. Massimiliano Celso von Martinengo erbaute diese glaubensgetreue Gemeinde italienischer Flüchtlinge durch die Predigt des reinen Evangeliums und durch die Spendung der heiligen Sakramente nach ihrer ursprünglichen Einsetzung. Der hohe Glaubenseifer, der diese kleine Gemeinde belebte und die christliche Bruderliebe, welche die Mitglieder derselben unter einander in schönster Eintracht verband – diese Zeugnisse der wahren Jüngerschaft Christi machten auf Gamba einen sehr wohltätigen Eindruck. Gestärkt im Glauben und gefördert in seiner christlichen Erkenntnis wollte er nach Pfingsten wieder nach seiner Vaterstadt zurückkehren. Seinen Rückweg schlug er durch das Gebiet des Herzogtums Mailand ein, wo gerade damals die Stürme der Verfolgungen gegen die Evangelischen mit neuer Stärke wüteten. Schon im Jahre 1543 hatten der Erzbischof und der Generalinquisitor der Herrschaft Mailand ein Mandat folgenden Inhaltes erlassen: „Niemand soll fortan die heilige Schrift lesen oder predigen ohne Erlaubnis des Erzbischofes und Inquisitors bei Strafe der Inquisition und anderen noch schwereren körperlichen Strafen, je nach Ermessen der beiden Herren. Bei gleicher Strafe soll jeder Gläubige innerhalb dreißig Tagen nach gegenwärtiger Bekanntmachung anzeigen, wenn er irgend einen Ketzer in der Stadt oder Diözese Mailand kennt oder von ihm weiß, dass er im Verdachte der Ketzerei stehe. Ebenso soll er alle anzeigen, so über die Artikel des Glaubens, die Sakramente der Kirche, die Zeremonien, die Autorität des Papstes oder andere den katholischen Glauben und die Kirche berührenden Dinge übel redet oder streitet, es sei im Scherze oder im Ernste.“ Nach den Grundsätzen dieses Mandates ließ man überall im Gebiete des Herzogtums durch Spione den Evangelischen nachspüren und sie dann gefangen nehmen. Viele derselben ergriffen die Flucht und fanden eine Zeit lang in der unter der Botmäßigkeit einiger schweizerischen Kantone((Zürich, Bern, Lucern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug, Glarus, Freiburg, Solothurn, Basel und Schaffhausen.)) befindlichen Landvogtei Locarno eine Zufluchtsstätte. Hier blühte namentlich in Folge der treuen und gesegneten Wirksamkeit eines geistlichen Privatlehrers Giovanni Beccaria im Stillen eine evangelische Gemeinde, welche ein Stützpunkt für die Evangelischen in der Lombardei zu werden versprach. Schon 1531 hatte der Karmeliter Balthasar Fontana von Locarno aus an Zwingli geschrieben: „Wohlan ihr Diener des teuersten Königs und der heiligsten Mutter, der Kirche, schafft nach Kräften, dass eine von Babel in Knechtschaft gehaltene Stadt der Lombardei zur christlichen Freiheit gelange. Wir sind hier zwar nur drei, die sich zum Feldzug im Dienste der Wahrheit verbunden haben. Allein Midian wurde auch nicht durch die Menge der Tapferen Gideons besiegt, sondern nur durch Wenige, die aber Gott sich dazu erwählte. Wer weiß, ob Gott nicht aus diesem kleinen, nur unter der Asche glimmenden Funken ein großes Feuer noch anfachen will?“ – Doch diese Hoffnungen sollten nicht in Erfüllung gehen. Von Rom aus wurde der kleinen evangelischen Gemeinde in Locarno, sowie überhaupt allen evangelischen Regungen in der Lombardi die gespannteste Aufmerksamkeit zugewendet und ihre Zerstörung und Unterdrückung beschlossen. – Der Papst sandte als Legat für das Herzogtum Mailand und für die Schweiz ums Jahr 1554 den Ottaviano Niverta, Bischof von Terracina, um dieses Werk der Zerstörung und Unterdrückung zu vollführen. Zunächst wurde im Gebiet des Herzogtums mit neuem Eifer den Evangelischen nachgespürt und jede Äußerung gegen Lehren und Einrichtungen der römisch-katholischen Kirche mit aller Strenge bestraft. Als Francesco Gamba voll evangelischer Glaubensfreudigkeit von Genf kam, scheint er sich auf dem Comersee unehrerbietig über das Opfer der Messe geäußert zu haben. Sogleich wurde er von den Schergen der Inquisition verzeigt und sodann gefangen genommen und in der Folge zum Feuertode verurteilt. Doch wollen wir darüber einen Augen- und Ohrenzeugen vernehmen, der in einem Brief an den Bruder von Francesco Gamba über den Verlauf des Prozesses, sowie über das Verhalten des evangelischen Märtyrers bis zu seinem Tod ausführlich Bericht erstattet.

3. Franzesco Gamba im Gefängnis und auf dem Richtplatz.

„Vielgeliebter Bruder in Christo!

Gott allein weiß, welch großes Herzeleid ich empfinde, indem ich Ihres und meines seligen Bruders in Christo Tod melde. Zwar zweifle ich nicht, dass Ihr Vetter, welcher hier gewesen, Ihnen das berichtet, was ich damals ihm mitteilen konnte. Da derselbe aber auf meinen Rat hin sich eilig von hier entfernen musste, so konnte ich ihm nur kurz den Hergang der Sache andeuten. Ich habe aber Ihrem seligen Bruder verheißen, Ihnen umständlich und treu zu berichten, wie er sich bis zum Tode benommen und wie ernsthaft und ergeben er denselben erduldet habe. Daher benutze ich nun die gute Gelegenheit, Ihnen einen umständlichen Bericht über den Hergang zu erstatten, damit Sie sich, statt sich über den Tod Ihres Bruders zu betrüben, vielmehr freuen mögen, dass der Herr ihm so große Barmherzigkeit und Ehre erwiesen, indem er ihn zum Zeugen der göttlichen Wahrheit erwählt und ihn auserkoren, das heilige Evangelium Jesu Christi vor den Menschen zu bekennen und seinen Glauben an den Sohn Gottes mit seinem Blut zu besiegeln.

Nachdem es hier bekannt geworden, dass Ihr Bruder gefänglich eingezogen wäre, haben ihn viele Doktoren, Edelleute und andere Personen höheren und niederen Standes mit Ermahnungen bestürmt, dass er sein Heil und seine Wohlfahrt bedenken und diesen törichten und irrigen Meinungen und Einbildungen entsagen solle. Wenn er ihnen willfahren und dieses tun wolle, so sichern sie ihm nicht allein Leben und Freiheit, sondern auch auch ansehnliche Geschenke zu. Solches redeten sie aber als blinde und in göttlichen Dingen unerfahrene Leute und darum antwortete ihnen auch Francesco aus fester Überzeugung mit großer Beständigkeit: was er geredet und behauptet habe, sei keine Einbildung, noch ein irriger falscher Wahn, sondern die Lehre des lauteren Wortes und die heilsame Wahrheit Gottes und unseres Herrn Jesu Christi. Solches bewies er auch Artikel für Artikel mit unfehlbaren Zeugnissen der heiligen Schrift. Dabei erklärte er, dass er weit lieber sterben wolle, als von der von ihm erkannten und bekannten Wahrheit unseres Herrn Jesu Christi abzukehren, und Gottes Sache, die er zu verteidigen entschlossen, durch Untreue zu verraten. So verteidigte er standhaft und unentwegt seinen evangelischen Glauben den Doktoren, Mönchen, Geistlichen und anderen Personen gegenüber, die ihn von demselben abwendig zu machen versuchten.

Als diese unverrichteter Sache abziehen mussten, kamen andere wohlwollende Bürgersleute zu ihm ins Gefängnis, dieweil sie ihn als einen aufrichtigen, frommen Mann kannten. Auch diese baten ihn, dass er seinen Einbildungen entsagen und die von ihm geäußerten Ansichten widerrufen solle. Würde er dieses tun, so wollten sie dafür sorgen, dass ihm in Como das Bürgerrecht geschenkt und eine ansehnliche Beamtung verliehen würde, bei der er ein ehrenvolles Auskommen finde. Aber Francesco wies auch diese Anerbietungen standhaft zurück, indem er seinen Glauben nicht verleugne. Da sie mit freundlichen Ermahnungen und Verheißungen bei ihm nichts ausrichteten, so versuchten sie mit Drohungen, indem sie ihm die Qualen des Feuertodes vormalten, dem er unzweifelhaft entgegengehe, wenn er nicht der Ketzerei entsage. Darauf antwortete Ihr Bruder mit fester Glaubenszuversicht: solches wünsche er vor allem, dass es ihm widerfahren möchte; denn ihm sei keine Botschaft willkommener als die, welche ihm melde, dass er um Christi willen den Tod erleiden müsse.

Bald darauf kam ein Schreiben von Mailand mit der Anzeige, dass Francesco zum Feuertod verurteilt sei. Indessen wurde der Vollzug dieses Urteils noch ausgestellt, weil sowohl der kaiserliche Gesandte in Genf als andere angesehene Männer vom Adel sich für Francesco verwandten, dass ihm die Todesstrafe erlassen werden möchte. Da aber dieser Ihr frommer Bruder bei seinem evangelischen Glaubensbekenntnisse standhaft verblieb und sich durchaus zu keinem Widerrufe verstehen wollte; so kam eine Mahnung von Mailand, dass das Todesurteil nun ohne Verzug vollzogen werden solle. Hierauf ließ der Podesta oder Schultheiß von Como Ihren Bruder vor sich führen und eröffnete ihm das Urteil, dass er, sofern er auch jetzt noch nicht von seinen ketzerischen Meinungen abstehen und sie widerrufen wolle, zum Feuertod verurteilt sei. Darüber bezeugte Francesco große Freude und dankte dem Podesta für die frohe Botschaft. – Auf weitere Verwendung angesehener Männer vom Adel wurde die Vollziehung des Urteils noch um eine ganze Woche verschoben, indem man ihn inzwischen zu einem Widerruf doch zu bewegen hoffte. Während dieser Frist musste er noch viele Gespräche über Glaubensangelegenheiten führen, wobei er stets seine Überzeugung durch klare Stellen der heiligen Schrift begründete und verteidigte. Endlich eröffnete ihm der Podesta, dass er nun nicht länger den Vollzug des Todesurteils verschieben dürfe, sondern am folgenden oder spätestens am nächstdarauffolgenden Tag dem Befehl des Senates von Mailand nachkommen müsse. Wenn er jedoch namentlich seine Äußerungen über das heilige Sakrament der Messe widerrufen wolle, so werde man jetzt noch ihm alles halten, was man ihm früher für diesen Fall versprochen habe. Francesco aber erklärte wiederholt, dass ihm die baldige Vollziehung der Todesstrafe nur willkommen sei. Auf die ihm gemachten Verheißungen achte er gar nicht, indem alle Güter und Freuden dieser Welt sich gar nicht vergleichen lassen mit den Gütern, die er vom Herrn Christo gewisslich empfange, nämlich die unverwesliche Krone der Unsterblichkeit und des ewigen Lebens, welche allen Frommen und Gläubigen zugesichert sei. Bei dieser Erklärung verblieb er beständig, mochte man ihm einwenden, was man wollte. Ja seine Standhaftigkeit nahm täglich zu, so dass sich jedermann über seine gottseligen christlichen Reden verwunderte.

Als der Podesta sah, dass er auf keinen Widerruf hoffen dürfe, indem Francesco immer getroster und freudiger dem Tod entgegenblickte, setzte er endlich auf den folgenden Tag die Hinrichtung fest und kündete auch solches Ihrem Bruder an. Darauf schickte dieser einen Boten zu mir und ließ mich zu sich berufen, indem er mir noch Etwas mitzuteilen habe. Als ich dieser Einladung Folge leistete, bat er mich inständigst, Ihnen zu melden, wie es ihm ergangen und was für ein Ende er genommen habe. Dabei soll ich Sie bitten, sich nicht über seinen Tod zu betrüben, noch ihn zu beklagen, dieweil er ihn um Jesu Christi willen gern erduldet habe. Ja er habe in seinem Herzen großen Trost und eine außerordentliche Freude empfunden im Hinblick auf die große Gnade und Ehre, die ihm widerfahren, indem ihn Gott ausersehen, zeitliche Schmach und einen schrecklichen Tod um Jesu Christi, seines eingebornen Sohnes willen zu erdulden, nachdem dieser zuvor den bitteren Tod am Kreuz für seine Auserwählten und Gläubigen erlitten. Schließlich empfahl er Ihnen seine und Ihre Schwester samt dem Neffen eindringlich, indem er zu Gott flehte, dass Er Sie in gutem Frieden und Einigkeit erhalten und Ihnen allen die Gnade verleihen wolle, Ihr Leben in Seinem Dienst zu vollenden,

Am anderen Morgen früh erschien der Scharfrichter bei ihm im Gefängnis und eröffnete ihm, dass er nun heute gerichtet werde. Dabei bat er Ihren Bruder um Verzeihung wegen dessen, das er an ihm vollziehen müsse. Ihr Bruder erwiderte darauf: er soll getrost alles verrichten, was ihm von der Obrigkeit befohlen werde. Er verzeihe ihm nicht allein gern alles, sondern wolle auch Gott für ihn bitten, dass Er ihm die Gnade verleihe zu erkennen, was zu seinem Heil diene. Wenn er Geld besäße, so würde er ihm gerne solches schenken.

Hierauf wurde Francesco vor den Podesta geführt, der ihn nochmals ermahnte, von seinem Irrtum abzustehen und seine Aussagen zu widerrufen. Aber dieser erklärte standhaft, bei seinem Glauben beharren und denselben mit seinem Tod besiegeln zu wollen. Der Podesta bat ihn sodann um Verzeihung, dass er nach seiner Herren Befehl ihn auf eine so schreckliche Weise hinrichten lassen müsse. Francesco aber dankte ihm für seine Teilnahme und sagte, er wolle Gott für ihn und seine für Beisitzer bitten, dass Er ihnen ihre Sünden verzeihen und sie zur Erkenntnis der Wahrheit führen wolle.

Jetzt ertönte die Glocke, welche das Zeichen zu seiner Hinrichtung gab. Da nahten sich ihm ein paar Mönche und forderten ihn auf zu „beichten“. Er aber sagte ihnen, sie mögen nur wieder hingehen, woher sie gekommen, indem er ihres Geleites nicht bedürfe. Sie hielten sodann nach ihrer Gewohnheit das Kruzifix vors Gesicht und forderten ihn auf, es anzublicken und zu küssen. Francesco aber erwiderte: „Ich habe, wie ich es lebendig fühle, meinen Herrn und Heiland Jesum Christum und das Gedächtnis seines Leidens und Sterbens so lebendig und tief meinem Herzen eingeprägt, dass ich solchen Götzenwesens nicht bedarf.“ Darauf sagten die Mönche weiter: „So wirst du in Verzweiflung fallen, wenn du das Feuer zu empfinden beginnst.“ Francesco aber erwiderte: „Mein Herz ist so voll Trostes und voll Wonne, dass es alles menschliche Begreifen und Verstehen übersteigt. So groß daher auch die Schmerzen des Leibes sein mögen, die ich jetzt zu erdulden im Begriff stehe, so werden sie doch bald ein Ende nehmen. Meine Seele aber wird alsdann der himmlischen und ewigen Seligkeit teilhaftig, in welcher ich mit allen heiligen Engeln und auserwählten Kindern Gottes eine solche Freude und Wonne ernten werde, dergleichen kein menschliches Auge gesehen, kein Ohr gehört noch in eines Menschen Herz gekommen ist.“

Nun wurde ihm die Zunge durchbohrt, damit er nicht weiter vor dem Volk von der Wahrheit Zeugnis geben könne.

Auf dem Richtplatz fiel er auf seine Knie und betete mit zum Himmel erhobenem Blicke und Händen so inbrünstig und andächtig, dass viele sich darob verwunderten. Darauf wurde er vom Henker mit dem Strange erdrosselt und sein Leichnam sodann verbrannt. Da er zum Feuertod verurteilt worden war, muss dieses Verfahren als ein schonendes und mildes betrachtet werden.

Sein Benehmen vor Gericht und auf dem Richtplatz war der Art, dass alle Anwesenden seine Standhaftigkeit und fromme Ergebung bewunderten und Jedermann bekennen musste, dass man einen unschuldigen, frommen Mann und wahren Jünger des Herrn Jesu Christi hingerichtet habe.

Noch viele andere herrliche christliche Reden hat Ihr gottseliger Bruder sowohl im Gefängnis als auf dem Weg zum Tod geführt, die ich aber hier nicht wiederholen kann. Nur Eins sei noch bemerkt. Unmittelbar vor seinem Tod blickte er auf mich, da ich unter vielen Tausenden an einem besonderen Ort stand und gab mir mit der rechten Hand, die nicht gefesselt war, ein Zeichen, dass ich, wie ich es ihm im Gefängnis versprochen, Ihnen Alles schreiben solle und seinen Ausgang vermelden. Es war der 21. Juli 1554, als er den Tod erduldete.

Indem ich Ihnen dieses schreibe, bitte ich den Herrn für Sie, dass Er Sie mit seinem Trost erfüllen wolle. Sie dürfen nun fest überzeugt sein, dass Ihr und mein lieber Bruder in Christo zu Gott gekommen und der ewigen Freude und Herrlichkeit mit unserem Haupt und Herrn Jesu Christo und mit allen heiligen Märtyrern teilhaftig geworden. Bedenken Sie, dass das kleine Häuflein wahrer Christen zu allen Zeiten Verfolgungen erleiden musste. Seien Sie nun getrost und setzen Sie Ihr Vertrauen auf Gott, der in Ihnen seine Gnadengaben vermehren, Sie in Seinem Schutze erhalten und mit Seinem heiligen Geist regieren wolle. Endlich empfehle ich mich Ihnen und den Ihrigen unter Versicherung meiner Freundschaft und Dienstbereitwilligkeit.“

N. N.

So weit der Bericht durch Freundeshand über den Märtyrertod dieses treuen Jüngers des Herrn. Wir fügen demselben noch ein kurzes Schlusswort bei über:

4. Die Zerstörung der evangelischen Gemeinde in Locarno.

Wir haben oben gesehen, dass die neuen Verfolgungen der Evangelischen im Herzogtum Mailand, der Francesco Gamba zum Opfer fiel, durch den päpstlichen Legaten Ottaviano Riverta angeschürt worden. Der gleiche Mann hat auch die Zerstörung der evangelischen Gemeinde in Locarno veranlasst und geleitet. Im Herbst des Jahres 1554 erschien dieser neue Legat auf eine Tagsatzung der schweizerischen Kantone in Baden, um die Zerstörung dieser evangelischen Gemeinde zu betreiben. Hier ward schon durch einen Schiedsspruch entschieden: „dass alle Locarner, welche nicht zum alten römisch-katholischen Glauben zurücktreten wollen, bis zur künftigen Fastnacht mit Habe und Gut aus dem Land ziehen sollen, indem fürohin Jedermann beim alten Glauben bleiben solle.“ Da die evangelischen Kantone, welchen auch Herrschaftsrechte über diese Landvogtei zukamen, nicht zum Vollzug dieses Spruches mitwirken wollten, so betrieb der Legat um so eifriger diese Angelegenheit bei den Gesandten der römisch-katholischen Kantone. Demnach begaben sich die Boten von Lucern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug, Freiburg, Solothurn und Glarus nach Locarno, um die Bestimmung des schiedsrichterlichen Spruches zu vollziehen. Gleich erschien auch der Legat Riverta von Mailand her, wo er vom spanischen Statthalter ein Mandat folgenden Inhaltes ausgewirkt hatte: „Da aus dem Umgang und den Reden dieser Leute für die Untertanen hiesiger Herrschaft leicht falsche, verpestete Lehren erwachsen könnten, wird verordnet, allen Personen, wes Standes oder Ranges sie seien, die von den Herren Eidgenossen wegen Ketzerei und falscher Religion verwiesen werden, ist bei Lebensstrafe geboten, binnen drei Tagen nach Bekanntmachung dieses Rufes sich aus der Herrschaft Mailand zu entfernen. In die nämliche Strafe verfallen die Angehörigen der Herrschaft, welche sie beherbergen, mit ihnen verkehren oder ihnen Hilfe oder Vorschub leisten.“ So war den Evangelischen von Locarno jede Hoffnung auf eine Niederlassungsstätte innerst den Grenzen des Herzogtums Mailand abgeschnitten. Den 3. März 1555 ergriffen sie den Wanderstab, um jenseits der Berge in der evangelischen Schweiz eine neue Heimat zu suchen. Auf diese Weise ward auf Betrieb des päpstlichen Legaten das Gebiet der Diözese des Erzbistums Mailand von der Ketzerei gereinigt, aber was ein Evangelischer gleich nach der Vertreibung der Locarner nach Zürich über diese Gemeinde schrieb, gilt wohl auch von diesem ganzen Gebiete: „Ich glaube fest, dass es nicht möglich sei, den christlichen Glauben in Locarno ganz auszureuten, denn ich spüre täglich noch mehr Christen, die sich stille halten.“