Balthasar Hubmaier

Hubmaier: Balthasar H. (auch Hubmör, Hübmör, Hiebmaier), geboren vermutlich in den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts in Friedberg bei Augsburg, daher auch häufig Friedberger oder Pacimontanus genannt, † am 10. März 1528 auf dem Scheiterhaufen in Wien. Er besuchte wahrscheinlich die lateinische Schule in Augsburg und wurde am 1. Mai 1508 in die Matrikel der Universität Freiburg eingetragen. Hier studierte er, namentlich unter Leitung von Eck, Philosophie und Theologie. Einige Zeit mußte er, durch die Not gedrängt, seine Studien unterbrechen und sich in Schaffhausen als Schulmeister sein Brot verdienen. Im Herbste des J. 1510 erscheint er aber wieder in Freiburg als Vorstand der Burse zum Pfauen. Im J. 1511 wurde er unter die Dozenten der theologischen Fakultät aufgenommen, dann folgte er seinem Lehrer Eck nach Ingolstadt, wo er 1512 als Pfarrer an der Marienkirche und als Professor der Theologie angestellt wurde und wo er den theologischen Doktorgrad erlangte. Anfang 1516 entsprach er einem Rufe als Pfarrer an der Domkirche von Regensburg, erlangte daselbst durch seine Predigten großes Ansehen und trug nicht wenig dazu bei, im J. 1519 die Vertreibung der Juden und die Zerstörung der Synagoge durchzusetzen. An Stelle der Synagoge wurde die Kapelle „Zur schönen Marie“ errichtet, deren Kaplan H. wurde. Zahlreiche Wallfahrer, unter denen krankhafte Erscheinungen, wie Tanzwut, zum Vorschein kamen, strömten dorthin zusammen.

Bis dahin war H. ein energischer Verfechter der katholischen Lehre gewesen. Nun aber konnte er sich dem Eindruck der Lehre Luther’s nicht entziehen. Die freien Äußerungen, die er sich erlaubte, machten seinen längeren Aufenthalt in Regensburg unmöglich. Eine Zuflucht bot sich ihm in einer ihm schon bekannten Gegend, als er 1522 eine der Pfarreien in Waldshut erhielt. Allmählich ging er weiter auf der Bahn reformatorischer Neuerungen. Seine Beschäftigung mit den paulinischen Schriften, ein Besuch der Stadt Basel, wo er Erasmus, Glarean und anderen Männern derselben Richtung nahe trat, bestärkten ihn in seinen Zweifeln. Als er im Sommer 1522 wieder nach Freiburg gelangte, fühlte er sich nicht mehr wohl in der streng katholischen Stadt und ein neuer Ruf, der ihn nach Regensburg zurückführte, hatte kein längeres Bleiben an dieser alten Stätte seiner Wirksamkeit zur Folge. Schon im März des J. 1523 war er wieder in Waldshut. Von bedeutendem Einfluß auf ihn wurde die Bekanntschaft mit den Schweizer Reformatoren Zwingli, Oekolampad, Vadian. Er wohnte der zweiten Züricher Disputation 26.–28. Oktober 1523 an und sprach sich über die Schädlichkeit der Bilder, die Nothwendigkeit die Messe deutsch zu lesen, das Abendmahl unter beiderlei Gestalt zu reichen, aus. Nach Waldshut zurückgekehrt, veröffentlichte er 1524 „Achtzehn Schlußreden, so betreffende eyn ganz christlich Leben“, völlig reformatorischen Inhalts, über die zu disputieren er sich erbot, gewann mehrere Pfarrer der Umgegend für seine Ansichten und bewog die Gemeindeversammlung im Mai d. J. zu dem Beschluss, die evangelische Lehre anzunehmen und ihre Prediger zu schützen. Dadurch geriet aber die Stadt Waldshut in Konflikt mit ihrer Obrigkeit, der vorderösterreichischen Regierung, welche die Auslieferung des ketzerischen Prädikanten verlangte und mit Anwendung von Gewalt drohte. Die Bürgerschaft war bereit ihn zu schützen, er hielt es aber im August für geraten, sich eine Zeit lang nach Schaffhausen zu entfernen, wo er, trotz des Unwillens der katholischen Stände der Eidgenossenschaft, ein Asyl fand. Vermutlich stammt aus dieser Zeit seine Schrift „Von Kezern und ihren Verbrennen“, in der er gewalttätiges Vorgehen gegen sogenannte Ketzer verurteilt. In und um Waldshut war während dessen die Aufregung gestiegen. Von der österreichischen Regierung fortwährend bedrängt, nahm die Stadt im August 1524 einen Haufen rebellischer Bauern unter Hans Müller von Bukgenbach in ihre Mauern auf und wurde der Sitz der evangelischen Brüderschaft, welche sich bestrebte dem Bauernaufruhr eine weitverzweigte Organisation zu geben. Anfang Oktober zog eine Züricher Freischaar zum Schutze des göttlichen Wortes in die Stadt ein. Ende Oktober kehrte H. zurück, vom Jubel der Bürgerschaft begrüßt und nahm in Wort und Schrift seine frühere Tätigkeit auf. Er forderte seinen alten, einst verherrlichten Lehrer Eck zu einer Disputation heraus. Er schaffte die Messe gänzlich ab. Messgewänder, Kreuze, Bilder verschwanden. Seine Reformen waren denen der Kirche von Zürich angepasst und er nannte sich in einer Druckschrift des J. 1524 „einen Bruder Ulrich Zwinglis in Christo“. Aber schon fühlte der Züricher Reformator sich von ihm durch eine tiefe Kluft getrennt. H. verwarf die Kindertaufe, befreundete sich mit dem aus dem Züricher Gebiete vertriebenen Wilhelm Reublin, ließ von ihm um Ostern 1525 die Taufe aufs Neue an sich vollziehen und wirkte von da an selbst mit großem Erfolge als Wiedertäufer. Seine Schrift „Von dem christenlichen Tauff der Gläubigen“, unterzeichnet am 6. Juli 1525, suchte die Wiedertaufe gegen Zwingli und Zwinglis Anhänger zu rechtfertigen und wurde von Zwingli einer ausführlichen Beantwortung gewürdigt. –

Hatte H. durch seinen Zutritt zu den Wiedertäufern seinen Übergang zur radikalsten religiösen Partei gemacht, so schreckte er auch nicht davor zurück, sich als Radikaler an der sozial-politischen Bewegung der Zeit zu beteiligen. Er war ehrgeizig, gewandt, ein geschickter Schriftsteller, des zündenden Wortes mächtig, nach Bullingers Schilderung „wol beredt, und ziemlich beläsen, aber eines unsteten Gemüts, mit dem er hin und har fiel“. Das alles befähigte ihn dazu, die Rolle eines Agitators zu spielen. Er war mit Thomas Münzer, der sich eine Zeit lang in seiner Nähe aufgehalten hatte, in Verbindung getreten. Die rebellischen Bauern der Umgegend, die Mitglieder der evangelischen Brüderschaft gewannen in ihm einen Berater und Wortführer. Wie er selbst, mit einem Schwert gerüstet, am Thore Wache stand, diese Festigung der Stadt betrieb. so eiferte er von der Kanzel herab und in Versammlungen gegen Zehnten, Zinsen, Gefälle, erklärte Wildbret, Fische, Vögel, Wein, Weide, Wald seien frei, lehrte, daß das gemeine Volk nach Belieben seine Obrigkeit setzen und entsetzen dürfe. Unter seinen Papieren fand sich ein sehr merkwürdiger Verfassungsentwurf, der von dem Grundsatz der Volkssouveränität ausging und dem Bauernstand eine bevorzugte Stellung einräumte. Aus seiner Feder floss der sogenannte Artikelbrief, daß wilde Manifest des Schwarzwälder Haufens, daß Schlösser und Klöster der Vernichtung weihte. Es ist höchst wahrscheinlich, daß er neben Christoph Schappeler von Memmingen auch an der Redaktion des allgemeinen Bauernprogramms, der zwölf Artikel, beteiligt war, wie denn von ihm berichtet wird, er habe „sondere Bauernartikel, die in den Druck ausgangen, gemacht“. Das unglückliche Ende des Bauernkrieges entschied auch daß Schicksal Waldshuts und Hubmaiers. Die auf sich selbst angewiesene Stadt wurde in der Nacht vom auf den 15. Dezember 1525 eingenommen, Dr. Johann Fabri, der Generalvikar von Konstanz, stellte den katholischen Ritus wieder her. Ihm fielen auch die Papiere seines ehemaligen Freundes H. in die Hand. H. selbst war mit einer Anzahl von Anhängern schon vorher entflohen. Er hoffte in Zürich ein Unterkommen zu finden, wurde aber in seinem Versteck entdeckt, vom Rate gefangen gesetzt und genötigt mit Zwingli über die Wiedertaufe zu disputieren. Ohne Zweifel bewog ihn die Furcht an Österreich ausgeliefert zu werden, sich zum Widerruf zu erbieten und, nachdem er in strenger Haft gehalten worden war. diesen Widerruf öffentlich zu erklären. Er durfte, um sich von einer Krankheit zu erholen, noch kurze Zeit in Zürich verweilen, dann zog er, mit etwas Reisegeld versehen, nach Konstanz, wo er sich darüber beklagte, daß man ihm, obwohl er seine Lehre siegreich verfochten, in Zürich Gewalt angetan habe. Auch in Konstanz war seines Bleibens nicht lange. Ob er sich in Augsburg aufgehalten hat, ist zweifelhaft. Über Ingolstadt und Regensburg kam er nach Österreich und langte im Juni 1526 in Nikolsburg in Mähren an. Hier ließ er sich unter dem Schutze der Herren von Lübtenstein nieder, veröffentlichte eine Reihe von theologischen Schriften, die sich namentlich um die Frage der Wiedertaufe drehten und ihre Spitze gegen die Schweizer richteten, brachte seine adligen Beschützer sowie Prädikanten und Gemeinde von Nikolsburg zur Annahme der Wiedertaufe und machte diesen Ort zum Mittelpunkte der anabaptistischen Bewegung. Die Einigkeit in der Nikolsburger Gemeinde dauerte indessen nicht lange. Mit Hans Hut und einigen anderen Mitgliedern der Partei erschienen die Verfechter von Theorien, die auch H. allzu exzentrisch zu sein dünkten. Sie leugneten die Gottheit Christi, sprachen der Obrigkeit daß Recht ab, das Schwert zu führen, protestierten gegen den Kriegsdienst, verkündeten das baldige Eintreffen des jüngsten Tages. H. bekämpfte diese Propheten und verfasste u. A., um sie zu widerlegen, eine Schrift „Von dem Schwert 1527“. Noch in demselben Jahre begann die große Verfolgung der Wiedertäufer in diesen Gegenden durch König Ferdinand. H. wurde von seinen bisherigen Beschützern ausgeliefert, nach dem Schloss Graizenstein (Greiffenstein), und von da nach Wien gebracht. Im Gefängnis erbat und erhielt er die Erlaubnis mit J. Faber, damaligem Bischof von Wien, sich besprechen zu dürfen. Er zeigte sich, den Tod vor Augen, in mehreren Punkten nachgiebig. Aber dies konnte ihn nicht retten. Seine politische Vergangenheit und seine Abweichung von der orthodoxen Lehre machten ihn in den Augen seiner Richter im höchsten Maße strafbar. Er wurde am 10. März 1528 in Wien verbrannt. Seine Frau, eine Waldshuter Bürgerin, die alle Leiden mit ihm geteilt hatte, wurde einige Tage nachher in der Donau ertränkt. Beide gingen nach dem Zeugniß ihrer Feinde mit größter Ruhe und Standhaftigkeit in den Tod.

Alfred Stern.