Bartholomäus (Nathanael)

Nathanael, dessen hebräischer Name: „Gottesgabe“ bedeutet, der Vorgänger aller Theodore, Deodate, Theodorete und Dorothee, der „echte Israelit, in welchem kein Falsch ist“ (Joh. 1, 47), wurde auf Grund von Joh. 21, 2 in Vergleichung mit den Apostelverzeichnissen in Matth. 10, Marc. 3, Luc. 6 und Apostelgesch. 1 schon im frühesten christlichen Alterthum für eine und dieselbe Person mit Bartholomäus (Sohn Thalmai, ein alter palästinensischer Name) gehalten. Er wohnte zu Kana in Galiläa, wo der Herr kurz nach seiner Begegnung mit ihm zuerst auf der Hochzeit „seine Herrlichkeit offenbarte.“ Ob Nathanael zu dem Hause gehörte, welches den Herrn zu seinem Feste lud, ob er ihn als einen Schüler des Täufers noch im Jordanlande oder erst nach seiner Rückkehr gen Galiläa irgendwo traf, bleibt unbestimmt. Daß er aber einer von denen war, „die auf den Trost Israels warteten“, geht aus der Erzählung bei Johannes hervor. Auch von dem Täufer musste er wohl, als Freund des Philippus, der wie Simon und Andreas diesem Vorläufer des Herrn zugehörte, in größerm Maße angeregt sein. Die erste Berührung mit dem Herrn war eine ihm unbewußte. „Ehe denn dich Philippus rief, da du unter dem Feigenbaum warest, sahe ich dich“, spricht Christus zu ihm und dieses Wort ruft die tiefsten Glaubenstöne seiner Seele hervor, ist die Lösung seiner stillen Räthsel. Der Mund der Wahrheit bezeichnet die Thatsache dieses Sehens als etwas „Großes“ und kündigt als das „noch Größere“ die Oeffnung des Himmels und das Auf- und Abfahren der Engel Gottes an. Demnach muss es ein wunderbares Sehen gewesen sein, ein Sehen mit dem höheren Geistesblick, nicht mit dem leiblichen Auge. Denn sonst hatte es nichts Tieferes zu bedeuten. Aber nicht dieser Fernblick, so staunenswerth er auch war, kann die Glaubenstöne aus Nathanaels Seele hervorrufen, noch weniger aber sie zu solcher Höhe stimmen, daß sie aussprachen, was ein Nikodemus auf alle Zeichen des Herrn noch nicht wagte, was Petrus nur durch „Offenbarung des Vaters im Himmel“ zu sagen vermochte. Es war ihm klar, daß der ihn „unter dem Feigenbaum“ gesehen, ob er wohl räumlich in weiter Ferne von ihm war, noch tiefer geblickt haben müsse, hinein in die verborgene Welt seines Herzens. Und wenn der Herr auf diesen Blick hin in’s Innerste des künftigen Jüngers das köstliche Zeugnis über ihn sprechen konnte, ehe dieser nur den Mund geöffnet außer zu einem Zweifel, was muss das Auge des Herrn da gesehen haben unter dem Feigenbaum? Ohne Zweifel ein Herz voll Sehnsucht nach dem Heil, eine von der Hoffnung der Erlösung, durch Johannes Zeugnis von dem Kommenden, wie in Morgendämmerung angeleuchtete Seele, ein Gebet, das sich an die Himmelsleiter der Verheißungen und Weissagungen klammerte und zu dem lange verschlossen gewesenen Himmel emporstrebte.

So hatte ihn der Herr gefunden, ehe Philippus ihn fand. Er aber wußte es nicht, sondern der erste Klang der neuen Welt, in die er nach wenigen Augenblicken eintreten sollte, war des Philippus Wort: „Wir haben den gefunden, von welchem Moses im Gesetz und alle Propheten geschrieben haben, „Jesum, Josephs Sohn, von Nazareth.“ – Es war zu viel für seine sehnende Seele. Das Herz war zu enge für die plötzliche Erfüllung seines innigsten Verlangens, diese rasche Erhörung seines tiefsten Gebetes. Er glaubte im Unglauben und war ungläubig im Glauben. Er widersprach nicht der Sache, nicht der Zeit, nicht dem Namen, nicht der Person. Nur an das letzte Wort: “ Nazareth“ heftete sich sein Zweifel.

Nazareth ist ihm zu klein, zu arm, um solche Fülle des Lebens, wie sie seinem sehnenden Herzen der Messias bringen sollte, zu fassen, ja gar menschlich hervorzubringen. Aber dem verlangenden Gemüthe schlägt die Einladung: „Komm und siehe es!“ alle Zweifel nieder. Er schweigt, er geht, er sieht. Und nicht das lobende Wort des Herrn, das er wohl hört, öffnet die Schleusen seines Innern, sondern zum rechten Beweise, daß wirklich in ihm kein Trug war, fragt er nach der Quelle dieses freundlichen Zeugnisses, das er sich selbst nicht würde gegeben haben. Die Art, wie der Herr es ihm gibt, macht falsche Bescheidenheit unmöglich. Er sieht sich im tiefsten Innern, in seinem heiligsten Geheimnisse erkannt und der Ruf: „Rabbi! du bist Gottes Sohn! du bist der König von Israel!“ bildet den Wendepunkt seines geistlichen Daseins. Ein Blitz der gläubigen Erleuchtung hat ihn in’s Herz der Ewigkeit blicken lassen, es ist der „Sohn Gottes“ vom Himmel gekommen, wie ihn die letzten Propheten geweissagt, vor dem er anbetend steht. Da war der Apostel geboren im heiligen Geiste und der Anfang war da von dem Oeffnen des Auges für das Niederströmen der Ewigkeit in die Zeit, das Hineinleuchten des Gnadenlichtes in die Nacht der sündigen Welt; des Menschen Sohn, der niedrige, ist der Gegenstand des Dienstes der himmlischen Heerschaaren, Krippe und Kreuz sind umleuchtet vom Strahlenglanze der Herrlichkeit.

So steht dieses Apostelbild, nur kurze Zeit von der meldenden Geschichte gesehen, nur genannt mit der Schar der Zwölfe bis zur Himmelfahrt des Herrn, vor unsern Augen. Ein stiller, lieblichernster, tiefinnerlicher Jünger des Herrn leuchtet er in unsere Zeiten herab. Ob Indien, Lykaonien, Armenien der Schauplatz seines apostolischen Zeugens und Leidens war, es bleibt dunkel. Die Zeugnisse des Alterthums lassen nur als wahrscheinlich betrachten, daß er im südöstlichen Arabien oder im südlichen Persien den Gottessohn und König Israels verkündete und dort im Glauben die Engel Gottes hinauf- und herabfahren sah.

W. Hoffmann in Berlin

Bartholomäus, der heilige Apostel Christi

in Armenien, von dem König Astiages zuerst sehr gepeinigt, darauf ihm lebendig die Haut abgezogen und zuletzt enthauptet, ungefähr im Jahre Christi 70.

Bartholomäus (welches so viel gesagt ist, als ein Sohn Tholomäi) war ein Galiläer, gleichwie auch die übrigen Apostel, und nach Theodoreti Bericht gleichfalls ein Fischer. Etliche aber glauben, er sei von fürstlichem Stamm gewesen, und ein Neffe des Königs von Syrien.

Man liest von ihm nicht viel in der heiligen Schrift, ohne von seiner Berufung zum Apostelamt, das Evangelium mit den andern zu verkündigen durch Judäa und Galiläa, den verlorenen Schafen des Hauses Israel. Nach der Auferstehung Christi ward er in seinem Apostelamt befestigt, und hat nebst den Andern, welche in gleichem Dienste mit ihm standen, die Gabe des heiligen Geistes empfangen.

Nachdem sich die Apostel zerteilt, hat er zuerst sein Amt in Licaonien bedient, desgleichen auch in Syrien und in den oberen Teilen von Asien, hernach in Indien. Die Jahrbücher melden, daß Panthenus, Lehrer von Alexandrien, als er ungefähr hundert Jahre darnach an selbigen Ort gekommen, das Evangelium Matthäi, welches Bartholomäus dahingebracht, und die Indianer in ihrer Muttersprache gelehrt hatte, gefunden, und solches mit sich genommen habe.

Zuletzt hat er das Evangelium in Groß-Armenien ausgebreitet, und hat daselbst in Albana oder Albanopolis, der Hauptstadt des Königreichs Oteno oder Alemonio, des Königs Astiagis Bruder sammt seiner Hausfrau, zwei Söhnen und einer Tochter, zu dem Glauben gebracht.

Außerdem bezeugen andere, daß er zwölf Städte in derselben Landschaft, in welchen dem Teufel durch den Abgott Astharoth gedient ward, von der Abgötterei erlöst, und mit der Erkenntniß Christi erleuchtet.

Da aber dieses die Priester Astharoths sehr verdroß, haben sie ihre Klagen bei dem König Astiages angebracht, welcher Bartholomäus, den heiligen Apostel Christi, gefangen nehmen und vor sich bringen ließ.

Als nun Bartholomäus vor dem König stand, ward er von ihm gescholten, daß er seinen Bruder verführt und den Gottesdienst im Lande wankend gemacht habe. Deßhalb drohte er ihm mit dem Tode, wenn er nicht aufhören würde, Christum zu predigen und sich weigerte, seinen Göttern zu opfern.

Als nun Bartholomäus auf diese Beschuldigungen geantwortet und gesagt, daß er seinen Bruder nicht verführt, sondern bekehrt, und in seinem Lande den wahren Gottesdienst gepredigt habe, so sei er deßhalb bereit, lieber sein Zeugniß mit seinem Blute zu versiegeln, als den geringsten Schiffbruch seines Glaubens oder Gewissens zu leiden.

Deßhalb ward er von dem König verurtheilt, erst viel gepeinigt und mit Stöcken geschlagen zu werden, und ihn dann mit dem Kopfe niederwärts an ein Kreuz aufzuhängen, lebendig die Haut abzuziehen, und endlich mit dem Beil das Haupt abzuschlagen. Nachdem solches an ihm vollzogen worden, ist er mit Christo, seinem Herrn, vereinigt worden.

Andere erzählen, daß sich das Todesurteil über Bartholomäus nicht weiter erstreckte, als daß ihm am Kreuz die Haut abgezogen werden sollte, ohne zu enthaupten. Aber als er davon nicht gestorben, sondern das Volk ermahnte, sei ihm, um solches zu verhindern, das Haupt abgeschlagen worden mit einem Beil, und habe also seinen Geist in die Hände Gottes befohlen.