Johannes Habermann

Johannes Habermann, auch Avenarius genannt, wurde 1516 zu Egra in Böhmen geboren, gab sich schon früh mit gründlichem Fleiss den Wissenschaften hin, wurde 1550 Pastor zu Schönfels und 1567 zu Falkenau. Hier schrieb er in lateinischer Sprache sein berühmtes Gebetbuch, welches Jakob Zaderer, Pastor zu Zeitz, und dessen Sohn Christoph Zaderer zuerst in’s Deutsche übersetzten. Von Falkenau ging H. nach Freiberg, wo er vier Jahre lang Lehrer der hebräischen Sprache und Nachmittagsprediger war. 1573 wurde er Professor der hebräischen Sprache zu Jena und erwarb daselbst 1574 den theologischen Doctorgrad. In demselben Jahre erfolgte der Sturz des Kryptocalvinismus in Chursachsen. Der Churfürst August hasste im gleichen Grade, wie die verurtheilte Bewegung, den Hyperorthodoxismus, und es lag ihm daran, für seine Universität Männer zu gewinnen, die bei entschiedener Bekenntnisstreue vom Zelotismus eines Flacius und Wigand frei waren. Er berief desshalb an die Stelle des vertriebenen calvinisch gesinnten Heinrich Moller den milden Lutheraner Avenarius zur Professur nach Wittenberg. 1576 übernahm A. die Superintendentur zu Zeitz, wo er am 2. Dec. 1586 seine letzte Predigt hielt und nach andauernder, in christlicher Geduld getragener Schwachheit am 5. Sept. 1590 starb.

H. war ein gründlich gelehrter Theolog. Fast staunenswerth war seine Kenntniss der hebräischen Sprache. „Ich weiss mich wohl zu erinnern“ – sagt Örtel in der Leichenpredigt – „dass ich vor fünf und zwanzig Jahren gehört, dass etliche Juden aus fremden Landen in diese Lande kommen sein, welche, da sie seine Arbeit in hebräischer Sprache gesehen, sollen gesagt haben, sie hätten nimmer glauben können, dass in diesen Landen ein solcher Mann anzutreffen sein sollte, der die ebräische Sprache so eigentlich, wie sie ihre Muttersprache, schreiben und verstehen konnte.“ Seine Arbeitskraft aber empfing ihre Erfrischung und Stärkung im innigen und eifrigen Gebet. Vor allen liebte er die Sprüche: Wenn eure Sünde gleich blutroth ist, soll sie doch schneeweiss werden; und wenn sie gleich ist wie Rosinfarbe, soll sie doch wie Wolle werden (Jes. 1,18). – Wo ist ein solcher Gott, wie Du bist, der die Sünde vergiebt und erlässet die Missethat den Übrigen seines Erbtheils, der seinen Zorn nicht ewiglich hält; denn er ist barmherzig; er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Missethat dämpfen und nun unsere Sünden in die Tiefe des Meeres werfen (Micha 7,18.19). – Daran erkennen wir, dass wir aus der Wahrheit sind, und können unser Herz vor ihm stillen, dass, so uns unser Herz nicht verdammt, dass Gott grösser ist, denn unser Herz und erkennet alle Dinge (1. Joh. 3,19.20.). Diese Sprüche hatte er auch in seiner letzten Predigt zur Tröstung „in seiner höchsten Schwachheit“ bestimmt, und als sie ihm in seinen Schmerzensstunden zu Gemüthe geführt wurden, hob er die Hände zum Himmel empor und wurde ruhig. „Seine beste Arbeit ist jederzeit gewesen, seitdem er nicht hat predigen können, Beten, sonderlich aber nach der Art und Anleitung seines Betbüchleins. In seiner letzten Schwachheit, die nur eilf Tage gewährt, hat man ihm müssen (wie dort dem Mosi Exod. am 17. von dem Arm und Hur ein Stein unter die Hände gelegt worden) je länger je mehr Handreichung thun und aus gemeldeten Büchlein den Abend- und Morgensegen neben andern Gebetlein fürbeten, und wenn er dabei gefragt worden, ob er auch beständiglich bei erkannter und bekannter Lehre und bei seinem lieben Herrn Christo, den er noch Gott Lob und Dank ganz unzertrennt habe, gedenke bis an seinen Abschied zu verharren, item, ob ihm diese Worte seiner Gebetlein noch bekannte Worte wären, und ob er auch hören und vernehmen könnte, was man ihm fürsagte, hat er stets geantwortet Ja Ja, und ob Gott will, wolle er dabei bleiben. Und ist also in solchem Erkenntniss und Bekenntnisse am Sonnabend nach Barbarä, auf den Abend ein Viertel vor Achten, sänftiglich, säuberlich und seliglich entschlafen.“ (Örtel.)

Seine erbaulichen und sehr verständlichen Predigten folgen den Gedanken des Textes Schritt für Schritt, keine andere Eintheilung kennend, als die im Text gegebene, welche sie zum ausgesprochenen Thema erheben.

H’s. wichtigste Schriften sind: Trostbüchlein, darinnen 20 Trostschriften für die Kranken, betrübte und angefochtene Christen, aus heil. Schrift zusammengefasst. Nürnberg 1570. 8. Grrammatica hebraea Witeb. 1570. 8. 30 Predigten über die Episteln und Evangelien, so am Tage etlicher Märtyrer gelesen werden. Wittenb. 1575. 8. Auslegung der ganzen Historie des Leidens Christi, in 28 Predigten. Leipz. 1585. 4. Lexicon ebraicum. Witeb. 1588. fol. Epistelpredigten. Wittenb. 1596. 8. Erklärung der Sonn- und Fest-Evangelien. Jena. 1575. fol. Gebetbüchlein (deutsch). Strassb. 1605. 24. Vita Christi (deutsch). Leipzig 1616. 8. Indices, d.i. ausführliche Erklärung der Richter. Wittenb. 1617. 4. Collegium politicum. Witeb. 1626. 8. Geistliches Hausbüchlein für die Reisenden und Wandrer. Lüneb. 1639. 12. S. Zeumeri Vitae professor. Jenensium. P. 88. Vorzügl.: Leichpredigt des weil. Ehrwürdigen etc. Herrn Doctoris Johannis Avenarii, des Stifts Naumburg und Zeitz Superintendenten. Gehalten durch M. Joh. Örtel. Leipz. 1591.

Die bedeutendsten Kanzelredner
der
lutherschen Kirche des Reformationszeitalters,
in Biographien und einer Auswahl ihrer Predigten
dargestellt
von
Wilhelm Beste,
Pastor an der Hauptkirche zu Wolfenbüttel und ordentlichem Mitgliede der
historisch-theologischen Gesellschaft zu Leipzig
Leipzig,
Verlag von Gustav Mayer.
1856