St. Patric

Patricius.

In dem Dorfe Bannaven zwischen Dumbarton und Glasgow lebte in der letzten Zeit der römischen Herrschaft über Britannien ein Diaconus Calpurnius, dessen Sohn Sucath d. i. Schon-Kampf, Victorius, später Patricius oder Cil. Padruic, d. h. Kirchen-Patricius hieß. Dies ist der heilige Patricius, Apostel von Irland. Der Vater erzog den Sohn sorgfältig wieder zum Geistlichen; aber als er sechzehn Jahre alt war, fiel er Seeräubern, die an der Küste streiften, in die Hände, und sie schleppten ihn nach dem nördlichen Irland und verkauften ihn als Knecht an einen Häuptling der Gegend, der ihn zum Aufseher seiner Herden machte. In der Einsamkeit bei seinem Hirtenleben, wo die ganze Last seines Unglückes auf ihm lag, wendete sich der junge Mann ganz zu Gott, wie er selbst erzählt: „Ich war sechzehn Jahre alt, und ich kannte den wahren Gott nicht (d. i. er hatte bis dahin nur äußerliche Notiz vom Christenthume erhalten, dessen Wahrheit noch nicht in sich erfahren); aber in dem fremden Lande öffnete der Herr den verschlossenen Sinn meines Unglaubens, so daß ich, wenn gleich spät, doch nun meiner Sünde gedachte, und mich von ganzem Herzen zu dem Herrn, meinem Gotte, bekehrte, der auf meine Niedrigkeit herabblickte, meiner Jugend und meiner Unwissenheit sich erbarmte; der mich bewahrte, ehe ich ihn kannte und ehe ich zwischen Gutem und Bösem zu unterscheiden wußte; der mich schützte und tröstete, wie ein Vater seinen Sohn.“

Nach sechsjähriger Gefangenschaft fand er unter Umständen, die ihm die Erkenntnis der Vorsehung Gottes recht nahe legten, die Mittel zur Flucht und zur Heimkehr. In seinem 32sten Jahre hatte er zum zweitenmale das Unglück, von Seeräubern, die damals auf allen Seiten die britischen, von den Römern verlassenen Küsten umschwärmten, gefangen zu werden. Er kam durch sie nach Gallien; erhielt aber auch diesmal Gelegenheit, zu den Seinigen zurückzukehren. Durch seine Schicksale war der christliche Glaube in ihm so lebendig geworden, daß es ihn trieb, zu dessen Verbreitung thätig zu sein, und er kehrte nun nach dem Lande seiner früheren Gefangenschaft, nach Irland, zurück, dessen Sprache und Art ihm ja bereits genau bekannt war. Daß er vorher nach Rom gegangen sei und im J. 432 vom damaligen römischen Bischofe Sixtus III. die Mission in Irland aufgetragen erhalten habe, ist spätere Erfindung.

Es findet sich in früherer Zeit keine Beziehung der irischen Kirche zu Rom, vielmehr gestaltete sich dieselbe ganz in der Weise, wie das Christenthum vor dem Zurückziehen der Römer von der Insel auf Britannien bestand. In Irland hatte Patricius keltische Heidenpriester (Druiden) gegen sich; wollte er etwas wirken, so mußte er die Fürsten des Landes für sich zu gewinnen suchen, ehe die Druiden in ihm ihren Feind erkannten. Dies gelang ihm. Auch gewann er einen der irischen Sänger, so daß dieser in seinen Liedern nun das Christenthum feierte und wesentlich zu dessen Verbreitung beitrug. Da Patricius während seiner Gefangenschaft in Gallien Kloster hatte kennen lernen, die daselbst noch nach ägyptischen Mustern, wie es das Kloster des Cassianus in Marseille gewährt hatte, eingerichtet waren, so benutzte er ihm von den irischen Häuptlingen geschenkte Grundstücke zu Stiftung klösterlicher Institute auch in Irland. Doch hatte er bei seiner Missionsthätigkeit auch viel Widerwärtiges durch heidnische Häuptlinge und Druiden zu ertragen. Er bestand alles glücklich, und hinterließ nicht nur einen Theil der Insel für das Christenthum gewonnen, sondern in seinen Klöstern auch Seminare für die weitere Missionsthätigkeit. Er hatte ein sehr hohes Alter erreicht bei seinem Tode; nach Einigen 120 Jahre, welche Zahl aber auf der Eintheilung seines Lebens in drei ungefähr 40 jährige Lebensabschnitte, die weder so genau, noch so gleich zu nehmen sein mögen, beruht er mag zwischen 90-110 Jahre alt geworden sein, eine im thätigen und begeisterten Mönchsleben keineswegs zu seltene Lebensdauer, und da eine Thätigkeit wie die des heil. Patricius eine ungemeine Lebenskraft voraussetzt, keineswegs unglaublich.

Da der Name Patricius in Irland bald sehr häufig ward, ist es kein Wunder, daß in die Geschichte dieses Mannes viele Dinge verwebt worden sind, die anderen Namensgenossen zukommen. Zwei andere Umstände noch haben einen trübenden Einfluß auf die Auffassung der Lebensgeschichte gehabt. Die Missionsmittel des heiligen Mannes waren zu gering, um die alte heidnische Bildung, Sitte und Literatur in ähnlicher Weise zu unterdrücken und fast ganz auszurotten, wie dies der missionierenden Geistlichkeit in Deutschland gelungen ist; vielmehr dauerte die politisch bedeutende Stellung der Sänger und mit ihnen die ganze Fülle und Auffassung ihrer alten Lieder auch weiter fort. Allerdings empfand man, als das Christenthum ganz obgesiegt hatte, vielfach das nicht mehr Passende des heidnischen Heldenpreises – aber man half sich nicht durch Unterdrückung desselben, sondern so daß man den heiligen Patricius in die Lieder verwebte oder ihn doch in den einleitenden Versen auftreten ließ und ihm das in den Mund legte, was vom christlichen Standpunkte über diese Lieder zu sagen war. Dadurch ward er dichterischer Repräsentant des Christenthums in Irland überhaupt, und alle christlichen Institute und Thaten, für die man später keinen Namen hatte, wurden auf ihn bezogen.

Dies ist der eine zu erwähnende Punkt. Der andere ist, daß, indem Patricius so zum christlichen Helden ward, nun auch zu seinem Preise Lieder entstunden, die ihn auch mehr dichterisch als historisch auffaßten; gleichwohl aber ward der Inhalt dieser Dichtungen später in seine Lebensbeschreibungen aufgenommen. Weil nun dem so ist, hat man überhaupt den heiligen Patricius ganz der Sage überweisen und aus der Geschichte verbannen wollen; doch reichen die Erwähnungen seiner in irischen Gedichten und die Datierungen von Bußordnungen und dergl. von ihm in zu frühe Zeiten hinauf, um an den Hauptzügen seines Lebens und Daseins zweifeln zu können. Wir haben uns in Obigem bemüht das, was als feststehend über sein Wirken und Leben zu betrachten sein möchte, zusammenzufassen.