Elisabeth von Braunschweig

Noch mehr und unmittelbarer als sie selbst wirkte ihre gleichnamige Tochter für die Verbreitung der Reformation. Sie war geboren 1510, und verheiratete sich 1525 mit dem fünfundfünfzigjährigen Herzog Erich von Braunschweig, einem Witwer. Derselbe war noch immer ein kräftiger, lebensfroher Mann, der auch jetzt noch lieber am Kaiserhofe, auf Reisen und bei Fehden verweilte als in seinem kleinen Herzogtume. Er hatte zwar Luthern in Worms einen Trunk Einbecker Bier überreichen lassen, war aber sonst kein Freund der kirchlichen Neuerung; wir glauben allerdings mehr aus religiösem Indifferentismus, als aus einer, auf innerer Überzeugung ruhenden Antipathie. Den sich auch in seinem Lande regenden reformatorischen Bewegungen wirkte er hartnäckig und teilweise mit Strenge entgegen, konnte aber derselben nicht Meister werden. So musste er der Stadt Göttingen gegen Bezahlung von 6000 Talern die Einführung der Reformation gestatten. Selbst seine Gemahlin neigte sich der neuen Lehre zu, wahrscheinlich durch das erbauliche Vorbild ihrer Mutter gewonnen. Als nun gar ihre Brüder in dem alten Glauben wankend wurden, als ihr der jüngere, Johann von Küstrin, die Vortrefflichkeit der Lutherischen Lehre auseinandersetzte, nahm auch sie in ihrer Residenz zu Münden das Abendmahl unter beiderlei Gestalt. Erich erhielt nach seiner Rückkehr Kunde davon, handelte aber minder strenge als weiland sein Schwiegervater. Er drückte sogar seine Augen zu, als seine Gemahlin den hessischen Geistlichen Anton Corvin herbeikommen ließ. „Meine Else,“ sagte er, „lässt mich in meinem Glauben ungestört; darum will ich sie auch in dem ihrigen nicht stören.“ 1540 ereilte den siebzigjährigen Fürsten der Tod zu Hagenau; sein Leichnam konnte erst nach einiger Zeit in die Heimat gebracht werden, da derselbe vorher durch Bezahlung einer Schuld eingelöst werden musste. Überhaupt hatte sich der alte Herzog als ein schlechter Haushalter bewiesen und seinem Lande eine übergroße Schuldenlast aufgeladen. Elisabeth übernahm unter dem Beistand des Landgrafen Philipp des Großmütigen die Vormundschaft über ihren Sohn Erich II. Sie musste alle ihre Kraft aufbieten, um die ungestümen Forderungen der ungeduldigen Gläubiger einigermaßen zu befriedigen. Am meisten hatte sie den Herzog Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, einen leidenschaftlichen Gegner Luthers, zu fürchten, da dieser die Regentschaft beanspruchte und ein günstiges Urteil vom König Ferdinand erhielt. Heinrich wurde 1542 von den Mitgliedern des Schmalkalder Bundes überfallen und gefangen gesetzt. Jetzt konnte Elisabeth ungehindert daran denken, ihren Lieblingsplan zu verwirklichen, die Reformation in ihrer Herrschaft einzuführen. Schon 1541 hatte sich ein Landtag zu Pattensen dafür ausgesprochen. Corvinus wurde als Generalsuperintendent angestellt. Er verfasste eine Kirchenagende, welche den Geist der Milde und der Besonnenheit atmete. Elisabeth erkundigte sich bei ihren häufigen Reisen durchs Land nach den kirchlichen Verhältnissen und suchte die wahrgenommenen Mängel möglichst zu verbessern. Die Erziehung ihres Sohnes ließ sie sich besonders angelegen sein; sie schrieb für denselben christliche Lebensregeln nieder. In der Einleitung sagte sie: „Ich schreibe dies, um Dich zu erinnern, Dein Vertrauen nicht auf Menschen zu sehen, sondern allein auf Gott, und seine Gebote zu halten. Wenn Du Gott fürchtest, wird er Dir gnädig beistehen. Solches merke mit Fleiß und bedenke, dass ich es Dir, als meinem Kinde, sage, das ich vor zeitlichem und ewigem. Verderben behütet sehen möchte.“

In diesem Tone ist die ganze Schrift abgefasst; sie enthält die weisesten Ratschläge in Beziehung auf die Landesregierung, dass man sich gedrungen fühlt, eine Frau zu achten und zu bewundern, welche die Staatsklugheit so ganz in sich aufgenommen hatte, und zwar zu einer Zeit, wo es schwer war, das Rechte zu treffen.

Der junge Erich wurde in seinem achtzehnten Jahre für mündig erklärt. Noch war er gewillt, dem Evangelio treu zu bleiben, aber es zeigte sich bald, dass er mehr von den Eigenschaften seines Vaters, als von denen seiner Mutter geerbt hatte. Er ließ sich an den kaiserlichen Hof verlocken, gelobte aber vorher, Alles, was er zwischen Wams und Busen habe, für die Wahrheit der evangelischen Lehre zu opfern. Nur allzubald war das Versprechen vergessen. Er diente in dem Schmalkalder Kriege dem Kaiser gegen seine Glaubensgenossen, und ließ alsbald eine völlige Reaktion in Beziehung auf das Kirchenwesen eintreten. Er vertrieb alle evangelischen Prediger, die das Interim nicht annehmen wollten, und setzte katholische dafür ein. Corvin und der Superintendent Hoyser von Pattensen, welche gegen das Interim geschrieben hatten, kamen in engen Gewahrsam. Elisabeth hatte vollauf zu tun, um den Bedrängten und Vertriebenen Hilfe zu leisten und, wo sie nicht helfen konnte, wenigstens Trost zu gewähren. Erich ging noch weiter und verband sich mit dem größten Feinde seiner Mutter, dem Herzog Heinrich. Vergebens richtete Elisabeth ein eindringliches Schreiben an ihren Sohn, worin es unter Anderm heißt: „Die erkannte Wahrheit zu verleugnen ist Sünde, die weder im Leben, noch darüber hinaus Vergebung findet; und die Diener Christi schänden und beleidigen, heißt nichts Anderes, denn unseren Heiland kränken, der unsere Sünden getragen hat. In mütterlicher Liebe beschwöre ich Dich, jage Christum nicht aus dem Lande, betrübe den heiligen Geist nicht, damit er nicht von Dir weiche, und meine Tränen Dir zum ewigen Unheil gereichen.“

An die Landstände schrieb Elisabeth: „Ist ein einziger Blutstropfen in Euch, der den Gekreuzigten liebt und bekennt, so ermahne ich Euch: Gedenkt Euer Eide und Pflichten, verstummt nicht in Feigheit, sondern besprecht Euch mit Adel und Städten, die armen unschuldigen Gefangenen zu vertreten und frei zu bitten. Uns hat der Sohn mit diesem bösen Spiel ins Bett gebracht, und steht er nicht ab, so wird er uns unter die Erde bringen.“

Die Gefangenen suchte sie zu trösten und zu ermutigen; sie schrieb an dieselben: „Wir ermahnen Euch, nach dem Beispiele Christi Euer Leid zu tragen, und als die Berufenen dessen auszuharren, für den ihr Verfolgung leidet. Seid beherzt und streitet ritterlich in dem Bekenntnis des reinen Glaubens, haltet an am Gebet, hofft auf den starken Retter und seid versichert, dass wir alle christlichen Mittel und Wege für Eure Erlösung suchen werden.“

Die Herzogin erfüllte, was sie versprochen hatte, aber Alles umsonst. Sie schrieb wiederholt an ihren Sohn in einer Weise, dass man hätte meinen sollen, für ein wahrhaft kindliches Herz wäre Widerstand unmöglich gewesen. In der Nachschrift zu einem Briefe sagte sie: „Wehe und immer wehe! über Dich, wenn Du Dich nicht besserst. Wie hast Du uns so hart betrübt, dass wir darnieder liegen in Ohnmacht und Schmerzen. Doch mussten wir schreiben, wenn unser Herz nicht brechen sollte; denn so wir nicht riefen, so würden die Steine sprechen müssen.“

Erich kümmerte sich um die Bitten und Klagen seiner Mutter so wenig, wie um die Seufzer seiner Untertanen. Er verzehrte in der Fremde das Mark der letzteren und machte neue Schulden, statt die alten zu bezahlen. Auch seine Gemahlin Sidonie, die Tochter des Herzogs Heinrich von Sachsen, eine Schwester des Kurfürsten Moritz, suchte er zu überreden und durch Lockungen zu bestimmen, in den Schoß der katholischen Kirche zurückzukehren. Diese aber erklärte, sie werde im evangelischen Glauben Leben und sterben.

Elisabeth hatte Unsägliches zu leiden; auch Herzog Heinrich ließ es an Schikanen nicht fehlen und beeinträchtigte auf mancherlei Weise ihr spärliches Einkommen. Endlich kam Versöhnung mit ihrem Sohne zu Stande, da dieser sich gleichfalls von seinem Vetter Heinrich beleidigt glaubte. Beide verbanden sich mit dem unruhigen Markgrafen von Brandenburg-Culmbach, einem Vetter Elisabeths. Der junge Herzog gestattete die Wiedereinführung der evangelischen Lehre und es zeigte sich alsbald, wie tief dieselbe im Volke Wurzel geschlagen hatte. Die Stände knüpften jede Geldbewilligung an die Bestätigung der Lehr- and Bekenntnisfreiheit für die Anhänger der Augsburger Konfession.

Die Schlacht bei Sievershausen am 4. Juli 1553 vernichtete alle Hoffnung der Herzogin, indem der Markgraf völlig geschlagen wurde. Heinrich gab seinem Hass gegen Elisabeth um so mehr freien Lauf, da seine beiden Lieblingssöhne in der Schlacht gefallen waren. Dieselbe hatte keinen Vorteil davon, dass zwischen ihrem Sohne und dem Herzog Heinrich der Friede zu Stande kam. Ihre Lage war längere Zeit hindurch eine verzweifelte. Von Mangel und Not gedrückt, lebte sie wie eine Gefangene zu Hannover; 1554 klagte sie, dass sie seit drei Wochen kein Fleisch in der Küche gehabt habe und selbst des nötigen Holzes entbehre. Wiederholte Vorstellungen bei dem Kaiser verschafften ihr endlich einige Erleichterung, da ihr Sohn und ihr feindlicher Vetter bewogen wurden, ihr wenigstens einen Teil ihres Wittums zurück zu geben. Sie konnte nun ihre Schulden bezahlen und zog sich mit ihrem zweiten Gemahle, dem Grafen Poppo von Henneberg, nach Schleusingen zurück, wo sie am 19. August 1566 selig verschied.

In der Hennebergischen Chronik heißt es von ihr: „Diese Fürstin war eine rechte Liebhaberin des göttlichen Wortes, eine mitleidige Mutter der Armen, und hat mit ihrem Herrn in friedlicher Ehe gesessen zwanzig Jahre.“

Ihr Sohn setzte sein unstetes Leben unverändert fort, so dass das Land immer mehr verarmte; als er 1584 kinderlos starb, trug Julius, ein Sohn des Herzogs Heinrich, Bedenken, ob er die Erbs