Katharina Luther

Luther behauptete einmal: „Wenn die Weiber die Lehre des Evangeliums annehmen, so halten sie viel härter und steifer darüber als die Männer.“ Dieses Wort wird vielfach durch die Reformationsgeschichte bestätigt, so auffallend es im ersten Augenblick erscheinen mag. Wir müssen anerkennen, dass nicht wenige Frauen die Reformation in Deutschland wesentlich gefördert haben. Um dieses zu würdigen, müssen wir zuerst in Erwägung ziehen, welche Förderung die Reformatoren selbst durch ihre Frauen in ihrer ganzen Stellung erfahren haben((Nur im Vorübergehen sei daran erinnert, dass es Frau Cotta in Eisenach war, welche den Knaben Luther bei sich aufnahm und es dadurch verhinderte, dass er zu seinen Eltern zurückkehrte.)). Wir dürfen zunächst die Behauptung aufstellen: Luther wäre nicht geworden, was er gewesen ist, wenn ihm nicht seine Käthe als treue Gehilfin zur Seite gestanden hätte. Es ist eine falsche Beschuldigung, dass der Augustinermönch durch das Verlangen nach dem ehelichen Leben zur Bekämpfung der herrschenden Missbräuche veranlasst worden wäre. Als er zuerst seine Stimme gegen den Ablass erhob, dachte er an Nichts weniger als an eine Heirat; selbst noch im Jahre 1520 schrieb er an Spalatin: „Unsere Wittenberger wollen sogar den Mönchen Weiber geben; aber mir sollen sie keine Frau aufdrängen.“ Ja, noch im Oktober 1524 bemerkte er demselben Freunde: „Bei der Gesinnung, die ich bisher gehabt habe, wird es nicht geschehen, dass ich eine Frau nehme; ich bin dem Heiraten abgeneigt.“ Doch ehe ein Jahr verging, hatte er seinen Entschluss geändert.

Mit seinem Vorwissen, ja durch seine Vermittlung waren am 4. April 1523 neun Nonnen aus dem Kloster Nimptschen bei Grimma entflohen; Luther nahm sich derselben liebevoll an und suchte ihnen bei Bekannten Unterkunft zu verschaffen und die jüngeren zu verheiraten. An seine Verheiratung dachte er immer noch nicht; wenigstens war nicht Katharina von Bora (geb. 29. Januar 1499) der Gegenstand seiner Sehnsucht. Wenn er damals eine Wahl zu treffen gehabt hätte, hätte er einer anderen Nonne, Eva von Schönfeld, den Vorzug gegeben. Die Katharina hielt er für stolz und darum für ungeeignet, seine Gehilfin zu werden. Er gab sich alle Mühe, den reichen Nürnberger Patrizier Baumgartner zu bewegen, dass er seiner Schutzbefohlenen die Hand reiche, ehe solche einem Andern gegeben würde. Es hatte sich nämlich Dr. Glatz, Pfarrer zu Orlamünde, um dieselbe beworben. Katharina wies diesen Bewerber zurück, und Baumgartner tat keine weiteren Schritte. Dagegen gab Katharina nicht undeutlich zu verstehen, dass es ihr nicht zuwider sein würde, wenn Luther sie zur Lebensgefährtin erwähle. Anfangs war den Freunden des Reformators gerade diese Heirat ein Stein des Anstoßes, weil sie die öffentliche Meinung fürchteten, da unter dem Volke die Ansicht verbreitet war, aus einer Verbindung eines Mönches mit einer Nonne werde der Antichrist geboren werden. Vielleicht ließ sich Luther gerade durch dieses Vorurteil in seiner Wahl bestärken. Ohne sich mit seinen Freunden besprochen zu haben, bat er um das Jawort und erhielt dasselbe. Am 13. Juni 1525 wurde er durch seinen Freund Bugenhagen in Gegenwart weniger Zeugen ehelich eingesegnet. Natürlich erregte dieser Schritt nicht geringes Aufsehen; namentlich gab diese Heirat den Feinden der Reformation Veranlassung, durch allerlei üble Nachreden ihrem Ärger Luft zu machen. Luther äußerte sich: „Ich habe mich durch meine Heirat so geringschätzig und verächtlich gemacht, dass ich hoffe, es werden die Engel lachen und die Teufel weinen.“ So viel ist wenigstens gewiss: Luther wurde durch sein eheliches Leben in seiner Reformationstätigkeit nicht gehindert, sondern gefördert. Allerdings konnte Katharina nicht durch Rat und Tat ihren Gatten unterstützen, namentlich nicht in wissenschaftlicher Beziehung. Ihre Kenntnisse waren beschränkt, wie schon die vielerwähnte Frage, ob der Hochmeister in Preußen des Markgrafen von Brandenburg Bruder sei, beweist; es war eine und dieselbe Person. Doch ist die Äußerung von Erasmus zu beachten, dass Luther seit seiner Verheiratung gegen seine Feinde sanfter und milder geworden sei. Der Mann bedurfte bei seinen vielen, amtlichen und nichtamtlichen Arbeiten einer ihm wohltuenden Erholung und Erheiterung, und diese wurde ihm in reichem Maße in seiner Familie zu Teil. Er fühlte sich glücklich an der Seite seines Weibes und im Kreise seiner Kinder, deren ihm Katharina sechs gebar; er teilte derselben mündlich und schriftlich mit, was sie über den Fortgang der Reformation interessieren konnte. Der gelehrte Mann verachtete auch nicht das gesunde, natürliche Urteil seiner Gattin. Bisweilen erinnerte ihn diese daran, dass er ein gebrechlicher Mensch sei und solches über seinem unermüdlichen Eifer vergesse. Einmal zeigte er sich während dreier Tage nicht in dem Familienzimmer. Frau Käthe ließ die Tür der Arbeitsstube erbrechen, da all‘ ihr Pochen ohne Erfolg und Antwort blieb. Luther war mit der Übersetzung des 22. Psalmes beschäftigt, und erwiderte auf die Vorwürfe seines treuen Weibes: „Meinst Du, es sei etwas so Schlechtes, was ich vorhabe? Weißt Du nicht, dass ich wirken muss, so lange es Tag ist?“ Besonders gerne besprach er sich über den Katechismus mit derselben, und nannte sie deshalb auch seine Katechissima. Auch die Erklärung einzelner Bibelstellen machte er zum Gegenstande der Unterredungen der Familienstube, sowie er auch seine Käthe aufforderte, fleißig in der heiligen Schrift zu lesen. 1535 schrieb er an seinen Amtsgenossen Dr. Jonas: „Die Käthe hat angefangen, die Bibel zu lesen. Ich habe ihr 50 Gulden versprochen, wenn sie zu Ostern damit fertig wird.“ Dass sie auch unter den regelmäßigen Zuhörern ihres Mannes war, versteht sich von selbst, und wird durch ein Gemälde von Lukas Kranach bestätigt. Man bemerkt auf demselben unter den Personen, welche Luthers Kanzel umgeben, auch das wohlbekannte Gesicht seiner Gattin.

Bei seinen geselligen Erholungen, Spaziergängen usw. ging, saß und stand Katharina an seiner Seite. Während dieselbe im Garten arbeitete, spielte Luther mit seinen Kindern oder zeigte seinen Freunden die schönen Blumen und Früchte.

Bei der Kindererziehung konnte die Mutter die dem mütterlichen Herzen eigentümliche Schwäche und Nachgiebigkeit nicht verleugnen, und es war gut, dass hier der Mann häufig seine Rechte geltend machte. Einstens ließ er seinen dreijährigen Sohn Johannes wegen einer Ungezogenheit drei Tage nicht vor sich. Die Mutter bat um Nachsicht; der Vater aber erklärte: „Lieber einen toten als einen ungeratenen Sohn.“ Und wir wissen doch, wie groß die Vaterliebe des Mannes war. Mit welcher Sorgfalt saß und wachte derselbe an dem Krankenbette seiner Kinder? Wie war sein Herz mit Trauer erfüllt, wenn der Todesengel ihm ein Kind wegnahm; z. B. sein liebes Lenchen. Und wie wusste er sich selbst und seine Gattin über den schmerzlichen Verlust zu trösten? Mit welcher Zärtlichkeit und Kindlichkeit schrieb er an seine Kinder Briefe, wenn er von denselben entfernt war? Man muss das Alles erwägen, um zu erkennen, welchen wohltätigen Einfluss das eheliche Leben auf das Gemüt Luthers gemacht hat. Er fühlte sich glücklich im Kreise der Seinen, wie aus unzähligen mündlichen und schriftlichen Äußerungen hervorgeht.

Am 11. August 1526 schrieb er an seinen Freund Stiefel: „Es grüßt Euch Käthe, meine Rippe. Sie befindet sich mit Gottes Hilfe wohl und ist mir willfährig und in Allem gehorsam und gefällig, dass ich meine Armut nicht mit Krösus‘ Reichtum vertauschen möchte.“ Und es war nicht das Feuer der ersten Liebe, wodurch er zu solchen Äußerungen veranlasst wurde. Noch im Jahre 1538 schrieb er an einen guten Freund: „Wenn ich ein junger Witwer wäre, so wollte ich doch, auch wenn mir eine Königin nach meiner Käthe angeboten würde, lieber sterben, als zum zweiten Male mich verehelichen. Ich kann keine gehorsamere Frau bekommen; ich müsste mir sie denn aus Stein hauen lassen.“ In seinen Tischreden sagt er: „Ich achte sie teurer, denn das Königreich Frankreich und der Venediger Herrschaft; denn mir ist ein fromm Weib von Gott geschenkt und gegeben.“ „Ich habe meine Käthe lieb, ja ich habe sie lieber, denn mich selbst; das ist gewisslich wahr. Ich wollte lieber sterben, denn dass sie und die Kinderlein sterben sollten.“ „Es ist keine lieblichere, freundschaftlichere und einmütigere Verwandtschaft, Gemeinschaft und Gesellschaft, denn eine gute Ehe.“

Sein Herz war hoch erfreut, wenn sein Weib von einer Krankheit genesen war; er schrieb in einem solchen Falle: „Meine Käthe fängt an, mit Wohlgefallen zu essen und zu trinken und schleicht mit den Händen an Tischen und Bänken umher.“

Wurde er selbst auf das Krankenlager geworfen, so hatte er an seinem Weibe eine unermüdliche Pflegerin. Käthe war eine sorgsame Hausfrau, und das war für Luthers Verhältnisse ein großer Gewinn. Seine Besoldung war nicht groß, und seine Vermögensverhältnisse nicht die besten. Als er 1527 erkrankte und sich dem Tode nahe glaubte, empfahl er die Seinen der väterlichen Obhut Gottes, da er denselben weder Haus noch Acker, noch Geld noch Gut hinterlassen könne. Er erwähnt das öfters, dass er von armen Eltern geboren sei und selbst noch in das Register der Armen gehöre. Dabei gestand er, dass er kein guter Haushalter sei und dass er übel beraten wäre, wenn sein Weib nicht das Wenige, was er habe, zu Rate hielte. So sagt er in seinen Tischreden: „Eine jegliche Person in der Ehe soll ihr Amt tun, was ihr gebührt; der Mann soll erwerben, das Weib aber soll ersparen; darum kann das Weib den Mann wohl reich machen und nicht der Mann das Weib; der ersparte Pfennig ist besser, denn der erworbene.“ Später kaufte Luther ein kleines Gut in der benachbarten Gemeinde Zülsdorf für 610 Gulden. Hier waltete Katharina als sorgsame Hausfrau, auf die ihres Mannes Herz sich verlassen konnte; sie bekümmerte sich um den Viehstand und die Landwirtschaft. Luther nannte sie deshalb bisweilen scherzend „Katharina Luther von Bora und Zülsdorf.“ Noch am 16. Februar 1546 schrieb er an dieselbe „Katharina Lutherin, die Zülsdorferin.“

Was wäre Luther ohne die sorgsame und sparsame Käthe geworden? Er folgte bei seiner Freigebigkeit mehr dem Drange des liebenden Herzens als dem Rat des berechnenden Verstandes. Eines Tags kam ein armer Student zu ihm und klagte ihm seine Not. Da Luther im Augenblick einen leeren Beutel hatte, nahm er einen silbernen, vergoldeten Becher, den er von einem Fürsten erhalten hatte, drückte denselben zusammen und schenkte ihn dem Studenten. Er gewahrte in diesem Augenblicke die bedenkliche, unwillige Miene seiner Frau; darum äußerte er: „Ich brauche keinen silbernen Becher.“ Ein ander Mal gab er einem Bedrängten, der um eine Unterstützung bat, das Patengeschenk des jüngsten Kindes. Als die Wöchnerin die Tatsache erfuhr und zürnte, suchte sie Luther zu beruhigen, indem er sprach: „Gott ist reich; er wird ein anderes Geschenk bescheren.“

Scherzweise beschwerte er sich bisweilen, dass Käthe allzustrenge die Herrschaft führe. Dagegen ist auch folgende Äußerung seiner Frau gegenüber nicht zu übersehen: „Du überredest mich zu Allem, was Du willst. Du hast die ganze Herrschaft. In dem Haushalte gestehe ich Dir es gerne zu, meinem Rechte unbeschadet; denn der Weiber Regiment hat noch niemals etwas Gutes gestiftet.“

Luther vermachte in seinem 1542 errichteten Testamente der treuen Lebensgefährtin das Gütlein Zülsdorf, mit 200 Gulden Schulden belastet, ein Haus in der Stadt, einen Becher und Kleinodien im Werte von 1000 Gulden, mit dem Bemerken: „Das tue ich darum, dass sie mich als ein fromm, treu, ehrlich Gemahl allezeit lieb, wert und schön gehalten, und mir durch reichen Gottes Segen fünf Kinder gegeben und erzogen hat, und zu allermeist darum, dass ich will, sie müsse nicht den Kindern, sondern die Kinder ihr in die Hände sehen, sie in Ehren halten und unterworfen sein, wie Gott geboten hat.“

Als Luther am 18. Februar 1546 sein tatenreiches Leben beendete, war die Zukunft seiner Witwe keineswegs sichergestellt. Zwar gewährte ihr der Kurfürst von Sachsen eine jährliche Unterstützung, so wie auch der König von Dänemark die Pension, die er Luther versprochen hatte, fortzuzahlen versprach; aber der für die Evangelischen so verhängnisvolle schmalkaldische Krieg verstopfte ihr alle Hilfsquellen. Der Kurfürst Johann Friedrich geriet in Gefangenschaft und konnte nicht halten, was er gelobt hatte. Der König von Dänemark hielt die versprochene Unterstützung zurück, so dass Katharina oft in große Verlegenheit geriet. Sie nahm Studenten in Kost und Logis, um sich besser nähren zu können; doch konnte sie sich nicht der Notwendigkeit entziehen, ihr Gut mit neuen Schulden zu belasten. 1552 brach in Wittenberg eine ansteckende Krankheit aus, so dass die Universität nach Torgau übersiedelte. Auch die verlassene Witwe wollte folgen, damit sie ihren geringen Verdienst durch Kostgänger nicht verliere. Unterwegs wurden die Pferde scheu, und Katharina, um ihre Kinder besorgt, sprang aus dem Wagen, fiel auf die Erde und dann in einen mit Wasser angefüllten Graben Schrecken und Erkältung zogen ihr eine bedenkliche Krankheit zu, welche sich bald in Zehrung verwandelte. Sie starb am 20. Dezember desselben Jahres zu Torgau und wurde am folgenden Tage in der Stadt- und Marienkirche beigesetzt.

Katharina Luther

Katharina Luther

Katharina von Bora, aus dem altadelichen Geschlecht der von Hugewitz, ward am 29. Januar 1499, 15 Jahre nach Luther geboren. Da ihre Eltern wenig bemittelt waren, so kam sie noch sehr jung in das adeliche Fräuleinkloster Nimtschen, unweit Grimma an der Mulda, wo sie Gott auf die ihr von der Klosterordnung vorgeschriebene Weise eifrig zu dienen suchte, bis in ihr und noch acht Klosterschwestern der Wunsch lebhaft wurde, sich aus diesem Zwinger befreit zu sehen; denn auch in ihre abgeschlossene Zelle hatte sich Luthers neue, die Nichtigkeit der Werkheiligkeit aufdeckende Lehre Eingang verschafft. Die Nonnen fanden Mittel und Wege, ihren Wunsch, aus dem Kloster zu kommen, Luthern bekannt werden zu lassen, und dieser veranlaßte einen Bürger von Torgau, Leonhard Koppe, mit einigen Gehilfen in der Nacht vom Charfreitag auf den Ostersamstag am 4. April 1523 die neun Nonnen aus ihrem Kloster zu befreien. Da ihn sein Weg durch das Gebiet des eifrig katholischen Herzogs Georg führte, so mußte er hierbei die äußerste Vorsicht anwenden, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß er sich, wie die Torgauische Chronik andeutet, dazu einer Anzahl Heringtonnen bedient habe. Von Torgau kamen die Nonnen am Osterdienstag glücklich in Wittenberg an. Luther verwandte sich bei hohen Gönnern für die Verlassenen, und suchte die jüngeren zu verheirathen. Katharina ward vorläufig von dem Wittenberger Bürgermeister Philipp Reichenbach in’s Haus genommen. Bald hatte sich auch für sie ein Bewerber gefunden, Hieronymus Baumgärtner, aus einem angesehenen Nürnberger Geschlecht, der jedoch, als er bald darauf in seine Heimath zurückkehrte, diesen Plan wieder aufgab, so daß diese Heirath, über welche sich Luther laut eines Briefes an Baumgärtner herzlich gefreut haben würde, nicht zu Stande kam. Nun brachte Luther den Dr. Caspar Glatz, Prediger in Orlamünda, in Vorschlag, und Nikolaus von Amsdorf, Prediger in Wittenberg, erhielt den Auftrag, sie darüber zu befragen. Katharina gestand aber aufrichtig, daß sie zu dem Dr. Glatz keine Neigung verspüre, übrigens nicht abgeneigt wäre, zu heirathen, wenn entweder Amsdorf selbst oder Luther ihr die Hand reichen wollte. Nun hatte zwar Luther schon einige Zeit zuvor die Mönchskleidung abgelegt, aber er hatte bis dahin wenig Lust, in den Ehestand zu treten, daher er auch einmal gestand: „Hätte ich früher Lust gehabt zu freien, so hätte ich mir die Eva Schönfeld (eine andere der neun Nonnen, die er bereits erlebt hatte, und die durch ihre trefflichen Geistesgaben sich vor den andern auszeichnete) erkiest.“ Indes drangen seine Freunde, insbesondere sein Vater, sowie der Kurfürst Johann von Sachsen wiederholt in ihn, er möchte doch endlich einmal selbst thun, was viele seiner Freunde, und darunter auch mehrere Prediger, auf seinen Rath gethan hätten. So kam endlich bei ihm der Entschluß zur Reife, Katharina zu heirathen, und nach seiner Weise folgte Entschluß und That plötzlich auf einander. Es war an einem Dienstag den 13. Juni 1525, daß er seine drei Freunde, den Prediger Dr. Bugenhagen, den Juristen Apell und den Maler Lukas Kranach, mit sich in Reichenbachs Haus nahm, und Katharina um ihre Hand bat. Fast nahm sie Anfangs die Bitte für Scherz, konnte ihm aber das Jawort nicht verweigern. Da verrichtete Bugenhagen urplötzlich die Trauung, und ein kleines Familienfest beschloß den wichtigen Tag.

Erst 14 Tage darauf veranstaltete Luther nach der Sitte der Zeit ein festlichere Hochzeitmahl, wozu er auch seine Eltern einlud. Was Luther an seiner Käthe, wie er sie zu nennen pflegte, hatte, ersieht man am besten aus feinen eigenen Worten, wenn er schreibt:

„Es ist mir mit ihr wohlgerathen, denn ich habe ein fromm getreu Weib, auf welche sich des Mannes Herz verlassen darf, wie Salomo sagt Sprüchw. 31, 11., sie verderbt mir’s nicht. Sie hat mir gedienet nicht blos wie eine Ehefrau, sondern selbst wie eine Magd.“

Man ersieht aus seinen herzlichen Briefen an sie, daß er an ihr eine Frau hatte, der er alles mittheilen konnte, was sein Herz bewegte, die selbst auch an seinen gelehrten Streitigkeiten innigen und frommen Antheil nahm. Insbesondere war es ihre Frömmigkeit und ihr fester Glaube, was ihn so innig mit ihr verband. Jeder Angriff auf seine Person war auch ein Angriff auf ihre eigene Gemüthsruhe. Aber sie wankte nie, sie diente sogar zuweilen dem sonst so glaubensstarken Gatten zur Stütze. Sogar zur Zeit der Pest hielt sie mit ihm aus, und er konnte von ihr schreiben: „Noch ist meine Käthe stark im Glauben.“

Zwar behauptet von ihr ein gewisser Nas, der sie gekannt haben will, sie sei „hochtragenden Geistes gewesen, eigensinnig und stolz, so daß sie mit andern Weibern nicht viel Freundschaft gemacht, weil sie sich um des Ruhmes ihres Mannes wegen höher geachtet, denn jene,“ allein die vertrautesten Freunde und Hausgenossen Luthers, ein Bugenhagen und Justus Jonas, reden von ihr nie anders als auf eine ehrende Weise; es ist daher zu vermuthen, daß jener Nas in demjenigen, was eher ein Lob war, einen Tadel gesehen. Da Luthers Haus in Wittenberg ein Sammelplatz der gebildetsten und geistreichsten Männer jener Zeit war, so mag sich Katharina, welche noch obendrein eine sehr ausgedehnte Haushaltung mit geringen ökonomischen Mitteln zu besorgen hatte, um so mehr für verpflichtet gehalten haben, sich auf den Umgang zu beschränken, den sie in ihrem eigenen Hause haben konnte, als sie ohnedies an Geistesbildung und Seelenadel vielen Frauen ihrer Zeit so voraus war, daß sie in ihrem Umgang nicht viel gewinnen konnte.

Dies ist um so mehr zu vermuthen, da sie allen Nachrichten nach eine sehr verständige und thätige Hausfrau war, die ihr größtes Glück darin fand, ihrem Manne und ihren sechs Kindern sich zu widmen. Wirklich erforderte es auch nicht wenig Fleiß und Gewandtheit, eine solche Haushaltung zu führen, wie Luther sie hatte. Außer seinen Angehörigen speiste er stets noch viele andere Leute, namentlich auch Studenten an seinem Tische und das Haus war nie leer von Gästen. Dazu hatte er eine Feldökonomie sowohl in Wittenberg als in dem benachbarten Zülsdorf. Er selbst besaß fast gar kein Vermögen, hatte eine geringe Einnahme, und war nichts weniger als ein sorglicher Haushalter. Ohne gerade zu verschwenden, achtete er doch des Geldes allzuwenig, und wenn er anfing Almosen zu spenden, dachte er nicht mehr an die Bedürfnisse der Seinigen. Um so mehr bedurfte er eine Frau, die sowohl ihre Zeit als ihr Geld wohl zu Rathe zu halten wußte, der er mit vollkommenem Vertrauen seine ganze Haushaltung überlassen konnte.

Treulich pflegte Katharina Luthern in den verschiedenen Krankheiten, die ihn zumal in den letzten Jahren seines Lebens trafen, und leistete auch hierin Alles, was ein Mann von einer liebenden Gattin erwarten kann. Endlich starb er den 18. Februar 1546 mit der Ahnung: „So lange ich lebe, wird’s wohl Frieden bleiben; wenn ich aber sterbe, so betet. Es wird wahrlich Betens brauchen, und unsere Kinder werden müssen nach den Spießen greifen und wird in Deutschland übel stehen.“ – Es stand nicht lange an, bis Katharina die Richtigkeit dieser Ahnung erprobte. Schon im Jahr 1547 brach der schmalkaldische Krieg aus, Churfürst Johann Friedrich wurde gefangen genommen, und Kaiser Karl V. zog als Sieger in das eroberte Wittenberg ein. Da flohen die treuen Anhänger des Churfürsten und die eifrigen Beförderer der Reformation aus Wittenberge Mauern. Mit ihnen auch Luthers Witwe. Sie flüchtete mit ihren Kindern nach Leipzig, und hier sehen wir sie dem drückendsten Mangel ausgesetzt, sie mußte einen Kosttisch halten, um sich und die Ihrigen nothdürftig zu erhalten. Denn vergeblich hatte sie selbst sowohl als ihre Freunde sich an einheimische und fremde Fürsten um Unterstützung gewandt. Später kehrte sie wieder von Leipzig nach Wittenberg zurück, und lebte daselbst kümmerlich und eingezogen bis zum Jahr 1552, wo abermals die Pest überhand nahm, so daß die Universität nach Torgau versetzt werden mußte. Sie folgte dahin mit drei Kindern. Auf der Reise wurden die Pferde scheu, sie sprang aus dem Wagen und fiel dabei in eine Pfütze. Bald darauf bekam sie, vielleicht in Folge dieses Falles, die Auszehrung, und starb in demselben Jahre den 20. Dezember. Sie liegt in der Torgauer Pfarrkirche begraben, wo noch jetzt ihr Leichenstein zu sehen ist.

Katharina Luther

Katharina Luther

Erstes Kapitel. Katharinens Bild.

Es geschieht oft, daß man sich von vielgenannten Personen ein Bild entwirft, welches man bei späterer persönlicher Bekanntschaft durchaus nicht bestätigt findet, und doch nicht sofort los werden kann, so daß es wie ein Doppelgänger neben der Wirklichkeit sinnverwirrend einhergeht. Sollte vielleicht auch mancher unserer Leser ein solches selbstgemachtes, willkürliches Bild von Luthers Gattin mitbringen; so möchten wir ihn bitten, es bei Seite zu legen, damit nicht seine falschen Voraussetzungen ihm den Eindruck verkümmern, welchen das einfache Geschichtsbild, das wir vor ihm aufrollen wollen, bei dem unbefangenen Beschauer hervorbringen muß.

Wenn wir das Bild einer christlichen Hausfrau, wie die heiligen Apostel Petrus (1 Br. Petr. 3, 1-6) und Paulus (1 Timoth. 2, 9-15) es zeichnen, zum Maßstab nehmen; so wird Katharina gewiß nicht mit Schanden bestehn. Wenn wir uns aber nach modernen Begriffen ein Frauenideal bilden; so haben wir es unsern vorgefaßten Ansichten zuzuschreiben, wenn uns Katharinas Bild zu alltäglich, zu matt und farblos er scheint. Luther war nicht bloß nach seinen Gnaden-, sondern auch nach seinen Naturgaben ein außerordentlicher Mann, ein hervorragender Geist, das fühlt ihm Jedermann an, wenn er ihn auch sonst nicht zu begreifen vermag. Da meint man nun, die Frau, die er zu seiner Lebensgefährtin erkoren, müsse ihm geistig ebenbürtig, müsse selbst eine außerordentliche Frau gewesen sein, hervorragend über alle andere ihres Geschlechts und ihrer Zeit, wie ihr Gatte eines Haupts länger war denn alles Volk. Man hat unsere geistreichen und berühmten Frauen, oder auch die Heldinnen der innern Mission in Gedanken und siehe da – man findet nur eine schlichte, deutsche Hausfrau, eine demüthige Katechismusschülerin[i], ohne hervorleuchtende Geistesgaben, aber nicht ohne jenen Schmuck, mit dem sich vor Zeiten die heiligen Weiber geschmückt haben, die ihre Hoffnung auf Gott setzten und ihren Männern unterthan waren. Sie kannte ihres Mannes großen Beruf, und wenn sie in der Stunde der Gefahr um ihn bangte oder durch treue Wartung und Pflege für ihn sorgte, war es ihr nicht bloß um den Gatten und den Vater ihrer Kinder, sondern um die Kirche Gottes zu thun, der er mit seinen Gaben diente[ii]; aber eben weil sie seinen Beruf kannte, griff sie nicht in denselben ein. Sie ließ sich gern von ihm berichten, wie es um des Herrn Werke stand und ihr und der Kinder Gebet begleitete ihn bei seiner Arbeit; aber sie selbst wartete ihres Hauswesens und vertiefte sich darin mit einem Eifer und einer Geschäftigkeit, die ihrem Ehegatten wohl manchmal Anlaß zu scherzenden Bemerkungen gab, aber an der er doch innerlich seine Freude hatte. Sie war eine Frau von schlichter und einfältiger, aber aufrichtiger und erprobter Frömmigkeit. Hinter manche unserer frommen Frauen und deren rastlose Thätigkeit für allerlei christliche Zwecke tritt sie mit ihrer Wirksamkeit sehr zurück; aber dagegen möchte Katharina wohl um so besser die Schranken inne gehalten haben, welche des Apostels Gebot in den Worten zeichnet: „Ein Weib lerne in der Stille in aller Unterthänigkeit. Einem Weibe gestatte nicht, daß sie lehre, auch nicht, daß sie des Mannes Herr sei, sondern stille sei.“ Genug, daß wir allen Grund haben zu glauben, daß sie geblieben ist „im Glauben und in der Liebe, und in der Heiligung sammt der Zucht.“ Das sind die Stücke, die eine rechte Christin machen.

So wird uns wohl niemand Schuld geben, wir hätten aus Katharina eine Heilige machen wollen: sie dürfte weder in die Reihe der alten Heiligen der päpstlichen Kirche, noch unter die Heiligen modernen Zuschnitts passen. Wohl aber hat ihr Mann, von dem sie so gerne lernte, sie gelehret, daß sie, nachdem sie der falschen, selbstgemachten, mönchischen Heiligkeit entflohen war, sich im Glauben an den, der uns von Gott zur Heiligung gemacht ist, getrost als eine Heilige betrachten dürfe. Und sodann hat es ihr an dem rechten Kennzeichen der Heiligen Gottes, an dem heiligen Kreuz und der Schmähung der Welt nicht gefehlt, und von dem Tage an, wo Luther sie zur Genossin seines Lebens ersah, bis auf diese Stunde, ist sie auch die Genossin der Schmach geworden, welche die Feindschaft wider das Evangelium oder ein Eifer aus Unverstand über das Haupt ihres Gatten ausschüttete. Aber eben deshalb bedarf sie auch keiner menschlichen Canonisation, denn sie ist selig gesprochen durch den Mund des, der da gesagt hat: „ Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Uebels wider euch, so sie daran lügen.“

Dieser von den Lästerungen blinder Gegner gewobene Heiligenschein umgibt Katharinens Haupt bis auf diesen Tag, und es ist als eine natürliche Gegenwirkung zu betrachten, wenn ihr gerade diese grund- und maßlosen Lästerungen bei den Gliedern unserer Kirche eine besondere Theilnahme erweckt haben, dessen nicht zu gedenken, daß von der dankbaren Liebe und Verehrung, mit welcher wir zu dem großen Lehrer Martin Luther aufblicken, sich unwillkürlich auch etwas auf die von ihm so werthgehaltene Genossin seiner Tage übertragen mußte. Aber eine vollendete Christin aus ihr zu machen und sie als ein leuchtendes Musterbild aufzustellen, kann uns deshalb noch nicht beikommen. Wir wissen dazu ja viel zu wenig von ihr: es sind nur einzelne, zerstreute und zufällige Züge, aus denen wir uns ihr Bild zusammensetzen müssen, und man weiß ja, wie vieldeutig solche einzelne Züge sind. Entscheidend für sie ist das in verschiedenen wichtigen Lebensmomenten ihr gegebene Zeugnis ihres Gatten. Demzufolge müssen wir sie für eine fromme, wohlgegründete Christin, für eine treue Gattin und Mutter, für eine unermüdlich thätige Hausfrau halten. Daß sie auch ihre Schwächen und Gebrechen gehabt, läßt sich voraussetzen, ihr Gatte bekennt es auch, obwohl mit dem Zusatze, er hätte allenthalben unter den Eheleuten größere gefunden, denn bei ihr. Sie scheint, nach einigen Aeußerungen zu schließen, von manchen ihrer Bekannten für etwas hochfahrenden und herrischen Sinnes gehalten worden zu sein, und ganz Unrecht ist ihr damit wohl nicht geschehn. Hatte sie doch Luther früher selbst in diesem Verdachte. Er hatte freilich für seine Person später darüber nicht zu klagen: ihm war sie ein gehorsames, unterwürfiges Weib, ja wie eine Magd, sagt er, habe sie ihm gedient. Aber er war auch eine Persönlichkeit, welche einen gebietenden Einfluß ausübte und der sich selbst Solche fügten, welche gern eine selbständige Stellung eingenommen hätten.

Wie hätte es Katharina nicht thun sollen, zumal da sie ihre Pflicht kannte. Es wäre also immerhin möglich, daß eine Ader der Hoffart in ihr gelegen hätte und sie gern mit ihrem Sinn durchgegangen wäre. Auch des Eindrucks kann man sich nicht entwehren, daß sie sich mit Haus- und Wirthschaftssorgen mehr beladen habe, als durchaus nothwendig und ihr gut gewesen sei. Aber was in dieser doppelten Hinsicht Unlauteres etwa an ihr war, das konnte das Läuterungsfeuer, in welches sie ihr Witwenstand führte, gewiß am besten ausschmelzen. Wie schmerzlich hat sie da ihre Abhängigkeit von Andern fühlen müssen, wie hat sie da lernen können ihr Herz frei machen von alle dem, woran es sich etwa gehängt hatte. Wenig nur wissen wir von ihrem Ende, aber das Wenige reicht aus, es als das Ende einer Christin zu bezeichnen, die in dem Herrn Gerechtigkeit und Stärke gefunden hatte, an deren Herzen die Ermahnung: „Und nun, Kindlein, bleibet bei ihm,“ nicht vergeblich erklungen war.

Die nachfolgenden einfachen geschichtlichen Mittheilungen, von denen aller Redeschmuck und jede verschönernde Zuthat absichtlich fern gehalten ist, werden den Leser in den Stand setzen, selbst zu urtheilen, ob das Bild Katharinens, wie wir es mit wenigen Umrissen hier gezeichnet haben, das echte sei oder nicht.

Zweites Kapitel. Katharinas Geburt, Herkunft, Jugend und Klosterleben.

1499 – 1523.

Die jetzt selbst im Bürger- und Bauernstande immer mehr verschwindende Sitte, daß Frauen silberne oder goldene Schaumünzen als Schmuck am Halse tragen, war ehemals weit verbreitet. Auch Katharina empfing von ihrem Gatten einen solchen Schmuck zum Geschenk, vielleicht an einem Geburtstage, und wie Luther durch die Wahl, welche er dabei traf, ebenso wie durch die Wahl seines Wappens, beurkundete, was in seinem Herzen lebte; so hat er dadurch zugleich, ohne es zu ahnen, den Geburtstag seiner Katharina, welchen wir ohnedem nicht kennen würden, dem Gedächtnis der Nachwelt überliefert. Diese Schaumünze, welche der im Jahre 1734 verstorbene Sächsische Hofprediger Gleich besaß und beschrieben hat, zeigte auf der einen Seite das von dem Herrn selbst auf sich gedeutete Vorbild der durch Moses in der Wüste erhöheten ehernen Schlange, (4. Mos. 21, 8. 9. Joh. 3, 14.) mit der Beischrift: serpenz exaltatus typus Christi crucifixi, d. i. Die erhöhete Schlange ein Vorbild des gekreuzigten Christus. Auf der Kehrseite: Christus am Kreuz mit der Beischrift: Christus mortuus est pro peccatis nostris, d. i. Christus ist gestorben für unsere Sünden. Auf beiden Seiten befanden sich aber zugleich auch die Randschriften: D. Mart. Luter Caterine sue dono d. hf. (dedit hanc figuram) und: que nata est anno 1499. 29. Jan., d. i. Dr. Martin Luther schenkte dieses Sinnbild seiner Katharine, – welche geboren ist im Jahre 1499 den 29. Januar.

So ist uns doch wenigstens Katharinens Geburtstag mit Gewißheit überliefert, während über ihren Geburtsort und ihre Abkunft nur schwankende Nachrichten vorhanden sind, und die Geschichte ihrer Jugendtage ganz in Dunkel gehüllt ist. Das steht fest, daß sie aus dem angesehenen Geschlecht derer von Bora stammte, welches in Steinlaußig, jetzt Mülden- oder Mildenstein, einem kleinen Rittergute und Dorfe im Bitterfelder Kreise, seinen Sitz hatte, und in seinem Wappen einen Löwen mit erhobener Tatze im goldenen Felde führte, den Helm mit einer Pfauenfeder geschmückt. Des Vaters Taufname ist unbekannt geblieben, die Mutter hieß Anna und stammte aus dem alten adligen Geschlechte von Haugwitz. Ein Bruder Katharinas mit Namen Hans von Bora wird einigemal erwähnt, aber was man von einem andern Schwager Luthers, Bernhard von Bora, der als Amtshauptmann in Oels in Niederschlesien gelebt habe, sagt, scheint auf Verwechselung zu beruhen. War Katharina, wie man annehmen darf, in Steinlaußig geboren und hat sie dort ihre Jugendjahre verlebt; so ließe sich erklären, wie bereits frühzeitig ein Keim echt evangelischer Frömmigkeit in ihr Herz gelegt worden sei. In dem dortigen Barfüßerkloster lebte als Prior ein frommer und gelehrter Mönch Dr. Fleck, welcher bei der Einweihung der Universität Wittenberg mit zugezogen worden war, damals schon Worte prophetischen Geistes über die junge Stiftung ausgerufen hatte, und Luthers Sätze wider den Ablaß, als er sie im Klostersaale angeschlagen fand, mit den jubelnden Worten empfing: „Ho, ho, der wirds thun, er kommt, auf den wir lange gewartet haben.“ Könnte von diesem Manne, den Luther hochachtete, und ihn einen Mann erfüllt mit der Gabe des Trostes nennt, nicht auch ein Einfluß auf seine Umgebung ausgegangen sein?

Doch wir wissen davon nichts, wir wissen überhaupt nichts von dem, was in Katharina’s jugendlichem Gemüth vorgegangen sei. Wir finden sie in dem adligen Bernhardiner- oder Cisterzienserkloster Gottes- oder Marienthron zu Nimtschen bei Grimma, ohne zu wissen, wann und wie sie dahin gekommen sei, ob aus eignem Trieb, oder nach dem Willen der Eltern oder nach deren Tod durch die Umstände gedrängt. Die Klöster mußten häufig den unversorgten Kindern armer adliger Geschlechter ein Unterkommen gewähren, und mittellos scheint Katharinens Familie in der That gewesen zu sein; auch waren wohl die Eltern, da ihrer später nicht Erwähnung geschieht, frühzeitig gestorben.

Was aber auch Katharina ins Kloster geführt haben mochte, so dürfen wir wenigstens annehmen, daß es ihr mit ihrem Gelübde ein rechter Ernst gewesen sei, und es war sehr wichtig, daß sie dieselbe Schule durchlaufen mußte, in welcher ihr Ehegatte so entscheidende Erfahrungen gemacht hatte. „Wahr ist’s, ein frommer Mönch bin ich gewesen – durfte er später von sich sagen – und so gestrenge meinen Orden gehalten, daß ich’s sagen darf: Ist je ein Mönch gen Himmel gekommen durch Möncherei, so wollte ich auch hineingekommen sein. Das werden mir zeugen alle meine Klostergesellen, die mich gekannt haben, denn ich hätte mich, wo es länger gewährt hätte, zu Tode gemartert mit Wachen, Beten, Lesen und anderer Arbeit.“ Hat auch Katharina die schweren Kämpfe nicht durchgemacht, welche ihr Gatte hatte bestehen müssen; so wissen wir doch aus ihrem eignen Geständnis, wie hitzig und emsig und oft sie gebetet habe, so daß sie später selbst geneigt war, sich im Vergleich gegen früher der Kälte und Laxheit zu beschuldigen. Gewiß sie war eine fromme Nonne, wie Luther ein frommer Mönch. Aber sie sollte ihren Beruf noch besser kennen lernen.

Drittes Kapitel. Katharina entflieht aus dem Kloster.

April 1523.

Die hohen Klostermauern konnten das Eindringen der neuen Lehre nicht verhindern; denn für eine neue Lehre galt damals den altgewohnten Irrthümern und Mißbräuchen gegenüber die evangelische Heilslehre, deren Predigt in den Tagen der Reformation neu erscholl. Aber freilich nicht alle wußten sie recht zu fassen. Viele Bewohner der Klöster liefen aus denselben heraus, wie sie in dieselben hineingegangen waren, „um des Bauchs willen „, oder doch mit irrendem Gewissen. Um solchem Frevel und unbesonnenen Treiben zu wehren, die irrenden Gewissen aber aus Gottes Wort zu berichten, schrieb Luther, als er noch in der Verborgenheit auf seinem Pathmos, wie er die Wartburg nannte, saß, in lateinischer Sprache die Schrift: „Von den geistlichen und Klostergelübden Martini Luthers Urtheil“, welche von Dr. Justus Jonas ins Deutsche übersetzt wurde. In dieser Schrift richtete er zwar an alle die, welche Möncherei und Nonnerei verlassen und wieder zur Freiheit kommen wollten, um Gottes und Christi willen die herzliche Bitte, sie sollten „vor allen Dingen ihr Gewissen untersuchen und prüfen, und zusehen, daß sie nicht dieses Ding ansahen, allein etwas Neues zu thun oder aus Verachtung oder Haß der Menschen. Denn dieselben werden in der Stunde des Todes nicht bestehen, wenn ihnen der Satan wird Gewissen machen und sie anfechten, daß sie ihre Gelübde gebrochen, abgefallen, wider Gebot der Menschen gethan u. s. w.; sondern sie werden sich nach einer gottlosen Buße umsehen und wird das Letzte also ärger werden denn das Erste. Denn man muß sich da allein an die reinen klaren Worte Gottes stark und fest wissen zu halten und auch dem Gerichte Gottes damit entgegen gehen, so wir wissen, daß er wahrhaftig ist und sich selbst nicht verleugnen kann.“ Aber freilich die Klostergelübde selbst griff Luther mit so gewaltigen Gründen an, daß denselben nicht zu widerstehen war. Er zeigte, wie sie auf kein Wort gegründet, sondern dem Wort Gottes zuwider wären, denn sie seien stracks wider den Glauben, wider die christliche Freiheit, wider die Gebote Gottes der ersten und zweiten Tafel, auch wider die Vernunft. Er wies auch von den drei hauptsächlichen Gelübden, der Armuth, der Keuschheit und des Gehorsams nach, wie das gar nicht erreicht werde, was sie bezweckten, und wie namentlich der mönchische Gehorsam geradezu wider den Gehorsam sei, welchen Gottes Gesetz lehre.

Diese Schrift sprengte wie eine Petarde die festverschlossenen Klosterpforten und war doch zugleich ein treuer Gewissensrath, der aller falschen, fleischlichen Freiheit wehrte. Es war nicht zu erwarten, daß, was damals die ganze Welt bewegte, in den Klostermauern von Nimtschen hätte sollen verborgen bleiben. Es gehörte zu dem Gebiete des Kurfürsten Friedrich des Weisen, welcher dem Rathe Gamaliels folgend dem Reformationswerk zusah, wo es hinaus wollte, es zwar nicht öffentlich förderte, aber auch nicht hindernd eingriff. Dem Schauplatze der großen Begebenheiten lag es ganz nahe: die sächsischen Augustinerklöster waren der Mittelpunkt der Bewegung, und eins der wichtigsten war in der unmittelbaren Nähe von Nimtschen, in Grimma.

Schon im Jahre 1521 war ein Convent der Augustiner in Wittenberg abgehalten worden, worin beschlossen wurde, es solle dem Gewissen eines Jeden überlassen werden, ob er wolle im Kloster bleiben oder nicht. Die da blieben, sollten des gewöhnlichen Brauchs sich halten, die Bettelei solle abgethan werden und ein Jeder arbeiten, die gedungenen Messen sollten abgestellt werden u. s. w. Mehrere Klöster in der Umgegend waren bereits ausgehoben oder doch von den Mönchen verlassen. Diese Nachrichten, wie auch Luthers Schriften mußten ja nothwendig auch in Nimtschen Eingang finden, und so geschah es denn, daß neun der dort befindlichen Klosterschwestern, und unter ihnen unsere Katharina, sich zum Austritt aus dem Kloster entschlossen. Es ging dabei Alles ehrlich und ordentlich zu. Denn zuerst wendeten sie sich an ihre Eltern und Verwandten und baten aufs demüthigste, daß man ihnen möchte zu Hülfe kommen, indem sie mit vernünftigen und genugsamen Ursachen anzeigten, daß ihnen das Klosterleben der Seelen Seligkeit halben nicht länger zu dulden sei. Sie erboten sich dabei zu thun und zu leiden, was fromme Kinder thun und leiden sollen. Aber es wurde ihnen allen abgeschlagen. Nun erst scheinen sie sich mit der Bitte um Rath und Hülfe an Luther gewendet zu haben. Dieser hielt es für Christenpflicht, sich der Verlassenen anzunehmen, ihre Seelen und Gewissen zu erretten. Er wußte, daß viele vom Adel und Biederleute, der Sachen von Gottes Gnaden verständig, ihre Kinder oder Verwandten wohl gern aus den Klöstern hätten, und doch das Exempel scheuten, die erste Bahn zu brechen. Er hoffte daher, daß wenn sie sähen, wie eine Anzahl ehrbarer Jungfrauen unter Bewahrung von Zucht und Ehre die Bahn gebrochen hätten, sie auch muthiger zur Nachfolge werden würden. Um so wichtiger war es, solche Anstalten zu treffen, daß allen Lästermäulern „Ursache genommen werde, ihre lügenhaften Zungen mit frommen Kindern zu waschen.“ Darum sollten sie nicht einzeln, die eine hier die andere dahin fliehen, sondern zusammen und unter sichrem und ehrbarem Geleit ihre Flucht antreten. Er forderte daher den Torgauer Bürger und ehemaligen Rathsherrn und Amtsschöffer Leonhard Koppe auf, den Klosterjungfrauen zur Flucht behülflich zu sein, und dieser führte mit Beihülfe zweier anderer ehrbaren Torgauischen Bürger, seines Brudersohnes und Wolfgang Tommitzsch, die Entführung eben so vorsichtig als glücklich aus. Das Kloster Nimtschen hatte in und um Torgau liegende Gründe und darum war ohnstreitig zwischen beiden Orten viel Verkehr von Fuhrwerk. Der Weg aber ging durch das Gebiet des feindlich gesinnten Herzog Georg, und so war denn große Vorsicht nöthig. Koppe fuhr daher die entwichenen Nonnen aus einem bedeckten Wagen, als wenn er ledige Häringstonnen führe. Daß er sie in Häringstonnen versteckt habe, ist wohl ein Mißverständnis, wie es denn überhaupt an allerlei Ausschmückungen der Geschichte der Flucht nicht fehlt, die sämtlich in das Gebiet der Sage gehören.

In der Nacht vor Ostern wurde die Flucht bewerkstelligt, und am dritten Osterfeiertage langten die neun Klosterschwestern in Wittenberg an. Es waren außer Katharina: eine Verwandte des bekannten Lehrers Luthers Dr. Johann Staupitz, Margaretha von Staupitz, Elisabeth von Canitz, die beiden Schwestern Veronica und Margarethe von Zeschau, Nichten des gewesenen Priors der Augustiner in Grimma, Wolfgang von Zeschau, Laneta von Gohlis, Eva Groß, und die Schwestern Eva und Margarethe von Schönfeld.

Viertes Kapitel. Katharinens Aufenthalt im Hause des Stadtschreiber Reichenbach in Wittenberg.

April 1523 bis 1525.

Luther hatte herzliches Mitleiden mit dem armen Völklein der entronnenen Nonnen und schüttete in kräftigen Worten seinen Zorn aus über die Tyrannei, unter der sie geschmachtet hatten und andere noch schmachteten. Er sorgte aber auch auf alle Weise für ihre Zukunft. Zunächst wollte er es ihren Verwandten melden, ob diese sie aufnehmen wollten, wenn nicht, wollte er sie anders wo unterbringen, und es waren ihm auch deshalb schon von einigen Seiten Zusagen geschehn; auch gedachte er einige von ihnen zu verheirathen, wenn es anginge. Inzwischen handelte es sich darum, sie bis dahin anständig zu versorgen, und weil er zu der Barmherzigkeit seiner Wittenberger nicht sonderliches Zutrauen hatte, so bat er seinen Freund Spalatin, des Kurfürsten Secretair und Hofprediger, bei seinen reichen Hofleuten eine Collecte zu veranstalten. Auch den Kurfürsten könne Spalatin um einen Beitrag angehen. „O ich will es fein heimlich halten und niemand sagen – setzte er, auf des Kurfürsten rücksichtsvolle Aengstlichkeit anspielend hinzu – daß er mir selbst etwas für die abtrünnig gewordenen Klosterjungfrauen gegeben hat.“ Er für seinen Theil war so fest von der Rechtmäßigkeit der Flucht jener Nonnen und der ihnen dabei geleisteten Hülfe überzeugt, daß er es nur für wünschenswerth hielt, der Sache die möglichste Oeffentlichkeit zu geben. Darum richtete er an seinen Freund Leonhard Koppe ein Schreiben, welches er unter dem Titel: „Ursache und Antwort, daß Jungfrauen Klöster göttlich verlassen mögen,“ in Druck gab, in welchem er nicht allein die Handlung selbst aus Gottes Wort rechtfertigt, sondern auch den ganzen Hergang offen erzählt und die neun Nonnen mit Namen nennt, „denn – sagt er – was wir thun, das thun wir in Gott und scheuen uns des nicht im Licht.“

Uebrigens fand Luther doch auch in Wittenberg, wie es scheint, mehr Theilnahme und Hülfe für seine Schützlinge, als er gehofft hatte. Unserer Katharina wenigstens that sich in dem Hause des M. Philipp Reichenbach eine angemessene Zufluchtsstätte auf. Dieser Reichenbach war ein sehr achtbarer Rechtsgelehrter, wurde im Jahre 1525 Stadtrichter und 1530 Bürgermeister, auch Kurfürstlich Sächsischer und Herzoglich Sachsen-Lauenburgischer Rath und starb 1545. In seinem in der Bürgermeistergasse gelegenen Hause lebte Katharina zwei Jahre lang, bis zu ihrer Verheirathung und hatte das Zeugnis, „daß sie sich stille und wohl verhalten,“ – gewiß die einfachste und beste Widerlegung der gemeinen Schmähungen und Lügen, mit welchen die blinde Parteileidenschaft von Luthers alten und neuen Gegnern Katharinens guten Namen zu verdächtigen gesucht hat. Sie fallen auf das Haupt ihrer Urheber und leichtfertigen Verbreiter zurück und wir wollen diesen Gemeinheiten die Ehre einer Widerlegung nicht erweisen. Luther verfolgte seinen Plan, bei sich darbietender Gelegenheit seine Schützlinge zu verheirathen, auch hinsichtlich Katharinens. Es hatte sich in Wittenberg eine Zeitlang ein junger Nürnberger Patrizier aufgehalten, Hieronymus Baumgärtner mit Namen, später ein sehr angesehener Mann, im Jahre 1530 von seiner Vaterstadt als Gesandter auf den Reichstag zu Augsburg geschickt, fortwährender Freund von Luther, Melanchthon und Camerarius, welcher letztere auch sein Leben beschrieben hat. Dieser scheint zu Katharina eine Neigung gefaßt und auch Erwiderung gefunden zu haben, ohne daß es jedoch zu einer Erklärung und Entscheidung kam. Als daher Luther im Jahre 1524 einmal (d. 24. October) an Baumgärtner schrieb und ihm einen jungen Menschen, der sich nach Nürnberg wenden wollte, empfahl, fügte er die gelegentliche Bemerkung bei: „Wenn du übrigens deine Katharina noch haben willst, so thue dazu, ehe sie einem andern gegeben wird, der zuhanden ist. Sie hat die Liebe zu dir noch nicht überwinden können. Ich würde sie mit beiden gleich gern verbunden sehn.“ War nun aber Baumgärtners Neigung zu Katharina nicht tief genug, oder war die Zeit für ihn noch nicht gekommen, zu einer Heirath zu schreiten, genug er scheint keine weitern Schritte gethan zu haben[iii]. Der Andere, von welchem im Briefe die Rede ist, war jedenfalls Dr. Caspar Glatz, Vicarius des Archidiaconats an der Schloßkirche zu Wittenberg und Pfarrer zu Orlamünda. Aber Katharina soll demselben durchaus abgeneigt gewesen sein, und ihre Ahnung hätte sie in diesem Falle nicht betrogen. Schwerlich würde die Verbindung mit diesem Manne eine glückliche gewesen sein, denn Glatz war ein Hitzkopf und verwickelte sich in Streitigkeiten, welche im Jahre 1537 seine Amtsentsetzung herbeiführten. Es wird erzählt, Katharina sei in der Zeit, als Luther damit umgegangen, sie an Glatz zu verheirathen, zu Amsdorf gekommen und habe zu ihm gesagt: sie wisse, daß er Luthers vertrauter Freund sey, drum bitte sie ihn, diesen auf andere Gedanken zu bringen. Wenn er selbst oder Luther sie zur Ehe begehrten, wolle sie sich nicht weigern, aber den Dr. Glatz könne sie nicht nehmen. Wenn diese Erzählung schon ohnehin etwas unwahrscheinlich klingt und nicht aus ganz zuverlässiger Quelle stammt; so ist die Folgerung, welche der Erzähler daraus macht, als wenn Luther durch diese Aeußerung bestimmt worden sei, Katharinen zu ehelichen, noch viel unwahrscheinlicher, denn erstlich dachte Luther damals (im Herbste 1524), überhaupt noch gar nicht an das Heirathen und sein späterer Entschluß, womit er auch seine nächsten Freunde aufs höchste überraschte, war jedenfalls ein schnell gereifter, und sodann war er nach seinem eignen Geständnis der Katharina anfangs gar nicht zugeneigt. „Wenn ich vor dreizehn Jahren hätt wollen freien – sagte er einmal später bei Tische – so hätte ich Eva Schönfeldin genommen, die jetzt der Dr. Basilius, der Medicus in Preußen, hat. Meine Käthe hatte ich dazumal nicht lieb, denn ich hielt sie verdächtig, als wäre sie stolz und hoffärtig,“ Aber er konnte auch hinzusetzen: „Aber Gott gefiel es also wohl; der wollte daß ich mich ihrer erbarmte. Und ist mir, Gott Lob, wohl gerathen. Denn ich habe ein fromm, getreu Weib, auf welche sich des Mannes Herz verlassen darf, wie Salomo sagt Sprüchw. 31, 11. Sie verdirbt mir nichts,“

Sehen wir zu, wie Luther that, was er zuvor selbst nicht gedacht und gewollt.

Fünftes Kapitel. Katharina wird Luthers Ehefrau.

Den 13. Juni 1525.

Niemand kann den Ehestand höher in Ehren halten, als Luther that, aber eben darum konnte er sich selbst schwer dazu entschließen. Und doch lag ihm daran, seine Lehre durch sein Beispiel zu bestätigen und darum hatte er sich fest vorgenommen, wenn er einmal unversehens erkranken sollte, dem Ehestand zu Ehren sich noch auf dem Todtenbette ein frommes Mägdlein antrauen zu lassen. Das jetzt bereits zu thun, konnte er sich nicht entschließen. Seine Freundin, die gelehrte Argula von Staufen, Gemahlin des fränkischen Ritters von Grumbach, hatte ihn aufgefordert, in die Ehe zu treten. Er ließ ihr aber sagen, er sei zwar in der Hand Gottes als sein Geschöpf, dessen Herz Er ändern und wieder ändern, tödten und lebendig machen könne alle Augenblicke und Stunden; aber wie sein Herz bis daher gestanden habe und noch stehe, werde nichts draus werden, daß er ein Weib nehmen solle. Nicht daß er sein Geschlecht und Fleisch nicht fühle, er sey auch nicht von Holz und Stein; aber sein Sinn stehe nicht auf das Heirathen, weil er täglich den Tod eines Ketzers erwarte. Er wolle zwar Gott weder ein Ziel seines Werkes setzen, noch auf seinem eignen Sinn bestehn, aber er hoffe, Gott werde ihn nicht lange leben lassen. Also schrieb er unter dem 30. Januar 1524. Und noch am 2. Juni des folgenden Jahres schrieb er an seinen Schwager Dr. Johann Rühel in Mansfeld, der auch Kurfürstlicher Mainzischer Rath war, mit Rücksicht darauf, daß er dem Kurfürsten den Rath gegeben hatte, sich in die Ehe zu begeben, nur so viel: „Und ob Seine Kurfürstliche Gnaden abermal würde sagen, wie ich zuvor auch gehört hab, warum auch ich nicht ein Weib nehme, der ich jedermann dazu reize, sollet ihr antworten, daß ich immer noch gefürchtet, ich sey nicht tüchtig genug dazu. Doch, wo meine Ehe Sr. Kurfürstlichen Gnaden eine Stärkung seyn möchte, wollte ich gar bald bereit seyn, Sr. Kurf. Gnaden zum Exempel vorherzutraben, nachdem ich doch sonst im Sinn bin, ehe ich aus diesem Leben scheide, mich in dem Ehestand finden zu lassen, welchen ich von Gott gefordert achte, und solls nichts weiter denn eine Verlobte Josephsehe seyn.“

So muß denn Luthers Entschluß sehr schnell gefaßt worden sein, denn am 13. Desselben Monats erschien er in Begleitung des Dr. Bugenhagen, Pfarrers an der Stadtkirche, des Malers Lukas Kranach und des Professors des kanonischen Rechts Dr. Johann Apel in der Wohnung des Pflegevaters Katharinens, des Stadtschreibers Reichenbach in der Bürgermeistergasse und warb bei demselben um Jungfrau Katharinen von Bora. Diese war so überrascht, daß sie nicht wußte, ob sie es für Ernst nehmen sollte; aber als sie sah, daß es so war, willigte sie ein. Inzwischen erschienen noch der Propst Dr. Justus Jonas und Kranachs Ehegattin, und waren mit den Uebrigen Zeugen, wie Bugenhagen sofort das Paar traute. Dies geschah Abends 5 Uhr.

Da man am Hochzeittage auf den Empfang von Gästen nicht gefaßt war, so wurde Tags darauf für einige wenige Freunde ein kleines Mittagsmahl veranstaltet. Der Rath der Stadt Wittenberg ließ Glück wünschen und schickte vierzehn Maß verschiedenen Weines als ein Ehrengeschenk. Noch heute ist diese Ausgabepost in den Kämmereirechnungen der Stadt zu lesen, und der Curiosität halber mag sie hier einen Platz finden:

  • 20 gr. vor ein Stübchen (- 4 Kannen oder Quart) Malvasier, das Quart zu 5 gr.
  • 6 gr. vor ein Stübchen Rheinischen Wein.
  • 7 gr. vor 6 Kannen Franken-Wein, das Quart zu 14 pf. D. Martino auf sein Gelöbnis verehret, Mittwoch nach Trinit.

Ob Ringe oder Malschätze bei der Trauung gewechselt wurden, wissen wir nicht, denn die noch jetzt vorhandenen Trauringe Luthers und Katharinas sind erst später verfertigt worden und zwar auf Bestellung und Kosten des gelehrten Nürnberger Patriciers Wilibald von Pirckheimer durch den berühmten Maler Albrecht Dürer, welcher von Hause aus ein Goldschmidt war. Beide waren Freunde und Verehrer Luthers. Der Ring Luthers welcher gegenwärtig auf der Herzoglich Braunschweigischen Bibliothek in Wolfenbüttel aufbewahrt wird, ist ein kunstvoll gearbeiteter großer Doppelring, mit einem Diamant und Rubin gefaßt in einem hohen nach oben sich verjüngenden Kasten, der sich eben so wie der Reif in zwei Theile zerlegen läßt und auf seinen innen zusammenfassenden Seiten die Anfangsbuchstaben beider Ehegatten MLD und CVB zeigt, während die beiden Theile des Reifs auf der innern Seite die Worte enthalten: WAS. GOT. ZU. SAMEN. FIGET. SOL. KEIN. MENSCH. SCHEIDEN. Der Ring Katharinens, der durch viele Hände gegangen und dessen gegenwärtiger Besitzer nicht sicher bekannt ist, hat in einem runden kegelförmigen Kasten einen ziemlich großen Rubin und besteht aus einem Haupt- und zwei Nebenreifen, die fest mit einander verbunden und rings herum mit Vorstellungen aus der Leidensgeschichte Jesu in durchbrochener und erhabener Arbeit verziert sind, worunter sich besonders die bis zu den Muskeln ausgearbeitete Figur des Gekreuzigten auszeichnet. Inwendig im Hauptreife stehen die Namen Luthers und Katharinens und innerhalb des einen Nebenreifs das Datum des eigentlichen Hochzeittages 13. Juni 1525.

Luther hatte keinem auch seiner nächsten Freunde zuvor etwas davon gesagt. Warum er dies that und weshalb er so in der Stille und eilig Hochzeit hielt, hat er uns selbst erklärt, indem er einmal sagte: „Ich rathe, wenns Verlöbnis geschehn ist, daß man aufs allererste das Beilager und öffentlichen Kirchgang halte. Denn die Hochzeit lange aufziehn und ausschieben: ist sehr gefährlich, weil der Satan gern Hindernis und viel Gewerres machet durch böse Zungen, Verläumder und von beider Theil Freunden. Wie mir geschah mit Magister Philipp und Eislebens (Johann Agricola’s) Hochzeit. Darum soll mans nicht verziehen, sondern nur flugs zusammenhelfen. Und wenn ich nicht alsbald und in der Stille hätte Hochzeit gehalten mit Vorwissen wenig Leute, so hätten sie es alle verhindert, denn alle meine besten Freunde schreien: „„Nicht diese, sondern eine andere.“„

Nun aber wollte Luther, um zu zeigen, wie er sich dessen was er gethan, vor der Welt nicht zu schämen habe, noch nachträglich eine öffentliche Hochzeitsfeier veranstalten und lud deshalb seine Freunde auf den Dienstag nach Johannis den 27. Juni zu einer „kleinen Freude und Heimfahrt“ – denn bis dahin blieb Katharina wahrscheinlich noch in ihres Pflegvaters Hause – ein. Wir haben unter Luthers Briefen eine ganze Anzahl von eigentlichen oder gelegentlichen Einladungsschreiben. Sie sind an die Gräflich Mansfeldischen Räche und Kanzler Johann Rühel, Johann Thür und Kaspar Müller, an Katharinens Retter, den Torgauer Bürger Leonhard Koppe, an den Kurfürstlichen Rath und Hofmarschall Dr. Johann von Dolzig und an drei alte bewährte Freunde, M. Georg Spalatin und Dr. Wenzeslaus Link, damals Prediger in Altenburg, sowie den Lic. Amsdorf, Pfarrer und Superintendenten in Merseburg gerichtet. Möge wenigstens einer dieser Briefe hier einen Platz finden. Es ist der an den Hofmarschall Johann von Dolzig unter dem 21. Juni gerichtete, dessen Original sich in den Händen des Herrn Kaufmann Binder in Stuttgart befindet. „Gnad und Fried in Christo. Gestrenger, ehrenfester, lieber Herr und Freund! Es ist ohn Zweifel mein abentheuerlich Geschrei für euch komen, als sollt ich ein Ehemann worden sein. Wiewohl mir aber dasselbige fast seltsam ist, und selbst kaum glaube, so sind doch die Zeugen so stark, daß ichs denselben zu Dienst und Ehren glauben muß, und fürgenommen, auf nähisten Dienstag mit Vater und Mutter, sampt andern guten Freunden, in einer Collation dasselbe zu versiegeln und gewiß zu machen, bitte derhalben gar freundlich, wo es nicht beschwerlich ist, wollet mich treulich beratten mit eim Willpret und selbst dabei seyn, und helfen das Siegel aufdrucken mit Freuden, und was dazu gehöret. Hiermit Gott befohlen, Amen. Am Mittwochen nach Viti oder Corporis Christi 1525.“

Wer von den Geladenen sich eingestellt habe, wissen wir nicht, jedenfalls werden die Eltern Luthers nicht gefehlt haben. Hatte ja doch der Sohn vornämlich dem Vater zu Ehren und nach dessen Wunsch sich in den Ehestand begeben[iv]. Der Eltern Katharinas geschieht keine Erwähnung; sie waren jedenfalls schon früher verstorben. Der nachmalige Prediger zu Fürth Johann Pfister, der damals unlängst aus dem Kloster getreten war und in Wittenberg studierte, erzählt selbst, daß er auf Luthers Hochzeit den Mundschenk gemacht habe. Hochzeitsgeschenke hatte sich Luther bei seinen Freunden verbeten, wenigstens spricht er dies in dem Briefe an Link ausdrücklich aus; aber der Rath der Stadt Wittenberg sandte auch zu diesem Tage ein Ehrengeschenk „auf seine Wirthschaft“, nämlich zwanzig Gulden Schreckenberger und ein Faß Eimbeckisch Bier, welches mit 2 Fl. 16 gr. 6 pf. in der Kämmereirechnung verrechnet steht[v], und von der Universität, welche ihren Ruhm und ihre Frequenz fast ganz Luthern verdankte, erhielt er einen großen silbernen, und stark vergoldeten Deckelbecher, welcher sich jetzt in der Universitätsbibliothek zu Greifswalde befindet. Er ist von getriebener Arbeit, mit dem Deckel drei Viertelellen hoch und wiegt 84 Loth. Auf dem Fuße befindet sich die Umschrift: DIE LÖBLICHE UNIVERSITET DER CHURF. STATT WITTENBERG VEREHRET DISES BRAUTGESCHENKE H. D. MARTINO LUTHERN UND SEINER JUNGFRAUW KETHE VON BORE ANNO 1527 DIE MARTIS POST FESTVM JOHANNIS BABTISTAE. Die blätterartigen Verzierungen sind Filigranarbeit, die um den obersten Theil sichtbaren Vögel und Zweige aber gestochen. Auf dem Deckel ruht ein kleines Gestell, auf welchem sich eine Weinrebe erhebt, die, wie es scheint, einen gespaltenen Granatapfel trägt; beides bekannte Sinnbilder des ehelichen Lebens und Kindersegens.

Sechstes Kapitel. Eheglück und Kindersegen.

1525 und 1526.

So war denn nun Katharina Luthers Ehegattin. Es war so wunderbar schnell gekommen, daß Luther, an die Einsamkeit seiner Klosterzelle und seines Studierzimmers gewöhnt, sich selbst in der ehelichen Gemeinschaft ganz fremd vorkam, was Wunder, wenn Katharina im täglichen Umgang mit dem Manne, dessen Name damals in Jedermanns Munde war, anfangs gar schüchtern und befangen war. Luthers unausgesetzte Thätigkeit litt durch seine Verheirathung keine Unterbrechung, er war damals gerade sehr eifrig mit einer Schrift wider Erasmus beschäftigt, da saß nun Katharina neben ihm, wenn er studierte, und da sie nicht wußte, was sie reden sollte, fing sie wohl einmal an und fragte: „Herr Doctor, ist der Hofmeister in Preußen des Markgrafen Bruder?“[vi] – So erzählte er selber späterhin mit Lachen.

Da selbst manche von Luthers Freunden, wie der ängstliche Melanchthon, sich nicht darein zu finden wußten, wie Luther gerade in den damaligen schweren Zeitläuften[vii] diesen schnellen Schritt habe thun können; so bot er um so mehr seinen erbitterten Widersachern eine willkommene Gelegenheit dar, ihrer Galle gegen ihn Luft zu machen und wurde das Signal zu einer ganzen Fluth von Lästerungen, welche auf ihn losbrach, und so ergiebig ist diese trübe Quelle, daß noch bis auf diesen Tag ihr Schlammwasser nicht versiegt ist. Vergebens hatte man bis daher auf eine Blöße gelauert, um ihm beizukommen. „Diese deutsche Bestie achtet keines Geldes!“ riefen ärgerlich die feilen Italiener. Mit Ehrenstellen war er ebenso wenig zu locken. Jetzt glaubten sie seine Achillesferse entdeckt zu haben und richteten darauf alle ihre Pfeile. Seine Beweggründe lagen ganz außer ihrem Anschauungskreise, sie deuteten seinen Schritt nur nach ihrem unsaubren Herzen und den sie umgebenden Beispielen. Dazu kam das Kühne und Herausfordernde der That: „Welcher Frevel – konnten sie nun rufen – ein doppelter Bruch des heiligen Klostergelübdes!“ Das mußte die Leute stutzen machen. Ging ja doch im Munde des Volks die Sage, der Antichrist sollte durch die Verbindung eines Mönchs und einer Nonne erzeugt werden.

Luther war zu klar und ruhig in seinem Gewissen und zu fest gegründet in Gottes Wort, als daß ihn solche Lästerungen hätten beunruhigen können. Er wußte, daß der Stand, in den er sich begeben, ein göttlicher Stand war, daß er mit dem Bruch seines Klostergelübdes zurückgekehrt war zu seinem Taufgelübde, welches durch jenes war verletzt worden; er war auch schon zu sehr daran gewöhnt, durch gute und böse Gerichte hindurch zu gehn. Das Letztere war natürlich bei Katharina nicht der Fall, und überdem mußten jene Lästerungen, wenn sie ihr zu Ohren kamen, das Frauenherz an der empfindlichsten Stelle verletzen. Und man that Alles, sie ihr zu Ohren zu bringen. Zwei junge Leipziger Theologen, M. Joachim von der Heyden, unter dem Namen Myricianus, und M. Johann Hasenberg, schrieben Sendbriefe, der eine in deutscher Sprache an Katharina, der andere in lateinischer Sprache an beide Ehegatten, in welchen sie neben vielen Schmähungen auch die Aufforderung an Luther richteten, Katharinen wieder ins Kloster zurückzusenden und selbst in den Schoß der Kirche zurückzukehren, und zugleich diese ermahnten, von ihrem Verführer und aus Wittenberg zu fliehen und sich wieder zu Christo als ihrem Bräutigam zu wenden. Dachten sie nun, Luthern oder Katharina damit einzuschüchtern oder zu erweichen, kurz sie hatten, ich weiß nicht soll man sagen die Unverschämtheit oder die Beschränktheit, diese Ermahnungsschreiben oder richtiger Pasquille, durch einen eigenen Boten Luthern ins Haus zu schicken. Aber sie ernteten von ihrem zudringlichen Eifer nur derben Spott, und selbst unter Luthers Gegnern schämten sich viele solcher Schriften und ihrer thörichten Verfasser.

Wir dürfen annehmen, daß Katharina reif genug an evangelischer Erkenntnis gewesen sei, um sich durch das Zetergeschrei solcher Gecken nicht in ihrem Gewissen irre und durch dergleichen Schmähungen nicht bange machen zu lassen. Und was die Wahl ihres Ehegatten betraf, so mußte es ihr gewiß überaus wohl thun, wenn sie nun im täglichen Umgang sah, wie der Mann, zu dem sie bisher gewiß nur mit Verehrung und einer gewissen ehrfurchtsvollen Scheu aufgeblickt hatte, neben seiner Glaubenskraft und tiefen Erkenntnis ein so weiches, kindliches Gemüth besaß, zu Scherz und Ernst gleich geneigt war und inmitten seiner angestrengten Studien und Sorgen für die Kirche Gottes auch an den kleinen Dingen des Hauses und Lebens kindlich und herzlich Theil nahm. Wenn gleichwohl in dem Verhältnis zu ihm die Ehrerbietung vorherrschte, wenn sie ihn Herr nannte und sich ihm in einer Weise unterordnete, die mit unseren dermaligen Begriffen von ehelicher Gemeinschaft vielleicht nicht ganz stimmt; so erklärt sich dies, wenn nicht schon aus der Sitte der damaligen Zeit, so doch aus der Natur des ganzen Verhältnisses, und macht gewiß Katharinen nur Ehre.

An dieser Ehe bewahrheitete sich fürwahr das Wort: „Ehen werden im Himmel geschlossen.“ Vor Menschen Augen ging es dabei nicht ohne Uebereilung zu, und man kann sich denken, wie kluge Leute den Kopf dazu geschüttelt haben. Auch hat es den Schein, als ob die eigene Neigung sehr wenig dabei in Frage gekommen wäre. Und doch ward es eine glückliche Ehe im vollsten Sinne des Worts. Es ist tief im weiblichen Wesen begründet, daß eine Frau dessen gewiß sein will, daß sich der Mann in ihrer Gemeinschaft glücklich fühlt. Das ist ihre Ehre und Freude, deren Mangel sich durch nichts anderes ersetzen läßt. Katharina genoß diese Ehre und Freude im reichsten Maße. Das bezeugen uns die zahlreichen Aussprüche Luthers in seinen Briefen, wie im Gespräch mit Katharina und seinen Freunden, und diese Aussprüche tragen um so mehr das Gepräge der Wahrheit an sich, als sie durchaus nichts Ueberschwengliches an sich haben, vielmehr es ganz offen zugeben, wie auch die beste Ehe auf Erden ihre Gebrechen an sich trage.

Hören wir zuvörderst einige von den vielen Lobsprüchen, welche Luther dem Ehestande überhaupt zollt. „Es ist keine lieblichere, freundlichere, noch holdseligere Verwandtnis, Gemeinschaft und Gesellschaft, denn eine gute Ehe, wenn Eheleute mit einander in Friede und Einigkeit leben. Wiederum ist auch nichts Bitterers, Schmerzlichers, denn wenn das Band von einander getrennt und geschieden wird. Nach welchem ist der Kinder Tod, wenn die sterben, welches ich versucht und erfahren habe.“ – „Wer guten Frieden und Gemach im Ehestande hat, das ist nächst Gottes und seines Wortes Erkenntnis die höchste Gnade und Gabe von Gott. Denn man findet viel störrige und wunderliche Eheleute, die weder nach den Kindern fragen, noch einander herzlich lieb haben. Solche Leute sind nicht Menschen.“ -“Die höchste Gnade und Gabe Gottes ist ein fromm, freundlich, gottesfürchtig und häuslich Gemahl haben, mit der du friedlich lebest, der du darfst all dein Gut und was du hast, ja dein Leib und Leben vertraun, mit der du Kinderlein zeugest. Gott aber stoßet ihrer viel in Ehestand, ohn ihren Rath, ehe sie es recht bedenken und thut wohl daran. Käthe du hast einen frommen Mann, der dich lieb hat, darum du, wie andere fromme Weiber, bist eine Kaiserin, erkenne es und danke Gott. Aber zu einem solchen Stande gehört eine fromme und gottesfürchtige Person.“ – „Die Welt hat nach Gottes Wort keinen lieblichem und freundlichem Schatz auf Erden, denn den heiligen Ehestand, welchen er selber gestift, erhält und für alle Stände gezieret und gesegnet hat, daraus nicht allein alle Kaiser, Könige und alle Heiligen, sondern auch der ewige Sohn Gottes, doch auf eine andere eigne Weise, geboren ist. Darum wer dem Ehestande zuwider ist und redet übel davon, der ist gewiß aus dem Teufel.“ – „Ich bin, bleibe und sterbe im Lob des heiligen Ehestandes.“

Wenn wir auch nur diese Aussprüche kennten, so reichten sie hin. So kann doch wohl nur einer reden, der das Glück des ehelichen Lebens aus eigner Erfahrung kennen gelernt hat. Daß dies bei Luther wirklich der Fall, bezeugen uns aber auch viele andere Worte aus seinem Munde. Zu allen Zeiten hat er seiner Ehefrau das ehrenvollste Zeugnis gegeben. „Es grüßt dich Kethe, meine Rippe und dankt dir, daß du sie mit einem so liebreichen Briefe beehrt hast. Sie selbst befindet sich, Gott sey Lob, wohl und ist mir folgsam und in Allem zu Willen und mehr nütze, als ich zu hoffen gewagt hätte, Gott sey Dank, so daß ich meine Armuth nicht mit eines Krösus Schätzen vertauschen möchte.“ So schrieb er ein Jahr nach seiner Verheirathung, als er einem Freunde die Geburt seines ersten Söhnchens meldete. Und dasselbe Zeugnis gibt er ihr, wie wir später hören werden, noch in seinem Testament. Gegen andere Freunde sagte er von seiner Ehefrau: „Er achte sie theurer denn das Königreich Frankreich und der Venediger Herrschaft, denn ihm ein frommes Weib von Gott geschenkt und gegeben wär, wie er auch ihr. Zum Andern: Er hörete viel größere Gebrechen und Fehler allenthalben unter Eheleuten seyn, denn an ihr erfunden würden. Zum Dritten: Das wäre überflüssige Ursache genug, sie lieb zu haben und werth zu halten, daß sie Glauben und sich ehrlich hielte, wie einem frommen, züchtigen Weibe gebühret.“ Sehr wichtig ist uns auch, was uns ein langjähriger Freund und Hausgenosse Luthers, der als Dr. theol. zu Freiberg verstorbene Hieronymus Weller berichtet, wie er nämlich zum öftern aus Luthers Munde vernommen: Er wünsche sich von Herzen Glück, daß ihm Gott eine so passende, bescheidene und kluge Frau geschenkt habe, die so vortrefflich für seine Gesundheit sorgen, sich so verständig in seine Art und Weise schicken und seine Fehler und Schwächen so still tragen könne. Denn er selbst, mit so vielen Arbeiten, Geschäften und Anfechtungen beladen, konnte wenig auf seine Gesundheit Rücksicht nehmen[viii].

Weil Luther diese sorgsame Pflege seiner Katharina zu schätzen wußte, ließ er sie denn auch wieder gewähren, und schonte seiner, wo er es konnte. Im Herbste des Jahres 1525, im ersten Ehejahre, war die Erbitterung unter den Feinden Luthers wieder einmal sehr groß und es hatten sich namentlich mehrere Adlige wider ihn verschworen, weil er aus einem Kloster in Herzog Georgs Landen zehn Nonnen hatte entführen lassen. In dieser Zeit hielt sein nächster Freund Spalatin seine Hochzeit. Sehr gern wäre Luther dabei zugegen gewesen und er hätte vielleicht für seine Person der Gefahr nicht geachtet; aber er ließ sich durch die Bitten und Thränen seiner Käthe zurückhalten.

Nicht wenig wurde Katharina’s und Luthers Eheglück durch den Kindersegen erhöht, welchen Gott ihnen schenkte. Am 7. Juni 1526, welcher Tag im Kalender heißt Dat d. i. er gibt, kam der Erstgeborne zur Welt. Mit freudiger Hoffnung hatten die Eltern seiner Ankunft entgegen gesehn und dem Mansfeldischen Kanzler Caspar Müller wurde bereits in einem Briefe unter dem 26. Mai eine Pathenstelle angekündigt, mit dem Bedeuten jedoch, er möge sich, weil es zu lang werden würde, erst einen Boten zu senden, eine Person zur Vertretung wählen, doch also, daß er den Namen und die That der geistlichen Vaterschaft habe. Das um 3 Uhr Nachmittags geborene Kind ward bereits um vier Uhr durch den Diaconus M. Georg Rörer getauft und als gegenwärtige Taufpathen werden angegeben: Dr. Bugenhagen, Dr. Justus Jonas und Lukas Kranach. Ein anderer Bericht fügt noch den Kursächsischen Vicekanzler und Bürgermeister Dr. Christian Beier, der im Jahre 1530 zu Augsburg das gute Bekenntnis so kräftig vorlas, und die Ehefrau des Bürgermeisters Hans Hohlfeld hinzu. Das Kindlein empfing den Namen Johannes, wahrscheinlich seinem Großvater zu Ehren, obwohl dies auch der Name seines erstgenannten Pathen war.

„Kinder sind die lieblichsten Früchte und Bande der Ehe, die binden und erhalten das Band der Liebe,“ pflegte Luther zu sagen, und dieses Wort, aus Erfahrung gesprochen, sieht man in seiner eigenen Ehe bestätigt. Luther hatte die herzlichste Freude an seinem Söhnlein und dessen Gedeihen, und wie mußte nicht Katharinens Mutterfreude erhöht werden, wenn sie dies sah.

Siebentes Kapitel. Hauskreuz.

Neben den Freuden des Hauses fehlte es in Katharinens Ehe aber auch nicht am lieben Hauskreuz, des fremden Kreuzes, welches man allezeit mittrug, nicht zu gedenken. Insbesondere war das Jahr 1527 ein rechtes Leidensjahr.

Es war am 9. Juli dieses Jahres, einem Sonnabend, da hatte Luther eine jener schweren geistlichen Anfechtungen gehabt, davon er manchmal heimgesucht war, aber schwerer den je zuvor, und hatte vor Bugenhagen, den er hatte rufen lassen, als vor seinem Beichtvater, sein Herz ausgeschüttet, auch ausgesprochen, wie er nicht mehr lange gedächte zu leben. Und es war als sollte diese Ahnung schnell in Erfüllung gehen. Für den Mittag hatte er eine Einladung zu einigen gerade anwesenden adeligen Freunden erhalten, und obwohl er sie nicht annehmen wollte, that er es auf Katharinens Bitten endlich doch, denn sie dachte, es sollte ihm gut sein. Er aß und trank über Tisch sehr wenig, ließ sich aber nichts merken und war mit den Gästen fröhlich, so gut es gehn wollte. Nach Tische war er an zwei Stunden mit Dr. Jonas in seinem Garten und unterhielt sich mit diesem, lud ihn auch mit seiner Frau für den Abend zu Tische und legte sich inzwischen etwas nieder, um sich zu erholen. So fand ihn Jonas, als er Abends 5 Uhr kam. Luther wollte aufstehn, aber da überfiel ihn eine Ohnmacht, daß er kaum wieder ins Bett zu bringen war, und es war, als wenn er auf der Stelle seinen Geist aufgeben sollte.

Welche herrliche Reden Luther in dieser seiner Todesnoth geführt, und wie klar und kräftig da sein Glaube durch alle Schwächen und Gebrechen seiner Natur, die sonst etwa an ihm wahrzunehmen waren, hindurch leuchtete, haben wir hier nicht zu betrachten, wo wir es vorzugsweise mit Katharina zu thun haben. Aber auch Katharina’s Verhalten in diesen Angststunden war der Gattin Luthers würdig. Sie verlor die Fassung nicht und erschwerte die schwere Stunde ihrem Gatten nicht noch mehr durch übermäßigen Schmerz. Luther aber vergaß über der Kirche Gottes und dem Heil seiner Seele, worauf seine Gedanken und sein Gebet gerichtet war, auch seines treuen Weibes nicht. Er konnte wohl denken, wie schwer ihr sein Tod werden würde, und wie das schwache Weib die Lästerreden der Welt schwerer empfinden würde, wenn ihr die Stütze genommen wäre, die ihr Gott gegeben; darum sprach er zu ihr: „Meine allerliebste Käthe, ich bitte dich, will mich unser lieber Gott auf diesmal zu sich nehmen, daß du dich in seinen gnädigen Willen ergebest; du bist mein ehelich Weib, dafür solltu es gewißlich halten und gar keinen Zweifel daran haben; laß die blinde gottlose Welt dawider sagen, was sie will, richte du dich nach Gottes Wort und halte fest dran, so hast du einen gewissen, beständigen Trost wider den Teufel und seine Lästermäuler.“ Dann fragte er auch nach seinem Söhnlein und sprach: „Wo ist denn mein allerliebstes Hännschen?“ Und als das Kind zu dem Vater gebracht wurde und es ihn anlachte, sprach er: „O du gutes, armes Kindlein, nun ich befehle meine allerliebste Käthe und dich armes Waislein meinem lieben, frommen, treuen Gott! Ihr habt nichts, Gott aber, der ein Vater der Waisen und ein Richter der Witwen ist, wird euch wohl ernähren und versorgen.“ Darauf redete er weiter mit seiner Hausfrau von den silbernen Bechern und sprach: „Die ausgenommen weißest du, daß wir sonst nichts haben.“ Katharina war über diesen Reden und dem Aussehn ihres Gatten wohl sehr erschrocken; aber sie wußte sich zu fassen und gab die schöne Antwort: „Mein liebster Herr Doctor, ist’s Gottes Wille, so will ich euch bei unserm lieben Herrn Gott lieber denn bei mir wissen. Es ist nicht allein um mich und mein Kind zu thun, sondern um viel fromme, christliche Leute, die euer noch dürfen. Wolltet euch, mein allerliebster Herr, meinethalben nicht bekümmern, ich befehle euch seinem göttlichen Willen, ich hoffe und traue zu Gott, er werde euch gnädiglich erhalten.“

Und so geschah es auch, doch blieb Luther das ganze Jahr über kränklich, mehr im Gemüth leidend als am Leibe und erst gegen Ende des Jahres wurden seine Anfechtungen mäßiger. Dazu kam, daß in diesem Jahre die Pest in Wittenberg ausbrach und die Universität auf des Kurfürsten Befehl nach Jena verlegt wurde. Auch Luthern hatte der Kurfürst unter den 10. August auffordern lassen, sich mit Frau und Kind nach Jena zu begeben; aber er blieb nebst Dr. Bugenhagen, dem Stadtpfarrer und den beiden Diaconen allein zurück, „und doch nicht allein – schrieb er an einen Freund – Christus und eure und aller Heiligen Gebet sind zugleich mit den heiligen Engeln unsichtbar, aber kräftig bei uns.“ Welch eine schwere Zeit auch für Katharina, zumal da sie ihrer zweiten Niederkunft entgegen ging. Zwar war die Furcht vor der Pest schlimmer, als die Pest selbst; aber einigemal war’s schlimm genug. Luther war nicht der Mann, der sich gefürchtet und den Kranken entzogen hätte. Eine pestkranke Frau starb fast in seinen Armen. Die Gattin des einen Diaconus, in gleichem Zustande wie Katharina, wurde zu früh entbunden, das Kind starb und sie folgte ihm bald nach. Des treuen Hausarztes Dr. Augustin Schurs Ehefrau, die sich in Luthers Hause aufgehalten zu haben scheint, trug auch die Pest lange mit sich herum, genaß aber endlich. So auch der ehrliche Hans Luft, der Luthers meiste Bücher gedruckt hat. Einmal herrschte die Pest besonders in der Gegend des Elsterthors, wo sie wohnten; ja im November schien ihr Haus selbst zum Lazarett werden zu wollen. Katharina war sehr kränklich, Hänschen desgleichen, aß und trank viele Tage nichts, doch wars wohl nur von Zähnen, und eine junge Person, die mit im Haufe war, schien bereits eine Pestbeule an sich zu tragen. Doch blieb man in Luthers Hause getrost und feierte am 1. November dankend das Gedächtnis des vor 10 Jahren „zu Boden getretnen Ablasses“. Und siehe, alle Kranken genasen und am 10. Dezember ward Katharina von einem Töchterlein, Elisabeth, entbunden. „Als die Sterbenden – und siehe wir leben“, so kam sich Luther mit seinen Hausgenossen vor. Fünf Schweine waren der einzige Verlust, der sie traf, und sie waren sehr froh, daß die Pest mit dieser Steuer sich begnügte.

Mit dem Schlusse des Jahres ging die Pest selbst zu Grabe, die entflohenen Bürger kehrten haufenweise heim, am 29. kehrten die Magistratspersonen zurück und die Universität wurde in der Kürze erwartet. So ging auch diese schwere Prüfungszeit zu Ende.

Achtes Kapitel. Hausstand.

1528 und 1529.

Sehen wir uns nun auch, soweit es möglich, noch etwas näher in Katharinens Hause und Hausstande um. Sie wohnte mit ihrem Gatten im ehemaligen Klostergebäude, hart am Elsterthore gelegen. Dasselbe war von allen seinen Insassen verlassen worden. Luther hatte zuletzt mit dem Prior Eberhard Brisger allein darin gewohnt und sie hatten es fürs Beste gehalten, es dem Kurfürsten zu übergeben. Brisger ging als Pfarrer nach Altenburg, Luther aber blieb im Kloster wohnen, auch nach seiner Verheirathung. Er gedachte ja, wie er oft aussprach, nicht lange zu leben. Der Kurfürst aber schenkte ihm das Gebäude. Es war ein großes Haus, aber nur zum dritten Theil ausgebaut und es gehörte viel dazu, es in baulichem Wesen zu halten. An dem Hause war ein Klostergarten, den setzte Luther aufs neue in Stand und ließ sich dazu von den Erfurter und Nürnberger Freunden Sämereien schicken. Die großen Erfurter Rettige namentlich, die er von früher kannte, wünschte er gern seinen Wittenberger Freunden zeigen zu können. Wir sehen, Katharinens Gatte war bei seinem brennenden Eifer für des Herrn Haus und bei seiner unglaublichen Thätigkeit keiner jener Gelehrten, die für die kleinen Dinge des häuslichen Lebens gar keinen Blick, vielweniger Geschick haben. Luther hatte nicht bloß seine Freude an dergleichen, sondern er legte zu seiner Erholung selbst Hand mit an, drechselte zum Beispiel mit seinem Diener Wolfgang, und als ihm Freund Link aus Nürnberg eine künstliche Schlaguhr geschickt hatte, ruhte er nicht, bis er ihren Mechanismus verstanden hatte. So war er auch ein heiterer Tischgenosse, wenn ihm nicht schwere Gedanken im Sinn lagen. Da war es aber nun eben so schön, daß sich Katharina, wie ihr ihr Gatte selbst nachrühmt, so gut in seine Stimmung zu finden wußte. Mitunter freilich wurde sie auf schwere Proben gesetzt. Wenn Luther schwere Arbeiten vor hatte, so aß er Tagelang wenig oder nichts. Als er den zweiundzwanzigsten Psalm auszulegen sich vorgenommen hatte, soll er sich mit etwas Salz und Brod in sein Zimmer eingeschlossen haben und mehrere Tage nicht zum Vorschein gekommen sein. Am dritten Tage wußte Katharina in ihrer Unruhe sich nicht länger zu halten, und da er auf alles Klopfen und ängstliche Rufen nicht antwortete, ließ sie durch einen Schlosser die Thüre öffnen, und da fand sie ihn denn in tiefen Gedanken bei seiner Bibel sitzend. „Meinet ihr denn – antwortete er auf die liebreichen Vorwürfe Katharinens – es sei etwas Schlechtes, das ich vorhabe?“

Nächst der liebreichen Pflege ihres Gatten ließ sich Katharina auch die Fürsorge für das Hauswesen sehr angelegen sein, und es that dies um so mehr noth, als Luthers Haushalt sehr kostspielig, er selbst aber so überaus uneigennützig und freigebig war. Wir müssen das etwas genauer ansehn, um Katharinens Talenten und Leistungen als Hausfrau die gebührende Anerkennung zu zollen. Luthers Besoldung war nach dem damaligen Maßstab eine sehr ansehnliche, sie betrug 200 Gulden oder 175 Thaler jährlich. Im Jahre 1523, als er noch im Klosterverband lebte, hatte er nicht mehr denn neun alte Schock oder 22 Thaler 12 Groschen jährlich Besoldung, von der Stadt nicht einen Heller. Darum dachte er bei seiner Verheirathung daran, fürs Geld zu lesen; aber da ihm der Kurfürst aus eignem Antrieb eine so stattliche Besoldung gab, blieb es. Im Jahre 1536 wies ihm der Kurfürst Johann Friedrich noch 100 Scheffel Korn, das Malz zu zwei Gebräuden Bier und 60 Klaftern Holz aus dem Amte Wittenberg an. Das war aber auch Alles. Gebeten hat er bei seinen Kurfürsten wohl oft und mancherlei für seine Collegen und allerlei Leute, aber nie für sich auch nur um einen Pfennig; wohl aber hat er deren Geschenke oftmals dringend abgelehnt. „Ew. Kurf. Gnaden – schrieb er einmal – wollten nicht glauben denen, so da mich dargeben, als habe ich Mangel. Ich hab leider mehr, sonderlich von E. K. F. G., denn ich im Gewissen vertragen kann“ rc. Zwei Vermächtnisse, die er (im Jahre 1520) bald nach einander empfing, machten ihn ordentlich bange, Gott wolle ihn in dieser Welt belohnen, und er theilte bei dieser und andern Gelegenheiten das Geld mit seinen Freunden. Merkte er gar, daß hinter dem Geschenke besondere Absichten verborgen waren, so war er durchaus nicht zu bewegen, es anzunehmen. So schickte z. B. ein Bischof, wahrscheinlich der Erzbischof Albrecht von Mainz, seiner Frau durch einen Doctor 20 Goldgulden zum Geschenk, aber er nahm sie nicht, „denn den Namen – sprach er – habe ich Gott Lob behalten, daß ich nicht Geld nehme.“ Von seinen Freunden dagegen nahm er mit freundlichem Danke die mancherlei kleinen Geschenke an, mit denen sie ihm ihre Liebe zu beweisen suchten; allein er war immer darauf bedacht, sie zu erwidern, auch konnte er nichts gut für sich behalten: war’s ein Wildpret oder ein guter Tischtrunk, so mußten es Andere mit genießen, war es ein anderes Andenken, so wanderte es oft wieder weiter. Einmal hatte er irgend ein Geräth oder Trinkgeschirr aus Glas und Zinn erhalten, das mochte seinem Freunde Agricola wohl gefallen haben. „Ich schicke Dir’s – schrieb er ihm – ehe es einen andern Herrn bekommt, denn meine Käthe hat ihm auch schon sehr nachgestrebt.“ Aber als er es dem Boten übergeben wollte, mußte er bemerken, daß es Käthe richtig schon auf die Seite gebracht habe. So bat er denn den Freund in einer Nachschrift, sich zu gedulden, bis sie ins Kindbett komme – es war vor der ersten Niederkunft – da wolle er es schon wieder an sich bringen. Stand ihm sonst nichts zu Gebote, so beschenkte er seine Freunde mit feinen Schriften, denn einige Freiexemplare waren das Einzige, was er sich von den Druckern für seine Mühe geben ließ, und diese gingen ihm so schnell aus den Händen, daß ihm oft selbst keins übrig blieb. Er hätte sich durch seine Schriften viel Geld erwerben können, denn die Buchdrucker wollten ihm für seine Arbeit jährlich 400 Thaler geben, aber er gab zur Antwort, er wolle seine Gaben nicht verkaufen.

Und doch hätte er eine solche außerordentliche Einnahme wohl gebrauchen können, da er so außerordentliche Ausgaben hatte. Sein Haus und sein Beutel standen so zu sagen Jedermann offen. Wollten wir ein Verzeichnis derer anlegen, von denen wir nur zufällig wissen, daß sie auf längere Zeit die Gastfreundschaft des Luther’schen Hauses genossen haben, es würde nicht klein werden. Besonders hatte er fast immer Personen, die um des evangelischen Glaubens willen hatten fliehen müssen, auf längere Zeit in seinem Hause, darunter zuweilen hochgestellte, wie die Gemahlin des Kurfürsten Joachim von Brandenburg, Elisabeth, eine Schwester des Dänenkönigs Christian II., welche sich vor den Drohungen ihres um ihres evangelischen Bekenntnisses willen erbitterten Gemahls geflüchtet hatte, oder die Herzogin Ursula von Münsterberg, welche mit Zurücklassung ihres Einbringens von 1400 Gulden aus dem Kloster zu Freiberg arm entflohen war. Daß auf diese Weise, besonders auch wegen der größern Zahl der Dienstleute, welche gehalten werden mußten, in seinem Haushalt viel aufging, wußte er wohl[ix], aber er konnte es nicht ändern. Indem gab er von seiner Barschaft, so lange er nur geben konnte, und wenn es sich z. B. Darum handelte, einem bedrängten rechtschaffnen Bürger oder einem frommen und gelehrten Studierenden fortzuhelfen, und er hatte selbst nichts und wußte auch durch Fürsprache nichts zu erlangen; so sah er zu, wo er etwas geborgt bekommen konnte. Darüber kam er denn öfters in Geldverlegenheit, und seine Freunde Lukas Kranach und Dr. Christian Beier wollten ihn gar nicht mehr als Bürgen zulassen, damit er sich nicht für Andere ganz aufopfern sollte. Hatte er doch die silbernen Becher, die Ehrengeschenke oder Andenken von Freunden, die er besaß, verpfänden und im Jahre 1527 mehr als hundert Gulden Schulden machen müssen. Das große Hauswesen und die große Bereitwilligkeit zu geben und zu helfen, hätte Luthern wirklich erdrücken müssen, wenn nicht, wie wir nothwendig annehmen müssen, Katharina’s treue und geschickte Haushaltung das Gleichgewicht herzustellen gewußt hätte. Nie hören wir, daß sie der übergroßen Freigebigkeit und Gastfreundschaft ihres Gatten Schranken gesetzt[x], und niemals hat Luther, sogern er über ihre wirthschaftliche Geschäftigkeit scherzt, sie einer falschen Sparsamkeit beschuldigt; wohl aber gibt er ihrer hausmütterlichen Thätigkeit das beste Ehrenzeugnis, wenn er sagt: „Eine jegliche Person in der Ehe soll ihr Amt thun, was ihr gebühret. Der Mann soll erwerben, das Weib aber soll ersparen. Darum kann das Weib den Mann wohl reich machen, und nicht der Mann das Weib; denn der ersparte Pfennig ist besser, denn der erworbene. Also ist räthlich sein das beste Einkommen. Ich bliebe sonst billig im Register der Armuth; denn ich halte zu groß Gesinde.“ Die letzten Worte zeigen, daß Luther hier an sich selbst und sein eigen Hauswesen denkt.

Wie es Katharina angefangen habe, den Hausstand zu erhalten, können wir zwar so genau nicht angeben, wohl aber läßt sich manches vermuthen, namentlich, daß sie darauf bedacht gewesen, die Bedürfnisse des Hauses im Hause selbst zu erzeugen. Das war später wohl freilich mehr der Fall, als sie das Gütchen Zulsdorf mit bewirthschaftete; aber wir sahen im vorigen Kapitel, daß sie bereits im Jahre 1527 es sich muß haben angelegen sein lassen, den Haushalt mit Fleisch zu versorgen, da ihr in der Pestzeit fünf Schweine darauf gingen. Die auf dem Klostergebäude ruhende Braugerechtigkeit wurde ebenfalls benutzt, und das von seiner Käthe gebraute Hausbier bekam Luthern am besten. Dabei scheint sie sich die Unterhaltung des Hauswesens auch dadurch erleichtert zu haben, daß sie Kostgänger an den Tisch nahm, obwohl es sein kann, daß in manchen Fällen ein „Gott vergelts“ das ganze Kostgeld war[xi].

Weil Luther so deutlich sah, wie wohl Katharina ihrem Amte als Hausfrau vorzustehn wußte, darum ließ er denn auch Alles nach ihrem Willen gehn und gestand ihr gern die Herrschaft zu – nämlich im Haushalte, denn im Uebrigen war es sein Sprüchwort: „Weiberregiment nimmt nie kein gutes End.“ In diesem Sinne ist es denn auch nur gemeinet, wenn er vielfach scherzend von ihrer Oberherrlichkeit spricht und sie in den Briefen so oft „mein Herr Käthe“ rc. nennt; und wenn deshalb Manche im Ernste Katharinen der Herrschsucht beschuldigt haben, so widerlegt sich das einfach damit, daß Luther selbst ihr das Zeugnis eines gehorsamen Weibes gibt und ihre Willigkeit rühmt. Wie gut sich aber das Haus unter Katharina’s Regiment stand, werden wir später noch zu sehen Gelegenheit haben.

Diese treue und umsichtige Verwaltung eines so großen Hauswesens gereicht Katharinen um so mehr zur Ehre, da sie zugleich Mutter einer zahlreichen Familie war. Das in dem Angstjahre 1527 geborne Töchterchen Elisabeth war am 3. August 1528 wieder verstorben, und wenn selbst Luther in seinem Schmerze darüber bekennen mußte: „Hätt‘ ich es doch zuvor nimmer gedacht, daß den Vätern das Herz könne so weich werden gegen die Kinder“; so kann man sich denken, wie noch viel schwerer das weiche Mutterherz diesen Verlust empfand. Als Ersatz schenkte Gott den betrübten Eltern am 4. Mai 1529 ein anderes Töchterchen, Magdalena genannt, deren Pathen Dr. Nicolaus Amsdorf und die Ehegattin des nachmaligen Stadtrichters in Leipzig D. Johann Göritz wurden, wie wir aus den noch vorhandenen Gevatterbriefen sehen. Den erstem vertrat der Vicar des Propstes, Heinrich Dichlensis.

Neuntes Kapitel. Trennungszeiten.

1529 und 1530.

Luther wurde durch die mancherlei Geschäfte und Berathungen, zu denen er zugezogen wurde, oft genöthigt, abwesend zu sein. Da er nun so oft kränklich war und der Pflege seiner Gattin bedurfte, so mußten solche Zeiten für diese immer Zeiten der Sorge sein. Im Jahre 1528 und dem folgenden wurde er vorzüglich durch das Visitationsgeschäft im Kursächsischen und Meißner Kreise, an dem er selbst thätigen Antheil nahm, öfters veranlaßt, abwesend zu sein; doch gingen diese Reisen nicht zu weit und dauerten nicht zu lang. Von längerer Dauer war schon die Reise, welche Luther wegen der mit den Schweizertheologen anzustellenden Vergleichsverhandlungen im September 1529 nach Marburg unternehmen mußte; aber Katharina hatte die Freude, gute Nachricht von ihrem Ehegatten zu bekommen und ihn nach Verlauf von etwa drei Wochen glücklich heimkehren zu sehn.

Von längerer Dauer und mit mancherlei Sorgen verbunden war die Abwesenheit Luthers im Jahre 1530, welche dadurch veranlaßt wurde, daß der Kurfürst Johann mit dem Zunamen des Beständigen während der Dauer des Reichstags zu Augsburg, wohin er Luthern selbst nicht füglich mitnehmen konnte, diesen doch gern etwas näher bei sich haben wollte und ihn daher auf seinem Schlosse Coburg zurückließ, wo man Sonnabends vor Ostern eingetroffen war und das Osterfest gehalten hatte. Als Luther von Wittenberg abreiste, war darüber noch nichts bestimmt; er meldete es daher den Seinen, wo er seine Wohnung während des Reichstags aufgeschlagen habe, und da er seine Arbeitsmappe noch nicht erhalten und daher freie Zeit hatte, sich im Briefschreiben zu ergehen, so erzählte er seinen Tischgenossen von dem großen Reichstage, welchen die Krähen und Dohlen unter seinem Fenster hielten. Auch Melanchthon, welcher nebst Jonas und Agricola dem Kurfürsten nach Augsburg gefolgt war, gab der Gattin Luthers bald nach seiner Ankunft daselbst Nachricht darüber, wo sie letztern zurückgelassen hatten, und sein von den beiden andern Freunden mit einem eigenhändigen Gruß unterschriebenes Billet möge als ein Zeugnis, wie werthgehalten Katharina auch von ihres Mannes Freunden war, hier einen Platz finden:

Der Ehrbaren tugendsamen Frau Katharina Lutherin, Doctorin, meiner besondern günstigen Freundin.

Gottes Gnad und alles guts! Ehrbare, tugendsame Frau Doctorin. Ich füge euch zu wissen, daß wir nun, Gott gebe Gnad, bis gen Augsburg kommen sind, und haben den Herrn Doctor zu Coburg gelassen, wie er ohn Zweifel euch geschrieben hat. Ich hoffe aber in kurz bei ihm zu sein. Bitt euch, ihr wollet mir schreiben, wie es euch gehet und wie sich der Hauptmann des Korns halber erzeiget habe. Womit ich euch dienen kann, will ich mit allem Fleiß, wie ich mich schuldig erkenne, solches thun und ausrichten. Beide Canzler[xii] grüßen euch, und wünschen alles Gute. Gott bewahre euch. Datum Augsburg, Mittwoche nach Walpurgis.

Herzog Georg von Sachsen soll morgen oder übermorgen herein kommen. Der Kaiser ist noch fern, kommet aber.

Philippus

Liebe Gevatter. Auch wünschte ich euch, Hänschen Luther, und Magdalenchen und Muhme Lenen[xiii] viel seliger Zeit. Puffet (d. i. küsset) mir in meinen Namen meinen liebsten Jungen.

  1. Jonas.

Ich, Johann Agricola Eißleben, mein es auch gut, meine liebe Frau Doctorin.[xiv]

Wir hören aus Melanchthons Brief, daß er nur auf einen kurzen Aufenthalt in Augsburg rechnete, aber erst am 23. September konnte er von dort abreisen, und so währte denn auch Luthers Abwesenheit von Wittenberg über ein volles halbes Jahr. Gewiß eine recht schwere Zeit für Katharinen, zumal da Luther auch in Coburg oft kränklich war, ernstlicher selbst, als sie es vielleicht erfuhr, da er sogar mit Sterbensgedanken umging. Doch sie wußte ihn in Gottes Hand, dem sie ihn mit ihren Kindlein im Gebet täglich befahl, umgeben auch von den Gebeten vieler frommen Seelen, auf des Kurfürsten Befehl auch leiblich wohl versorgt und überdem in der Gesellschaft zweier treuergebnen Schüler[xv], denen es die Freunde wiederholt und dringend ans Herz legten, für die Gesundheit des theuern Mannes alle Sorge zu tragen. Auch gingen gar fleißig Briefe zwischen Coburg und Wittenberg hin und her, und wie Katharina, was daheim vorging, treulich berichtete, so empfing sie hinwiederum von ihrem Gatten nicht nur Nachricht über alles, was ihn selbst betraf, sondern er sorgte auch dafür, daß sie über die Vorgänge in Augsburg Kenntnis erhielt[xvi].

Neben der Sorge für den abwesenden Gatten lastete auf Katharinen auch die für den Hausstand, der auch in dieser Zeit sich nicht eben sehr einengte, da die Kostgänger blieben. Damit es ihr aber wenigstens nicht an einem männlichen Schutz fehlen sollte, ließ er die beiden Brüder Peter und Hieronymus Weller mit ins Haus ziehn, und der letztere, der Luthern auch deshalb besonders nahe stand, weil derselbe ähnliche geistliche Anfechtungen zu bestehen hatte, wie er sie kannte, unterrichtete zugleich das vierjährige Hänschen. Magdalenchen feierte in des Vaters Abwesenheit ihren ersten Geburtstag. Ihr Bildnis schickte Katharina ihrem Gemahl nach Coburg, und dieser hatte viel Freude darüber, wie einer von Luthers jungen Freunden, Veit Dietrich, ihr meldete. „Ihr habt ein sehr gut Werk gethan – schrieb er – daß ihr dem Herrn Doctori die Contrefactur geschickt habt; denn er über die Maßen viel Gedanken mit dem Bilde vergisset. Er hats gegen den Tisch über an die Wand geklebt, da wir essen in des Fürsten Gemach. Da er’s am ersten ansahe, konnt er sie lange nicht kennen. „„Ei – sprach er – die Lehne ist ja schwarz.“„ Aber jetzund gefällt sie ihm wohl und dünkt ihm je länger je mehr, es sei Lehnchen, sie sieht dem Hänschen über die Maßen gleich mit dem Mund, Augen und Nase. – Liebe Frau Doctorin, ich bitte, Ihr wollet Euch um den Herrn Doctor nicht härmen. Er ist Gott Lob frisch und gesund, hat des Vaters in den ersten zwei Tagen vergessen, wiewohl es ihm sauer ward.“

Luthers Vater war nämlich am 30. Mai fröhlich im Glauben verschieden und die am Pfingstfeste durch einen Brief aus Mansfeld eingegangene Nachricht hatte den Sohn sehr ergriffen, obwohl er es sich nicht merken ließ. Man mußte schon längst auf eine solche Nachricht gefaßt sein, denn schon im Februar war nach Wittenberg gemeldet worden, daß er tödtlich krank sei. Katharina hätte gern des alten Mannes aufs beste gepflegt und ließ mit Thränen bitten, er möchte sich doch, wenn es möglich wäre, nebst der Mutter[xvii] nach Wittenberg bringen lassen. Aber es war doch wohl nicht möglich. Außer diesem Trauerfall in der eignen Familie kam auch in befreundeten Familien in Wittenberg, namentlich im Hause des Dr. Jonas, in dieser Zeit Manches vor, was sie allein tragen mußte. Und doch verzögerten sich die Augsburger Verhandlungen und darum auch des Gatten Rückkehr von Monat zu Monat, und erst in der Mitte des October langte er zu Katharinens großer Freude gesund und wohlbehalten in Wittenberg an.

Zehntes Kapitel. Der Kinderkreis.

1531-1534.

Wir schreiten um zwei Jahre weiter vorwärts und finden am Martinstage des Jahres 1532 im Hause Luthers einen kleinen Freundeskreis versammelt. Der Pfarrherr von Wörlitz, Nikolaus Hausmann, ein von Luther um seiner Frömmigkeit hochgeehrter Mann, von dem er zu sagen pflegte: „Was wir lehren, lebt Hausmann!“ und welcher nach seinem Abgang von dem undankbaren Zwickau längere Zeit die Gastfreundschaft des Lutherschen Hauses genossen hatte, und auch sonst öfters als ein werther Gast von Katharina wohl verpflegt worden war, dieser Hausmann hatte im Namen der Fürsten von Anhalt ein wildes Schwein zum Geschenk geschickt, und nach seinem Wunsche und wie es die Sitte des Hauses mit sich brachte, mußten Luthers Freunde und Amtsgenossen, Melanchthon, Bugenhagen, Jonas und Kreuziger es mit verzehren helfen. Da wurde denn ein dreifacher Namenstag gefeiert, der des heiligen Martin von Tours, des Hausvaters und des jüngsten Söhnchens vom Hause. Der kleine Martin war im Jahre zuvor am 7. November geboren. Sein Pathe war der Kursächsische Kämmerer Johann von Riedesel. Wie es gewöhnlich geht, wendete sich diesem Jüngsten die elterliche Zärtlichkeit besonders zu. Darum sagte Luther, wenn er Gottes große Liebe beschreiben wollte: „Gott muß mir gewiß viel freundlicher sein und mit mir reden, denn meine Käthe mit ihrem Martinchen.“ Er fand diese Vorliebe aber auch ganz in der Ordnung und sprach: „Immer steigt der Eltern Liebe herab von den älteren Kindern zu den neugebornen und ist so groß und kräftig, daß je mehr sie der Eltern Hülfe und Wartung bedürfen, je fleißiger und sorgfältiger die Eltern ihrer warten. Drum ist mein Martinchen mein liebster Schatz, denn er bedarf meines Dienstes und Hülfe mehr, denn Johannes oder Magdalena, dieselben können nun reden und fordern, was sie wollen und ihnen noth ist, drum bedürfen sie so große Sorge nicht.“

In der Zeit jenes Familienfestes litt Katharina an Fieber und Schlaflosigkeit, und war bereits wieder guter Hoffnung. Es ging aber Alles gut und am 28. Januar 1533 wurde das fünfte Kind, der dritte Sohn geboren, wie Luther noch in derselben Nacht seinem Gönner und Freunde, dem biedern Erbmarschall von Sachsen Hans von Löser meldete, auf dessen benachbarten Stammsitz Reinharz er mit seiner Familie zuweilen die Freuden des Landlebens genoß. Er bat ihn nämlich, noch diesen Tag Pathenstelle bei seinem Kinde zu vertreten[xviii], und als dieser sich eingestellt, soll ihn Luther mit den Worten empfangen haben: „Gott sei Dank! ich werde nicht ermangeln, Euer Gestrengen in andern Sachen zu dienen; es ist heute ein neuer Papst geboren worden, deroselben helfet doch dem armen Schelm, daß er getauft werde.“ Dem Apostel Paulus zu Ehren ward das Kind Paul genannt, „Gott gebe ihm die Gaben und Gnade Pauli!“ sprach der Vater.

Im Frühjahr 1534 litt Katharine wieder an dem in Wittenbergs Niederungen so häufigen Wechselfieber und wurde noch überdem durch häufige Feuersbrünste geängstet, welche damals vorkamen. Doch hören wir nichts von nachtheiligen Folgen und gegen Ende des Jahres (d. 17. December) genas Katharina ihres sechsten Kindes, der Tochter Margaretha. Dem Fürst Joachim von Anhalt hatte Luther schon im Voraus eine Pathenstelle versprechen müssen. Außerdem wird noch der Superintendent Jakob Probst (Sprenger) als Pathe genannt, und diesem von Luther besonders werthgehaltenen Manne befahl er sein Töchterlein für den Fall seines Todes zum öftern an.

Das war also der Kinderkreis, der sich um Katharina sammelte und welcher auch die Herzen der Eltern immer enger verband. Daß ihre Auferziehung nicht ohne viel Mühe und Arbeit möglich gewesen sei, liegt auf der Hand, doch hören wir nicht viel von besonderen Krankheits- oder andren Nöthen im Hause. Von einem schweren Falle werden wir allerdings später reden und müssen; hier wollen wir nur erwähnen, daß im Jahre 1544, wo sämtliche Kinder die Masern durchmachen mußten, dieselben für das jüngste Kind, Margaretha, beinahe einen tödtlichen Verlauf genommen hätten, weil sich ein Fieber dazu gesellte. Es mußte aber die Freude an den Kindern Katharinen doppelt süß, und die Beschwerden mit denselben ihr um Vieles leichter werden, wenn sie sah, wie geduldig ihr Ehegatte die letzteren trug, und wie sehr sein Herz für die erstem empfänglich war. Einmal spielte und scherzte er mit seinem Töchterchen Magdalena und fragte sie: „Lenchen, was wird dir der heilige Christ bescheren?“ und setzte hinzu: „die Kinderlein haben so feine Gedanken von Gott, daß er im Himmel, ihr Gott und lieber Vater sey.“ Hierauf brachte ihm Katharina den kleinen Martin; da sprach er: „Ich wollte, daß ich in des Kindes Alter gestorben wäre, da wollt ich alle Ehre umgeben, die ich habe und noch bekäme in der Welt.“ Als er das Kindlein auf den Schoß nahm, verunreinigte es ihn, er aber sprach: „O wie muß unser Herr Gott manch Murren und Gestank von uns leiden, anders denn eine Mutter von ihrem Kinde.“ Einmal weinte und schrie an einem Neujahrstage ein Kind so, daß es Niemand stillen konnte, so daß es beiden Eltern wehe that und sie sehr bange wurden. Hinterdrein sprach Luther: „Das ist die Unlust und Beschwerung im Ehestande, um welcher willen Jedermann sich dafür scheuet, entsetzet und will nicht ehelich werden. Wir fürchten uns allzumal vor der Weiber wunderlichen Sinn, der Kinder Heulen und Schreien, vor großer Unlust und bösen Nachbarn und dergleichen.“

Trotz seiner großen Freude an der Kinder Thun und Wesen war Luther gegen die Kinder streng, namentlich hielt er dies bei den Söhnen für nöthig. Es mag dies wohl manchmal dem weicheren Mutterherzen zu viel geworden sein. Einmal wollte er seinen ältesten Sohn in drei Tagen nicht vor sich lassen und zu Gnaden annehmen, so daß mehrere Freunde des Hauses die Mutter bei ihrer Fürbitte unterstützen mußten. „Ich wollt lieber einen todten denn einen ungezogenen Sohn haben“ – gab ihnen Luther zur Antwort. St. Paulus hat nicht vergebens gesagt (1. Tim. 3, 4), „„daß ein Bischof soll ein solcher Mann seyn, der seinem Hause wol fürstehe und wol gezogene Kinder habe, auf daß ander Leute davon erbauet, ein gut Exempel nehmen und nicht geärgert werden. Wir Prediger sind darum so hoch gesetzt, daß wir Andern ein gut Exempel geben sollen, aber unser ungerathene Kinder ärgern Andere; so wollen die Buben auf unsere Privilegien sündigen. Ja, wenn sie gleich oft sündigen und allerlei Büberei treiben, so erfahre ichs doch nicht, man zeiget mir nichts an, sondern man hälts heimlich für mir. Und gehet uns nach dem gemeinen Sprichwort: Was Böses in unsern eigen Häusern geschieht, das erfahren wir am allerletzten; wenns alle Leute durch alle Gassen getragen haben, so erfahren wirs erst. Darum muß man ihn strafen und gar nicht durch die Finger sehen, noch es ihm also ungestraft lassen hingehen.“„

Den Unterricht empfingen die Kinder im Hause durch einen eigenen Lehrer, doch bekümmerte sich der Vater auch darum und ließ es sich namentlich nicht nehmen, sie den Katechismus zu lehren, denn er pflegte zu sagen: „Ich, wiewohl ich ein alter Doctor der heiligen Schrift bin, bin ich doch nicht aus der Kinderlehre kommen und verstehe die zehn Gebote Gottes, den Glauben und das Vater Unser noch nicht recht. Ich kanns nicht ausstudieren noch auslernen; aber ich lerne noch täglich daran und bete den Katechismum mit meinem Sohn Hänschen und mit meinen Töchterlein Magdalenen.“

Eilftes Kapitel. Ein Blick in Katharinens geistiges Leben.

Wir haben keine Charakterschilderung Katharinens von einem Zeitgenossen, und wollen nicht durch künstliche Combination den Mangel an geschichtlicher Ueberlieferung zu ersetzen suchen; aber es sind uns doch einige kleine Züge bekannt, welche, wenn sie auch kein vollständiges Bild liefern, wenigstens einen Blick in ihr geistliches Leben thun lassen. Daß sie wirklich im Glauben gestanden und gelebt habe, möchten wir freilich bei Luthers Gattin ohnehin voraussetzen, aber es bürgt uns auch sein eigenes wiederholtes Zeugnis dafür. Er hatte ein fromm, treu Gemahl an ihr, welche nicht allein seinem Hauswesen wohl vorstand, sondern mit der er auch Alles besprechen konnte, wovon sein Herz voll war. An allem, was die Kirche Christi betraf, nahm sie von Herzen Antheil. Darum konnte sie sich z. B, gar nicht zufrieden geben, als ihr ein goldener Ring, ein Geschenk des Straßburger Theologen Wolfgang Capito, abhanden gekommen war, welchen sie mit ihrem Gatten als ein gutes Zeichen und Unterpfand der im Jahre 1536 mit den Oberländischen Theologen in Wittenberg abgeschlossenen Vereinigung in Betreff der langjährigen Streitfrage vom Sacrament betrachtete, bei welcher Vereinigung Capito mit gegenwärtig und thätig gewesen war.

Daß sie sich nicht ganz zu dem heldenmüthigen Glauben ihres Mannes erheben konnte und von ihm manchmal wegen ihrer Sorglichkeit getadelt wurde, wird ihr noch zu keinem Vorwurf gereichen. Wo es galt, hat sie als gute Christin die Probe bestanden. Als in dem Pestjahre Alles, was fliehen konnte, von Wittenberg floh, hielt sie nicht bloß nothgedrungen mit ihrem Manne aus, sondern sie blieb auch in den Tagen der größten Gefahr „tapfer im Glauben“, wie er ihr selbst mit Freuden nachrühmte.

Es geschieht wohl oft, daß unter den Sorgen und Arbeiten des häuslichen Lebens auch bei sonst frommen Personen eine gewisse Erschlaffung eintritt, das Gebet und andere geistliche Uebungen versäumt werden; zuweilen kann sich aber wohl auch ein gewissenhafter Christ in reifern Jahren nur darum in den Verdacht der Trägheit haben, weil er die lebhafte Gefühlsaufregung früherer Jahre nicht mehr bei sich verspürt. In einem oder dem andren Falle befand sich Katharina, wenn sie zu ihrem Gatten sprach: „Herr Doctor, wie kommt’s, daß wir im Papstthum so hitzig, emsig und so oft gebetet haben; jetzt aber ist unser Gebet so kalt, ja wir beten selten?“ Es war schon ein gutes Zeichen, daß sie offen diese Klage aussprach. Luther aber, der, obwohl selbst ein so überaus eifriger Beter, doch oftmals über des Fleisches Trägheit klagte und vielfach zum Gebet ermahnte, dabei aber auch aus Erfahrung wußte, was es mit dem Gebet in den Klöstern großentheils für eine Bewandtnis hatte, gab ihr den Bescheid: „Der Teufel treibt seine Diener immer fort, die sind mühselig und fleißig in ihrem Gottesdienst, aber der heilige Geist lehret uns und vermahnet uns, wie wir recht beten sollen. Aber wir sind so eiskalt und laß zum Gebet, daß es nirgend fort will.“ Ein andermal ermahnte er sie, daß sie fleißig Gottes Wort hören und lesen sollte und sonderlich den Psalter. Sie antwortete, daß sie es genug hörete und täglich viel läse und könnte auch viel davon reden; wollte Gott sie thäte auch darnach. Diese Antwort kam wohl wirklich aus einem aufrichtig demüthigen Herzen, welches erkennt, wie weit wir gemeiniglich mit dem Thun hinter dem Wissen zurückbleiben; doch versteckt sich auch leicht hinter solche Demuth eine geistliche Trägheit, die sich zum Umgang mit Gottes Wort nicht Zeit nehmen will. Es mag wohl seyn, daß Luther seine Katharina hiervon nicht ganz frei sprach, denn im October 1535 meldete er seinem Hausfreunde Dr. Jonas, in dem er über ihre mancherlei landwirthschaftlichen Beschäftigungen scherzte, daß sie über dem allen auch daran gegangen sey, die Bibel zu lesen, unter dem Versprechen von 50 Gulden, wenn sie vor Ostern damit zu Stande käme, und setzte dabei hinzu: „Ist großer Ernst da. Schon ist sie beim fünften Buch Mosis.“

Während Luther so auf der einen Seite bedacht war, seine Frau zum Eifer in den Werken christlicher Frömmigkeit zu ermuntern, ließ er es sich auf der andren Seite angelegen sein, sie auf den rechten Grund aller wahren Frömmigkeit, die Gerechtigkeit des Glaubens, zu verweisen. So legte er ihr einmal die prüfende Frage vor, ob sie auch glaube, daß sie heilig wäre? – Katharina antwortete, wie wohl Jeder antworten muß, wenn er nur auf sich sieht: „Wie kann ich heilig seyn? Bin ich doch eine große Sünderin.“ – Aber Luther wollte eben nicht, daß sie nur auf sich sehen sollte, und rief aus: „Sehet nur an den päpstischen Greuel, wie er die Herzen verwundet, Mark und alles Inwendige eingenommen und besessen hat, also daß sie nicht mehr sehen können, denn nur die äußerliche und persönliche Frömmigkeit und Heiligkeit, so ein Mensch für sich selber thut.“ Hierauf wendete er sich zu ihr und sprach: „Glaubst du, daß du getauft und ein Christ bist, so mußt du auch glauben, daß du heilig bist. Denn die heilige Taufe hat solche Kraft, daß sie die Sünden ändert und verwandelt, nicht daß sie nicht mehr fürhanden wären und nicht gefühlet würden, sondern daß sie nicht verdammen. Der Taufe Wirkung Kraft und Macht ist so groß, daß sie alle Anfechtung aufhebt und wegnimmt.“ – So hatte denn Katharina an ihrem Gatten einen Rathgeber für das geistliche Leben und eine Glaubensstütze, wie sie wenig Frauen gegeben ist; aber daß solcher Unterricht und solches Glaubensexempel bei ihr auch nicht vergeblich war, das zeigte sich am Besten dadurch, daß sie auch später, als sie allein stand, ihren Glauben nicht wegwarf, sondern durch Geduld und Hoffnung bewährte.

Zwölftes Kapitel. Häusliche Leiden und Freuden. Zulsdorf.

1537 – 1540.

Nach dem kurzen Blicke, den auf Katharinens inneres Leben zu werfen uns vergönnt war, kehren wir zu ihren äußern Lebensereignissen zurück, und treten da zunächst in eine recht angstvolle Zeitperiode ein, wo sie das, was neun Jahre später wirklich eintrat, im Voraus bereits durchleben mußte. Am 1. Februar 1537 trat Luther eine seiner häufigen Geschäftsreisen an, doch ging diesmal der Weg weiter, als in den letzten Jahren, und es stand eine längere Abwesenheit zu erwarten. Es versammelten sich nämlich die evangelischen Stände zu Schmalkalden, um daselbst einen Beschluß darüber zu fassen, was man hinsichtlich der allgemeinen Kirchen-Versammlung thun wolle, welche der Papst jetzt ernstlicher, wie es schien, in Aussicht stellte. Da waren denn viele Theologen mit dazu beschieden, und unter ihnen durfte natürlich Luther nicht fehlen, welcher als Unterlage der Verhandlungen Artikel entworfen hatte, die unter dem Namen der Schmalkaldischen bekannt sind. Es war darin festgestellt, an welchen Punkten man festhalten müsse und über welche man sich in Verhandlungen einlassen könne. Als männlichen Schutz ließ ihr Luther einen vertrauten Freund, der ihm später schweren Kummer machte, zurück, den Johann Agricola, welcher bis daher Pfarrer in Eisleben gewesen war, und jetzt mit Frau und Kind von Luther in seine Wohnung aufgenommen und von diesem so lange unterhalten wurde, bis er eine Professur erhielt. Wenn Katharina wegen dieser Reise ihres kränklichen Mannes in winterlicher Zeit in Besorgnis war, so wurde diese Besorgnis, nur allzusehr gerechtfertigt. Luther hatte in Schmalkalden wenig gesunde Tage und konnte nur in der ersten Zeit etwas thätig sein. Es waren Steinschmerzen, welche ihn heimsuchten und die, als sie schon überwunden schienen, nach einer am Sonntag Invocavit gehaltenen Predigt in einer solchen Heftigkeit wiederkehrten, daß er sich seines Lebens versah und Alle in die größte Bestürzung geriethen. Wie herzlich sehnte er sich da nach den Seinigen und wie schwer kam ihm der Gedanke an, Weib und Kinder nicht wieder zu sehn[xix], wenn es ihm schon gar wohl thun mußte, daß sein gnädiger Kurfürst unter andern Trostworten, die er an ihn richtete auch sagte: Wenn es ja Gottes Wille wäre, daß er ihn, wie er nicht hoffen wolle, hinwegnehmen würde, sollte er für sein Weib und Kind nicht sorgen. „Denn euer Weib – sprach er – soll mein Weib seyn und eure Kinder sollen meine Kinder seyn.“

Katharina hatte wohl keine Ahnung von der großen Gefahr, in welcher ihr theurer Gatte schwebte. Vier Briefe, die er an sie geschrieben, scheinen nicht angekommen zu sein. Der erste, von dem es sicher ist, daß sie ihn empfing, war bereits auf der Rückreise geschrieben. Nachdem Luther nämlich acht Tage lang Harnzwang gehabt und die furchtbarsten Schmerzen ausgestanden hatte, verlangte er dringend von Schmalkalden fortgeführt zu werden, und man mußte ihm den Willen thun. Und siehe da wider Alles Erwarten brachte die Bewegung der Reise eine günstige Wendung hervor und in der Nachtherberge zu Tambach bekam der arme Dulder Erleichterung. Sofort meldete er dies nicht bloß seinen in Schmalkalden zurückgebliebenen, um ihn bangenden und für ihn betenden Freunden, sondern auch von Gotha aus seiner lieben Hausfrau. Er besorgte, der Kurfürst werde bereits dem Landvoigt in Wittenberg Befehl gegeben haben, sie ihm entgegen zu schicken, falls er etwa unterwegs sterben sollte. Das meinte er, sey nunmehr nicht nöthig, Gott habe reichlich geholfen.

Allein es war noch nicht alle Gefahr vorüber: in Gotha kam ein heftiger Rückfall des Uebels und Luther wurde so todesmatt, daß er dem Dr. Bugenhagen seine letzten Aufträge ertheilte und sich völlig zum Tode bereitete. In den Grüßen, welche er seiner Ehefrau sagen ließ, liegt für diese zugleich die ehrenvollste Anerkennung dessen, was sie ihm gewesen war. „Grüßet auch meine Ketham – sprach er – daß sie wolle mit Geduld tragen meinen tödtlichen Abschied, und gedenken, daß sie mit mir zwölf Jahr in Friede und Freude gelebet. Sie hat zwar, wie ein frommes Weib, nicht allein meiner treulich gepflegt und gewartet, sondern mir auch wie eine Magd gedienet, Gott vergelte es ihr an jenem Tage, und Ihr, helfet sie auch versorgen neben meinen Kindern, wie es angehen will.“

Gott half jedoch noch einmal, und Katharina, welche ihrem Gatten, der langsam weiter reiste, und zuletzt noch bei seinem Freunde Spalatin in Altenburg ausruhte, wenigstens bis an diesem Ort entgegen gekommen sein muß, hatte die Freude, am 15. März ihn glücklich und gesund heimzubringen. So war er ihr denn aufs Neue geschenkt, ob wohl sich von jener Zeit an mehr und mehr die Annäherung des Alters und eine Abnahme der Kräfte zeigte. Auch sonst gab es manche Krankheitsnoth im Hause. Im Frühjahr 1538 lagen an dem in Wittenberg so häufig herrschenden Wechselfieber in Luthers Hause zwei Mägde heftig darnieder, während Martinchen und Paulchen kaum erst zu genesen anfingen[xx]. Im Jahr 1539 war wieder einmal die Pest in Wittenberg, schlimmer jedoch die Pestfurcht. „Ich halt – rief Luther unwillig aus – der Teufel hat die Leute besessen mit der rechten Pestilenz, daß sie so schändlich erschrecken und ein Bruder den andern, das Kind die Eltern im Stich läßt.“ Er und seine Katharina kannten keine Furcht, wo es galt, dem Nächsten beizustehn, und als damals die Frau eines gewissen Dr. Sebald Münsterer starb und dieser selbst hart darnieder lag, nahm sie die vier Kinder desselben in ihr Haus auf, obwohl Manche den Kopf dazu schüttelten und meinten, das heiße Gott versuchen. Aber sie wurden mit ihrem Glauben und ihrem christlichen Liebeswerk nicht zu schanden und blieben alle wohl bewahrt. Auch einer andern großen Gefahr entgingen im Sommer dieses Jahres die beiden Eheleute. Sie waren mit einander in einem neuen Keller gewesen, den sie im Hause hatten bauen lassen und waren noch auf der Treppe, als die Mauern des Kellers mit großem Geprassel hinter ihnen zusammen stürzten.

Im Jahre 1540 endlich lag Katharina selbst in Folge einer Fehlgeburt so hart darnieder, daß nur geringe Hoffnung war, sie am Leben zu erhalten, ja es hatte einmal das Ansehen als ob sie bereits todt wäre. Luther griff zu seiner erprobten Waffe, dem Gebet und konnte es als ein sichtliches Gotteswunder betrachten[xxi], als er am 3. März einem Freunde meldete, daß sie vom Tode auferstanden sei. Sie war so schwach, daß sie das Gehen förmlich wieder lernen und sich mit den Händen an Tischen und Stühlen festhalten mußte, um fortzuschleichen. Doch erholte sie sich bald wieder, und am 8, April konnte sie Luther in einem Briefe an Melanchthon für ganz hergestellt erklären.

Sie muß überhaupt eine gesunde und kräftige Natur gehabt und an Geist und Körper rüstig gewesen sein, sonst wäre ja nicht abzusehen, warum sie den ohnehin umfangreichen Kreis ihrer hausmütterlichen Thätigkeit immer weiter gezogen und sich auch mit einer Menge landwirthschaftlicher Geschäfte beladen hätte[xxii]. Aber alle diese Geschäfte scheinen eben so sehr ihrer Neigung entsprochen zu haben, als sie andererseits dadurch in den Stand gesetzt wurde, die Bedürfnisse ihres großen Haushaltes leichter zu befriedigen, als dies sonst in Wittenberg, welches als Marktplatz nicht viel sagen wollte, möglich war. Luther ließ sie gewähren, und wenn er sie auch mit ihren mancherlei ökonomischen Sorgen und Geschäften oft genug neckte, auch wohl, wie wir oben gesehn, ermunterte, darüber nicht zu versäumen, der geistlichen Nahrung nachzugehn; so erkannte er doch ihre hausmütterliche Umsicht und Tüchtigkeit im vollen Maße an, und war so weit entfernt, in ihrer Emsigkeit ein Zeichen irdischer Gesinnung oder gar des Geizes zu erblicken, daß er vielmehr ihre kindliche Freude an den Erzeugnissen ihrer Wirthschaft theilte und ihren genügsamen Sinn rühmte. Es war Katharinens Freude, wenn sie den Familientisch mit gutem Obst[xxiii] oder sonst etwas, das sie selbst gebaut, besetzen konnte. Einmal hatte sie ihre Teichlein im Garten fischen lassen und allerlei Fische gefangen, Hechte, Schmerlen, Forellen, Kaulbärsche, Karpfen und dergl. und derselben etliche gesotten und auf den Tisch gebracht und aß mit großer Lust, Freude und Danksagung davon. Da sagte ihr Mann zu ihr: „Käthe, du hast größere Freude über den wenigen Fischen, denn mancher Edelmann, wenn er etliche große Teiche und Weiher fischt, und etliche hundert Schock Fische sähet. Ach, der Geiz und Ehrsucht machen, daß wir Gottes Creaturen nicht können recht mit Lust brauchen; es sitzet mancher Geizwanst und lebet in großer Wollust, hat überflussig genug und kann dennoch desselben nicht mit Lust und Nutzen genießen. Es heißet: der Gottlose wird Gottes Herrlichkeit nicht sehen; ja er kann auch nicht die gegenwärtigen Creaturen erkennen. Denn Gott überschüttet uns zu sehr damit, und weil es so gemeine ist, achtet man es nicht; wenn es seltsam wäre, so achtet man es höher, aber wir können nicht bedenken, was für Lust und Freude an Creaturen ist.“

Gärten und Feld hatte Luther schon früher (von 1527 an) besessen und es kann dieses Besitzthum nicht unbedeutend gewesen sein[xxiv], denn bereits im Jahr 1535 finden wir Katharina in voller landwirtschaftlicher Thätigkeit, auch scheint sie damals bereits selbst Pferde gehalten zu haben. Aber das im Jahre 1540 erworbene Gütchen Zulsdorf bei Borna[xxv] führte sie erst recht mitten in diese Beschäftigungen hinein, und machte auch öfters Reisen dahin nöthig, da es dort auch mancherlei zu bauen gab. Das veranlaßt denn neben ziemlichen Ausgaben auch mancherlei Verdrießlichkeiten, z. B. wenn das zum Bauen von dem Kurfürsten geschenkte Holz unter den Händen unredlicher Beamten verschwand, und man hätte meinen sollen, es wäre Katharinen zu viel geworden, da sie daheim der Last genug und an der Gesindenoth[xxvi] auch ihr Theil zu tragen hatte. Aber sie scheint doch in diesem ihren „neuen Reiche“, wie Luther das Gütchen scherzend nannte, gelebt und gewebt haben, so daß er sagte, sie sey zu Wittenberg leiblich wohnhaftig, zu Zulsdorf geistlich wandelnd. Er hatte es ihr aber auch zu einem Witwensitze ausersehn, wahrscheinlich um ihr auch nach seinem Tode eine ihr zusagende Beschäftigung zu beschaffen; ja er dachte selbst einmal daran, seinen Ruhesitz dort zu nehmen, wie wir dies Alles bald sehen werden. Jetzt müssen wir erst an einem andern Familienereignis Theil nehmen, welches recht geeignet war, den Sinn von allem irdischen Besitzthum ab nach den ewigen Wohnungen zu richten.

Dreizehntes Kapitel. Ein Abrahamsopfer.

Luther redete einmal über Tische von Isaaks Opferung und sprach: „Lieber Herr Gott, wie soll sich ein Herzpochen erhoben haben, da Abraham seinen einzigen und allerliebsten Sohn Isaak hat sollen tödten. O wie wird ihm der Gang an den Berg Moria so sauer sein ankommen, er wird der Sara nichts davon gesagt haben. Ich wollte wahrlich mit Gott disputieret haben, wenn er mir solches vorgeleget und angemuthet hätte.“ Da fing seine Hausfrau an, und sagte: „Ich kanns in meinen Kopf nicht bringen, daß Gott so grausam Ding von uns begehren sollte, sein Kind selbst zu erwürgen.“ Darauf antwortet Dr. Martin Luther: „Liebe Käthe, kannst du denn das glauben, daß Gott seinen eingebornen Sohn, unsern Herrn und Heiland Jesum Christum, hat wollen für uns sterben lassen? Da er doch nichts Lieberes im Himmel und auf Erden hat gehabt, denn diesen geliebten Sohn, noch lasset er ihn für uns kreuzigen, und den schmählichen Tod des Kreuzes leiden. Sollte allhier die menschliche Vernunft nicht urtheilen und sagen, daß sich Gott viel väterlicher, holdseliger und freundlicher erzeiget hätte gegen Kaipha, Pilato, Herode und andere, denn gegen seinen eingebornen Sohn, dem Herrn Christo Jesu? Abraham hat müssen glauben, daß eine Auferstehung von den Todten sein würde, als er seinen lieben Sohn Isaak opfern sollte, von dem er doch die Verheißung hatte, daß durch ihn der Messias der Welt sollte geboren werden, wie die Epistel zu’n Hebräern zeuget.“

Im Jahre 1542 kam eine Zeit, da mußte Katharina lernen, wie dem Abraham zu Muthe war, als Gott ein solches Opfer von ihm verlangte. Auch ihr ward ein schweres Opfer auferlegt. Im September erkrankte ihr dreizehnjähriges Töchterchen Magdalena, ein Kind von schönen Geistesgaben und sanfter Gemüthsart, überaus fromm und gehorsam. Die Krankheit drohte alsbald einen tödtlichen Ausgang und Luther mußte am 6. September einen Wagen nach Torgau schicken, um seinen Sohn Johannes, welcher erst vor Kurzem auf die dortige Schule, unter dem tüchtigen Rector Marcus Krödel, gekommen war, holen zu lassen, denn beide Geschwister liebten sich einander herzlich und Lenchen seufzte so sehr nach dem Bruder. Aber noch vierzehn Tage mußten die Eltern zwischen Furcht und Hoffnung schweben. „Ich habe sie sehr lieb – sprach der Vater, als es immer mehr zum Sterben sich neigte – und wollte sie gern behalten, wenn sie mir unser Herr Gott lassen wollte, aber ist es dein Wille, lieber Gott, daß du sie dahin nehmen willst, so will ich sie gerne bei dir wissen.“ Und zu seinem Kinde sprach er: „Magdalenchen, mein Töchterlein, du bliebest gerne hier bei deinem Vater und zeuchst auch gerne zu jenem Vater!“ – „Ja, Herzensvater, wie Gott will!“ war des Kindes Antwort.

Nachts vor ihrem Tode hatte die Mutter einen Traum, daß zwei schöne, junge, wohlgeschmückte Gesellen gekommen wären und hätten ihre Tochter wollen zur Hochzeit führen. Als sie den Traum am andern Morgen dem Philipp Melanchthon erzählte, der ins Kloster kam und sich nach dem Befinden der Kranken erkundigte, war dieser sehr erschrocken und sagte zu Andern: „Die jungen Gesellen sind die lieben Engel, die werden kommen und diese Jungfrau in das Himmelreich, in die rechte Hochzeit führen.“ Und selbigen Tags, den 20. September nach 9 Uhr starb sie. Als sie in den letzten Zügen lag, fiel der Vater vor dem Bette auf seine Knie, weinte bitterlich und bat, daß sie Gott wolle erlösen. Die Mutter war auch mit in der Kammer, doch weiter vom Bett um der Traurigkeit willen.

Luther suchte seine weinende und klagende Hausfrau zu trösten, so viel als möglich. „Liebe Käthe – sprach er – bedenke doch, wo sie hinkömmt. Sie kömmt ja wohl! Aber Fleisch und Blut fleischert und blutet, thut, wie seine Art ist; der Geist lebt und ist willig. Die Kinder disputieren nicht; wie man es ihnen sagt, so gläuben sie es. Bei den Kindern ist alles einfältig, sterben ohne Schmerz und Angst, ohn Disputieren, ohn Anfechtung des Todes, ohn Schmerzen am Leib, gleichwie sie entschlafen.“ Aber es wurde ihm selber schwer genug, sich zu fassen, so daß er sprach: „Ich bin ja fröhlich im Geist, aber nach dem Fleisch bin ich sehr traurig. Das Fleisch will nicht heran, das Scheiden verirt Einen über die Maßen sehr. Wunderding ists, wissen, daß sie gewiß im Friede und ihr wohl ist und doch noch traurig sein.“

Als die Leute zur Bestattung kamen, und theilnehmend zu den Eltern sagten, wie ihre Betrübnis ihnen leid sei, antwortete Luther: „Es soll euch lieb sein, ich habe einen Heiligen in den Himmel geschickt, ja einen lebendigen Heiligen! O hätten wir alle einen solchen Tod! Einen solchen Tod wollte ich auf diese Stunde annehmen.“ Da sagte Einer: „Ja, es ist wohl wahr; doch behält ein jeder gern die Seinen,“ Luther antwortete: „Fleisch ist Fleisch und Blut ist Blut! Ich bin froh, daß sie hinüber ist, keine Traurigkeit ist da, denn des Fleisches.“ – Und als sie von dem Begräbnis zurückkehrten, sprach er: „Meine Tochter ist nun beschickt, beide an Leib und Seel. Wir Christen haben nichts zu klagen, wir wissen, daß es also sein muß. Wir sind des ewigen Lebens aufs allergewissest; denn Gott, der es uns durch und um seines lieben Sohnes willen zugesagt hat, der kann ja nicht lügen.“

Eine neue Sorge nach Magdalenens Tode machte der Mutter der Zustand ihres Sohnes, der sich den Tod der Schwester gar zu sehr zu Herzen nahm und lieber sein Studium ganz verlassen hätte. Die besorgte Mutter fürchtete, es möchte eine Krankheit dahinter stecken; es war aber wohl Heimweh oder dergleichen mit im Spiele, und der Vater forderte ihn daher auf, seinen Schmerz zu mäßigen und getrost seinen Studien obzuliegen. Uebrigens wurde es ihm und seiner Gattin selber schwer genug, ihr Gefühl zu überwinden, wenn er seinem Freunde Jonas bekennt: „Obwohl ich und mein Weib Gott nur mit fröhlichem Herzen für ihren glücklichen Heimgang und seliges Ende danken sollten, so ist doch die Macht der elterlichen Liebe zu groß. Zu tief sitzt im Herzen fest Blick, Worte und Bewegungen der lebenden und sterbenden, so gar folgsamen und willfährigen Tochter, daß selbst Christi Tod (mit dem doch kein anderer Tod verglichen werden kann) dies Alles nicht überwinden kann, wie er sollte. So sage denn du an unserer Stelle Gott Dank! Denn er hat in Wahrheit ein großes Gnadenwerk an uns gethan, daß er unser Fleisch also zu Ehren gebracht hat. Du weißt, wie gar sanft und liebreich sie von Gemüth war. Gelobet sei der Herr Jesus Christus, der sie berufen, erwählet und herrlich gemacht hat. O daß doch mir und allen den Unsern solch ein Tod, oder vielmehr solch ein Leben zu Theil werden möchte, das ist das Einzige, was ich von Gott, dem Vater alles Trostes und aller Barmherzigkeit erbitte.“

Vierzehntes Kapitel, Der alternde Gatte. Sein Testament.

1542 bis 1545.

Es war nicht etwa erst des Töchterchens Tod, was Todesgedanken im Herzen Luthers erweckte: er war längst zum Sterben bereit und sprach oft davon, und bei seinen häufigen Krankheiten konnte sich Katharina nicht verbergen, daß seine Worte bald einmal in Erfüllung gehen könnten. Im Herbst des Jahres 1541 war er so leidend, daß ihm der Kurfürst seinen eigenen Leib- und Wundarzt sendete. Als er sich dafür bei seinem gnädigsten Herrn bedankte, daß sich derselbe seiner alten bösen Haut so herzlich angenommen habe, setzte er hinzu: „Ich hätte wohl gern gesehn, daß mich der liebe Herr Jesus hätte mit Gnaden weggenommen, da ich doch nunmehr wenig nutze bin auf Erden. Aber der Pommer hat mit seinem Anhalten mit Fürbitten in der Kirchen solchs, meins Achtens, verhindert und ist, Gott Lob, besser worden.“

Diese Krankheit war vielleicht auch die Ursache, daß er im Anfange (den 6. Januar) des Jahres 1542, also noch vor Magdalenchens Tode, sein Testament aufsetzte. Dieses Testament geht Katharinen fast allein an, und ist ein so sprechender Beweis von dem großen Vertrauen, das ihr Gatte auf sie setzte, daß wir es nothwendig kennen lernen müssen. Es lautet:

„Ich, M. L. D. bekenne mit dieser meiner eigenen Handschrift, daß ich meiner lieben und treuen Hausfrauen Katharina gegeben habe zum Leibgeding (oder wie man das nennen kann) auf ihr Lebenlang, damit sie ihres Gefallens und zu ihrem Besten gebaren möge, und gebe ihr das in Kraft dieses Briefs, gegenwärtiges und heutiges Tages:

Nämlich das Guttlein Zulsdorff, wie ich dasselbe gekauft und zugericht habe, allerding, wie ichs bis daher gehabt habe.

Zum andern das Haus Bruno zur Wohnung, so ich unter meines Wolfs Namen gekauft habe[xxvii].

Zum dritten die Becher und Kleinod, als Ringe, Ketten, Schenkgroschen, gulden und silbern, welche ungefährlich sollten bei 1000 Fl. werth seyn[xxviii].

Das thue ich darumb,

Erstlich, daß sie mich als ein frum, treu, ehelich Gemahl allezeit lieb, werth und schon gehalten, und mir durch reichen Gottes-Segen fünf lebendige Kinder (die noch furhanden, Gott geb lange) geboren und erzogen hat.

Zum andern, daß sie die Schuld, so ich noch schuldig bin, (wo ich sie nit bey Leben ablege) auf sich nehmen und bezahlen soll, welcher mag seyn ungefähr, mir bewußt, 450 Fl,, mugen sich vielleicht noch mehr finden.

Zum dritten, und allermeist darumb, daß ich will, sie müsse nicht den Kindern, sonder die Kinder ihr in die Hände sehen, sie in Ehren halten, und unterworfen seyn, wie Gott geboten hat. Denn ich wohl gesehen und erfahren, wie der Teufel wider dies Gebot die Kinder hetzet und reizet, wenn sie gleich frum sind, durch böse und neidische Mäuler, sonderlich wenn die Mütter Witwen sind, und die Söhne Ehefrauen, und die Töchter Ehemänner kriegen, und wiederumb socrus nurum, nurus socrum. Denn ich halte, daß die Mutter werde ihrer eigen Kinder der beste Vormund seyn, und solch Guttlein und Leibgeding nicht zu der Kinder Schaden oder Nachtheil, sondern zu Nutz und Besserung brauchen, als die ihr Fleisch und Blut sind, und sie unter ihrem Herzen getragen hat.

Und ob sie nach meinem Tode genöthiget oder sonst verursachet wurde (denn ich Gott in seinen Werken und Willen kein Ziel setzen kann) sich zu verändern: so traue ich doch, und will hiemit solches Vertrauen haben, sie werde sich mutterlich gegen unser beyder Kinder halten, und alles treulich, es sey Leibgeding, oder anders, wie recht ist, mit ihnen theilen.

Und bitt auch hiemit unterthäniglichen M. gestr. Herren Herzog Johanns Friedrichen Kurfürsten rc., S. K. F. G. wollten solche Begabung oder Leibgeding gnädiglich schützen und handhaben.

Auch bitt ich alle meine guten Freunde, wollten meiner lieben Käthen Zeugen seyn, und sie entschuldigen helfen, wo etzliche unnutze Mäuler sie beschweren oder verunglimpfen wollten, als sollt sie etwa eine Barschaft hinter sich haben, die sie den armen Kindern entwenden oder unterschlahen würde. Ich bin des Zeuge, daß da keine Barschaft ist, ohn die Becher und Kleinod, droben im Leibgeding erzählet. Und zwar sollts bei jedermann die Rechnung offentlich geben, weil man weiß, wie viel ich Einkummens gehabt von M. gestr. Herr, und sonst nicht ein Heller noch Körnlein von jemand einzukummen gehabt, ohn was Geschenk ist gewesen, welchs droben unter den Kleinoden, zum Theil auch noch in der Schuld steckt, und zu finden ist. Und ich doch von solchen Einkummen und Geschenk so viel gebaut, gekauft, große und schwere Haushaltung geführt, daß ichs muß neben andern selbst für ein sonderlichen, wunderlichen Segen erkennen, daß ichs hab können erschwingen, und nicht Wunder ist, daß keine Barschaft, sondern daß nicht mehr Schuld da ist. Dies bitte ich darumb, denn der Teufel, so er mir nicht kunnt näher kummen, sollt er wohl meine Käthe, allein der Ursachen, allerlei Weise suchen, daß sie des Mannes D. M. eheliche Hausfrau gewesen, und (Gott Lob) noch ist.“

Nächst Magdalenchens Tod wurde Katharina besonders durch den drei Monate später erfolgten Tod ihrer nächsten Freundin und Namensschwester, der Gattin des Dr. Jonas, welcher im Jahre zuvor als Pastor nach Halle gezogen war, tief ergriffen, und auch ihrem Gatten ging dieser Todesfall sehr zu Herzen. Sie war ihnen so lieb und werth gewesen, sie hatten gute und böse Tage treulich mit einander getheilt, und Luther hatte gehofft, sie solle vor allen andern Frauen den Seinen nach seinem Tode eine Trösterin sein. Von seinem Tode sprach Luther je länger je mehr. Als im Jahre 1544 die Kurfürstin Sibylla in Abwesenheit ihres Gemahls fleißig nach seiner Gesundheit hatte fragen lassen und wie es ihm gehe mit Weib und Kindern, antwortete er: „Es gehet uns, Gott Lob, wohl und besser denn wirs verdienen vor Gott. Daß ich aber am Haupte zuweilen untüchtig bin, ist nicht Wunder. Das Alter ist da, welches an ihm selbst alt und kalt und ungestalt, krank und schwach ist. Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er einmal zerbricht. Ich habe lange genug gelebt, Gott beschere mir ein selig Stündlein, darin der faule, unnütze Madensack unter die Erde komme zu seinem Volk und den Würmern zu Theil werde. Acht auch wohl, ich habe das Beste gesehn, das ich hab auf Erden sollen sehen. Denn es läßt sich an, als wollte es böse werden. Gott helfe den Seinen. Amen.“

Wenn auch Luther den Schwächen des Alters unterworfen, wenn er zuweilen mürrisch und reizbar war, so darf uns dies gar nicht wundern, er wußte das auch selbst und klagte darüber; aber es fand dies gar nicht in dem Maße statt, wie zwei von Luthers Collegen, Melanchthon und Cruciger, meinten, welche sich vielmehr durch ihr Mißtrauen und ihre Unaufrichtigkeit dem offenen und geraden, aber ihnen herzlich ergebenen Luther gegenüber, in eine schiefe Stellung gebracht hatten. Entschieden Unrecht aber thaten sie seiner Frau, wenn sie diese verdächtigten, als ob sie es sei, durch welche er gegen manche Personen aufgereizt werde. Es geschah hier wie öfter, daß die Schwachheiten ehrwürdiger Männer von deren Freunden dem Einflusse ihrer Frauen zugeschrieben werden; aber es kann sich wohl leicht jeder selbst sagen, daß Luther nicht der Mann war, der sich in seinem Urtheile von seiner Frau bestimmen ließ, während es auf der andern Seite sehr verzeihlich ist, wenn sie seine Neigungen und Abneigungen theilte und ihn darin bestärkte. Es waren dies übrigens nur Verstimmungen, welche vorüber gingen, und nur einmal kam es zu einem heftigen Ausbruch, der aber auch weiter keine Folgen hatte. Luther war mit einigen Wittenberger Juristen wegen der von diesen in Schutz genommenen, von ihm aber als höchst verderblich angesehenen heimlichen Verlöbnisse in Streit gerathen. Dazu kam, daß damals in Wittenberg große Unsittlichkeit unter den Studierenden einriß, wogegen er vergeblich eiferte und welcher nach seiner Meinung die Universität und Stadt nicht genugsam steuerte. Darüber ward er so unmuthig, daß er (im Juli 1545) von Wittenberg fortging und von Leipzig aus seiner Katharina meldete, er sei willens gar nicht wieder zurückzukehren, und wolle eher umherschweifen und das Bettelbrot essen, als seine armen alten letzten Tage mit dem unordentlichen Wesen in Wittenberg martern und verunruhigen, mit Verlust seiner sauern Arbeit. Ihr selbst rieth er, Garten und Hufe, Haus und Hof zu verkaufen, (das große Haus, das Klostergebäude, wolle er dem Kurfürsten zurückgeben) und sich nach Zulsdorf zu setzen; mit seiner Besoldung, die ihm der Kurfürst doch wohl noch ein Jahr seines Lebens werde verabfolgen lassen, könne er ihr helfen, das Gütchen in bessern Stand setzen. Nach seinem Tode würden sie die vier Elemente doch nicht in Wittenberg leiden, drum sei, was gethan werden müsse, besser bei seinen Lebzeiten gethan. – Es kam jedoch zu dem allen nicht, denn als die Universität durch Bugenhagen, dem Katharina auf ihres Mannes Geheiß seinen Entschluß mitgetheilt hatte, Kenntnis davon erhielt, wurde von ihr und dem Stadtrath eine Deputation an Luther abgeordnet, auch der Kurfürst ließ durch seinen Leibarzt Dr. Ratzenberger mit ihm reden, und so wurde er versöhnt und bewogen, nach Wittenberg heimzukehren. Er rüstete aber mehr und mehr zur rechten Heimkehr zu und als er im November seine Vorlesungen über das erste Buch Moses schloß, daran er zehn Jahre mit größtem Fleiß gearbeitet hatte, sagte er: „Das ist nun die liebe Genesis, unser Herr Gott gebe, daß Andere nach mir besser machen; ich kann nicht mehr, ich bin schwach, bittet Gott für mich, daß er mir ein gutes seliges Stündlein verleihe.“ Schon bei Anfang dieser Vorlesungen hatte er gesagt: „Das wird meine letzte Arbeit seyn; mit dem will ich, ob Gott will, mein Leben beschließen.“ Und so geschah es.

Fünfzehntes Kapitel. Die letzte Trennung.

Zur Beilegung langwieriger und verwickelter Streitigkeiten zwischen den Grafen zu Mansfeld war Luther im October und December 1545 in seinem Heimathslande gewesen, ohne jedoch etwas auszurichten. Weil aber auf seinem Ansehn und seiner Vermittelung die letzte Hoffnung gütlicher Ausgleichung beruhte, ließ er sich zu einer dritten Reise bewegen, und begab sich am 23. Januar 1546 mit seinen drei Söhnen und deren Präceptor, seinem Famulus Ambrosius Rudtfeld auf den Weg. Wer kann es Katharinen, die mit dem Töchterchen Margarethe allein zurückblieb, verargen, wenn sie, in Erinnerung der Angst, die sie im Jahre 1537 ausgestanden hatte, den alten, kränklichen Gemahl in dieser Winterzeit nicht ohne große Sorge und bange Ahnungen ziehen lassen konnte. Und diese bangen Ahnungen mußten durch die einlaufenden ersten Nachrichten nur bestärkt werden, denn die Reise war mit allerlei Aufenthalt, Beschwerde und Gefahr verbunden: es war Thauwetter eingetreten und Luther mußte mit seiner Reisegesellschaft drei Tage in Halle liegen bleiben, weil sie vor der Saale nicht vorwärts und vor der Mulde nicht rückwärts konnten, und als man endlich am 28. die Reise fortsetzte, gings nicht ohne ziemliche Gefahr, indem man auf einem Kahne die noch immer angeschwollene Saale passieren mußte. Auch wurde er nachher unterwegs von einem heftigen Unwohlsein befallen, weil er sich auf dem Wagen erkältet hatte. Es ging jedoch vorüber und er befand sich in seiner Heimath ziemlich wohl, und hätte sich noch besser befunden, wenn ihm nicht die verdrießlichen Händel der Grafen und die Praktiken der Juristen das Herz schwer gemacht hätten. Er meldete dies und Anderes seiner daheim geängsteten Gattin, denn die Briefe gingen zwischen Wittenberg und Eisleben fleißig hin und her, und da er aus den ihrigen ersah, wie sie gleichwohl nicht zu beruhigen war, so bot er Scherz- und Glaubensworte gleichmäßig auf, um ihre Besorgnisse zu zerstreuen. Noch am 14. Februar gingen nebst einem Geschenke an Forellen die besten Nachrichten von Eisleben ab, denn Luther war wohl und Gott hatte auch Gnade gegeben, daß er endlich Friede und Einigkeit hatte stiften können; aber diesen erfreulichen Nachrichten folgte eine ganz andere auf dem Fuße nach, denn bereits am 19. Februar trafen die Briefe ein, welche seinen Tags zuvor früh drei Viertel auf drei Uhr zu Eisleben erfolgten Tod meldeten.

Wir sind ohne alle Kenntnis darüber gelassen, wie Katharina diese Trauerbotschaft aufgenommen habe, dürfen aber von ihr erwarten, sie werde den tödtlichen Abschied ihres geliebten Mannes mit christlicher Geduld ertragen haben, wie dieser sie schon neun Jahre früher gebeten hatte. Es ist nicht zu verwundern, daß in dem Klageschrei über den Verlust des theuern Lehrers, der durch das ganze Land und durch die ganze Kirche ging, die Stimme seiner trauernden Witwe verhallte; aber eben diese allgemeine Trauer mußte ihrem eigenen Schmerze eine höhere Richtung geben, daß sie nicht bloß an sich und ihre verwaisten Kinder gedachte. Dazu kam, daß der theure Gatte zwar fern von ihr und nicht in ihren Händen, aber wohl in dem Bekenntnis des Glaubens, in dem er gelebt hatte, sanft und selig verschieden war, und seinen Geist mit so schönen Sprüchen in Gottes Hände übergeben hatte. Auch vergaß der fromme und treue Kurfürst die trauernde Witwe nicht und richtete ein eigenhändiges Trostschreiben an sie. Sonst wissen wir nichts, als daß sie am 22. Februar bei der feierlichen Bestattung der zum Elsterthore hereinkommenden Leiche ihres Gatten, in Begleitung einiger Matronen auf einem Rollwagen unmittelbar hinter dem Leichenwagen fahrend, nach der Schloßkirche folgte, woselbst ihm seine letzte Ruhestätte angewiesen war.

Sechszehntes Kapitel. Katharinens betrübter Witwenstand.

1546 bis 1552.

Der schon einigemal erwähnte langjährige Freund und Tischgenosse Luthers, Hieronymus Weiler, berichtet uns: „Ich denke noch oft an den Mann Gottes, Dr. Martinum Lutherum, daß er sein Gemahl ließ den 31. Psalm auswendig lernen, da sie noch jung, frisch und fröhlich war und sie noch nicht wissen konnte, wie dieser Psalm so lieblich und tröstlich wäre. Aber ihr lieber Herr that es nicht ohne Ursach. Denn er wohl wußte, daß sie nach seinem Tode ein betrübtes, elendes Weib sein und dieses Trostes, so der 31. Psalm in sich hat, sehr nöthig würde bedürfen.“ So geschah es denn in der That, denn Katharinens ganzer fast siebenjähriger Witwenstand war eine ununterbrochene Reihe von Kümmernissen und Drangsalen, so daß sie diesen Psalm recht durchleben und lernen mußte, auf den Herrn trauen, und zu ihm rufen, daß er sie nicht zu Schanden werden ließ.

Wir haben oben gehört, daß es in den letzten Jahren an mancherlei Mißstimmungen gegen Luther nicht fehlte, und daß Katharina bei einigen seiner Collegen in dem Verdacht stand, als ob sie seinen Unwillen gegen manche Personen schüre. „Nach meinem Tode werden Dich die vier Elemente zu Wittenberg doch nicht wohl leiden!“ hatte Luther ausgerufen, als er im Unwillen über das unordentliche Wesen in Wittenberg die Stadt verlassen hatte und seiner Frau rieth, sich noch bei seinem Leben von da wegzuwenden und in Zulsdorf niederzulassen. Dahin kam es nun allerdings weder damals, noch auch nach seinem Tode, und Katharina mußte schon aus Rücksicht auf die Erziehung der Söhne es vorziehn, in Wittenberg zu bleiben; aber sie mußte gar wohl erfahren, daß sie nun eine schutzlose Witwe war, gegen die man den Mund schon weiter aufthun durfte, als man es gegen ihren Gatten gewagt haben würde. Zwar des Undanks machte man sich nicht schuldig, daß man der Familie Luthers sich nicht angenommen hätte, im Gegentheil wissen wir namentlich von Melanchthon, daß er eben so wie Bugenhagen sich als Katharinens Freund und Fürsprecher fortwährend gezeigt hat; auch trat ihr wohl Niemand offen entgegen, denn sie scheint einen ziemlich festen Charakter gehabt zu haben: aber um so widerwärtiger ist es, wenn wir sehen, wie man sie heimlich bei dem Kurfürsten verdächtigte, und ohne dessen wohlthätigen Absichten gegen Luthers Familie entgegenzutreten, es doch so einzurichten wußte, daß Katharinen möglichst die Hände gebunden wurden, ganz entgegen dem Willen ihres Mannes, der ihr in seiner letztwilligen Verordnung das vollste Vertrauen bezeigt hatte. Widerwärtig aber war dies besonders darum, weil dies Alles ein Mann that, der Luthern so viel verdankte, und dem dieser großes Vertrauen schenkte, ihn daher auch ausdrücklich ausnahm, wenn er wider die Juristen sich ereiferte, – der Kanzler Dr. Gregorius Brück, Luthers Freund und Gevatter. Hören wir darüber das Nähere.

Der Kurfürst hatte alsbald nach Luthers Tode wegen der Kosten seines Begräbnisses und des augenblicklichen Bedarfs der Familie Vorkehrung getroffen; jetzt handelte es sich darum, ihr und ihren Kindern eine dauernde Versorgung zu gewähren. Sie hatte in einer Supplication den Kurfürsten einfach gebeten, sie und ihre Kinder gnädig zu bedenken, ohne ihm weitere Vorschläge zu machen; doch ging ihr Wunsch dahin, daß ein Capital von tausend Gülden, welches der Kurfürst Luthern noch bei seinem Lebzeiten zugeschrieben und bis daher verzinst hatte, und dem er noch eine gleiche Summe beizufügen bereits entschlossen war, in liegenden Gründen angelegt werden möchte; und zwar lag ihr besonders an dem Ankauf des dermalen den Söhnen des verstorbenen Dr. Sebald Münster gehörigen Mannlehnguts Wachsdorf bei Wittenberg, wegen dessen Erwerbung schon bei Lebzeiten Luthers Verhandlungen gepflogen worden sein mögen, und das man etwa um 2000 Gülden zu erhalten dachte. Daß sie die Kinder bei sich behalten könne, war jedenfalls ihr besonderer Wunsch. Ueber diese Angelegenheiten nun erstattete Brück einen weitläufigen Bericht an den Kurfürsten, aber die Art und Weise, in der er es that, läßt ihn nicht eben liebenswürdig erscheinen: da ist keine Spur einer herzlichen Theilnahme, wohl aber eine so herbe Beurtheilung der armen Witwe, untermischt mit allerlei zum Theil geradezu aus der Luft gegriffenen Verdächtigungen, daß wir entweder eine persönliche Mißstimmung gegen Katharina annehmen, oder das Ganze als den Erguß einer gallsüchtigen Stimmung und mürrischen Geschäftslaune betrachten müssen. Zwar meinte es wohl Brück in seiner Art gut, hatte auch in manchen Stücken ganz recht und sein Rath war zum Theil ganz verständig; allein deshalb hätte er nicht so rücksichtslos gegen Luthers Witwe sein und sich durch sein bei einem vielgewiegten Geschäftsmann, entschuldbares Mißtrauen zur Ungerechtigkeit gegen sie verleiten lassen sollen. Gegen die Räthlichkeit des Ankaufs von Wachsdorf hatte er gegründete Bedenken, und die späteren, damals freilich noch nicht vorauszusehenden Ereignisse, haben dieselben noch mehr gerechtfertigt. Auch hatte er wohl nicht Unrecht, wenn er befürchtete, Katharinens Baulust werde durch die nöthige Einrichtung des nicht in gutem Stande befindlichen Gutes neue Nahrung bekommen und sie in Ausgaben verwickeln, durch welche ihre und ihrer Kinder Verhältnisse sich nicht verbessern würden; denn Katharina hatte allerdings wohl in Zulsdorf durch allerlei Baue mehr in das Gütchen verwendet, als daraus zu nehmen war. Endlich war es auch nicht unangemessen, wenn er die Erziehung der Söhne nicht bloß in den Händen der nachsichtigen Mutter gelassen, sondern Vorkehrungen zu deren tüchtigen Ausbildung getroffen wissen wollte. Aber Unrecht war es, wenn er Katharinen ihres großen Haushalts wegen gewissermaßen der Hoffart und Verschwendung beschuldigte, denn dieser große Haushalt gereichte ihr nicht zum Vorwurf, er war, wie wir oben gesehn haben, theils eine nothwendige Folge der großen Gastfreiheit und Mildthätigkeit ihres Gatten, theils hing er mit den verschiedenen Geschäften zusammen, mit denen sich Katharina nach und nach bebürdet hatte, um unter diesen Umständen die Wirthschaft erhalten zu können. Sie hatte kein müßiges, luxuriöses Leben geführt, sondern ihrem Gatten nach dessen Zeugnis „wie eine Magd“ gedient. Jetzt würde sich wohl der Hausstand von selbst in engere Schranken gezogen haben, wenn auch vielleicht Katharina zu sehr an Wohlthun und Mittheilen gewöhnt war, um es ganz lassen zu können. Noch viel größeres Unrecht aber that Brück der Witwe Luthers, wenn er ganz im Widerspruch zu dem Vertrauen, mit welchem dieser seine Gattin nach seinem Tode behandelt wissen wollte, Dispositionen vorschlug, welche auf dem Verdachte beruhten, als ob sie das vorhandene Vermögen nur nach ihrem Willen und zu ihrem Nutzen[xxix] und gegen den der Kinder anwenden würde, und geradezu empörend ist es, wenn er im Zusammenhang damit jetzt bereits, drei Wochen nach Luthers Tode, die Vermuthung aussprach, es werde nach vieler Leute Meinung schwerlich verbleiben, daß sich Katharina wieder verheirathe.

Hierauf gründete nun Brück seine Vorschläge, daß nämlich das theils verschriebene, theils in Aussicht gestellte kurfürstliche Gnadengeschenk von 2000 Gülden, möge es nun zum Ankauf von Wachsdorf verwendet oder verzinst werden, den Kindern zugesprochen werden solle, daß die Söhne von ihr genommen, der älteste, weil er sich zum Studio nicht zu eignen scheine, in die kurfürstliche Kanzlei gebracht, die jüngern aber bei einem tüchtigen Präceptor in die Kost und Lehre gegeben, und die Unkosten von den Zinsen und etwa einem fürstlichen Stipendio bestritten werden sollen. Nur die Tochter solle bei der Mutter verbleiben. „Durch den Weg – schrieb er – wurde der Frauen durch der Vormunden Furwendung ihre große und vorthunliche Haushaltung konnen gebrochen werden.“

Brücks Vorschläge gingen in der Hauptsache durch, aber die darin liegende und für die Witwe beleidigende Härte wurde vermieden. Das Testament Luthers wurde unter dem 11. April bestätigt. Es ging nicht wohl anders, Luther hatte es zu nachdrücklich verlangt und selbst Brück wagte nichts dagegen zu sagen. Katharina wählte und erhielt zu Vormündern den Hauptmann zu Wittenberg Asmus Spiegel und ihren Bruder Hans von Bora. Als Vormünder der Kinder wurden bestimmt der Bürgermeister Ambrosius Reuter, der Kurfürstliche Leibarzt Dr. Matthias Ratzenberger, Luthers treuer Freund und Gevatter, und sein Bruder Jacob Luther in Mansfeld. Die Professoren Melanchthon und Cruciger endlich wurden als Mitvormünder beigegeben, nur zu dem Zwecke, darauf zu sehn, „daß gemeldts Doctoris Martini seligen Kinder zu Gottes Furcht, auch Lehr, Zucht und Tugend mugen gehalten und gezogen und die Wege darzu gebraucht, so dorzu am bequemsten und dienlichsten geachtet werden.“ Diese Vormünder ordneten mit einander die Vermögensverhältnisse und trafen folgende Uebereinkunft. Wachsdorf wurde um 2200 Gülden gekauft und zu dem Ende das kurfürstliche Gnadengeschenk von 2000 Gülden sofort ausgezahlt. Die zwei noch fehlenden Hunderte wurden einstweilen aufgenommen. Das Gut blieb ein Eigenthum der Kinder, und zwar, da es ein Mannslehen war, der drei Söhne; der damals im sechzehnten Jahre stehenden Margaretha blieb ihr Antheil an dem kurfürstlichen Gnadengeschenk als Schuld auf dem Gute stehn und sollte, wenn sie sich einmal verheirathe, ausgezahlt, bis dahin mit 30 Gulden jährlich vom Einkommen des Gutes verzinst werden. Die Söhne anlangend, so wurde dem nun fast zwanzigjährigen Johannes, der lieber beim Studio bleiben, als in die kurfürstliche Canzlei gehen wollte, gestattet, es mit den Studien noch weiter zu versuchen, und die jüngern Söhne, Paul, dreizehn Jahre, und Martin, über vierzehn Jahre alt, durften bei der Mutter bleiben, nicht bloß weil sie sehr darum bat, besonders wegen der Schwächlichkeit des jüngern, sondern auch weil die Vormünder bezeugen konnten, daß ihr dermaliger Präceptor, Ambrosius Rudtfeld „ein gelehrter treuer Gesell“ sei, und versprachen, auf ihre Studien selbst Achtung zu haben. Dies wurde ihnen denn hinsichtlich sämtlicher Söhne durch kurfürstlichen Befehl noch besonders zur Pflicht gemacht, auch sollten sie darauf sehn, „daß ihnen sämtlich oder sonderlich nicht viel versäumlichs Spazierens verstattet werd.“ Man fürchtete in Folge der Brückschen Einflüsterungen, daß die Mutter sie viel mit nach Wachsdorf nehmen möchte, „daß sie junkern lernten und Vogel fahen.“ Eine andere Folge dieser Insinuationen war der schon früher ergangene Befehl, daß die Haushaltung sollte eingezogen und das unnöthige Gesinde weggethan werden.

Wenn auch dieser kränkende Bericht ihres Gevatters Brück Katharinen nicht zu Gesicht kam, mußte sie doch vielleicht die Quelle ahnen, aus welcher das Mißtrauen entsprang, mit dem man bei diesen Verhandlungen ihr begegnete, und dieses Mißtrauen selbst mußte verletzend und demüthigend für sie sein. Aber Demüthigungen sind immer heilsam für den Menschen, wenn sie recht angenommen werden, und sie mußten es namentlich auch für Katharinen sein, wenn es wahr gewesen sein sollte, was Manche finden wollten, daß ihr Sinn leicht hoch hinausging und daß sie gern viel zu schaffen und regieren haben wollte. Hatte sie nach ihres Gatten Zeugnis ihre Pflicht als Hausfrau treu erfüllt, so mußte sie nun auch die Art einer rechten Witwe lernen, einsam sein, ihre Hoffnung auf Gott stellen und am Gebet bleiben Tag und Nacht. Alle folgende Lebensereignisse waren geeignet, sie hierin zu üben.

Vor Sorgen der Nahrung war Katharina durch die letztwillige Verfügung ihres Gatten und die Fürsorge des Kurfürsten für ihre Kinder zunächst bewahrt. Auch die Grafen von Mansfeld, welche ihrem Gatten so viel Dank schuldig waren, und in deren Dienst er seine letzten Kräfte verzehrt hatte, schenkten seinen Hinterbliebenen 2000 Gulden, welche aber nicht sofort ausgezahlt, sondern inzwischen verzinst wurden. Bei Katharinens Tode waren noch 1000 Gulden rückständig. So würde vielleicht Alles gut gegangen sein, obwohl Katharina von ihren Einkünften nunmehr die Erziehung der Söhne zu bestreiten hatte, wenn nicht noch im Jahre 1546 der unglückliche Schmalkaldische Krieg ausgebrochen wäre, der über den Kurfürsten von Sachsen, dessen Land und Leute so großes Unglück brachte. An ihm verlor Katharina ihren größten menschlichen Schutzherrn und Wohlthäter, die nächsten Freunde ihres vor dem Hereinbruch dieses langvorhergesehenen und vorherverkündigten Unheils in Frieden heimgegangenen Gatten wurden selbst hart mit betroffen, und bei Anderen, die früher wohl schöne Worte gegeben hatten, mußte sie erfahren, wie Undank der Welt Lohn sei.

Als im December 1546 Herzog Moritz in des Kurfürsten Lande einfiel und Wittenberg mit einer Belagerung bedroht wurde, flüchtete sich Katharina mit vielen andern und begab sich nach Magdeburg. Von hier aus richtete sie unter dem 9. Februar 1547 ein Danksagungsschreiben an den König Christian von Dänemark, welcher ihr auf Melanchthons und Bugenhagens Fürsprache die 50 Thaler Gnadengehalt, die er ihrem Manne und mehrern andern Wittenberger Theologen seit einigen Jahren gegeben, auch noch auf das Jahr seines Todes hatte verabfolgen lassen. Da es das erste Schreiben von Katharinens Hand ist, welches wir besitzen, wird es nicht unangemessen sein, es den Lesern vorzulegen:

Gnad und Fried von Gott dem Vater durch sein eingebornen Suhn Christum Jesum.

Durchlauchtigster, großmächtigster Konig, gnädigster Herr, E. K. M. sey mein andächtig Gebet gegen Gott den Herrn vor E. K. M. und aller der Ihren Wohlfahrt und glückselig Regiment allzeit mit hohem Fleiß zuvoran bereitet. Gnädigster Herr! Nachdem ich in diesem Jahre viele große und schwere Bekümmernis und Herzenleids gehabt, als da erstlich mein und meiner Kinder Elend mit Absterben, jedoch seliger und christlicher Heimfahrt zu unserm Heiland Christo Jesu, meines lieben Herrns, welchs Jahrzeit itzt den 18. Februarii sich nahend, angangen, darnach auch diese fährliche Kriege und die Verwüstung dieser Länder unsers lieben Vaterlandes gefolget und noch kein Ende dieses Jammers und Elends zu sehen, ist mir in solchem Bekummernis ein großer und hoher Trost gewesen, daß E. K. M. beide mit gnädigster Schrift und Uebersendung der 50 Thaler zu bequemer Unterhaltung meiner und meiner Kinder, auch ferner E. K. M. gnädigster Erbietung Ihre gnädigste Neigung gegen mir armen verlassenen Wittfrauen und meiner armen Waisen vormeldet, welches, auch vieler andre zuvor gnädigsten erzeigten Wohlthaten halber gegen E. K. M. ich mich unterthänigst bedanke, vorhoffend, Gott der Herr, welcher sich ein Vater der Witwen und Waisen nennet, wie ich dann täglich zu ihme bitte, werde solche E. K. M. reichlichen belohnen, in welches gnädigen Schutz und Schirm E. K. M. und Ihre Gemahel, meine gnädigste Frau Königin, und die ganze junge Herrschaft sammt Ihren Landen und Leuten hiemit und allezeit fleißig thue befehlen.

Geben zu Magdeburgk, den 9. Februarii Anno M. D. XLVII.

  1. K. M.
    gehorsame
    Katharina Lutherin,
    seliger Gedächtnis Doctoris Martini Luther’s verlaßne Wittfrau,

Diesem Schreiben war noch eine Beilage angefügt, des Inhalts:

Gnädigster Herr! Nachdem ich erfahren, was vor gnädigste und christliche Neigung E. K. M. gegen den Theologen der Universität zu Witenberg tragen und mein lieber Herr seliger Gedächtnis Doctor Georgen Major stets nun über zwanzig Jahre als sein Suhne gehalten und lieb gehabt, welcher zu dieser Zeit allhie bei mir im Elend sammt zehen lebendigen Kindern, will E. K. M. gedachten Doctor ich auch unterthänigst befohlen haben, bittend E. K. M. wollen es solchem kein ungnädigst Gefallen tragen, dann Theologi je mit Weib und Kindern, sonderlichen zu diesen jämmerlichen Zeiten, betteln müssen, wie ich schier selbs erfahre, da sie nicht von Fürsten und Herrn ihre Errettung und Unterhaltung haben werden.

Wir sehen Katharina hatte, wenn es nicht schon in ihrem eigenen Sinne lag, von ihrem Gatten, der in seinem Leben so viel für Andere gebeten, gelernt, der Freunde Bedrängnis, sich anzunehmen und für sie einzutreten, und wenn es gewagt scheinen konnte, daß sie die selbst hülfsbedürftige Witwe bei dem königlichen Wohlthäter sich noch für einen bedrängten Schüler und Freund ihres seligen Mannes verwendete; so mußte es ihr um so mehr wohl thun, daß der König die Fürbitte der Witwe gelten ließ und Dr. Major wirklich eine Unterstützung von ihm empfing.

Der Kurfürst, welcher Wittenberg entsetzt hatte, forderte unter dem 1. März 1547 die Professoren zur Rückkehr auf, und in Folge davon ist wahrscheinlich auch Katharina zurückgekehrt. Aber nun kam erst die eigentliche Katastrophe. Am 24. April gerieth der Kurfürst in der unglücklichen Schlacht bei Mühlberg in kaiserliche Gefangenschaft, Wittenberg wurde am 5. Mai belagert und kam durch Capitulation in die Hände des Kaisers, der am 25. mit seinen Spaniern daselbst einzog. Auf die Nachricht von der unglücklichen Schlacht und bei der gewissen Aussicht einer neuen Belagerung flüchtete sich in Wittenberg, was fliehen konnte, und Luthers Witwe konnte am wenigsten dort bleiben. Sie langte zum zweitenmal in Magdeburg an, wo Melanchthon bereits war: Dieser nahm sich auf ihre Bitte, ihr einen Zufluchtsort zu verschaffen, ihrer an und reiste mit ihr und Dr. Major nebst dessen Familie in den ersten Tagen des Mai nach Braunschweig, woselbst der Stadtrath die Flüchtlinge unterstützte. Hierauf wollte man nach Lüneburg und von da sollte Major Katharinen mit ihrer Familie zu ihrem Gönner, dem Könige von Dänemark bringen. Man kam aber nur bis Gifhorn, denn die Weiterreise wurde wegen Unsicherheit der Wege, die allenthalben mit Soldaten erfüllt waren, widerrathen. Melanchthon kehrte nach Braunschweig zurück und wendete sich mit seiner Familie nach Nordhausen, Dr. Major nach Goslar. Wo Luthers Witwe, welche noch immer an Dänemark dachte, das Weitere abgewartet habe, wissen wir nicht. Als die Nachricht kam, daß die Flüchtigen ungefährdet nach Wittenberg, welches an Herzog Moritz übergeben worden war, zurückkehren könnten, benutzte auch Katharina diese Erlaubnis, und hielt sich von da ab fortwährend in Wittenberg auf. Aber ihre Vermögensverhältnisse litten unter dem Druck der Zeiten sehr, und wenn sie in ihrem Verlangen nach Grundbesitz und Neigung zur Landwirtschaft zu weit gegangen sein sollte, so mußte sie dies jetzt schwer büßen, und hat es sicher sehr bereut, den Freunden, welche den Ankauf von Wachsdorf widerrathen hatten, nicht gefolgt zu haben. Denn gerade die Güter waren ihr jetzt nicht nur von keinem Nutzen, sondern sie erlitt durch deren Besitz noch große Verluste: lagen sie doch unmittelbar an dem Schauplatze der kriegerischen Ereignisse und wurden durch dieselben mitbetroffen; der allgemeinen Kriegslasten nicht zu gedenken, welche damals fast lediglich vom Grundbesitz zu tragen waren[xxx]. Dazu kam später ein Proceß mit einem streitsüchtigen Nachbar, Hans Loser, in den sie verwickelt wurde. Bare Einnahmen hatte sie gar nicht: Der Jahrgehalt des Königs von Dänemark, welchen sie 1547 nochmals bekommen zu haben scheint, war seit 1548 nicht mehr ausgezahlt worden, ihr vornehmster Gönner, der fromme Kurfürst, konnte ihr nicht mehr beistehn, und die Mansfelder Gelder waren wohl schwer flüssig zu machen. Doch muß, vielleicht nach und nach, die Hälfte des verschriebenen Capitals ausgezahlt worden sein und wahrscheinlich hat sich Katharina davon einige Jahre mit den Kindern erhalten[xxxi].

Melanchthon hatte schon unter dem 3. September 1548 in einem Briefe an den König von Dänemark den Jahrgehalt in Erinnerung gebracht und geschrieben: „Auch, gnädigster König und Herr, bitt die arme Wittfraw des Herrn Doctoris Martini Luther, E. K. M. wolle ihr gnädiglich die jährliche Hülf continuiren, die E. K. M. bei Leben des Herrn Doctoris Martini ihm gnädiglich zugesandt. E. K. M. wolle sich hierin gnädiglich erzeigen. Das wird Gott belohnen, der wolle E, K. M. allezeit selig regirn und bewahren.“ Eben so hatte Bugenhagen in den beiden folgenden Jahren bei dem Könige für sie angeklopft[xxxii]; aber alle diese Fürsprachen waren ohne Frucht geblieben, und so sah sich die arme Witwe genöthigt, selbst zur Feder zu greifen und folgendes Bittgesuch an den königlichen Gönner zu richten:

Gottes Gnade durch seinen eingebornen Sohn Jesum Christum, unsern Heiland und wahrhaftigen Helfer, zuvor.

Durchlauchtigster, großmächtigster, gnädigster König und Herr!

Ew. Kgl. Maj. bitte ich in Unterthänigkeit, meine Schrift gnädiglich anzunehmen in Betrachtung, daß ich eine arme Witwe bin und daß mein lieber Herr, Doctor Martinus Luther seliger Gedächtnis, der Christenheit treulich gedienet hat und insonderheit sich aller Gnaden zu Gw. Königl. Maj, versehen. Nun hat Ew. Kgl. Maj. meinem lieben Herrn jährlich etliche Jahre eine gnädige Hülfe gethan mit 50 Thalern, dafür ich Ew. Königl. Maj. unterthüniglich Dank sage und für Ew. Kgl. Maj. fleißig anrufe. Nachdem aber ich und meine Kinder jetzo weniger Hülfe haben und die Unruhe dieser Zeit viele Beschwerungen bringet, bitte ich, Ew. Kgl. Maj. wolle mir solche Hülfe gnädiglich auch fürohin verordnen. Denn ich zweifle nicht, Ew. Kgl. Maj. hat meines lieben Herrn große Last und Arbeit nicht vergessen, so ist auch Ew. Kgl. Maj. der einige König auf Erden, zu dem wir armen Christen Zuflucht haben mögen, und wird Gott ohne Zweifel Ew. Kgl. Maj. von wegen solchen Wohlthaten, die den armen christlichen Prädicanten und ihren armen Wittfrauen und Waisen erzeigt werden, besondere Gaben und Segen geben, darum ich ernstlich und treulich bitten will. Der allmächtige Gott wolle Ew. Kgl. Maj. und Ew. Kgl. Maj. Königin und junge Herrschaft gnädiglich bewahren! Datum Witeberg, am 6. Tag Octobris Anno D. 1550.

Ew. Königl. Maj. unterthänige Catharina, D. Martini Lutheri nachgelassene Wittfrau.

Wir wissen nicht, woran es gelegen, daß auch dieses Gesuch unberücksichtigt blieb. Natürlich wurde Katharinens Lage immer bedrängter: sie half sich zwar, so gut sie konnte, vermiethete von dem großen, jedoch nur zum Drittel ausgebauten Klostergebäude, die entbehrlichen Räumlichkeiten, und nahm, wie früher, Kostgänger an den Tisch. Aber dies Alles reichte bei den durch die heranwachsenden Söhne sich immer steigernden Bedürfnissen nicht aus, und so wurde sie genöthigt, auf das ihr persönlich zugehörige Gütchen Zulsdorf bei dem Leipziger Dr. und Professor der Rechte Franz Kram 400 Gulden aufzunehmen und einen Theil ihres Silberwerks zu verpfänden[xxxiii]. So fristete sie sich wieder an zwei Jahr hin, und machte dann unter dem 8. Januar 1552 noch einen Versuch bei dem Könige von Dänemark, und man hört es diesem Bittgesuch an, wie schwer sie ihre Lage empfand und wie die gemachten Erfahrungen sie drückten. Sie schreibt:

Durchlauchtigster, Großmächtigster Kuning! Allergnädigster Herr! Ew. Kgl. Majestät seind meine unterthänige Dienst sammt meinem armen Gebet gegen Gott unterthänig allzeit zuvor. Allergnädigster Kuning, Ew. Kgl. Majestat wissen sich gnädiglich zu entsinnen, wie daß Ew. Kgl. Majestat meinem lieben Herren seligen sammt dem Herrn Philippo und v. Pomerano jährlich ein Gnadengeld geschenkt, welches sie zu Unterhalt ihrer Haushaltung und Kinderlein haben sollten. Welchs denn bisher jährlich gemeldetem Herrn Philippo und v. Pomerano von Ew. Kgl. Maj. gnädiglichen überreichet. Dieweil aber mein seliger lieber Herr Ew. Kgl. Maj. allzeit geliebet und für den christlichsten Kunig gehalten, auch Ew. Kgl. Maj. sich in solchen Gnaden gegen seligen meinem Herrn gehalten, dafür ich unterthänig Ew. Kgl. Maj. Danke, so werde ich durch dringende Noth bewogen, Ew. Kgl. Maj. in meinen Elend unterthäniglichen zu ersuchen, des Verhoffens, Ew. Kgl. Maj. werden mir armen und itzt von jedermann verlassenen Witwen solch mein unwürdig Schreiben gnädiglichen zu gut halten. Und will hiemit Ew. Kgl. Maj. unterthänig gebeten haben, Ew. Kgl. Maj. wollen mir aus Gnaden solch Geld folgen lassen. Dann sonders Zweifel Ew. Kgl. Maj. wol bewußt, wie es nu eine Zeit her nach dem Abgang meines seligen Mannes in diesen Landen gestanden, wie man die Elenden gedruckt, Witwen und Waisen gemacht, also daß zu erbarmen; ja mir mehr durch Freunde als Feinde Schaden zugefügt. Welchs alles Ew. Kgl. Maj. zu erzählen zu lang wäre. Aus diesen und andern Ursachen werde ich gedränget, Ew. Kgl. Maj. unterthänig zu ersuchen, nachdem Sich ein jeder so fremd gegen mir stellt und sich meiner niemand annehmen will. Versehe mich, Ew. Kgl. Maj. werde sich in diesem meinem Ansuchen gnädiglicher finden lassen und den Lohn von Gott dem Allmächtigen empfahen, welcher der Witwen und Waisen Vater seyn will. Demselben Gott, Vater unsers Herrn Jesu Christi, will ich Ew. Kgl. Maj, in sein väterlich Schutz und Schirm befohlen haben, der wolle Ew. Kgl. Maj. bei langem Leben, seiner Kirchen zu gut, gnädig erhalten und für allem Schaden der Seel und Leibes behüten. Amen. Datum im Jahre 1552, den 8. Januarii. Ew. Kgl. Maj.

allzeit unterthänige Catharina Lutherin, v. Martini nachgelassene Witwe.

Bugenhagen versäumte auch diesmal nicht ein Fürwort für sie einzulegen: „Die Witwe Martin Lutheri – schreibt er – klagt hart und bittet Ew. Maj. um gnädige Hülf rc. Es ist ja am Tag, daß sie in ihren Gütern dieses Jahr sehr großen Schaden gelitten hat, sammt ihren Nachbarn, derwegen sie auch zu Rechte gehen für des Kurfürsten Gerichte wider Jahn Löser.“

Diese klägliche Bitte scheint dem Könige zu Herzen gegangen zu sein. Die Antwort und Hülfe erfolgte sehr schnell, denn schon am 22. März desselben Jahres bekennt Bugenhagen dem Könige dankbar den Empfang des Geldes. Doch war es das letztemal, daß Katharina nöthig hatte, sich bei den Großen dieser Welt in Erinnerung zu bringen. Noch in diesem Jahre wurde sie von ihrem Gott für alle Zeit wohl versorgt und aufgehoben.

Siebenzehntes Kapitel. Katharinens letzte Krankheit und seliger Abschied aus dieser Zeit.

August bis 21. December 1552.

Katharinens Mutterpflichten gegen ihre Kinder waren erfüllt. Der älteste Sohn Johannes, dessen Anlagen zum Studieren bei des Vaters Tode noch zweifelhaft gewesen waren, muß den Versuch, der noch mit ihm gemacht werden sollte, bestanden und sich gut entwickelt haben, denn er hatte seine Studien in Wittenberg verfolgt und war dann, nachdem er bereits Vorlesungen über die Rechte gehört hatte, zur Fortsetzung derselben im Mai 1549 nach Königsberg gegangen, von seiner Mutter und Melanchthon, der ihm ein sehr ehrenvolles Zeugnis mitgab, dem Herzog Albrecht von Preußen zur Unterstützung empfohlen. Zwei Jahre hatte er derselben genossen; als aber unter dem 24. April 1551 die Mutter, welche sich schwach fühlte und deshalb mit ihrem Sohne über seine und seiner Geschwister Angelegenheiten sprechen wollte, und ihn zu sich rief, den Herzog bat, ihn zur Fortsetzung seiner Studien in Frankreich oder Italien zu unterstützen, lehnte dies der Herzog ab, und sprach dabei aus, daß er berichtet worden sei, wie ihr Sohn seiner Studien nicht nach Gebühr abwarte, und sich auch „etzlicher guter Händel“ theilhaftig mache, deren er wohl müssig gehen könne. Es müssen aber eben keine schlechten Händel und auch die erstere Klage kann nicht so gar begründet gewesen sein, denn die Universität Königsberg gab ihm bei seinem Abgange ein sehr gutes Zeugnis mit, sowohl in Betreff seines Wandels als seiner Studien. Wahrscheinlich hat er seinen Plan ins Ausland zu gehn, noch ausgeführt; wenigstens finden wir ihn im Jahre 1552 nicht bei der Mutter[xxxiv]. Dagegen hatte diese außer der Tochter noch die beiden jüngern Söhne bei sich da diese in Wittenberg studierten[xxxv]. Da brach wieder einmal die Pest oder doch eine ansteckende Krankheit daselbst aus, und die Studierenden fingen an sich zu zerstreuen. Die Zurückgebliebenen wurden unter dem 17. Juni 1552 aufgefordert, sich nach Torgau zu begeben, wo einstweilen die Universität ihren Sitz aufschlug und bald darauf die Vorlesungen eröffnet wurden. Dieser Umstand und weil die Seuche auch in ihr Haus eindrang, veranlaßte Katharinen, sich mit ihren Kindern ebenfalls nach Torgau zu begeben.

Es mag dies etwa im August geschehen sein. Unterwegs aber stieß ihr ein verhängnisvoller Unfall zu: die Pferde wurden scheu und gingen durch, Katharina sprang aus dem Wagen, schlug hart auf die Erde nieder und fiel in eine Lache kalten Wassers. Dieser Fall und der Schreck zogen ihr alsbald eine heftige Krankheit zu, an der sie über ein Vierteljahr darniederlag. Es scheint sich ein Zehrfieber ausgebildet und ihr Ende herbeigeführt zu haben. „Während ihrer ganzen Krankheit aber – wird von ihr bezeugt – tröstete sie sich und hielt sich aufrecht mit Gottes Wort, und wünschte sehnlich ein sanftes Abscheiden aus diesem armen Leben, befahl auch die Kirche und ihre Kinder Gott und bat, daß die Reinheit der Lehre, welche Gott durch ihres Mannes Wort dieser letzten Zeit, wiedergegeben, unverfälscht den Nachkommen überliefert werden möge.“ Sie hatte ja in ihrem letzten Lebensjahre noch die große Freude erlebt, daß der fromme Kurfürst Johann Friedrich seiner Haft entledigt und die Freiheit des evangelischen Bekenntnisses und Gottesdienstes sicher gestellt wurde. Wie ihr Herz zu ihrem Heilande stand, das bezeugen uns hinlänglich die wenigen Worte, welche uns aus ihrer letzten Krankheit aufbehalten sind: „Ich will an meinem Herrn Christo kleben bleiben, wie die Klette am Kleide[xxxvi]„„.

In solchem Glauben verschied Katharina am 20. December 1552 und schon am folgenden Tage fand ihr Begräbnis statt. Zur Theilnahme an demselben forderte der Vicerector der noch immer in Torgau weilenden Universität, Paul Eber, durch einen öffentlichen Anschlag die Studierenden auf. Im Eingang dieses Anschlags wird die Hoffnung auseinandergesetzt, mit welcher sich die Kirche Christi in allen Leidenszeiten aufrecht erhalten, und dann heißt es: „Durch diese Hoffnung hat sich auch in großen Trübsalen aufrecht gehalten die fromme Frau Katharina von Bora, abstammend aus einer edlen Familie des Ritterstandes in Meißen, Ehegemahl des ehrwürdigen und heiligen Mannes Herrn Doctor Martin Luthers. Denn nachdem sie durch den Tod ihres Gatten, (der zu ihrem Leidwesen an einem fremden Orte starb, wo sie nicht bei dem Kranken sein und dem Sterbenden nicht ihre Treue und letzten Liebespflichten beweisen konnte), die allerschmerzlichste Wunde empfangen hatte, irrte sie in dem bald darauf folgenden Kriege mit ihren verwaisten Kindern unter den größten Beschwerden und Gefahren als Vertriebene umher, und erfuhr neben den mannigfaltigen Beschwerden des Witwenstandes auch noch großen Undank bei Vielen, von denen sie wegen der so großen öffentlichen Verdienste ihres Gatten um die Kirche Wohlthaten erwarten konnte, aber oft schmählich getäuscht ward.“ Hierauf wird die Veranlassung ihrer letzten Krankheit und ihr christliches Verhalten in derselben mit den bereits oben angegebenen Worten erzählt und es heißt sodann zum Schluß: „Heute um 3 Uhr wird sie begraben werden. Wir bitten daher, daß unsere Zuhörer sich bei ihrer Wohnung, welche auf der nächsten Gasse ist, die zum Schlosse führt, einfinden und der ehrsamen Frau diese letzte Ehre erweisen, damit sie auf diese Art beweisen, daß sie die Frömmigkeit der Witwe, durch die sie sich in ihrem ganzen Leben so sehr auszeichnete, hochachten, die schwere Trauer der Waisen sich zu Herzen nehmen, und der Verdienste ihres Vaters, Herrn Doctor Martin Luthers, gottseligen Andenkens, eingedenk sind, (welche größer sind, als daß sie durch irgend eine Rede nach Würden gepriesen werden können), und daß sie endlich auch ihr Gebet daraufrichten, es wolle Gott, der ewige Vater unsers Herrn Jesu Christi, das Licht des Evangelii, welches er nach seiner unermeßlichen Güte durch diesen Mann in dieser letzten Zeit der Welt aufs neue angezündet hat, rein erhalten und dessen treue Lehrer und Verkündiger schützen und regieren, auch die Obrigkeiten behüten, welche den Kirchen und Schulen noch einige Zuflucht gewähren. Torgau am Tage des Apostel Thomas 1552.

Ein Grabstein in der Stadtkirche zu Torgau bezeichnet die Stätte, wo Katharinens Gebeine ruhen. Sie ist darauf in Lebensgröße, mit dem Sterbekleide angethan, dargestellt, eine aufgeschlagene Bibel an ihr Herz drückend. Rechts neben ihrem Haupte ist das Wappen ihres Mannes, ein rothes Herz unter einem schwarzen Kreuze in einer weißen Rose, links ihr Familienwappen. Die Umschrift lautet: ANNO 1552 den 20 DECEMBR: Ist in Gott Selig entschlaffen alhier zu Torgau Herrn v. Martin Luthers seligen Hinterlassene wittbe Katharina von Bora (od. Borau.) Das Ganze ist ohne Kunstwerth, eine gewöhnliche Steinmetzarbeit, mit Spuren von bunter Bemalung und Vergoldung.

 

 

[i] „Lies du, liebe Kathe – schrieb Luther in einem seiner letzten Briefe der sorgenden Hausfrau – den Johannem und den kleinen Catechismum, davon du zu dem mal sagetest: Es ist doch alles in dem Buche von mir gesagt,“ – Den Katechismus machte sie auch gern ihren Freundinnen zum Geschenk.

[ii] „Es ist nicht allein um mich und um mein Kind zu thun – sprach sie bei einem gefährlichen Krankheitsanfall ihres Gatten – sondern um viel frommer christlicher Leute, die Euer noch dürfen.“

[iii] Es muß jedoch Baumgärtners Benehmen dabei ganz ehrenwerth gewesen sein, denn er behielt wie Luthers also auch seiner Gattin volle Achtung. Noch im Jahre 1541 schrieb dieser, als er sich wieder mit einer Bitte für einen Armen an Baumgärtner wendete, am Schlusse des Briefs: „Es grüßt dich ehrerbietig deine ehemalige Liebe, welche dich jetzt wegen deiner vorzüglichen Eigenschaften mit neuer Liebe liebt und dir vom Herzen wohl will,“

[iv] Dies spricht er an mehrern Orten aus, insbesondere in dem Einladungsschreiben an Amsdorf, worin er über seinen Schritt folgende Rechenschaft gibt: „Es ist also wahr, daß ich plotzlich mit Katharinen zusammengethan worden bin, ehe ich hören mußte, wie das Geschrei darüber losging, wie es zu geschehn pflegt. Denn ich hoffe, daß ich nur noch kurze Zeit zu leben habe. So habe ich auch diesen letzten Gehorsam meinem Vater, der Solches von mir begehret, in der Hoffnung, Gott werde mir Kinder bescheren, nicht wissen abzuschlagen. Zugleich wollte ich durch mein Beispiel bestätigen, was ich gelehrt habe, da ich finde, daß Viele bei so hellem Lichte des Evangelii noch kleinmüthig sind. Gott hat es so gewollt und gethan. Ich bin weder verliebt noch brünftig, doch liebe ich mein Weib.“

[v] Zum Neujahr beschenkte der Rath der Stadt Katharinen wieder mit einem Schock Schwäbischer Leinwand, 1 Fl. 8 gr. 3 pf. berechnet.

[vi] Diese beiden Würden waren in einer Person vereinigt,

[vii] Der während des Todes des Kurfürsten Friedrich (d. 5. Mai) bis nach Thüringen vorgedrungene Bauernaufstand war eben erst niedergekämpft.

[viii] Sehr bezeichnend ist auch, daß er den Brief an die Galater, der ihm vor allen Büchern heiliger Schrift besonders werth war, eben deshalb seine Käthe nennt.

[ix] „Ich habe eine wunderliche Haushaltung – sagte er einmal – ich verzehre mehr als ich einnehme. Ich muß jedes Jahr 500 Gülden in der Haushaltung in die Küche haben, zu geschweigen der Kleider, anderer Zierath und Almosens, da doch meine jährliche Besoldung sich nur auf 200 Gülden belauft,“ Und ein andermal: „Ich bin zur Haushaltung sehr ungeschickt; ich werde von der nothdürftigen Unterhaltung meiner nahen Verwandten und durch den täglichen Zuspruch von Fremden ganz arm gemacht,“

[x] Daß er ihr manchmal wohl zu weit gegangen sei, läßt sich denken, z. B. wenn er ihr, als ihn einmal ein Dürftiger ansprach und keine Barschaft vorhanden war, über das Pathengeld der Kinder gerieth, als sie gerade in den Wochen lag. So hat man auch eine andere Geschichte, für welche ich jedoch keine verbürgte Quelle kenne und deren Wahrheit ich daher auf sich beruhen lasse. Ein armer Jüngling, der nach Vollendung seiner Studien Wittenberg verlassen will, spricht Luther um eine Unterstützung an. Er ist gerade ohne Geld und bedauert, den Armen ohne Hülfe entlassen zu müssen. Da fällt sein Blick auf einen silbernen Becher, den reicht er dem Jüngling; dieser aber will ihn nicht nehmen und Katharina winkt ihrem Gatten abmahnend zu. Aber Luther drückt den Becher mit der Hand zusammen und gibt ihn dem Jüngling mit den Worten: „Ich brauche keinen silbernen Becher. Du nimm ihn, trag ihn zum Goldschmidt und was du dafür lösest, das behalte.“

[xi] Hiermit ist wohl vereinbar, daß Katharina durch jemand, der es aber auch erst aus der zweiten Hand hat, nacherzählt wird, sie habe sehr auf das richtige Eingehen der Kostgelder gehalten; denn wie hätte ihr Haushalt bestehen konnen, wenn sie gleichsam offene Tafel hätte halten wollen. An Gästen fehlte es ohnehin fast nie.

[xii] Dr. Georg Brück und Dr. Christian Beier

[xiii] Diese Muhme Lene, welche auf den von neuern Malern entworfenen Scenen aus Luthers Familienleben regelmäßig als ein altes Mütterchen erscheint, war eine Schwestertochter Luthers, lebte längere Zeit in seinem Hause, verheirathete sich dann mit M. Ambrosius Bernd, einem von diesem sehr werthgeachteten Manne, und nach dessen Tode mit dem Stud. med. Johann Reichel von Guerike.

[xiv] Katharina muß überhaupt mit allen, die irgendwie ihrem Manne näher standen, wohl bekannt, seine Freunde auch die ihrigen gewesen sein, denn in den meisten Briefen an seine gewöhnlichen Correspondenten finden wir entweder Grüße von seiner Käthe, oder Dank für empfangne Grüße und kurze Nachrichten über sie.

[xv] Es waren dies Cyriakus Kaufmann, ein Schwestersohn Luthers, und Veit Dietrich, später ein treuverdienter und vielgenannter Nürnberger Geistlicher.

[xvi] Die drei Briefe, welche auf unsere Zeit gekommen sind, finden sich im Anhang Nr. 2-4 abgedruckt. Zur Characterisierung des hauslichen Lebens Luthers gehort auch der liebliche Brief, den er an sein vierjähriges Söhnchen Johannes schrieb, und wir müssen ihn daher, obwohl er nicht unbekannt ist, der Vollständigkeit wegen wenigstens anmerkungsweise abdrucken lassen.
„Gnad und Friede in Christo, mein liebes Söhnichen. Ich sehe gern, daß du wohl lernest, und fleißig betest. Thu also, mein Söhnichen, und fahre fort: wenn ich heim komme, so will ich dir ein schön Jahrmarkt mitbringen
Ich weiß einen hübschen, lustigen Garten, da gehen viel Kinder innen, haben güldene Röcklin an, und lesen schöne Aepfel unter den Bäumen, und Birnen, Kirschen, Spilling und Pflaumen; singen, springen, und sind fröhlich; haben auch schöne kleine Pferdlin mit gülden Zäumen und silbern Sätteln. Da fragt ich den Mann, des der Garten ist: wes die Kinder wären? Da sprach er: es sind die Kinder, die gern beten, lernen und fromm sind. Da sprach ich: Lieber Mann, ich hab auch einen Sohn, heißt Hänsichen Luther, möcht er nicht auch in den Garten kommen, daß er auch solche schöne Aepfel und Birn essen möchte, und solche feine Pferdlin reiten, und mit diesen Kindern spielen? Da sprach der Mann: wenn er gern betet, lernt und fromm ist, so soll er auch in den Garten kommen, Lippus und Jost auch, und wenn sie alle zusamen kommen, so werden sie auch Pfeifen, Pauken, Lauten und allerley Saitenspiel haben, auch tanzen und mit kleinen Armbrüsten schießen.
Und er zeigte mir dort eine feine Wiese im Garten, zum Tanzen zugericht, da hingen eitel güldene Pfeifen, Pauken und kleine silberne Armbrüste. Aber es war noch frühe, daß die Kinder noch nicht gessen hatten: darumb konnte ich des Tanzes nicht erharren, und sprach zu dem Mann: Ach, lieber Herr, ich will flugs hingehen, und das alles meinem lieben Söhnlin Hänsichen schreiben, daß er ja fleißig bete und wohl lerne und fromm sey, auf daß er auch in diesen Garten komme; aber er hat eine Muhme Lehne, die muß er mitbringen. Da sprach der Mann: Es soll ja seyn, gehe hin, und schreibe ihm also.
Darum, liebes Sohnlin Hänsichen, lerne und bete ja getrost, und sage es Lippus und Josten auch, daß sie auch lernen und beten: so werdet ihr mit einander in den Garten komen. Hiemit bis dem allmächtigen Gott befohlen, und grüße Muhme Lehnen, und gib ihr einen Kuß von meinetwegen. Anno 1530.“

[xvii] Diese starb ein Jahr später, den 30. Juni 1531.

[xviii] Man wird ja wohl gern auch einen Gevatterbrief von Luthers Hand lesen und darum wollen wir das kurze Schreiben hersetzen:
Dem Gestrengen, Ehrenfesten Hans Loserer, Erbmarschallen zu Sachsen, meinem gst, Herrn und freundlichen, lieben Gevatter rc.
Gnad und Fried in Christo. Gestrenger, Ehrenfester, lieber Herr und Gevatter. Wie ich nächst gebeten, so bitte ich abermals umb unsers Herrn Christi willen, E. Gestrengen wolle sich demüthigen, Gott zu Ehren, und meinem jungen Sohn, den mir diese Nacht Gott bescheret hat von meiner lieben Käthen, förderlich und hiilflich erscheinen, damit er aus der alten Art Adams zur neuen Geburt Christi durch das heilige Sacrament der Taufe kommen, und ein Glied der Christenheit werden möchte; ob vielleicht Gott der Herr einen neuen Feind des Papsts oder Türken an ihm erziehen wolle. Ich wollte ihn gerne umb Vesperzeit taufen lassen, auf daß er nicht länger ein Heide bleibe, und ich desto sicherer würde. Ew. Gestrengen wolle sich unbeschwert herbeifinden, und solch Opfer, Gott zu Lob, helfen vollbringen. Wormit ichs wüßte zu verschulden, bin ich willig und bereit. Hiermit Gott sampt den Eurigen befohlen, Amen. In der Nacht umb 1 Uhr, Mittwochs nach St. Pauli, 1533.
Ew. Gestrengen williger Diener
Martin Luther,
Die andern Taufzeugen waren der Stiefbruder des damaligen Kurfürsten, Herzog Johann Ernst, Dr. Jonas, Melanchtbons Gattin und Dr. Kaspar Lindemann, ein Verwandter von mütterlicher Seite. Jonas, der Pathe des Erstgebornen, war wohl nur Stellvertreter.

[xix] „Ich meinte – sind seine eignen Worte – ich würde Weib und Kindlein hier nicht mehr sehen, wie wehe that mir solche Sonderung und Scheidung, Nun glaube ich wohl, daß in solchen sterbenden Leuten solche natürliche Neigung und Liebe, so ein Ehemann zu seinem Eheweibe, und die Eltern zu den Kindern haben, am größten sey. Weil ich aber nun wieder gesund bin worden, von Gottes Gnaden, so hab ich mein Weib und Kindelein um desto lieber. Keiner ist so geistlich, der solche angeborne natürliche Neigung und Liebe nicht fühlet. Denn es ist ein groß Ding um das Bündnis und die Gemeinschaft zwischen Mann und Weib.“

[xx] Im Herbst 1540, wo das Fieber einmal so herrschte, daß fast Alles krank war, obwohl wenig starben, hatte Luther einmal zehn gefährliche Patienten im Hause.

[xxi] „Der Kirchen Gebet thut große Miracula! – sagte Luther einmal über Tische – Es hat zu unserer Zeit ihrer drei von den Todten auferweckt: mich, der ich oft bin todtkrank gelegen; meine Hausfrau Käthe, die auch todtkrank war; und M. Philippum Melanchthonem, welcher 1540 zu Weimar todtkrank lag.“ Daß Katharina wie todt gewesen sein müsse, erhellt daraus, daß Luther, als über Tische einmal von den Schmerzen des Todes die Rede war, sagte: „Da fraget meine Käthe um, ob sie etwas gefühlet hat, denn sie war recht gestorben.“ Sie antwortete aber: „Herr Doctor, ich hab gar nichts gefühlt.“

[xxii] Luther richtet in den Briefen an einige nähere Freunde besonders in den spätern Jahren die verschiedenartigsten Aufträge seiner Käthe in Haus- und Wirthschaftsangelegenheiten aus. Einmal läßt sie sich sogar 10 Schock Weinpfähle bei dem P. Anton Lauterbach in Pirna, einem ehemaligen Tischgenossen, bestellen. Aber man theilte im Lutherschen Hause auch gern von allem mit, was man im Haus und Garten besaß und diente den Freunden auf alle Art und Weise, So richtete z. B, Katharina für Hieronymus Weller den Doctorschmaus in ihrem Hause aus.
Noch ist im Lutherhause zu Wittenberg eine Probe zu sehen, was Katharina in ihrem unternehmenden Sinn Alles angestellt habe, eine aus Pirnaischem Sandstein gefertigte Thür, welche sie durch Vermittlung des obengenannten Pastor Lauterbach ihrem Gatten zu Ehren im Jahre 1539 fertigen ließ. Wenigstens wurde sie da bestellt, aufgerichtet ist sie erst 1540. Man konnte sie ein kleines gothisches Portal nennen und sie ist nicht ohne Kunst und Geschmack ausgeführt, so daß Schadow sie einer Abbildung in seinen Denkmälern Wittenbergs für werth hielt. Das Gewände ist nischenartig vertieft und zu zwei Sitzen eingerichtet, welche von kuppelartigen Baldachinen überdeckt werden, auf deren innerer Seite an dem einen Luthers Bildnis mit der Umschrift Aetatis suae 57 (in seinem 57sten Lebensjahre), an dem andern sein Wappen eingehauen ist.

[xxiii] Als einmal Weintrauben, Nüsse, Pfirsichen rc. auf den Tisch nach der Mahlzeit gesetzt wurden und alle mit Lust davon aßen, sprach Luther: „Was sagt unser Herr Gott droben im Himmel dazu, daß wir also hier sitzen und seine Güter verzehren? Nu, er hat’s darum geschaffen, daß wir sie brauchen sollen, fordert andres nichts von uns, denn daß wir erkennen, daß es seine Güter sind und ihrer mit Danksagung genießen,“ Und als ein andermal seine Kinder vor dem Tisch standen und sahen mit allem Fleiß auf das Obst und die Pfirsichen, die auf dem Tisch standen, sprach er: „Wer da sehen will das Bild Eines, der sich auf Hoffnung freuet, der hat hier ein recht Conterfei. Ach daß wir den jüngsten Tag so fröhlich in Hoffnung könnten ansehn.“

[xxiv] Das Nähere darüber wird bei Erwähnung von Luthers Testament (Kap, 14,) angegeben werden.

[xxv] Wie es mit dem Ankauf dieses Gütchens zugegangen, wissen wir nicht. Genug daß Luther dieses Besitzthum als einen Segen Gottes betrachtete, denn er sagte einmal: „Unser Herr Gott gibt allemal mehr, als wir bitten; wenn wir recht um ein Stück Brod bitten, so gibt er uns einen ganzen Acker, Als meine Hausfrau krank lag, da bat ich Gott, er sollte sie mir leben lassen; so gibt er ihr noch das Gut Zolsdorf dazu und beschert uns sonst ein reich fruchtbar Jahr“ Die Schreibart des Ortsnamens ist sehr verschieden. Es war ehedem ein amtsässiges Landgut und Vorwerk ohne Unterthanen, von Luther i. J. 1540 um 610 Gülden gekauft und ausgebaut. Jetzt ist es als eine sogenannte wüste Mark zum Rittergut Kieritzsch unter dem Amte Borna geschlagen und von den Wohngebäuden keine Spur mehr vorhanden.

[xxvi] Katharina wurde übrigens in dieser Hinsicht von ihrem Gatten unterstützt, denn er vermahnte z. B. sein Gesinde öfters, daß sie ihm im Hause kein Aergernis anrichten sollten. „Der Teufel – sprach er – hat ein scharf Auge auf mich, damit er meine Lehre verdächtig mache oder einen Schandflecken anhänge.“ Demohngeachtet blieb dergleichen nicht aus. Große Noth und schweres Aergernis machte ihnen insbesondere eine Betrügerin, welche sich für eine entflohene Nonne ausgab und Rosine von Truchseß nannte. Ihre schlechte Aufführung kam erst völlig an den Tag, als sie Katharina zur Vermeidung mehrern Verdrusses heimlich entlassen hatte, womit Luther, der sie gerne der verdienten Strafe überliefert und unschädlich gemacht hätte, unzufrieden war. Wie einverstanden aber beide Gatten in der Fürsorge für treue Diener waren, ist am besten aus dem Briefe ersichtlich, welcher im Anhang Nr. 5 abgedruckt ist.

[xxvii] Dieses Haus lag zunächst am Kloster und war von Luther gekauft worden, weil er nicht wußte, ob die Seinigen das große Klosterbaus nach seinem Tode würden behaupten konnen, da es nur zum dritten Theil ausgebaut war und es ihm schon dermalen beschwerlich wurde, es im baulichen Wesen zu erhalten, und da er überdem vermuthete, man möge es etwa einmal als Magazin benutzen. Da sollte nun dieses Haus, welches erst Luthers früherem Prior, Eberhard Brisger, dann dem Pfarrer Bruno Bauer in Dobin gehört hatte, den Seinigen als Wohnung dienen. Es kostete 400 Fl. und 20 Fl. mußten hineingebaut werden. Luther kaufte es, weil nur l20 Fl. (die er aber auch borgen mußte) angezahlt zu werden brauchten, das Uebrige als Tagzeiten stehen blieb, Lehnträger wurde sein alter treuer Famulus Wolfgang Siberger oder Seberger, bereits seit 1515 in Wittenberg inscribiert, der sich wahrscheinlich zur Erreichung eines selbstständigen Lebensberufes nicht eignete, überdem später einen lahmen Arm bekam, und daher bis nach Luthers Tode (durch dessen Fürsprache er eine kleine Pfründe vom Kurfürsten erhalten hatte) in dessen Hause verblieb. Er scheint sich auf allerlei Weise im Hause nützlich gemacht zu haben; daß Luther selbst mit ihm zuweilen drechselte, ist bereits oben erwähnt worden. Als er aber auch einmal einen Vogelherd anlegte, that Luther in einer lieblichen Scherzschrift Einsprache.

[xxviii] Außer Erwähnung geblieben, und also zu diesem Leibgedinge nicht gehörig, war, was Luther außerdem an liegenden Gründen in Wittenberg selbst besaß. Er bezeichnet und schätzt dieselben im Jahre 1542 bei Gelegenheit der Erhebung der Türkensteuer, welcher er sich freiwillig unterwarf, selbst folgendermaßen: der Garten (wahrscheinlich der sogenannte Baum- und Hopfengarten) für 500 Fl., die Hufe mit dem Garten für 90 Fl. und ein kleines Gärtlein für 20 Fl.

[xxix] So schrieb er u, A, auch hinsichtlich des alten Famulus Luthers, Wolfgang Sieberger oder Seberger, dessen wir oben gedacht haben. „Der arme, lahme Wolf ist auch noch da. An dem mußten die Vormunden hören, ob er langer bei der Frauen bleiben, auch ob sie ihn bei sich behalten wollt oder nit. Dann e. kurf. G, haben ihme eine Pension, als vierzig Gulden jährlich, verschrieben; wollt sie ihn bey sich behalten und er bey ihr bleiben, so hätt sie die vierzig Gulden auch mit einzubrocken, wie dann bisher beschehen, daß der arm Mensch derselben wenig genossen hat, besorge ich,“ Aus dem noch vorhandenen Concepte ersieht man, daß Brück die Worte „ besorge ich“ erst noch später hinzugefügt hat, weil er wohl gemerkt haben mag, daß er zu viel gesagt hatte. Immerhin aber ist es eine sehr ehrenrührige Verdächtigung, die noch dazu nicht bloß Katharinen, sondern zugleich Luthern selbst trifft.

[xxx] Um Milderung dieser Lasten, was Zulsdorf betraf, zu erlangen machte sie im Jahre 1548 mit Melanchthon eine Reise nach Leipzig,

[xxxi] Es könnte aber auch sein, daß diese tausend Gulden ganz oder zum Theil erst nach Katharinens Tode gezahlt worden wären, denn wir wissen nur so viel, daß zwei Jahre nach demselben noch 1000 Gulden zu erheben waren.

[xxxii] Unter dem 17, Juli 1549: Doctoris Martini, unsers lieben Vaters Witwe, mit ihren Kindern hat großen Schaden gelitten in ihren Gütern im Krieg. Die arme Frau bittet, Ew, Maj. wolle sie nicht verlassen, sondern gnädiglich geben, wie zu vor.“ – Und unter 18. Juni 1550: Will Ew. Maj. auch die arme Witwe Lutheri bedenken, das wird Ew. Maj. wol wissen. Sie wäre nicht arm, wenn sie ihre Gütlein wüßte zu versorgen, aber da feilets. Sie muß gleichwol mit ihren Kindern erhalten werden um des hohen Mannes willen, Patris Lutheri, den uns Christus gegeben hat in diesen letzten Zeiten.“ Man braucht in diesen Worten nicht, wie geschehen ist, einen Tadel Katharinens zu finden, wenn man den Sprachgebrauch der Zeit bedenkt, wornach, „wüßte“ gleichbedeutend ist mit „im Stande wäre.“

[xxxiii] Der Kinder Eigenthum blieb unangetastet, ja es scheint, als ob die 200 Gulden, welche über den Betrag des kurfürstlichen Geschenks auf den Ankauf von Wachsdorf verwendet worden waren, abgezahlt worden wären. Bei dem zwei Jahr nach Katharines Tode (d, 5. April 1554) abgeschlossenen Theilungsreceß der Kinder fiel Letzteres als ein Mannslehen den drei Söhnen zu, und diese zahlten der Schwester 500 Gulden heraus. Um diesen Preis nahm diese die Gärten an, erhielt aber ihren Antheil daran vergütet. Zulsdorf wurde um 956 Gulden verkauft: der Käufer übernahm die darauf haftende Schuld und um die verbleibenden 456 Gulden sollten, wenn es reichte, die verpfändeten Silbergeräthe eingelöst werden. Die Bücher erhielten die Brüder, der Schwester gehörten „die weibliche Gerade“, doch gab sie nach der Mutter Willen einen jeden der Brüder „ein gericht Bett, so gur allda ist, ein Tischtuch und ein Handquehl.“ Das andere Hausgeräth wurde in vier Theile getheilt, doch blieb der Schwester die Vorwahl. In Mansfeld standen noch 1000 Gulden, diese und der Ertrag der noch unverkauften Häuser sollten später getheilt werden. Das kleine Haus wurde wohl ungefähr um diese Zeit um 342 Gülden 18 Groschen verkauft: von den darauf haftenden 210 Gülden hatte Katharina 30 abgezahlt. Das große Klostergebäude verkauften die Erben erst 1564 um 3700 Gulden an die Universität. Aus diesen Notizen, insbesondere wenn wir die erlittenen Verluste in Anschlag bringen und dabei bedenken, daß der Werth der liegenden Gründe in jener bedrängten Periode gefallen sein muß, erhellt wenigstens so viel, daß Katharina nicht zum Nachtheil ihrer Kinder gewirthschaftet habe.

[xxxiv] Ein Jahr nach dem Tode der Mutter verheiratete er sich mit Elisabeth, nachgelassener Tochter des Dr. Caspar Cruziger Propstes an der Schloßkirche und Professor der Theologie in Wittenberg, trat als Canzleirath in die Dienste Herzog Johann Friedrich des Mittlern, dann in die des Herzogs Albrecht von Preußen und starb am 22, October 1575, Obwohl das von der Universität erlassene Leichenprogram von nachgelassenen „Kindern“ desselben spricht, wußte man doch bisher nur von einer Tochter Katharina, welche kinderlos verstorben. Neuerdings hat man jedoch den Stammbaum eines Sohnes von Johannes Luther, Nicolaus aufgestellt, und der verdiente Rector des Martinstifts in Erfurt, Karl Reinthaler, hat herabgekommene Nachkommen dieses Mannsstammes in Böhmen aufgefunden und fünf Lutherwaisen Anton, Maria, Anna, Johannes und Therese bei sich aufgenommen und mit Hülfe anderer Lutherfreunde erzogen. Es bleiben freilich noch einige Zweifel an der Richtigkeit des aufgestellten Stammbaums übrig; allein ohne Netteres zu verwerfen ist derselbe durchaus nicht,

[xxxv] Martin, der zweite Sohn, studierte Theologie und besaß nach dem Universitäts-Leichenprogramm solche Geistesgaben und Beredsamkeit, daß sich schon der Vater darüber verwunderte, seine spätere Kränklichkeit aber hinderte ihn, ein öffentliches Amt anzutreten. Er starb 34 Jahr alt am 3, März 1565, wie es scheint, an Lungenschwindsucht, wohl zum Tode bereitet mit Gottes Wort, unter Gebeten bis zum letzten Athemzug, Er war seit 1560 mit Anna, des Bürgermeister Thomas Hillinger Tochter verheirathet, hatte aber keine Kinder, – Paul, der dritte und, wie es scheint, begabteste unter Luthers Söhnen studierte Mebicin, promovierte 1557 und wurde Leibarzt des Herzog Johann Friedrich II. zu Gotha, trat 1566 als Rath und Leibarzt bei Kurfürst Joachim II, von Brandenburg, von 1571 an aber bei den Kurfürsten von Sachsen August und Christians I, in gleicher Qualität in Dienste. Der Kryptocalvinismus des sächsischen Hofes veranlaßte ihn aber später seine Aemter niederzulegen und sich nach Leipzig zu begeben, wo er 1593 im 61, Lebensjahre starb. Er verheirathete sich sehr jung, noch als Studierender am 5, Februar 1553 mit Anna von Warbeck, Tochter des kurfürstlich Sächsischen Raths und Kanzler Veit von Warbeck, Durch ihn ist, sichern Nachrichten gemäß, das Geschlecht am längsten fortgepflanzt worden, in männlicher Linie aber doch bereits seit 1759 erloschen, – Die Tochter Margaretha verheirathete sich den 5, August 1555 mit Georg von Kunbeim, Erbherrn auf Knaulen bei Mühlhausen in Preußen, einem frommen Manne und großem Verehrer ihres Vaters, Die Ehe wurde im Beisein vieler Grafen und Herren geschlossen und war mit neun Kindern gesegnet, deren aber keins das Geschlecht fortpflanzte, Margaretha starb 1570.

[xxxvi] Dieses kindliche Glaubenswort soll dem Rector des Gymnasiums zu Zittau M. Christian Keimann Veranlassung zu dem Liede gegeben haben: „Meinen Jesum laß ich nicht, Weil er sich für mich gegeben, So erfordert meine Pflicht Klettenweis an ihm zu kleben,“ – Wörtlicher aber noch kehrt dieser Ausspruch wieder in dem bekannten Begräbnisliede von Simon Graf, Pfarrer in Schandau: Christus der ist mein Leben, wo es V. 7 heißt: Und laß mich an dir kleben Wie eine Klett am Kleid rc.

Katharina von Bora.

(geb. d. 29. Jan. 1499; gest. d. 20. Dec. 1552.)

„Mein lieber Herr Doctor, ist’s Gottes Wille, so will ich Euch bei unserm lieben Herr Gott lieber, denn bei mir wissen; ich hoffe aber und traue auf Gott, er werde Euch gnädiglich erhalten.“

Katharina von Bora wurde geboren im Jahre 1499 den 29. Januar zu Loeben bei Schweinitz in Sachsen. Ihr Vater, Hans von Mergenthal auf Deutschenbora, gehörte zu dem im Mittelalter berühmten Geschlechte der Boren, ihre Mutter, Anna, war eine geborene von Haugwitz. Die Aeltern, welche nur geringes Vermögen besaßen, brachten ihre Tochter schon frühzeitig in das Cistercienser Nonnenkloster Nimtschen bei Grimma. Katharina, von Natur mit einem heitern Gemüthe begabt, war gleich vom Anfange dieser unnatürlichen Einkerkerung abhold. Die Klosterschwestern, welche Gelegenheit hatten, Luthers Schriften zu lesen, erfuhren nun auch, daß er gegen das Nonnenwesen gesprochen und daß sie nicht verpflichtet wären, wider ihren Willen in diesem Stande zu bleiben. Dieses trug mit dazu bei, daß der Katharina das Klosterleben mit jedem Tage verhaßter wurde. Daher regte sich in ihr, so wie in 8 andern Nonnen späterhin der Wunsch, aus den Klostermauern befreit zu werden, weil, wie sie erklärten, solch Leben der Seligkeit halber von ihnen nicht länger zu dulden sei. Sie wendeten sich daher an ihre Aeltern, erhielten aber eine abschlägliche Antwort. Sollte dennoch ihr Wunsch erfüllt werden, so mußte von einer andern Seite Hülfe kommen und diese erwarteten sie von Luther. Sie offenbarten sich ihm und dieser entwarf sogleich einen Plan zu ihrer Befreiung. Ganz im Stillen gewann er einen Bürger zu Torgau (Leonhard Koppe), der mit zwei andern Männern das Wagestück ausführte. In der Charfreitagsnacht den 4. April 1523 kamen diese Männer bei dem Kloster Nimtschen an, Koppe überstieg die Gartenmauer und half den 9 Nonnen über dieselben hinweg. Diese Entführung erschien aber um so gefährlicher, da die Reise durch die Länder Georgs des Bärtigen gehen mußte, der ein eifriger Katholik und ein abgesagter Feind Luthers war. Deshalb verbarg Koppe die Nonnen so viel als möglich. Er hatte 9 Tonnen mitgebracht, die so eingerichtet waren, daß in jeder eine Person bequem sitzen konnte. Auf diese Art kam das „armselige Völkchen,“ wie Luther die Geretteten nennt, am dritten Osterfeiertage, den 7. April wohlbehalten in Wittenberg an. Sie suchten Zuflucht bei Luther und fanden einen väterlichen Versorger an ihm. Dieser beruhigte sie nicht nur über den gethanen Schritt, den er öffentlich billigte, sondern verschaffte ihnen auch von seinem Churfürsten eine geheime Unterstützung und suchte sie mit ihren Verwandten zu versöhnen. Luther, der schon lange gegen das ehelose Leben der Geistlichkeit gepredigt und geschrieben hatte, ging endlich selbst mit einem guten Beispiele voran, indem er seine Mönchskleidung ablegte und sich am 23. Junius 1525 mit dem Fräulein Katharina von Bora verheirathete. Er war der glücklichste Ehemann und hatte nie Ursache, seine Wahl zu bereuen. Mit inniger Liebe hing sie an ihm und stand in so mancher Anfechtung und so mancher trüben Stunde als freundliche Trösterin ihm zur Seite. Sein eigenes Urtheil über sie spricht er in folgenden Worten aus: „Es ist mir mit meiner Käthe Gottlob wohlgerathen; denn ich habe ein fromm, getreu Weib, auf welches sich des Mannes Herz verlassen darf, wie Salomo sagt, Sprichw. 31, 11; sie verdirbt mir nichts.“ Und in der That hatte er recht gesprochen. Ihr schönster Schmuck war ächte Frömmigkeit und Tugend. Zwar warf man ihr Stolz vor und tadelte es, daß sie den Umgang mit andern Frauen mied; und doch war jenes der edle Stolz auf ihren Gemahl, den sie innig liebte und auf den sie stolz zu sein alle Ursache hatte. Eben so mochte sie als eine an Geistesbildung und Seelenadel so viele ihres Geschlechts übertreffende Frau keinen Gefallen finden an den leeren Gesprächen ihrer Nachbarinnen, sondern zog es vor, an der Seite ihres Gatten zu weilen, der im häuslichen Kreise immer heitere und fröhliche Laune zeigte und sie so manches Andere vergessen ließ. Daher äußerte auch Luther einst von sich selbst: „Die höchste Gnade und Gabe Gottes ist es, ein fromm, freundlich, gottesfürchtig und häuslich Gemahl haben, mit der du friedlich lebest, der du darfst all dein Gut und was du hast, ja dein Leben und Leib vertrauen. Gott aber stößet ihrer viele in den Ehestand, ohne ihren Rath, ehe sie es recht bedenken und thut wohl daran. Käthe, du hast einen frommen Mann, der dich lieb hat, du bist eine Kaiserin. So danke Gott. Aber zu einem solchen Stande gehört eine fromme und gottesfürchtige Person.“

Daß er an ihrer Seite ein wahrhaft glücklicher Gatte und Vater war, zeigen verschiedene Einzelheiten. So oft er zu verreisen genöthigt war, beklagte sie es und war ängstlich um ihn besorgt, so daß Luther bei solchen Gelegenheiten sie nur mit vieler Mühe in Briefen zu trösten vermochte. Als er einst von einer schweren Krankheit befallen wurde, pflegte sie ihn mit treuer Liebe und Sorgfalt Tag und Nacht, wich nicht von seinem Bette und bewährte sich als die treueste Gattin in Wort und That. Ihm, der bei dieser Gelegenheit selbst an seiner Wiedergenesung zu zweifeln anfing, rief sie im Vertrauen auf Gott die tröstenden Worte zu: „Mein lieber Herr Doctor, ist’s Gottes Wille, so will ich Euch bei unserm lieben Herr Gott lieber, denn bei mir wissen, ich hoffe aber und traue auf Gott, er werde Euch gnädiglich erhalten.“

Katharina war aber auch eine treffliche Hausfrau. Sie befolgte in allen Dingen mit Zuvorkommenheit seinen Willen und sorgte mit gewissenhafter Genauigkeit für das Hauswesen, was bei Luthers geringem Einkommen und seiner unbegrenzten Wohlthätigkeit sehr heilsam war. Zu bewundern ist’s, daß Beide sich so bald und so glücklich in Alles fanden, was ihnen jetzt in der Wirthschaft oblag. Luther, als Mönch, an strenge Ordnung gewöhnt, übte auf gleiche Weise die Pflichten des Hausvaters und Katharina verstand es auch, durch geschicktes und sanftes Beherrschen der Dienstboten sich als tüchtige Hausfrau zu zeigen,

Mit Sorgfalt widmete sich Katharina der geistigen und sittlichen Ausbildung ihrer 6 Kinder und ging ihnen in Allem mit einem schönen Beispiel voran. So wie ihre Liebe zu ihrem Gatten innig und aufrichtig war bis in den Tod, so war auch ihre Liebe zu ihren Kindern die zärtlichste und innigste, die nur stets eine gute Mutter gegen ihre Kinder an den Tag legen kann.

Glücklich als Gattin und Mutter mußte Katharina doch auch manchen Kummer erfahren, der nicht bloß in den Verhältnissen und ärgerlichen Streitigkeiten hinsichtlich der Reformation seinen Grund hatte, sondern auch in den körperlichen Leiden ihres Gatten selbst. Auf diesen hatte beides einen so betrübenden Eindruck gemacht, daß er sich mehr als einmal den Tod wünschte, ja der Sittenlosigkeit wegen Wittenberg verlassen wollte. Durch Zureden seiner guten Freunde gab er zwar seinen Plan auf, aber seine frühere Heiterkeit kehrte nicht wieder zurück. Auch Katharinens Glück war von jetzt an dahin, denn es war nahe die Stunde, in der sie von ihrem theuren Gatten auf ewig getrennt werden sollte. Im Januar 1546 reiste er in Folge einer Einladung nach Eisleben, seinem Geburtsorte, wo er krank ankam. Katharina sendete ihm, als sie Nachricht davon erhielt, aus ihrer kleinen Hausapotheke einige schon als bewährt gefundene Arzneimittel dahin, welche aber erfolglos blieben. Er starb den 18. Februar 1546. Thränen der Wehmuth und des bittern Schmerzes vergoß sie, die trostlose Gattin, mit vier unversorgten Kindern. Nur das Andenken an die Verdienste des großen Lehrers brachte ihr einigen Trost.

Obgleich die Grafen und Fürsten sich ihrer annahmen und sie zahlreiche Beweise der Liebe und Theilnahme von den Freunden ihres Mannes erhielt, um ihren Schmerz zu mildern, so war dieses doch nicht von Dauer, sie hatte noch bittere Erfahrungen zu machen. Der Religionskrieg, welcher ein Jahr nach dem Tode ihres Gemahls ausbrach und die Häupter der Protestanten hart traf, erschütterte auch die unglückliche Katharina; und als das belagerte Wittenberg sich ergeben mußte, trat eine unglückliche Lage für sie ein. Alle getreuen Anhänger der neuen Lehre verließen die Stadt und auch sie nahm mit ihren Kindern die Flucht. Mit vielen andern wieder zurückgekehrt und des freien Besitzes ihres Vermögens versichert, war ihre Lage doch eben noch nicht viel besser geworden, da die Unterstützung vom Kurfürsten ausblieb und schwere Abgaben auf ihrem Eigenthum lasteten. Um sich einige Erleichterung zu verschaffen, vermiethete sie einige Stuben und nahm eine kleine Anzahl Studenten gegen ein mäßiges Kostgeld. Daß ihre Lage eine sehr bedrängte war, bekennt auch die Universität in einem Leichenprogramm, worin es heißt: „Mit ihren verwaisten Kindern mußte die als Witwe schon Schwerbelastete unter den größten Gefahren umherirren, wie eine Verbannte; großen Undank hat sie von Vielen erfahren, und von denen sie wegen der großen und öffentlichen Verdienste ihres Ehegatten um die Kirche Wohlthaten hoffte, ist sie oft schändlich getäuscht worden.“

Katharina lebte kümmerlich und eingezogen zu Wittenberg, bis 1552 die Pest ausbrach und die Universität nach Torgau verlegt wurde. Sie folgte mit ihren Kindern auch dahin, um den kleinen Gewinn von den Kostgängern nicht zu verlieren. Allein auf der Reise wurden die Pferde scheu und als sie, um sich zu retten, mit ihren Kindern aus dem Wagen sprang, fiel sie in einen Sumpf und erkältete sich so stark, daß sie den 20. December 1552 starb. Sie wurde in der Kirche zu Torgau beigesetzt, wo auch noch jetzt ihr Leichenstein zu sehen ist.

Obgleich Katharina schwere Prüfungen im Leben zu bestehen hatte, so hielt sie doch unerschütterlich an dem, was sie von ihrem Manne als bleibendes Erbtheil erhalten – eine uns getrübte Aussicht in jenes Leben.

Spr. Sal. 14, 29. 32. Wer geduldig ist, der ist weise; wer aber ungeduldig ist, der offenbart seine Thorheit. Der Gottlose bestehet nicht in seinem Unglück; aber der Gerechte ist auch in seinem Tode getrost.