Johann Valentin Andreä

geboren am 17. August 1586 in Herrenberg, wo sein Vater, der nachmalige Abt zu Königsbronn, Johann Andreä, damals Spezialsuperintendent und Stadtpfarrer war, und gestorben am 27. Juni 1654 in Stuttgart, ist der Enkelsohn des um die Reformation in Württemberg verdienten und durch seine Mitwirkung zur Concordienformel berühmt gewordenen Kanzlers Jakob Andreä in Tübingen. Sein Körper blieb von Geburt an zart und schwächlich; sein Geist und Gemüth aber war ungemein frisch, empfänglich und mittheilsam. Den Vater, unter dessen Leitung sein Unterricht begonnen hatte, verlor er schon mit 15 Jahren. Dem Einfluß einer frommen und verständigen Mutter verdankt auch er vorzugsweise die Weckung und Pflege christlicher Gesinnungen. In Tübingen, wohin dieselbe nach des Vaters Tode gegangen war, fand der lernbegierige Jüngling treffliche Lehrer, die ihn in Sprachen und Wissenschaften förderten, unter welchen ihm Geschichte und Mathematik besonders wichtig waren. Er legte hier den Grund zu der ausgebreiteten Gelehrsamkeit, die ihn unter seinen Zeitgenossen ausgezeichnet und für eine außerordentliche Thätigkeit auf dem Gebiete der Wissenschaft, der Kirche und des Gemeinwesens befähigt hat. Die theologische Bildung vollendete er erst später unter dem besonderen Rathe Matthias Hasenreffers, nachdem er zuvor, theils durch die sittlichen Gefahren, die er im Kreise seiner Studiengenossen wahrnahm, abgeschreckt, theils von einem mächtigen Zuge nach weiterer Ausbildung getrieben, mehrere Reisen in Deutschland, durch die Schweiz und bis nach Italien gemacht hatte, auch durch die Armuth seiner Verhältnisse genöthigt worden war, sich der Leitung adeliger Jünglinge auf verschiedenen Hochschulen zu widmen. Die mancherlei Lebensbeziehungen, in die er hiedurch auch mit höheren Ständen getreten war, die reichen Erfahrungen, die er auf jenen Reisen gesammelt hatte, gaben seinen vielseitigen Kenntnissen frühe eine solche Reife, und seinen prächtigen Naturanlagen eine Gewandtheit, Sicherheit und Annehmlichkeit des Betragens und in Geschäften, daß er überall gerne gesehen war und nach einander mehrere fürstliche Personen ihm weltliche Bedienstung anboten. Aber Andreä hatte, neben dem Umgange mit Hasenreffer und anderen christlichen Freunden in der Heimath, vornehmlich durch seinen Aufenthalt in Straßburg, in Genf und unter den Protestanten in Oesterreich einen Eindruck empfangen, der auf seiner italienischen Reise und mitten unter den Anschauungen, welche ihm die Hauptstadt der katholischen Christenheit gewährte, zu dem Gelübde hindurchbrach, sich mit allen Gaben und Kräften, die ihm Gott verliehen habe, dem Dienste Seiner Kirche zu weihen. Im 28. Lebensjahre trat er in das geistliche Amt als Diakonus zu Vaihingen an der Enz ein. Auf dieser Stelle war ihm vergönnt, einen großen Theil seiner Zeit für wissenschaftliche Beschäftigungen zu verwenden, und indem er zugleich die schon in seinen Universitätsjahren rege gewordene Neigung zu schriftstellerischer Thätigkeit jetzt in reichem Maaße hervortreten ließ, entfaltete er zu allgemeinem Aufsehen seinen hochbegabten Geist, sein umfassendes Wissen und die ihm eigenthümliche Kunst einer anziehenden Schreibart. Dabei war es die edelste Triebfeder, die ihn beseelte, das höchste Ziel, das ihm vorschwebte, denn sein theuerstes Anliegen war die Ehre Gottes und die Förderung des Reiches Christi. Bei dem trostlosen Zustande jener Zeit, im Beginne des 30jährigen Krieges, wo in Staat und Kirche Alles darniederlag, wo namentlich unter den Evangelischen ein kalter Buchstabe, leere Streitsucht, tiefe Entsittlichung der Lebensverhältnisse, verkehrte Erziehung, unnützes Haschen nach Ergründung der Naturgeheimnisse und Hang zu verderblicher Schwärmerei herrschten, da erkannte Andreä es für seine erste Aufgabe, den Boden zu säubern, das freche Laster zu bekämpfen, den übermüthigen Wahn auszurotten, also angreifend und hinwegräumend zu wirken, bevor er aufbauend und darreichend ächte Gottesfurcht, Christentugend, Volkswohl und Kinderzucht, vernünftigen Unterricht, lautere Andacht anregen und einführen könnte. Dafür kam ihm nächst seinen ausgedehnten Kenntnissen ein dichterischer Sinn und Fülle des Witzes zu Statten. In meistens kleineren Schriften, welche großentheils aus Mährchen und Fabeln bestanden, oder in Gesprächsform erschienen, ging er dem Verderben zu Leibe und wußte die Thorheiten der Menschen, der gelehrten und ungelehrten, mit so feiner Laune zu schildern, daß der Scherz von Vielen für Ernst genommen wurde, daß namentlich ein Buch, worin die s. g. Rosenkreuzerei als ein geheimer Bund zur Erlangung der höchsten Weisheit und Glückseligkeit empfohlen ward, eine Unzahl Federn für und wider in Bewegung setzte und daß der bittere Spott, womit er in den unter seinem Namen gedruckten Schriften die Gebrechen und Ausartungen der verschiedenen Stände zu geißeln pflegte, ihm manchen Widerspruch und große Feindschaft zuzog. Er sagt das von in seinem, von ihm selbst beschriebenen Leben: „Ich bezeuge aufs Heiligste bei Gott, daß ich nicht aus Muthwillen Jemanden verfolgte, oder Lust hatte, Anderen zu schaden, sondern die Sache des Christenthums lag mir am Herzen, und ich wollte sie auf jede Art befördern. Da ich dies nun auf dem geraden Wege nicht konnte, so versuchte ich es durch Umwege, nicht, wie es Einigen schien, aus Liebe zum Spott, sondern so, wie viele Fromme es machten, daß ich durch Scherz und reizenden Witz etwas Ernsthaftes bezweckte und Liebe zum Christenthum einflößte.“ So dem Zeitalter einen Spiegel seiner Thorheiten vorhaltend, weckte er in Vielen das entschwundene höhere Bewußtsein und die Sehnsucht nach einem andern Zustande. Nicht minder jedoch trug Andreä auch bestimmte Rathschläge zur Verbesserung des religiösen und sittlichen Lebens vor. Vornehmlich dringt er damit auf Erziehung zur Frömmigkeit, nicht zu einer oberflächlichen und außergewöhnlichen, welche von Vielen zu den Nebengeschäften gerechnet wird, sondern zu der beständigen, feierlichen und vorherrschenden, die das ganze Leben begleite und beherrsche, und die Jugend ganz durchdringe.“ – „Jeder Christ sei ein Echo von Christo; jeder Geist weiche Christo; nichts erscheine witzig, scharfsinnig, geschmackvoll, verständig und übereinstimmend, was leer ist von Christo, welcher alles dieses auch hat und unendlich übertrifft. Verderbte Ohren, denen Plato süßer tönt als Johannes! blindes Urtheil, dem Aristoteles mehr gefällt als Moses! verwöhnte Zunge, der Tullius besser schmeckt als Paulus! hölzernes Herz, das Seneca mehr als Christus kräftigt!“ Auch entwarf er das Musterbild eines christlichen Staates und richtete diese inhaltreiche Schrift, welche, ins Einzelne gehend, Wissenschaft und Sitte, Religion und Politik vom christlichen Gesichtspunkte darstellt, an Johann Arndt mit den bescheidenen Worten: „Diese meine neue Stadt verdankt Dir ihr Dasein und blickt auf Dich hin. Denn da sie aus jenem großen Jerusalem, welches Du mit erhabenem Geiste gegen den Willen klügelnder Sophisten erbaut hast, als eine kleine Kolonie ausgeführt ist, so kann sie nicht anders als Alles auf Dich beziehen und für ihre Einrichtungen und Gesetze Dir ihren Dank sagen.“

Diese Grundsätze, welche er zuvörderst mit Waffen des schriftlichen Worts verfochten hatte, sollte Andreä nunmehr in immer umfassendere Wirklichkeit einführen, und zwar im Kampfe mit den außerordentlichen Mißgeschicken des Jahrhunderts, wie mit dem allezeit vorhandenen Widerspruch der Trägheit und des Eigennutzes, der Rohheit und des Hochmuths in seiner Umgebung, Er wurde i. J. 1620 Spezialsuperintendent in Calw, einer schon damals gewerbreichen Stadt am Schwarzwald. Hier suchte er alsobald das im Geist entworfene Bild einer wahren Christengemeinschaft zu verwirklichen, und begann mit der Sorge für Schule und Erziehung, widmete sich mit großem Eifer dem katechetischen Jugendunterrichte, regte die Liebesthätigkeit der wohlhabenderen Einwohner gegen die Armen und Nothleidenden zu heilsamen Veranstaltungen, vornehmlich zu dem, noch heute. im Seegen blühenden Färbergestift, an. Diese Anstrengungen verdoppelte er bei dem Ueberfall der Wallensteinischen Schaaren, ließ in der Hungersnoth die armen Kinder im Spital speisen, und den Alten und Kranken ihren Bedarf ins Haus bringen, auch dem wandernden Bettler eine Zehrung reichen. Noch mehr drang er auf christliche Sittenzucht in den Familien und im öffentlichen Wandel, und setzte dem Einfluß der wüsten Heerhaufen, da nach den Kaiserlichen bald auch die Schweden, dann abwechselnd Bayern und Franzosen in das Land fielen und sich jeden Greuel erlaubten, einen unerschrockenen Widerstand entgegen, obwohl er öfters von seiner Stelle vertrieben und zuletzt nur noch auf eine Wohnung in der Vorstadt angewiesen war und seinen Amtsbruder durch den Tod, seine Kirche wie sein Amtshaus und seine Bibliothek durch eine Feuersbrunst verloren hatte. Nach der Flucht des Landesfürsten, unter dem Hinsterben so vieler Tausende und bei dem Verluste eigener Angehörigen und theurer Freunde, in der Verwirrung aller Verhältnisse, im Anblick der verwüsteten Felder, der verödeten Städte und Dörfer, richtete ihn die Erscheinung Gustav Adolphs von Schweden mächtig auf, den er auch durch eine im Druck ausgegangene begeisterte Anrede als Retter für das zerrissene Deutschland und die zertretene Kirche, und als das Muster eines christlichen Regenten willkommen hieß; gleich wie er nach der Lützener Schlacht den Tod des Helden betrauernd, die Deutschen aufforderte, „in seinen Fußstapfen rechtschaffen, klug und tapfer zu sein.“ Zugleich erquickte ihn der briefliche Umgang mit zahlreichen Freunden, darunter die in Straßburg und Nürnberg auch bisweilen seinen persönlichen Besuch empfingen, und mit welchen er eine, alle Fragen der Zeit und die höchsten Zwecke des Lebens umfassende Verbindung zur Pflege und Ausbreitung christlicher Denkungsart geschlossen hatte.

Nach neunzehn prüfungsvollen Jahren trennte sich Andreä, wiewohl ungern, von der christlichen Gemeinde in dem geistlichen Bezirke, welchem er zu Calw vorgestanden hatte, und trat, nach wiederholter Einladung des Herzogs Eberhard III, von Württemberg, in die Hofpredigerstelle zu Stuttgart ein, mit welcher Sitz und Stimme im Consistorium verbunden war. Dieser neue und größere Wirkungskreis wurde der Schauplatz einer erweiterten und nachhaltigen Thätigkeit. Nicht nur lag er dem geistlichen Dienste mit unverdrossenem Eifer persönlich ob und predigte in schon vorgerücktem Alter zweimal die Woche. In der Behörde waren seine Bemühungen dahin gerichtet, dem in den Kriegsjahren herabgekommenen Kirchenwesen zunächst im geistlichen Stande selbst und in der Gemeindeordnung aufzuhelfen. Nachdem er „durch eine Kollekte den häuslichen Nothstand vieler Pfarrer erleichtert hatte, drang er bei der Regierung auf Herstellung des in Auflösung gerathenen theologischen Stifts in Tübingen, um frische Arbeitskräfte heranzubilden; und, traf ihm aus Genf in treuer Erinnerung geblieben, so daß er schreibt: „Hätte mich nicht die Verschiedenheit des Glaubens zurückgehalten, die Harmonie der Sitten würde mich hier auf ewig festgehalten haben, und ich strebte seitdem mit aller Anstrengung, etwas dergleichen in unseren Kirchen einzuführen“, was er auch wirklich schon in Calw durch Vereinigung christlich denkender Gemeindegenossen annähernd zu erreichen bemüht gewesen war; dies vermochte er endlich für das ganze Land einzurichten, eine Presbyterialordnung, zunächst als Sittengericht, durch Aelteste, welche mit dem Ortsgeistlichen über den Wandel der Gemeindeglieder wachen und durch Vermahnung, nöthigenfalls durch Anwendung von Strafmitteln, Zucht und Ordnung, zumal in den Ehen, auch fleißigen Kirchen- und Schulbesuch aufrecht erhalten sollten. Die i. J. 1643 zu Stande gekommene Kirchenkonventsordnung ist sein Werk; sie verbindet ein Heilsames Institut der Calvinischen Confession mit dem lutherischen Bekenntniß und Haushalt der württembergischen Kirche, und enthält auch in der Mißgestalt, in welcher ihr durch die Staatsgesetzgebung der neueren Zeit die christliche Seelsorge buchstäblich verboten ward, die Keime einer zweckmäßigeren Herstellung und Ausbildung des gesammten Kirchenwesens. Außerdem veranstaltete Andreä eine Sammlung der älteren und neueren Kirchengesetze und suchte im Consistorium selbst den kirchlichen Character dieser Behörde zu wahren und vor den gleich schädlichen Einflüssen einer politischen Bevormundung wie persönlicher Gewinn- und Herrschsucht sicher zu stellen. Aber hier scheiterten seine Pläne zuerst und andauernd, und er fühlte sich zurückgestoßen durch die Schwierigkeiten und Kränkungen, die er fand. Dazu waren die Anfeindungen, die er als ein Gesinnungsgenosse Johann Arndt’s, durch die vorzugsweise Pflege eines in That und Leben bezeugten Christenthums, besonders von den Tübinger Theologen zu erleiden hatte, eine Quelle mancher Bekümmerniß und Sorge, die fein geschwächter körperlicher Zustand, oft vermehrte. Wohl erfreute er sich der Liebe und des Vertrauens, das er noch von vielen Seiten, zunächst von drei Prinzessinnen seines Hofes, die Andreä in seinen Briefen die württembergischen Grazien nennt, zu genießen hatte, und der Freundschaft, die ihm die zwei edelsten Deutschen Fürsten jener Zeit, Ernst, der Fromme von Sachsen, und August von Braunschweig-Lüneburg, schenkten, welcher letztere in wöchentlichem Briefwechsel mit ihm stand und durch einen Jahresgehalt und reichliche Geschenke – er sandte ihm unter Anderm ein Reitpferd, und eine Sänfte zur Reise nach Braunschweig, die aber nicht mehr zur Ausführung gelangte, den Bedürfnissen und Beschwerden seines höheren Alters zu Hülfe kam. Gleichwohl ergriff Andreä die Gelegenheit, sich auf die Abtei Bebenhausen, und als er hier eine Generalsuperintendenz hatte übernehmen müssen, die mit neuen Anfechtungen und manchem Aerger verbunden war, auf die ruhigere Prälatur Adelberg zurückzuziehen.

Aber kaum war er hieher versetzt und befand sich eben mit dem ständischen Ausschuß in der Hauptstadt: so rief ihn der Herr in die ewige Heimath. Einen Mann, in welchem das heilige Feuer der Reformation fortglühte und durch die Trübsale einer bösen Zeit in die späteren Jahrhunderte herüberleuchtet, von den mannichfaltigsten Gaben, die einem frommen Sinne dienstbar sind, von der ausgebreitetsten Wirksamkeit, die auf ein ewiges Ziel hinsteuert, von unverwüstlicher Frische, unermüdlichem Eifer, fleckenloser Gemüthsart; einen Mann, wie Andreä selbst ihn in seinem letzten Buche (Theophilus, 1622 verfaßt, 1649 herausgegeben) schildert: „Wo eine brennende Liebe zu Christo eingekehrt ist, und ihm ein bereiter Gehorsam dargeboten wird, da ist es leicht, alle übrigen Pflichten eines Christen, besonders aber eines Geistlichen, darauf zu bauen, nemlich zu glauben ohne Ausnahme, zu handeln ohne Rückhalt, zu dulden ohne Murren, mit Einem Wort, das ganze Leben der Lehre gemäß zu bilden, und, was man im Munde führt, durch Werke öffentlich zu bekräftigen.“ Andreä hat eine Menge von Schriften verfaßt, und sie zum großen Theil durch den Druck ausgehen lassen, doch die meisten in der, ihm geläufigeren lateinischen Sprache. Die deutschen, zumal Dichtungen, sind weniger fließend und gewandt, als jene andrer Zeitgenossen; auch besteht ihr Vorzug mehr in dem witzigen Gedanken, der den Leser überrascht und ihm eine Wahrheit einleuchtend, einen Grundsatz werth macht, als in dem erhabenen oder innigen Ausdruck christlicher Gefühle, die das Herz rühren. Sie fanden daher auch weniger Eingang im Volk als unter den höher Gebildeten. Aber die Anregung, die Andreä, durch Wort und That, seiner Zeit gegeben, ist nachhaltig geblieben und erstreckt sich unübersehbar in die weitesten Kreise. Was er den Besten der Nachwelt gegolten habe, was er auch uns unter den Bestrebungen und Kämpfen, Aussichten und Besorgnissen der Gegenwart, zumal in dem Werke der inneren Mission, zu gelten verdiene, hat Niemand ehrenvoller für ihn als Spener in dem denkwürdigen Ausspruch bezeugt:

„Könnte ich jemand zum Besten der Kirche von den Todten erwecken, es wäre Valentin Andreä.“

C. Grüneisen in Stuttgart.

 

Johann Valentin Andreä.

Geboren den 17. August 1586 zu Herrenberg, verlor Johann Valentin Andreä in seinem 15. Jahre den Vater, wurde im 19. Jahre Magister und ertheilte schon im 20. Schülern Unterricht, wodurch er sich jährlich die für die damalige Zeit hohe Summe von f. 100 verdiente; damit ersparte er sich nach und nach so viel, um auf seine Kosten die Universitäten Strassburg, Lauingen in der Oberpfalz und Heidelberg zu besuchen, auch eine Reise über die Schweiz nach Paris auszuführen. In neun Jahren, seit er das mütterliche Haus verlassen hatte, kostete er, wie er selbst sagt, die Seinigen nicht mehr als 50 Gulden, von denen er in der Folge 20 wieder ersetzte. Schon in damaliger Zeit verfasste Andreä mehrere Aufsätze. 1607 war er Hofmeister bei den jungen Freiherren von Catianer in Lauingen, 1608 aber bei den jungen Truchsessen Heinrich und Burkard von Ilöfingen. Zu Anfang des Jahres 1610 begab er sich zu seinem Bruder, dem Feldprediger, in’s Lager nach Dachstein im Elsass und wohnte der unglücklichen Belagerung bei, reiste in der Folge, da er wegen eines im Jahr 1607 stattgehabten Excesses mit österreichischen Commilitonen keine Aussicht auf eine geistliche Anstellung hatte, zu einem längeren Aufenthalt nach der Schweiz, resp. hauptsächlich nach Genf, wo wenige Jahre zuvor Beza gestorben war. 1611 nahm er abermals eine Hofmeisterstelle an und zwar bei dem Sohne des Philipp Everhard l on Gommingen, Herrn zu Rappenau und Buttenhausen, in Rappenau, welch‘ letztgenannten Schüler er auf die Universität Tübingen geleitete. Hierauf reiste er nach Oesterreich und Italien über Ulm, Lauingen, Donauwörth, Ingolstadt, Passau, Linz, Kärnthen, Venedig, (unterwegs von Banditen verfolgt und nur durch die Klausen nach Treviso entronnen), Padua, Vicenza, Verona, Rom und kehrte über Trient, Brixen, Innsbruck, Landsberg und Augsburg, in welch letzterer Stadt er von der ihm anverwandten Familie Werner Seuter’s, einst Consulenten des Staats, freundlichst aufgenommen wurde, wieder in’s Vaterland zurück.

In demselben Jahre noch (1612) hospitirte er eine Zeit lang im Stipendio illustri zu Tübingen, cultivirte gleichzeitig die hebräische, griechische, französische, italienische und spanische Sprache, hielt ein später im Druck erschienenes Collegium mathematicum (1613) welcher Wissenschaft er sich schon von Jugend auf mit grosser Vorliebe gewidmet hatte und übte sich auch daneben in der Mechanik und allerhand sonstigen künstlichen Arbeiten.

Im Jahre 1614 wurde er Diaconus in Vaihingen an der Enz, als welcher er Tag und Nacht seine Studien fortsetzte, auch nicht weniger als 26 Tractätlein und Bücher daselbst schrieb. In diese Zeit fallen, wie Griesinger in seinem „Universal-Lexikon von Württemberg, Hechingen und Sigmaringen“ Stuttgart und Wildbad 1841 sagt: ,,seine so sehr missverstandene Schriften: „Reformen der ganzen weiten Welt,“ „Fama fraternitatis“ und die schon um 1604 geschriebene, aber erst 1616 gedruckte „Hochzeit des Christian Rosenkreuz“. In seinem Plane hatte nemlich von Jugend auf die Stiftung einer Gesellschaft gelegen, welche durch rein geistige Mittel die Verbesserung der ganzen Welt bewirken sollte. Durch diese Schriften nun ward er die Veranlassung zu den nachmaligen Rosenkreuzerischen Ordensverbindungen, die sich später durch ganz Europa verbreiteten. Er hatte indess in diesen Schriften nichts gethan, als seinen Entwurf zur politisch-religiösen Weltverbesserung in ein poetisches Gewand gekleidet; allein eben desswegen ward er missverstanden. Von dieser Zeit an schlug er daher einen andern Weg ein und suchte durch beissenden Witz die Thorheiten, Verkehrtheiten und Ueppigkeiten seiner Zeit ins rechte Licht zu stellen.

1618 reiste Andreä in wichtigen Geschäften nach Oesterreich, 1620 wurde er Special-Superintendent in Calw, welchem Amt er als ein wahrer Bischof dieser Stadt 19 Jahre lang vorstand. In diesem Zeitraum war er jedoch grossen Widerwärtigkeiten ausgesetzt, denn nicht nur wurde die ganze Stadt nach der blutigen Nördlinger Schlacht von dem Kurbaierischen Kriegsvolk überfallen, ausgeplündert, in Brand gesteckt, wobei (abgesehen von allen von ihm besessenen künstlerischen Antiquitäten und Raritäten, seinen Dürer und Holbein) seine Amtswohnung, der grösste Theil seines Vermögens, seine ganze Bibliothek, sowie die unersetzbaren Manuscripte seiner Vorfahren und anderer gelehrten Theologen sammt seinen eigenen zu Grunde gingen. Er selbst musste mit Frau und Kindern in den Wäldern und Bergen umherirren, überdiess trat auch gleich darauf Pestilenz, Theuerung und Hungersnoth ein. Dennoch vergass er der eigenen Noth und wusste grosse Summen für die Kranken und Verarmten herbeizuschaffen. Im Jahre 1638 wurde die Stadt auf’s Neue von der Besatzung zu Philippsburg überrumpelt und geplündert, so dass er sich zu flüchten genöthigt sah. Kaum sollte man es für möglich halten, dass ein so sehr geprüfter Mann, wie Andreä, der in den Wäldern und auf den rauhen Bergen nur mit Mühe und Noth den ihm nachsetzenden feindlichen Soldaten entrinnen konnte, dem von einem Musquetier auf der Strasse eine Rippe mit einer Musquete entzwei gestossen worden, der, während 773 Personen in der Stadt Calw von der Pest dahingerafft wurden, standhaft auf seinem Posten geblieben war, dennoch den Muth hatte, seine Arbeit zur Hebung dieser Stadt von Neuem zu beginnen. Aber „In te Domine speravi“ (auf Dich, Herr traue ich), sagt er selbst, „war allezeit mein Losungswort“. Damit stiftete er nicht nur im Verein mit Demmler, Dörtenbach, Schauber, Schill (1.) und anderen Kaufherren mehr das bekannte Färberstift zur Unterstützung von Kirchen und Schulen, für Arme und Kranke, eine Anstalt, die er dem Unglücke der damaligen Zeiten entgegensetzte, sondern verschaffte auch der Stadt durch seine Verbindungen im In- und Auslande so viel Hülfe, dass sie sich in kurzer Zeit wieder erholen konnte. Als 1624 die verwittwete und fromme Herzogin Ursula aus dem pfälzischen Hause Veldenz, in Kloster Hirsau Wohnung nahm, um von da aus das Liebenzeller Bad zu gebrauchen, liess dieselbe Andreä mehrmals zu sich rufen, um sich in Privatangelegenheiten Raths bei ihm zu erholen, correspondirte auch in späterer Zeit noch viel mit ihm und beschenkte ihn reichlich. Auch ihre Oberhofmeisterin, Anna Maria Stimmelin, aus dem Stamme der von Gültlingen, die damals bei Andreä (2.) Wohnung nahm, war eine Gönnerin Andrea’s. 1639 wurde er Herzoglich Württembergischer Hofprediger und Consistorialrath, als welcher er die Cynosura (eine Kirchenordnung) zu Stande brachte, hierauf Dr. der Theologie 1541 (1642), Geistlicher und Kirchen-Rath des Herzogs August von Braunschweig und Lüneburg, mit dem er in fortwährender Correspondenz stand, so dass er innerhalb 21 Jahren 600 eigenhändige Briefe dieses Herzogs empfing.

Es folgt hier ein kleiner Auszug aus einem Briefe Andrea’s (3.) an diesen Herzog, d. d. 1642 am Tage des heiligen Andreas, aus welchem Andrea’s Lebensanschauung ersichtlich wird :

„Dem Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn August,
Herzoge von Braunschweig und Lüneburg,
seinem gnädigsten Herrn,

Heil und Glücke! Vor Dir, Durchlauchtigster und mächtigster Herzog! einem der Magnaten Deutschlands, erscheine ich, ein deutscher Mann, vor dem Luther’schen Fürsten ein Luther’scher Theologe, vor dem, der den christlichen Staat auf seinen Schultern trägt, ein Glied des christlichen Körpers, vor dem Vertheidiger der Wahrheit ein Bekenner der Wahrheit, vor dem Retter der Rechtschaffenheit ein Anhänger der Rechtschaffenheit, vor dem Muster des Guten ein Verehrer des Guten, vor dem Inbegriffe der Gelehrsamkeit ein schwaches Werkzeug der Gelehrsamkeit, vor dem Rächer der Unschuld ein, trotz seiner Unschuld, angeklagter Mann; und lege diese Geschichte meines, unter so mancherlei Schicksalswechsel und den Zeitstürmen herumgeschleuderten, Lebens vor dem Altar Deiner Frömmigkeit und Herzensgüte demüthig nieder etc. etc. etc. So betreibe und wünsche ich dieses einzige, dass Verbindung der wahren Religion mit einem rechtschaffenen Leben als der Hauptgrund des christlichen Lebens festgesetzt,. und durch meine sowohl weltliche als geistliche Bemühungen befördert werde.

Aber freilich, das verabscheut Satan! Seine Geheimnisse, die er in pseudo-evangelischer Hülle aufdrängt, will er nicht verrathen lassen. Er duldet nichts offenes, nichts aufrichtiges, ernsthaftes, gründliches. Alles soll maskirt, gefärbt, übertünkt sein. Denn die Welt, die von ihm regiert wird, glaubt nicht, was sie bekennt, und, was sie glaubt. bekennt sie nicht. Was sie sagt, thut sie nicht, und sagt nicht, was sie thut. Was sie verlangt, will sie nicht, und verlangt nicht, was sie will. Was sie lehrt, weiss sie nicht, und was sie weiss, lehrt sie nicht. Jammernd lacht sie, und mit Lachen jammert sie. Sie heischt Geld, und verkauft Wind. Sie lobt das Licht, und liebt die Finsterniss, verbeut die Lügen, und hasst die Wahrheit, reicht das Gerade dar, und drängt das Krumme auf, verspricht alles, um nichts zu halten, sucht den Himmel, den sie flieht, meidet die Hölle, in die sie sich stürzt, betet mit dem Munde an, den sie im Herzen verläugnet, und erbaut mit der Zunge, was sie durch die That zerstört. So ist alles Larve der Menschen und Hülle des Satans!

Dass ich nun diesen Wind und Schaum, dieses Schattenspiel, diese Seifenblasen oder wenn’s noch etwas leichteres giebt, als das leichteste, durch Erfahrung der göttlichen Gnade sei es gedankt! im Innersten kennen lernte, und mit lauter Stimme tadelte, reuet mich nicht im Geringsten.

Zwar ist meine Absicht, mit treuer Thätigkeit in Unschuld verbunden, all diese Täuschungen aufzudecken und zu strafen, Deiner Hoheit schon längst bekannt, und hat mir auch, wenn ich nicht irre, Deine Gnade erworben. Daher möchte es überflüssig scheinen, vor Dir ein weitläufiges Zeugniss abzulegen, weil so wohl meine Schriften laut davon reden, als auch meine guten Gesinnungen durch Privatbriefe Dir hinreichend bekannt sind. Allein da durch den schrecklichen Calwer Brand alles, was ich in dieser Absicht sorgfältig ausgearbeitet hatte, nämlich, mein Theophilus und die Apologie meiner Arbeiten und meines Charakters, zu Grunde giengen, und nicht leicht bey dem anhaltenden Sturme von Geschäften wieder hergestellt werden können, so glaubte ich, eine aufrichtige Darstellung meines kummervollen Lebens – das einzige, was, bei treuen Freunden hinterlegt, von dem Feuer unbeschädigt blieb! – Deiner Hoheit vorlegen zu müssen. Aus dieser kannst Du mich nun nicht nur näher kennen lernen, und davon, wenn Dir gefällig ist, für Dich Gebrauch machen, sondern ihr auch, durch Dein grosses Ansehen und Deine ausserordentliche Klugheit, bei andern Beifall verschaffen, und so die Sache des Christenthums, auf die es hier allein ankömmt, von der Hinterlist des Satans, die er mir durch beissende Verleumder stellt, klüglich und mächtiglich retten. Nach Deiner übergrossen Gütigkeit wirst Du auch wollen und kannst mir noch bei meinem Leben oder todt nach Deiner Macht diese Gunst erweisen, als warum ich Dich bei allem, was heilig ist, bitte. Dieses Lob Deiner Gnade will ich vor dem Richterstuhle Christi, im Angesichte aller heiligen Streiter, namentlich auch eines Luthers, Brenz, Andreä, Arnd, Hasenreffer, Gerhard, und anderen treuen Hirten der göttlichen Heerde gegen die Eitelkeitskrämer, Schwätzer, Bauchpfaffen, pseudo-evangelische Feueranbläser, Böcke und Schweine, niederlegen. Lebe wohl, Du Krone der Fürsten. Geschrieben zu Stuttgardt, am Tage des heil. Andreas 1642 Deiner Durchlaucht

unterthänigster Verehrer

Joh. Val. Andreä,
der Theol. Dokt.
eigenhändig“

Im Jahre 1650 kam Andreä als Abt nach Bebenhausen, von wo aus er sich zu seiner Erholung im Monat Mai über Stuttgart nach Calw begab; von dort aus wartete er in dem nahen Teinach dem Herzoge und dem Hofe auf, besuchte sodann den Einsidel, durch den Herzog Eberhard I. im Bart sein Andenken verewigt hat (4.), und fand an einem alten Thurme Spuren der alten Zeit, indem da eingehauen war: „Attempto (ich wags!) angefangen 1482“ (10 Jahre nach dieser Zeit erfolgte die Stiftung des Klosters zu St. Peter im Schönbuch), erneuerte seine Freundschaft mit dem Commandanten Conrad v. Wieder hold, und kehrte wieder nach Bebenhausen zurück. 1651 übernahm er die General-Superintendenz über die Kirchen, und begab sich bald darauf zum Landtage nach Stuttgart. Als er im Jahr 1652 ziemlich erkrankte, besuchte ihn die Prinzessin Antonia, die in die Reihen der gelehrten Prinzessinen (5.) gehörende Tochter des Herzog’s Johann Friedrich von Württemberg, in Begleitung des Grafen von Solms, des englischen Grafen Robert Vanderille, des Herrn von Münchingen und von Flemming.

1653 kehrte Herzog Eberhard III. auf einer Schweinsjagd begriffen mit einem zahlreichen Gefolge in Bebenhausen (6.) ein, indess konnte ihm Andreä Krankheits halber nicht aufwarten, dafür ihn dann die Prinzessin Anna Johanna mit der Gräfin Stolberg besuchte. 1654, im Monat Februar, wurde Indres als Abt nach Adelberg versetzt, musste jedoch schon Ende März als Mitglied des engeren Landschaftsausschusses nach Stuttgart reisen, wo er den 27. Juni desselben Jahres, als er eben im Begriff war, einen noch an demselben Tage Mittags an Herzog August diktirten Brief zu unterschreiben, auch noch die zwei ersten Buchstaben seines Namens zusammengebracht hatte, am dritten vom Tode gehemmt, im Beisein der Schwester des Herzogs Eberhard, Anna Johanna, und 7 Geistlicher Abends 7 Uhr seinen Geist aufgab.

Noch kurz vorher hatte er bestimmt, man solle seinen Leichnam auf dem Kirchhofe ausserhalb der Stadt unter dem freien Himmel zu anderer Christen Körper begraben und mit seinem Begräbniss kein Gepränge treiben, da es lauter Eitelkeit sei.

Am 30. wurde er unter grossem Gefolge auf dem äusseren Hospital-Kirchhofe zu Stuttgart beerdigt.

Andreä war ein Mann, der, wie Herder sagt, in seinem Jahrhunderte wie eine Rose unter den Dornen blühte. Der bekannte Dichter Conz, ein Nachfolger Andrea’s im Diakonate zu Vaihingen, sagt in einem auf Andreä gemachten Gedichte u. a. Folgendes:

„Nein! ich täusche mich nicht, ich seh‘ dich im heiligen Glanze,
Fühle mich näher dir da, wo du gelebt und gewirkt,
Wo du im engen Bezirk‘ und auf undankbarem Boden
Saaten streutest, verkannt, dennoch nicht müd‘ in dem Fleiss;
Hart vom Schicksal geprüft, dem Schicksal nimmer erlagest,
Sondern im Kampfe dich nur stähltest zu härterem Kampf etc.“

Von dem schon erwähnten Herausgeber der Selbstbiographio Johann Valentin Andrea’s, dem Professor Seybold, rührt folgendes Gedicht her:

An Joh. Valentin Andreä.

In deinem Calw – da war dirs einst so wohl,
Verewigter! und nur der Gottheit Wink
Riss dich heraus aus deinem Thal‘, wo du
Die Früchte deiner Arbeit erndtetest.
Nach Stuttgardt wanderst du aus Stolze nicht –
Nein! nur den Blick nach höherm Ziel gelenkt,
Fürs Vaterland zu werden, was du warst für Calw –
Der guten Sitten und des wahren Christenthums
Beförderer! doch Neid‘ und Hass und Geiz
Bestreuten deinen. Pfad mit Dornen oft.
Da stärktest du alljährlich fast
In deiner Calwer Arm, an Teinachs Born,
Zum neuen Kampf mit Nattern dich.
Kehr nun nach deinem lieben Calw zurück,
Und leb‘ in deinem Leben da aufs neu,
Und freue dich der Edeln, die du find’st.
Du find’st wohl Dörtenbache noch,
Vielleicht auch Rüelin, Demmlere vielleicht,
Wo nicht dem Namen, doch den Werken nach,
Ganz deiner Liebe würdig, ihrer du!
Auch blühet noch dein Lieblingswerk,
Das Färberstift, dem schönen Zweck geweiht,
Zu nähren fromme Armut und Talent.
Dein Geist umschweb‘ der Nagold regen Strand,
Auch mir durch Schwestern, Schwäger, Bruder werth,
Und werth durch manchen Biedermann!

Andreä verfasste auch im Jahre 1630 den noch heutzutage von der Stadt Calw geführten Wahlspruch:

„So lang Calw ehrt die Göttlich Waid
Und hört der Obrigkeit Bescheid,
Handelt redlich und treibt Arbeit.
Erhält Frieden und Einigkeit,
Bewahret Hauszucht und Reinigkeit,
Ist wohl vergnügt mit Mässigkeit,
Nimbt sich der Armut an allzeit
Und bleibt bei alter Tracht und Kleid,
So lang hat Calw Glück, Ehr und Freud,
Gott geb, dass ihr der kein’s erleid‘.

Das schönste und bezeichnendste Zeugniss gab der bekannte Gottesgelehrte Jacob Spener dem Wirken Andreä’s mit dem Ausspruche: „Könnt ich Jemand zum Besten der Kirche von den Todten erwecken, es wäre Valentin Andreä.“

Andreä’s Ehegattin war Agnes Elisabeth, des Pfarrers zu Poppenweiler Josua Grüninger (7.) und der Barbara des Superintendenten zu Mömpelgard, nachmaligen Pfarrers zu Winnenden Heinrich von Eferen, Tochter, welcher Ehe 9 Kinder entsprossen sind. Von ihnen starben folgende in der Jugend: Concordia, Agnes Elisabeth, Ehrenreich, Varemund, Johann Valentin und Patientia, die übrigen sind:

  1. Maria geb. 1616, vermählt mit Jung Peter Walther, Mitstifter des Färberstifts in Calw.
  2. Agnes Elisabeth, geb. 1620, vermählt als dritte Frau mit Johann Rühle, Kaufmann in Calw. Dessen I. Gattin war Anna Maria, geb. Kleinbub; die II. Catharina, geb. Schauber; die IV. Anna Maria Ergenzinger.
  3. Gottlieb, geb. zu Calw 1622, 19. September, studierte zu Nürnberg und Altorf, wurde Vicar zu Stuttgart 1642, Diaconus zu Cannstatt 1643, Pfarrer in Wangen 1650, Diaconus in Weilheim 1659 und in letzterem Jahre auch Poeta laureatus. Er starb 1683, 10. December. Seine Gattin war Barbara, eine Tochter des Johann Saubert, Pfarrers zu St. Sebald in Nürnberg, welcher Ehe 9 Kinder entsprossten.

Ebenfalls aus der Andreä’schen Familie entstammt, nach Professor Dr. A. Haakh in Stuttgart, Schiller’s Laura und zwar in der Person der durch Geist, wie durch Schönheit ausgezeichneten Wilhelmine Andreä, einer Tochter des Med. Dr. in Stuttgart, Jacob Eberhard Andrei und der Marie Louise Friedericke, geb. Mögling. Dieselbe, eine Nichte der Hauptmännin Vischer, welch letztere nur die Vertraute von des Dichters Liebe war, vermählte sich den 3. Juni 1783 mit dem Stabs-Amtmann in Freudenthal, zuletzt Finanzrath in Stuttgart, Joh. Friedrich Bayha.

Der Andreä’sche Name blüht noch heutzutage in Frankfurt a. Main and in Mühlheim am Rhein; in letztgenannter Stadt sollen Nachkommen dieses Geschlechts eine Seiden-Fabrik besitzen, welche Branche dem Vernehmen nach von einem ihrer Vorfahren im Jahrhundert von Calw aus dahin verpflanzt wurde.

1. Alle 4 altangesehenen Calwer Familien entsprossen.

2. Andreä erwarb um diese Zeit auch ein Landgut zu „Kürpach„, Oberamts Brackenheim, Kirpach, der sogenannte Thiergarten im Zabergau, wo ehemals die Oberforstmeister des Strombergs wohnten.

3. Andreä scheint überhaupt mit diesem Fürsten (er correspondirte übrigens mit 3 Braunschweigischen Prinzen) auf dem intimsten Fusse gelebt zu haben, denn in seiner von ihm selbst verfassten Biographie schreibt er unter Anderem: „Von August erhielt ich ein doppeltes, eines August’s würdiges, Geschenke von Golde, das erste den 23. Okt. sein Bild in der Gestalt eines Nachdenkenden, das zweite am 23. Dez. ebendasselbe geharnischt, von einem Werthe von 300 Gulden, wodurch mein Hauswesen – ewiger Dank seie ihm! sehr unterstützt wurde.“
Auch von anderen Seiten bekam Andreä vielfach Geschenke; so verzeichnet er u. A.:
Meine häuslichen Umstände wurden durch einige kleine Geschenke unterstützt, unter denen die vorzüglichsten ein Pokal von der regierenden Herzogin und ein künstlich gestochener Jaspis, welch letzteren mir „die drei württembergischen Grazien“ (drei Schwestern des Herzogs) verehrten.
Ebenso sandte ihm Herzog Ernst von Gotha, der Andreä ausserordentlich hochschätzte und den hinwiederum Andreä als unvergleichlich darstellt, ansehnliche Geschenke, wie auch die Herzogin Sophia Elisabetha, geb. Prinzessin von Mecklenburg (gest. 1676), einen kostbaren Diamant.

4.Daselbst, sagt Andreä in seiner Selbstbiographie, ist auch der Hagdornbaum, der, zu 52 Ellen ausgebreitet, auf 40 Säulen ruht, nach der Sage von Jerusalem gebracht, und zum Andenken da verpflanzt wurde.

5.Ein Andenken von ihr ist die in der Kirche zu Teinach aufgehängte Tafel, Turris Antonia genannt, die zu erklären Dr, Raith eine nachher gedruckte Predigt hielt. Antonien’s Lehrer im Hebräischen und in der Cabbala war der Pfarrer zu Münster bei Cannstadt, J. Joh. Jacob Strölin.

6. Seybold in der von ihm im Jahre 1799 herausgegebenen Selbstbiographie Valentin Andreä’s sagt: Wegen des nahen Schönbuchs ist immer eine Niederlage von Jagdgeräthen im Kloster Bebenhausen. Zur Sitte jener Zeit scheint zu gehören, dass auch Hoffrauenzimmer auf die wilde Schweinsjagd giengen.
7.Bruder des Erasmus Grüninger, Oberhofpredigers und Consistorialraths in Stuttgart, Probsts daselbst, Stifter der Erasmus Grüninger’schen Stiftung, vermählt I. mit Agnes, geb. Kommerell; II. mit Ursula, geb. Kiesel; III. Agnes, geb. r. Varenbüler, (Gründerin der Varenbüler-Grüninger-Hiller’schen Stiftung.