Basilius der Große, Bischof von Cäsarea.

In der ersten Hälfte des für die Gestaltung der kirchlichen Verhältnisse so überaus wichtigen vierten Jahrhunderts lebte in den Ländern am Schwarzen Meere eine wohlhabende christliche Familie, deren Glieder sich nicht blos eines großen Ansehens und eines guten Rufes bei den Zeitgenossen erfreuten, sondern zum Theil einen ehrenvollen Platz in der Geschichte der christlichen Kirche gewonnen haben. Unter ihnen ragt jener Basilius hervor, welchen schon die Zeitgenossen mit dem auch von dem ökumenischen Concil zu Chalcedon im Jahre 451 auf ihn angewendeten Beinamen des Großen neben seinem jüngeren Bruder, dem beredten Dogmatiker und Bischofe Gregor von Nyssa, und neben einem älteren, mit dem Ehrennamen des Theologen geschmückten Freunde Gregor von Nazianz auszeichneten.

 

Als der älteste von zehn Geschwistern, die sämmtlich wegen ihres frommen Wandels gerühmt werden und von denen außer dem schon erwähnten Gregor noch der jüngste Bruder Petrus als Bischof von Sebastie in Armenien und die älteste Schwester Makrina als eine der ersten Jungfrauen, die sich dem klösterlichen Leben weiheten, besondere Anerkennung gefunden haben, erfuhr er noch die persönlichen Einwirkungen seiner frommen Großmutter Makrina, welche in der Diocletianischen Verfolgung mit ihrem Gatten, von wenigen Freunden und Dienern begleitet, in den Pontischen Bergwäldern sich sieben Jahre lang verborgen gehalten und die Neigung zum asketischen Leben befestigt und entwickelt hatte. Auf ihrem Landhause in der Nähe von Neu-Cäsarea, der Hauptstadt der Provinz Pontus, verlebte Basilius, welcher wahrscheinlich im Jahre 329 (nach Andern 331) zu Cäsarea in Kappadocien geboren war, seine ersten Jugendjahre und empfing dort theils Weckung und Pflege einer auf persönliche Heiligung gerichteten Frömmigkeit, theils Einführung in jene kirchliche Denkweise und Lehrart, welche durch Gregor den Wunderthätigen, einen Schüler des Origenes, in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts zugleich mit der Stiftung der Kirche in jenen Gegenden herrschend geworden war. Eine weitere Förderung dieser Gesinnung und Lebensrichtung, aber zugleich einen sorgfältigen Unterricht empfing er nach seiner Rückkehr in das Elternhaus als Knabe, theils durch eine wegen ihrer Schönheit und vornehmen Geburt nicht minder gefeierte als ihrer Frömmigkeit und ihrer häuslichen Tugenden wegen hochgeschätzte Mutter Emmelia, die ihren Vater als Märtyrer in der Verfolgung des Maximinus verloren hatte; theils durch einen wissenschaftlich gebildeten, weltkundigen und eben so sehr wegen seiner sittlichen Tüchtigkeit als wegen einer ernsten Frömmigkeit allgemein so geachteten Vater, daß Gregor von Nazianz ihn den Führer zur Tugend für ganz Pontus nennen durfte. Der Vater, gleichfalls Basilius geheißen, lebte nämlich zu jener Zeit schon in Neu-Cäsarea, und zwar als Rhetor und Sachwalt. Gerühmt wird an diesem Hause besonders die Gastfreundschaft, die Wohlthätigkeit gegen Arme, die Anhänglichkeit an die Kirche, zu deren Besten sogar ein Theil der in drei Provinzen liegenden Güter der Familie als Geschenk hingegeben ward, insonderheit aber die treffliche Exziehung der Kinder. Unter solchen Umgebungen und Einwirkungen bildeten sich in dem begabten, empfänglichen und strebsamen Knaben die Grundlagen jener seltenen Vereinigung von entschiedener Frömmigkeit in kirchlich ausgeprägtem Charakter und großer sittlicher Strenge mit umfassender Bildung und milder, den Frieden suchender Gesinnung, welche den Jüngling zum Vorbilde und zum Lieblinge seiner Studiengenossen in Cäsarea, Constantinopel, Athen gemacht und dem Mann eine berechtigte Stelle unter den Kirchenvätern gewonnen hat. In dem Kappadocischen Cäsarea, wohin er seiner weiteren Ausbildung wegen zunächst gesendet ward, lernte er auch den später ihm so eng verbundenen Gregor von Nazianz kennen und empfing bleibende Eindrücke durch die asketische Strenge des Eustathius, nachherigen Bischofes von Sebaste. In Constantinopel genoß er nicht blos mit ausgezeichnetem Erfolge den Unterricht der berühmtesten Redner und Philosophen, sondern führte auch einen solchen Wandel, daß der heidnische Rhetor Libanius in einem seiner späteren Briefe sagt, er habe den Basilius schon damals bewundert, als er in der Mäßigkeit mit Greifen gewetteifert habe in einer so vergnügungssüchtigen Stadt. In Athen, wo er wieder mit Gregor zusammentraf, der unterdeß in Alexandria eine Studien gemacht hatte, bildete sich die bleibende Freundschaft auf den tiefsten Grundlagen religiöser Gemeinschaft, sittlichen Ernstes und wissenschaftlichen Strebens zwischen diesen beiden Jünglingen, welche von dem wilden Treiben muthwilliger und leichtfertiger Altersgenossen abgewendet und von dem Schimmer heidnischer Weisheit, Kunst und Cultur nicht bestochen, sich gegenseitig im christlichen Glauben und Wandel stärkten, auf einen kleinen Kreis gleichgesinnter Jünglinge einen so ausgezeichneten Einfluß übten und in allen Wissenschaften so glänzende Fortschritte machten, daß sie bald die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zogen und an manchen Orten den Wunsch erregten, sie für die wissenschaftliche Lehrthätigkeit ganz und bald zu gewinnen. Basilius lehnte jedoch alle derartigen Anträge entschieden ab und ließ sich weder in Athen noch nach seiner Heimkehr in Cäsarea festhalten noch für Neu-Cäsarea durch vortheilhafte Anerbietungen gewinnen. Schon in Athen, wohin ihn, wie Gregor sagt, die schöne Unersättlichkeit nach Belehrung getrieben hatte, fand er sich nicht recht befriedigt. Nach seiner Heimkehr wirkte eine Schwester Makrina noch stärker auf eine asketischen Neigungen. Die Entscheidung hat aber wohl die heilige Schrift gegeben, zu deren Lesung ihn das wahrscheinlich zu jener Zeit ihm vom Bischofe Dianius zu Cäsarea übertragene Amt eines kirchlichen Vorlesers verpflichtete. Denn er sagt in einem seiner für die Zeitgeschichte lehrreichen und oft glänzend geschriebenen Briefe: „Indem ich nun das Evangelium las und sah, daß dort als das beste Mittel zur Vervollkommnung zu gelangen der Verkauf der Güter aufgestellt war, das Mittheilen an dürftige Brüder, das Lossagen von den Sorgen für dieses Leben und daß man von keiner Leidenschaft eine Neigung auf irdische Dinge richten läßt: wünschte ich einen der Brüder zu finden, der diesen Weg des Lebens gewählt hatte, um mit ihm über die kurze Welle des Lebens zu fahren.“ Und als er nun nach einer schweren Krankheit im Winter 360 Syrien, Palästina, Aegypten durchreiste, um die verschiedenen Mönchsgesellschaften kennen zu lernen, und dabei seinen ernsten Blick prüfend auf die kirchlichen Zustände überhaupt hinrichtete, ward seine Seele schmerzlich von dem Anblick der Kämpfe getroffen, durch welche die dogmatischen, mit Erbitterung geführten Streitigkeiten über Wesen und Person Jesu Christi die Gemeinden zerrütteten. Er fragte nach der Ursache solcher Zerwürfnisse wegen der Lehre unter christlichen Brüdern, da doch bei verschiedener wissenschaftlicher Auffassung ein friedlicher Verkehr der Mitglieder der einzelnen Schulen unter den Heiden von ihm beobachtet war; und fand unter allegorischer Deutung der Schriftstelle Richter 21, 14 „zu jener Zeit war kein König in Israel“ den Grund dieser Erscheinung in der Verachtung Gottes, weil Jeder die Lehre des Herrn Jesu Christi verlasse, eine eigenen Schlüsse und Bestimmungen aus eigener Macht aufstelle und dem Herrn gegenüber herrschen wolle, statt sich von ihm beherrschen zu lassen. Schon im Winter 361 trat Basilius der Ausführung eines inzwischen gereiften Planes näher. Die Schattenseiten der unter Einfluß des Eustathius in seiner Heimath herrschend gewordenen Form des einsiedlerischen Lebens waren ihm nicht verborgen geblieben. Ueberdies schien ihm das einsame Leben mit einer ausschließlich auf Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse gerichteten Sorge dem Gebote der christlichen Nächstenliebe zu widersprechen. Aber das gemeinsame, geistlichen Betrachtungen und asketischen Uebungen geweihete Leben frommer, der Welt entsagender Menschen in abgelegenen Gegenden hielt er für geeignet, unter Vermeidung der beklagten Mißstände, das von Eustathius angestrebte Ziel wirklich zu erreichen. Um des gleichen Strebens willen blieb er auch noch in einiger Verbindung mit Eustathius, obgleich die Rechtgläubigkeit desselben mehr als zweifelhaft war. In solchem Sinne zog sich Basilius, nachdem er sein Vermögen namentlich an Arme vertheilt hatte, in das Waldgebirge am Flusse Iris nicht fern von Neu-Cäsarea, gegenüber der Stätte seiner frühesten Jugenderinnerung im Hause seiner Großmutter, zurück und sammelte dort eine Gesellschaft gleichgesinnter Männer zu klösterlicher Genossenschaft, wie seine Mutter und seine Schwester es schon in der Nähe mit einigen Jungfrauen gethan hatten. Die Strenge der von ihm entworfenen Mönchsregeln zeigt die Erhabenheit seiner Absichten, den Ernst eines sittlichen Strebens, die Innigkeit seiner religiösen Empfindung, während seine 365 Briefe den Reichthum einer Kenntnisse, die Vielseitigkeit einer Bildung, die Güte seines Herzens und die Feinheit eines Geistes unwillkürlich zur Anschauung bringen. In dieser Zeit stellte Basilius auch die sittlichen Vorschriften d. N. T. zusammen und machte gemeinschaftlich mit seinem Freunde Gregor, der ihn nach vielen Bitten auf längere Zeit besuchte und ihm bei der Ausarbeitung der Mönchsregeln helfend zur Seite stand, jene Auszüge aus zum Theil später verlorenen Schriften des Origenes, die uns unter dem Namen Philokalia erhalten sind. Auch dürfte er bald nach der Rückkehr von einem Gegenbesuche bei Gregor aus Anlaß einer Reise zu dem sterbenden Bischofe Dianius von Cäsarea und in Folge von Wahrnehmungen der gefährlichen und schlauen Thätigkeit der Arianer eine dogmatisch wichtigen Bücher gegen Eunomius geschrieben haben, in welchen er die Spitzfindigkeiten dieses dialektisch sehr gewandten Arianers durch schriftgemäße Entwickelung der kirchlichen Lehre entkräftete und durch klare Darlegung des Sachverhaltes die falschen Consequenzen beseitigte. Wie sehr aber auch eine Mönche an ihm hingen und wie wohlthuend nicht minder seinem Gemüthe der Umgang mit gleichgestimmten Seelen als einem kränklichen Körper die Ruhe und Regelmäßigkeit der Lebensweise war, eine volle und dauernde Befriedigung fand Basilius doch nicht in diesem Verhältnisse. Einerseits drängte ein lebhafter und vielumfassender Geist zu einer größeren Wirksamkeit. Anderseits war eine Frömmigkeit zu tief, ein sittliches Streben zu ernst und sein geistlicher Blick zu scharf, als daß er sich die Einseitigkeit, Gefahr und Unzulänglichkeit einer solchen christlichen Lebensform auf die Länge hätte verbergen können. „Ich habe zwar den Aufenthalt in der Stadt verlassen als Quelle unzähliger Uebel,“ schreibt er, „aber mich selbst habe ich noch nicht verlassen können; ich gleiche den Menschen, die, weil sie das Fahren auf dem Meere nicht gewohnt sind, Schwindel bekommen und die, weil das große Schiff ihnen zuwider ist da es heftigere Bewegungen verursacht, in einen Nachen steigen, dennoch aber auch hier krank sind; denn mit ihnen steigt der Ekel und die Galle in den Kahn. So geht es auch mir, denn indem ich die in mir wohnenden Leidenschaften mit mir herumtrage bin ich überall von gleicher Unruhe gequält, so daß mir eben nicht sehr durch diese Einsamkeit geholfen wird.“ Zu einem solchen Bekenntnisse stimmt die Angabe des Gregor in seiner Leichenrede auf den vielbetrauerten, früh heimgerufenen Freund, daß er die strengen, in den Mönchsregeln aufgestellten und auch sonst entwickelten Grundsätze gewissenhaft auf sich selbst bis ans Ende seines Lebens angewendet habe; wie denn auch der Ausspruch Christi Matth. 16, 24 „will mir Jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ im Mittelpunkt dieser in seinen moralischen und asketischen Schriften entwickelten Grundsätze stand. Unter diesen Umständen muß eine Berufung als Presbyter nach Cäsarea durch den Bischof Eusebius im Jahre 364 als eine göttliche Führung betrachtet werden, die ihn auf ein größeres und für die damaligen Zeiten überaus wichtiges Feld kirchlicher Wirksamkeit stellte, ohne daß er deshalb einer asketischen Lebensweise zu entsagen brauchte. Und wenn auch eine Zeitlang die zwischen beiden Männern entstandenen Mißhelligkeiten zu einem völligen Bruche zu führen droheten, so kehrte doch Basilius nach kurzer Abwesenheit auf einen Posten in Cäsarea zurück und stand als gelehrter Rathgeber dem geschäftskundigen Bischofe treu zur Seite, so daß ihre nach der Versöhnung aufrichtig hergestellte Freundschaft auch das wankende Vertrauen der Gemeinden befestigte, und ihre vereinigte Thätigkeit den Anstrengungen der durch die politischen Gewalthaber begünstigten Arianer wenigstens vorläufig und in Kappadocien einen Damm entgegensetzte. Die Thätigkeit des Basilius war in dieser Stellung ebenso vielseitig als einflußreich. Er führte nach der Schilderung des Gregor von Nazianz eigentlich schon die Regierung jener Provinzialkirche; denn er war für den Bischof nicht blos der amtliche Rathgeber, Beistand und Seelsorger, sondern der Stab seines Alters, die Stütze seines Glaubens, der treueste einer Hausgenossen, der thätigte in einen äußern Angelegenheiten. Er vertrat mit Freimuth die Geringen gegen die Machthaber, schlichtete die Streitigkeiten der Gemeindeglieder, stand den Dürftigen geistlich und leiblich bei, ernährte die Armen, nahm Fremde gastlich auf, sorgte für die gottgeweihten Jungfrauen, gab den Mönchen mündlich und schriftlich in einer kürzeren Form ihre Lebensregeln, ordnete Gebete an und zeichnete sich wie früher als Rhetor, so jetzt als christlicher Prediger aus. Können wir ihn auch nicht, wie eine nächsten Freunde und Bewunderer thaten, mit Elias, Moses, Johannes dem Täufer und Paulus vergleichen, so spricht doch für die Bedeutung seiner rednerischen Leistungen die unverhohlene Bewunderung derselben sogar bei einem dogmatischen Gegner, dem Arianer Philostorgius, und ihre hohe Anerkennung durch einen so gefeierten Meister als der Heide Libanius war. In der That zeigen auch die uns aufbehaltenen Homilien und Reden des Basilius bei großer Lebhaftigkeit des Ausdrucks eine wohlthuende Wärme der Empfindung und verbinden mit einem fesselnden Reiz der Darstellung, welche in einem Reichthum feiner Wendungen, treffender Vergleichungen und anziehender, zuweilen drastischer Schilderungen die verwickelten Verhältnisse des Lebens zur Anschauung bringt, eine solche Klarheit der Begriffe und einen so tiefen, von religiösen Motiven geleiteten sittlichen Ernst, daß der Hörer und Leser nicht blos gefesselt, belehrt, gerührt, sondern in seinem Gewissen getroffen und zu heilsamen Entschlüssen aufgefordert wird. Viele seiner Reden haben es schon durch ihren Gegenstand mit der sittlichen Einwirkung auf den Willen zu thun. Sie reden über einzelne Tugenden und Pflichten, z. B. über die Wohlthätigkeit, das Fasten, die Demuth, den Ausspruch: habe Acht auf dich selber; desgleichen über besondere Untugenden und Laster, über den Zorn, die Trunkenheit, den Wucher, den Neid. Nicht selten geschieht dies aus Anlaß spezieller Vorkommnisse. Stets aber werden die betreffenden Tugenden, Pflichten, Laster nicht blos in ausführlichen Schilderungen mit wahrhaft klassischen, dem wirklichen Leben entnommenen Zügen charakterisiert, sondern zugleich auf ihre Ursachen zurückgeführt, in ihren Wirkungen und Folgen veranschaulicht, in ihrer sittlichen und religiösen Bedeutung gewürdigt. Auch werden die Mittel und Wege ihrer Hemmung und Förderung angegeben. Aber auch da, wo der Gegenstand nicht unmittelbar dem Gebiete des sittlichen Lebens angehört, giebt Basilius seinen Betrachtungen gern eine moralische Wendung und weiß ebenso scharfsinnig derartige Beziehungen aufzuspüren, als er die kunstreich anzuknüpfen versteht. So sucht er in den neun Homilien über das Sechstagewerk der Schöpfung, welche durch des Mailändischen Bischofs Ambrosius lateinische Nachbildung der Kirche des Abendlandes zugänglich gemacht, von seinem Bruder Gregor aber als die aus dem Keim der Mosaischen Erzählung gewachsene Pflanze gepriesen wurden, nicht blos zur Bewunderung des Schöpfers durch Darstellung der Schönheit seiner Werke und durch Aufzeigen der Weisheit Gottes in den Einrichtungen der Natur zu reizen, sondern ist besonders beflissen, durch oft sehr anziehende Schilderungen der Lebensweise des Kameels, der Biene, der Störche c. moralische Nutzanwendungen aus dem Verhalten der vernunftlosen Geschöpfe auf die Pflichten des Menschen zu gewinnen. Sogar die von ihm selbst als zu groß erkannte Ausdehnung dieser Vorträge sollte dem sittlichen Zweck dienen, die Zuhörer von der Theilnahme an weltlichen Vergnügungen zurückzuhalten und die Zeit bis zur Abendruhe auszufüllen. Und seine Rede an christliche Jünglinge über den rechten Gebrauch der heidnischen Schriftsteller hat es vornämlich mit dem moralischen Gewinn zu thun, den dieselben aus den griechischen Klassikern zu ziehen vermöchten; gleichwie seine vier Lobreden auf verschiedene Märtyrer nicht sowohl die Verherrlichung derselben als die Ermunterung zum Ausharren in der Glaubenstreue unter allen Verlockungen wie unter allen Bedrohungen ins Auge fassen. Höchst beachtenswerth ist dabei seine häufige Bezugnahme auf die heilige Schrift. Theils sind es biblische Personen und Geschichten, auf die er sich bezieht, indem er z. B. in der Lobrede auf den Märtyrer Mamas, welcher Hirte gewesen, in anziehender Weise das Hirtenleben des Abel, Jakob, Moses, David schildert; oder in den Reden über den Neid die Entstehung, die Aeußerungen, die Folgen desselben an den Beispielen des Kain, der Brüder Josephs, des Königs Saul, der Feinde Jesu veranschaulicht; oder in einer der 24 sogenannten moralischen Homilien diejenigen Gemeindeglieder, welche bei einer Feuersbrunst Hab und Gut verloren hatten, auf die Geduld und den Glauben Hiobs hinweiset. Theils sind es, abgesehen von der Vers für Vers erklärten Schöpfungsgeschichte und von den in exegetischer Hinsicht schwachen, aber praktisch fruchtbaren 17 Homilien über einzelne Palmen nach der alexandrinischen Uebersetzung, Sprüche der heiligen Schrift, welche entweder als Texte den Reden zu Grunde gelegt werden, wie Amos 3, 8. und 4, 7. zur Zeit einer großen, als göttliches Strafgericht aufgefaßten Hungersnoth; oder welche den Reden selbst als Beweis stellen eingeflochten sind. Auch in den moralischen, asketischen und dogmatischen Schriften wird häufig auf biblische Stellen Bezug genommen. Noch wichtiger jedoch als der Reichthum der Benutzung der heiligen Schrift ist der biblisch-kirchliche Geist, der in diesen Reden und Abhandlungen weht. Um ihn zu erkennen, braucht man nur auf die mancherlei Ausdrücke zu achten, in welchen Basilius die Frage beantwortet: was ist das Merkmal des Christen? Er sagt: der in der Liebe thätige Glaube; – durch die Taufe aus Wasser und Geist wiedergeboren zu sein; – rein zu sein von aller Befleckung des Fleisches und Geistes in Christi Blut und die Vollendung der Heiligung in der Furcht Gottes und in der Liebe Christi; – daß seine Gerechtigkeit in allem größer ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer nach dem Maaß und der Verkündigung der Lehre des Herrn; – die gegenseitige Liebe, wie Christus uns geliebet hat; – an jedem Tage, zu jeder Stunde wachen und in jener Vollendung, die Gott gefällt, bereit sein, wissend, daß der Herr kommen wird, wann man es nicht meinet. Desgleichen, wenn er auf die Frage: was ist das Merkmal des Glaubens? antwortet: die nicht zweifelnde Ueberzeugung von der Wahrheit der von Gott eingegebenen Lehren, welche durch keinen Vernunftsschluß erschüttert wird; oder wenn er als das Merkmal der Liebe zu Gott die Erfüllung seiner Gebote in der Absicht ihn zu verherrlichen bezeichnet und als Merkmal der Liebe zum Nächsten angiebt: nicht den eigenen Vortheil zu suchen, sondern den des Geliebten zum Nutzen seiner Seele und seines Leibes. Welche entscheidende Bedeutung und welchen prinzipiellen Vorrang vor der von ihm hoch gehaltenen Ueberlieferung Basilius der heiligen Schrift überhaupt beilegte, läßt sich aus folgender Stelle in einer spätern Schrift über den heiligen Geist erkennen: „was von unsern Vorfahren gesagt ist, lehren auch wir, daß die Herrlichkeit des Vaters und des Sohnes gleich sei; deshalb preisen wir den Vater mit dem Sohne, wiewohl es uns nicht genug ist, daß es so von den Vätern überliefert ist, denn auch sie sind der Willensmeinung der Schrift gefolgt.“ Aber Redewendung und Ausdruck geben zugleich zu erkennen, daß Basilius von dem Gedanken einer völligen Uebereinstimmung der Ueberlieferung mit der heiligen Schrift ausging und in der ersteren die nähere Feststellung und die genauere Bestimmung des in der letzteren entweder gar nicht oder doch nicht mit ausdrücklichen Worten Gesagten sah. In der Ueberlieferung der Väter stellte sich ihm die allmähliche Entwickelung des christlichen Bewußtseins über das in der heiligen Schrift zwar Enthaltene, aber noch Verborgene und Verschwiegene dar und zwar in einer kirchlichgültigen Gestalt, welche er den Argumentationen der Vernunft des Einzelnen entgegensetzte. Aus dieser Grundanschauung erklärt sich, wenn man zugleich auf die geschichtliche Lebensstellung und auf den bei allem Eifer milden, versöhnlichen und auf den Frieden der Kirche gerichteten Sinn des Basilius Rücksicht nimmt, wie derselbe zwar von Anfang an auf Seiten der Anhänger des Nicänischen Bekenntnisses stehen und doch in früherer Lebenszeit der Lehrform, daß der Sohn Gottes dem Vater gleich wesentlich sei, den Ausdruck vorziehen konnte, der Sohn sei dem Vater ähnlich ohne Unterschied. Er wollte damit gleichzeitig den Abweg der Sabellianer und verwandter Parteien, welche den Unterschied der Personen in der Gottheit bei strenger Behauptung ihrer wesentlichen Gleichheit auszulöschen in Gefahr kamen, und den Irrthum der Arianer, welche in der Betonung des Unterschiedes der Personen ihre Wesenseinheit zurückstellten und den Sohn als erstes Geschöpf des Vaters auffaßten, vermeiden und hoffte einen vermittelnden Ausdruck zur Befriedigung der berechtigten Ansprüche der Streitenden gefunden zu haben, überzeugte sich jedoch bald, daß weder dieser Ausweg gangbar, noch der von ihm gemachte Vorschlag, die Gleichheit des Wesens als eine Dieselbigkeit zu bezeichnen und dabei die Eigenthümlichkeit des Vaters und des Sohnes festzuhalten, zur Vermeidung von Mißverständnissen geeignet sei, daß es vielmehr auf eine genauere Darlegung der in dem Worte „gleichwesentlich“ enthaltenen Begriffe und auf eine richtige Fassung und Entwickelung des Sinnes ankomme, in welchem die Kirche das Gezeugtsein von Gott dem Sohne, das Ungezeugt sein von Gott dem Vater aussage. Indem nun Basilius sich hierüber mit den Gegnern der Kirchenlehre auseinandersetzt, ihre Trugschlüsse, Scheingründe und falschen Folgerungen eingehend widerlegt, die orthodoxen Lehrformeln lichtvoll entwickelt und vertheidigt, kommt er bei allen Spekulationen immer wieder auf den festen Boden der heiligen Schrift zurück und weiß eine große Schriftkenntniß geschickt und glücklich zu verwerthen. Vornämlich ist es die gegenseitige Beziehung und Vergleichung der Schriftstellen, wodurch er sich vor einseitigen Deutungen schützt. In der Schrift finden sich nämlich verschiedene Namen nicht blos für die zu unterscheidenden Personen der Gottheit, sondern auch für jede einzelne derselben. Aus der Verschiedenheit der Namen durften also die Gegner keinen Beweis für die Wesensverschiedenheit hernehmen, abgesehen davon, daß die Namen Gottes keine völlig erschöpfenden Bezeichnungen bilden und auch darauf anzusehen sind, ob sie Bezeichnungen des Wesens oder der Beziehungen oder der Eigenschaften oder der Thätigkeit und Wirksamkeit sein sollen. Dagegen konnte Basilius durch eingehende und besonnene Betrachtung dieser Verhältnisse sowohl die Wesensgleichheit als den hypostatischen Unterschied der drei Personen der Gottheit als biblisch begründet darlegen. Besonders wichtig ist es geworden, daß Basilius durch ein solches Verfahren nicht blos die kirchliche Lehre vom Verhältniß des Sohnes zum Vater biblisch begründete, begrifflich erläuterte und gegen die Angriffe, die von entgegengesetzten Seiten kamen, vertheidigte, sondern daß er solches auch in Bezug auf die noch mehr im Schwanken befindliche Lehre vom heiligen Geiste that. Einen besonderen Anlaß zu einer ausführlicheren Darlegung derselben gab der Umstand, daß er in einer im Jahre 374 gehaltenen Predigt statt der gewöhnlichen Doxologie: Ehre sei dem Vater durch den eingebornen Sohn in dem heiligen Geiste! die Formel gebraucht hatte: Ehre sei Gott dem Vater und dem Sohne mit dem heiligen Geiste! Auf die sofort erfolgenden Angriffe konnte Basilius um so weniger schweigen, als er damals (schon seit 370) Bischof von Cäsarea und Metropolit der betreffenden, mehrere Provinzen umfassenden Diöcese war. Er zeigte nun, daß beide Formeln in kirchlichem Gebrauche seien, keine ihrer wörtlichen Fassung nach in der Schrift vorkomme, jede zu besonderen Zwecken vorzugsweise brauchbar sei, die von ihm angewendete zugleich die Persönlichkeit und die unzertrennliche Gemeinschaft andeute und dadurch zugleich den Sabellianismus und den Arianismus widerlege. Aus Ap. Gesch. 5, 4. 9 bewies er, daß alle Sünden gegen den heiligen Geist auch Sünden gegen Gott seien; aus 1. Kor. 12,4 daß der heilige Geist in jeder Thätigkeit verbunden mit und unzertrennlich von Vater und Sohn sei; aus Joh. 4,24; Röm. 8,9; 1 Kor. 2, 12 daß wohl eine Verwandtschaft der Natur mit dem Vater und Sohn, jedoch nicht eine Vermischung der Personen gelehrt werde. Auch früher schon hatte er gelehrt, daß der Geist der Wesensgemeinschaft nach Alles mit dem Vater und dem Sohne gemein habe, auch mit Athanasius sich auf die Taufformel hiefür berufen und dieselbe denen, welche den heiligen Geist als ein Geschöpf bezeichneten, entgegengehalten. Jetzt sagt er aber ausdrücklich: „Ich bezeuge einem Jeden, der den Geist verwirft, daß sein Glaube, mit dem er den Vater und den Sohn bekennt, nichtig ist; er kann den Glauben nicht haben, wenn nicht auch der Geist, da ist. Denn der glaubt nicht an den Sohn, der nicht an den Geist glaubt; der glaubt nicht an den Vater, der nicht an den Sohn glaubt. Keiner kann den Sohn anbeten als im heiligen Geist, Keiner den Vater anrufen als im Geiste der Kindschaft.“ Dennoch vermied er den Gebrauch des Namens Gott für den heiligen Geist, theils weil diese Bezeichnung in der Schrift nicht vorkomme, theils aus Friedensliebe und in kluger Schonung derer, die er immer noch zu gewinnen und zu der Einheit der Kirche zurückzuführen hoffte. Und wenn er an einer Stelle sagt: „wie der Sohn sich zum Vater verhält, so der Geist zum Sohn“ – über die Lehrform der griechischen Kirche hinauszugehen ist er nicht Willens. Wo er vom Ausgang des Geistes spricht, nennt er jetzt wie früher stets nur den Vater, ohne des Sohnes zu erwähnen, und will die Art und Weise eines Daseins als etwas Unaussprechbares festgehalten wissen. Jene Stelle bezieht sich nur auf die Sendung, wie er auch schon früher gesagt hatte; zwar wird der Geist der Oekonomie nach gesandt, aber er wirkt nach eigenem Willen. Bei einer solchen Anschauung konnte, von anderen Schwierigkeiten abgesehen, der Versuch einer engeren Verbindung der rechtgläubigen morgenländischen Kirche mit der abendländischen nicht gelingen, wie sehr auch Basilius sich bemühte, dieselbe über Aegypten durch Vermittelung des Athanasius zu bewirken. Ebenso vergeblich waren seine Bemühungen, durch Vermittelung mächtiger Freunde am kaiserlichen Hofe die gefährliche Begünstigung der arianischen Partei zu hemmen und die oft gewaltsamen Maaßnahmen zur Beseitigung rechtgläubiger Bischöfe und zur Störung ihrer Gemeinden zu hindern. Nicht erfolglos dagegen blieben seine Anstrengungen zur Sammlung der gesunden Kräfte in seinem Sprengel, zur Herstellung der kirchlichen Ordnung, zur Reinigung der Sitten unter Geistlichen und Gemeindegliedern. Und wenn die ebenso kluge als milde Weise, in welcher Basilius den anfänglichen Widerstand gegen eine bischöfliche Würde und Wirksamkeit ertrug und überwand, ein Ansehn mehrte und eine Stellung befestigte, so zeigte die muthige Entschlossenheit eines unbeugsamen Widerstandes gegen die Anmaßungen des kaiserlichen Präfekten Modestus wie gegen die Forderungen des Kaisers Valens bei dessen Reise durch die Pontischen Gegenden, daß eine Milde keine Schwäche war und daß sich eine Friedensliebe nicht auf persönliches Wohlbehagen, sondern auf den Frieden, die Sicherheit und das Gedeihen der Kirche bezog. Diese Zeit war überhaupt die sorgenreichste und dornenvollste seines Lebens. Aber er konnte mit dem hoffenden Blick auf eine freundlichere Gestaltung der kirchlichen Verhältnisse und in der Glaubenszuversicht, daß seine Arbeit nicht vergeblich gewesen sei im Herrn, aus dieser Welt scheiden. Am 1. Januar 379 nahm ihn der Herr zu sich. Seine Gemeinde betrauerte ihn lange und tief. Die griechische Kirche erhält gemäß der Ueberlieferung, daß Basilius die bis dahin vom Apostel Jakobus her mündlich fortgepflanzten Liturgieen zuerst schriftlich aufgezeichnet habe, das Andenken an eine Wirksamkeit am lebendigsten fest in der noch jetzt unter seinem Namen theils in einer längeren theils in einer durch Johannes Chrysostomus abgekürzten Form beim Gottesdienste verwendeten Liturgie und hat zu einem Gedächtnißtage seinen Todestag, den 1. Januar, bestimmt. Die römische Kirche hat als solchen den 14. Juni angeordnet und heftet seinen Namen insonderheit an die Ueberreste griechischer Klöster in Italien, welche 1573 Papst Gregor XIII. vereinigte. Die gesammte Kirche aber ehrt das Andenken dieses Kirchenvaters, der im Leben, Leiden, Lehren und Wirken eine christliche Ausprägung dem Wahlspruche gegeben hat: Maaß in Allem ist das Beste.

 

C. B. Moll in Königsberg.