Mose

Mose, welch‘ ein Begnadigter des Herrn, mit dem Er redete von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freunde redet, und der von Ihm selbst das Zeugniß empfing, daß er treu gewesen in einem ganzen Hause! Doch nur als ein Knecht und Vorbild dessen, der als der Sohn ein Herr ist über Gottes Haus: ihm war gegeben, des Hauses Gesetz und Ordnung aufzurichten und mit des Buchstabens Schärfe der falschen Freiheit den Tod zu bereiten; Gottes ewige Gnade und Wahrheit aber konnte sich allein über Gottes Haus ergießen in dem, in welchem alle Fülle der Gottheit leibhaftig wohnet und nur der Sohn, dessen Worte Geist und Leben sind, konnte lebendig und frei machen.

Von keinem unter allen Männern Gottes im alten Bunde wird uns so viel berichtet, als von Mose; doch gilt es hier nicht sowohl, sein Amt und Werk zu betrachten, als vielmehr seine eigene wunderbare Führung und Vollbereitung in kurzen Zügen darzulegen. Der zum Führer Israels ersehen war, wurde selbst auf jedem Schritte seines Lebens von Gottes Hand geführt, von da an, wo ihn der Herr aus dem Wasser zog bis dahin, wo er ihm selbst ein Grab grub.

Aus Levi’s Geschlecht, ein Sohn Amrams und Jochebeds, wurde Mose zu jener Zeit geboren, wo der Pharaonen Druck hart auf den Schultern der in Egypten als Fremdlinge lebenden Kinder Abrahams lastete, und wo der König namentlich durch die befohlene Aussetzung aller neugebornen männlichen Kinder es unmöglich zu machen suchte, daß sich Israel als ein unvermischtes Gottesvolk in den Grenzen seines Landes erhielte. Der Glaube gab der erfinderischen Mutterliebe den Muth, den schönen Knaben drei Monate lang zu verbergen und auch dann noch ein wunderliches Mittel zu einer Erhaltung zu ergreifen, und der solchen Glauben gewirkt hatte, ließ ihn auch nicht zu Schanden werden: er fügte es, daß des Drängers eigene Tochter das Kind aus dem Wasser des Nils ziehen und ihm den Namen beilegen mußte, den er als ein Denkzeichen der göttlichen Erwählung Zeitlebens führte. Er fügte es auch, daß das in Pharaos Haus aufgenommene Kind doch von der Mutter Brust die erste Nahrung empfing und sicherlich auch durch der Mutter Wort der Glaube in ihm geweckt wurde, durch welchen er, obwohl an Pharao’s Hof in aller Weisheit der Egypter erzogen, gleichwohl da er groß ward, nicht mehr ein Sohn heißen wollte der Tochter Pharao, sondern viel lieber erwählete mit dem Volke Gottes Ungemach zu leiden, als die zeitliche Ergötzung der Sünde zu haben, wodurch er ein Vorgänger geworden ist aller Derer, welche die Schmach Christi allen Schätzen der Welt vorziehen. Ueber der ersten That, in welcher sich Moses brennender Eifer für sein und Gottes Volk kund that, liegt ein gewisses Dunkel, welches durch kein unzweifelhaftes Urtheil des göttlichen Worts gelichtet wird: wohl mag sie als ein Werk der Nothwehr, vielleicht selbst der damals als Gebot geltenden Blutrache zu entschuldigen sein, schwerlich aber war sie eine reine Glaubensthat; vielmehr läßt uns dieselbe damals in Mose noch ein trübes Gemisch von Natur und Gnade erkennen, welches erst noch einen ferneren Läuterungsproceß nöthig macht. Wohl mochte es an dem glaubensarmen Knechtssinn seiner Volksgenossen liegen, wenn sie nicht, wie er gemeint hatte, vernehmen wollten, daß Gott durch seine Hand ihnen Heil gäbe, sondern die Frage aufwarfen: „Wer hat dich zum Obersten und Richter über uns gesetzt?“ Aber Mose hatte ja auch wirklich damals noch keinen mündlichen Befehl und äußerlichen Beruf, und gewiß ist, daß Gottes Stunde noch nicht gekommen war und daß Israel nicht durch Fleisches Arm, sondern durch Gottes ausgereckten Arm und starke Gerichte aus der Knechtschaft Egyptens sollte erlöst werden. Darum achten wir, es sei nicht bloß Pharaos Zorn, sondern Gottes erziehende Liebe gewesen, welche Mose (im 40. Jahre seines Lebens) aus Egypten nach Midian trieb, wo in der Abgeschiedenheit eines einsamen Hirtenlebens der eigene Wille in ihm erstarb und der Prüfungsstunden kostbarste Frucht, der Sinn glaubensvoller und willenloser Hingebung reifte, durch welchen er zu dem geschickt wurde, was Gott noch weiter mit ihm vorhatte. Doch wußte ihm Gott auch in der Fremde eine Bergungsstätte zu bereiten, ja selbst einen Heerd zu gründen. Ein Liebesdienst, den Töchtern des Priesters Jethro in Midian erwiesen, führt ihn bei diesem ein, Jethro’s Tochter Zipora wird ein Weib und zwei Söhne werden ihm daselbst geboren. Die Namen, die ihnen der Vater beilegt (2 Mo. 2, 22), sprechen eine Klage aus, daß er ein Fremdling geworden sei im fremden Lande, und seinen Dank gegen Gott, der ihn aus Pharaos Hand errettet hatte; aber sie zeigen uns eben, daß er nur in Erinnerungen lebte, nicht in kühnen Hoffnungen. Aber gerade indem er die eigenen Gedanken aufgeben lernte, erfüllten sich Gottes Gedanken über ihm und in der Schule der Entsagung, in die er geführt war, empfing er die innere Weihe zu seinem Amte, nachdem er in Egypten und an Pharao’s Hof die äußere Befähigung sich erworben hat. Mit einem zerstoßenen Rohre wollte Gott Egypten schlagen und eben jetzt, wo Moses eigene Wege im Sande der Sinaitischen Halbinsel sich spurlos verliefen, wurden ihm Gottes herrliche Wege hell und klar vorgezeichnet. Vierzig Jahre lebte er in der Verborgenheit. Am Berge Horeb, wohin Mose eines Schwiegervaters Heerden getrieben hatte, offenbarte sich ihm Gott im Gesicht und Wort als Jehovah, den ewig treuen Bundesgott, verhieß ihm seines Volkes Erlösung und sandte ihn selbst zur Ausrichtung solches Werkes nach Egypten. Aber das letztere war jetzt nicht nach Moses Sinn: war er früher gelaufen, ehe ihn noch der Herr gesandt hatte, so wollte er jetzt nicht gehen, als der Herr rief. Das Gefühl einer eignen Untüchtigkeit, welches sich aussprach in den demüthigen Worten: „Wer bin ich, daß ich zu Pharao gehe?“ steigerte sich bis zu dem Grade der Verzagtheit, daß er dem Herrn den Gehorsam absagte, indem er sprach: „Mein Herr, ende welchen du willst.“ So mußte Mose, was er nachher so lange und schwer an seinem Volke zu tragen hate, zuerst an sich selbst erfahren, den Trotz nämlich und die Verzagtheit des in seinen eigenwilligen Irrgängen unergründlichen Menschenherzens. Er lernte tragen, nachdem Gott ihn zuvor getragen hatte. Geduldig beantwortet der leutselige Herr alle Einwürfe und Bedenklichkeiten eines kleinmüthigen Knechtes, aber er läßt ihn auch einen Zorn empfinden, als der Kleinmuth zum Unglauben und Eigensinn zu werden droht. Und nun zieht Mose hin nach Egypten, muß aber unterwegs bereits zu einem Schrecken erfahren, wie jedes Gericht zuerst am Hause Gottes anfangen muß, indem Gott wegen der unterlassenen Vollziehung des Bundeszeichens der Beschneidung an seinem Sohne ihn tödten will; empfängt aber auch jetzt bereits ein tröstliches Angeld für die Erfüllung der göttlichen Zusagen, indem der ihm als Beistand und Wortführer von Gott zugeordnete ältere Bruder Aaron auf göttliches Geheiß ihm entgegenzieht und am Berge Gottes die Brüder sich begegnen. Mose kommt nach Egypten und dort alsbald in heißen Kampf, aber im Kampfe wächst ihm auch des Glaubens Kraft. Das hartgedrückte Volk Israel zwar nimmt anfangs die Kunde von der verheißenen Befreiung mit Freuden auf; aber Pharao antwortet auf den an ihn von Mose und Aaron gebrachten Befehl, Israel ziehen zu lassen, mit dem schneidenden Hohne: „Wer ist der Herr, des Stimme ich hören müsse?“ und mit Verdoppelung der schweren Frohnen, und bei dem Seufzen über den neuen Druck hat Israel keine Ohren mehr für das Evangelium in Moses Munde und ruft noch Wehe über den Befreier. Auch der erste Versuch, durch Aufzeigung der empfangenen Wunderzeichen die göttliche Sendung zu beglaubigen, wird durch den Widerstand der herbeigerufenen egyptischen Zauberer vereitelt, und so scheinen alle Erfolge Moses Bedenken zu rechtfertigen und des Herrn Verheißungen Lügen zu strafen. Doch der Glaube läßt Mose nicht irre werden an Gott, noch sich fürchten vor des Königs Zorn: er wirft den Stab Gottes aus einer Hand nicht weg, aber er muß ihn als Zuchtruthe ausstrecken über Pharao und sein Volk und jene Reihe schwerer Landplagen über Egypten herauf rufen, die selbst die arglistigen Zauberer bald nöthigen, den Finger Gottes anzuerkennen, aber an Pharaos verstocktem Herzen nichts wirken als eine flüchtige Heuchelbuße. Da wird er denn hin und her geschickt zwischen Gottes und Pharaos Thron, muß bald auf Pharao’s Bitten den gnädigen Gott um Verschonung anrufen, bald in Gottes Namen dem falschen Könige neue Gerichte ankündigen; da muß er in Gottes Dienste lernen Geduld und Langmuth üben und doch hin wiederum unnachsichtlichen Eifer für des Herrn Ehre und Gebot beweisen. Sein Herz erstarkt zusehens, seine Rede wird immer glaubenskühner, er steht als ein sehr großer Mann in Egyptenland da, vor den Knechten Pharao und vor dem Volk, und der König selbst wagt es nicht, ihm ein Haar zu krümmen. Im Glauben hält er endlich auch noch die Ostern und das Blutvergießen und führt das Volk aus, und als den Pharao seine Reue bald wieder gereut und er mit seinem Heere Israel nachjagt, und als dieses, an einer Stelle eingeholt, wo kein Entrinnen war, bittre Klage wider Mose erhebt; da kann er sie heißen stille sein, denn er weiß bereits, daß der Herr für sie streiten wird. Auf Gottes Befehl zertheilt seine Hand die Wasser des rothen Meeres, daß Israel trocken hindurchzieht, und läßt sie wieder zusammenfallen, daß Pharao mit einer ganzen Macht darin ertrinkt. Mose aber lehrt mit einer Schwester Mirjam das Volk ein Siegeslied fingen, das von den Ufern des rothen Meeres hinüberschallt bis zum krystallinen Meer vor Gottes Thron (Offenb. 15, 3). Die Kinder Israel waren in dem Meer, aus dem sie gerettet emporstiegen, und unter der Wolke, welche sie leitete, alle auf Mose getauft (1 Kor. 10, 1. 2); aber es war kein leichtes Amt, diese Heerde zu führen. Harte Kämpfe hatte Mose mit seines Volkes Unglauben und Wankelmuth, Ungeduld und Fleischessinn in Mara, in Massa und Meriba und in Raphidim zu bestehen, aber sie dienten nur dazu, ihn durch neue Proben aus der Wunderhand eines Gottes zu stärken, der durch ihn dem Volke das Himmelsbrot reichen ließ und es tränkete aus dem Felsen, welcher mitfolgte, Christus. Wie schnell es auch das Volk vergaß, Mose wenigstens lernte immer mehr leben von dem Worte aus Gottes Munde (5 Mo. 8, 3). In Raphidim lernte er auch das Anhalten im Gebet und den Segen der Gebetsgemeinschaft, denn seine von Aaron und seinem Schwager Hur unterstützten betenden Hände waren es, die Amalek schlugen, nicht Josua und sein Heer. Als sie bei dem Berge Gottes sich gelagert hatten, wo sie das große Fest des Herrn, das erste Pfingsten feiern sollten, dazu der Herr sie aus Egyptenland aus und in die Wüste geführt hatte, bereitete er erst seinem Knechte noch ein schönes Familienfest: Jethro führt dem Mose eine einstweilen zurückgesandte Frau und Kinder zu, und dieser hat Gelegenheit, dem Schwiegervater alle Ehre zu erweisen, ihm Gottes große Thaten zu verkünden und durch Befolgung eines verständigen Rathes, den ihm Jethro ertheilt, die Weisheit von oben zu bethätigen, die sich sagen läßt. Jetzt aber ertönen die Donner Gottes vom Sinai herab und Mose muß in das innerste Heiligthum seines Amtes eintreten: als, Mittler des alten Bundes muß er das Gesetz Gottes dem Volke bringen und das Gelöbniß des Volkes zum Herrn zurücktragen. Er bringt das erste Versöhnopfer, steigt mit den erwählten Priestern und den 70 Aeltesten Israels auf den Berg, den Gott Israels zu schauen, und geht dann noch weiter in das den Berg umhüllende Dunkel, wo er 40 Tage und Nächte bleibt, weitere Unterweisung von Gott erhält, das Urbild der heiligen Wohnung Gottes schaut, die als Stiftshütte nach seiner Angabe in Israel aufgerichtet wird, und die Tafeln des Zeugnisses, geschrieben mit dem Finger Gottes, empfängt. Aber aus Gottes heiliger Nähe muß er zurück zu einem unheiligen Volk, das schnell seinen Weg verderbt und unfähig, sich zu halten an den, den es nicht sahe, sich selbst einen Gott gemacht hatte nach seines Herzenssinn: jetzt muß Mose lernen, ein heiliges Mittleramt üben, er verschmäht es, sich selbst an Israels Statt zum großen Volk machen zu lassen und schützt Israel mit einer auf Gottes Gnadenverheißungen gegründeten Fürbitte vor dem gerechten Gericht der Verwerfung. Darum kann er nun auch, zu dem Volke zurückgekehrt, einen Eifer um des Herrn Namen hell brennen lassen, strenges Gericht halten unter den Abtrünnigen, und sie so zur Buße leiten. Bei dem Herrn aber fährt Mose fort, für das Volk in den Riß zu treten und erlangt durch eine unablässige Bitte nicht allein für sich die tröstlichste Gnadenverheißung, sondern auch die erbetene Zusicherung, daß der Herr selbst mit seinem Angesichte das Volk führen wolle, und wenn der Herr auch nicht die letzte Hülle wegthun und ihn in das Angesicht einer Herrlichkeit schauen lassen kann, so läßt Er doch eine Herrlichkeit an ihm vorübergehn und vergönnt ihm nachzuschauen. Diese Tage in der Nähe Gottes waren der Gipfelpunkt seines Lebens, und der Wiederschein von dem, was er geschaut hatte, blieb wie ein Alpenglühn auf seinem Angesichte gelagert, so daß, wenn er mit einem unheiligen Volke redete, er eine Hülle über sein Angesicht werfen mußte, ein Bild und Gleichniß des ganzen durch ihn hergestellten Gottesdienstes, durch welchen die in Christo offenbar gewordene Gnade und Wahrheit Gottes verhüllt wurde. (2 Kor. 3)

 

Als Mose, nachdem am Sinai Alles vollendet war, nach Jahresfrist auf Gottes Geheiß mit dem Volke aufbrach, gingen auch (in Tabeera und bei „den Lustgräbern“) alsbald eine Plagen aufs Neue los: mit kindlicher, fast stürmischer Bitte sich an den Herrn wendend, erhielt er, daß er die Last, die ihm allein zu schwer werden wollte, auf die Schultern von 70 Aeltesten vertheilen durfte, und so wenig suchte Mose sein Eigenes, daß, als außer den von ihm erwählten Aeltesten auch noch zwei andere Männer, vom Geiste Gottes ergriffen, weissagten, er es nicht zuließ, daß der Geist gedämpft wurde, sondern den Wunsch aussprach: „Wollte Gott, daß all das Volk des Herrn weissagete und der Herr seinen Geist über sie gäbe.“ Darum übernahm Gott auch, als ihm (in Hazeroth) nun auch das noch widerfuhr, daß sogar Aaron und Mirjam wider ihn murrten, für den geplagten und sanftmüthigen Mann selbst die Rechtfertigung und stellte ihm das ehrenvolle Zeugniß aus, dessen wir im Eingang gedachten. Doch war das Maaß seiner Prüfungen noch lange nicht erfüllt. Schon hatten sie sich den Grenzen des verheißenen Landes genähert, als der Unglaube des Volkes jenes bekannte Strafgericht herbeiführte, durch welches sie zu vierzigjährigem Herumirren in der Wüste verdammt wurden, nachdem Mose durch seine Fürbitte das Gericht der gänzlichen Verwerfung abermal abgewendet hatte. Hatte Mose in diesem schwersten Falle, wie in andren vorhergegangenen, mit Empörungen des Volkes zu kämpfen gehabt, welche aus dem rohen, fleischlichen Sinne desselben entsprangen; so mußte er in dem Aufstand, den die Secte Korah, Männer seines eignen Stamms, erregte, auch noch die Bitterkeit des Hochmuths und der Uebergeistlichkeit an einem schrecklichen Exempel erfahren. Ueber die 38 Jahre, wo die Leiber derer, welche nicht eingehen sollten zu der Ruhe des Volkes Gottes, in der Wüste verfielen, beobachtet die Geschichte ein heiliges und barmherziges Schweigen, und es wird von den Propheten Ezechiel (Kap. 20) und Amos (Kap. 5, 25. 26) nur angedeutet, wie Israel damals Irrwege gegangen sei in doppeltem Sinne. Wie es in Moses Herzen aber aussah, davon kann uns der 90. Psalm Zeugniß geben, der wohl in jener dunklen Zeit von ihm gedichtet ward. Ließ sich auch das Volk nicht von ihm führen, wie er es gern geführt hätte, so trug er es doch auf seinem Herzen, trug des Volkes Sünde als seine eigene, warf aber auch, auf eines Gottes Gnade bauend, seine Hoffnung nicht weg. Endlich waren die Straf- und Wartejahre zu Ende, Moses Gebet: „Erfreue uns nun wieder, nachdem du uns so lange plagest!“ begann erfüllt zu werden, und er näherte sich mit dem Volke zum zweitenmal dem Lande der Verheißung. Freilich trat auch das neu aufgewachsene Geschlecht in die Fußtapfen der Väter. Die alten Widerwärtigkeiten wiederholten sich auch auf diesem Zuge und in einer bösen Stunde bei dem „Haderwasser“ schien selbst von Mose der frühere felsenfeste Glaube gewichen zu sein, so daß der Herr über ihn und Aaron das Urtheil aussprach, sie sollten die Gemeine nicht in das verheißene Land bringen, weil sie ihn nicht geheiliget hätten vor dem Volk. Wirklich starb auch Aaron bald darauf. Mose aber ward seines Amtes noch nicht enthoben: er mußte erst noch seinem Volke den rechten Weg bahnen in das Land der Verheißung, mußte ihm noch in neuen schweren Sündenfällen richtend und rettend zur Seite stehn, mußte noch die ersten Schlachten für Israel schlagen. Da klopft der Herr mit der Todesbotschaft zum andernmal bei ihm an, Mose ordnet Josua zu einem Nachfolger, theilt das bereits eroberte Ostjordanland aus und schickt sich zum Sterben an: besonders läßt er es sich angelegen sein, die Erinnerung an die großen Thaten Gottes unter dem in der Wüste herangewachsenen jüngern Geschlecht zu erhalten, ihnen das gute Wort zu schärfen, das Gott zu ihren Vätern geredet hatte, und so den am Sinai geschlossenen Bund zu erneuern. Er legt ihnen noch einmal vor, beides Fluch und Segen, legt sein Amt in Josuas Hände nieder, stimmt dann einen Schwanengesang an und segnet Israels Stämme zum Abschied, denn der Herr ruft zum drittenmale. Das Scheiden wurde Mose nicht leicht, das Land der Verheißung war auch das Land seiner Sehnsucht, so gern hätte er sein Volk selbst in das „gute Land“ eingeführt! Aber seinen liebsten Kindern ist Gott am strengsten: immer aufs Neue hält er einem belobten treuen Knechte den einzigen Fehl vor, den er in seinem Dienste begangen; und der so oft sein Volk bei Gott erbeten und seine eigne Erhöhung abgelehnt hat, empfängt, als er um Wendung eines Strafurtheils bittet, den kurzen, strengen Bescheid: „Sage mir nichts mehr davon.“ Er muß sich an Gottes Gnade genügen lassen, läßt sich genügen und preist ihn noch in seinen Gerichten: „Gebt unserm Gott die Ehre. Er ist ein Fels. Seine Werke sind unsträflich; denn Alles, was er thut, das ist recht. Treu ist Gott und kein Böses an ihm, gerecht und fromm ist er.“ Von der höchsten Spitze des Gebirges Pisga, dem Berge Nebo, herab läßt ihn der Herr noch mit seinen Augen das Land schauen, das sein Fuß nicht betreten soll. Hier stirbt er nach dem Wort Gottes, und die Hand des Herrn selbst bereitet ihm das Grab. Hundert und zwanzig Jahr alt war er, da er starb; seine Augen waren nicht dunkel geworden und seine Kraft war nicht verfallen. Und es stand hinfort kein Prophet in Israel auf, wie Mose, bis auf den großen Propheten, von dem er selbst geweissagt, welchem zu gehorchen er im Voraus ein Volk verpflichtet hatte, und den er endlich mit Elias selbst noch schauen durfte auf dem Berge der Verklärung. – Nicht wahr, lieber Leser, wenn wir in solcher heiliger Gottesmänner Gemeinschaft eingeführt werden, möchten wir auch mit Petrus sprechen: „Hier ist gut sein, hier laßt uns Hütten bauen!“

 

  1. Meurer in Callenberg.