Johann der Beständige

Johann von Sachsen (Johann der Beständige.)

Er war der Bruder und Nachfolger des grossen Kurfürsten Friedrich des Weisen, der wohl der tüchtigste und hochherzigste Fürst seiner Zeit. Dieser hatte in Wittenberg die freisinnigsten Humanisten versammelt und die Universität zum Heerde gemacht, von welchem die Reformation ausging. Friedrich der Weise bekannte sich niemals selbst zu Luther’s Lehre, die Sache schien ihm noch nicht lebenskräftig: aber er vertheidigte entschieden und ausdauernd das Recht der freien Forschung. Sein Nachfolger, Johann der Beständige, geboren 1467, der von 1525 bis 1532 regierte, ein gescheidter, thätiger und stahlfester Mann, wurde nun der eigentliche Hort der Reformation.

Erst machte er dem Bauernkriege, den er überkommen hatte, ein gewaltsames Ende. Dann schloss er, als Bayern Oesterreich und süddeutsche Bischöfe sich zu gegenseitigem Schutz und wider das Vordringen der Reformation verbanden, das Torgauer Bündniss mit Landgraf Philipp von Hessen und andern Fürsten, um einander bei jedem Angriffe „wegen des göttlichen Worts“ zu schirmen. Eilig liess er in seinen Landen durch die Kirchenvisitation jetzt die Reformation sich förmlich vollziehen. Auf dem Reichstage zu Speyer 1529 war er der Erste, welcher gegen den Beschluss protestirte: es solle weiter kein Reichsstand mehr der Reformation beitreten, Niemanden verwehrt sein, Messe zu lesen, und kein geistlicher Stand seiner Rechte beraubt werden. Die fünf Fürsten und vierzehn Reichsstädte, welche mit Kursachsen protestirten, Hessen von da die Protestanten.

Im Jahre darauf übergab Johann ihr Bekenntniss zu Augsburg. Hier stand er, als die Confession verworfen wurde, und der Reichstagsabschied der neuen „Sekte“ die fernere Verbreitung untersagte, zum .zweitenmal an der Spitze der Protestirenden und verliess mit ihnen den Reichstag. Als die Acht hinter ihnen her folgte, für den Fall, dass sie von ihrem Beginnen nicht abständen, rüstete der Kurfürst zum Kriege. Als die Reichsgerichte anfingen, die Kirchengüter, welche der Reformation oder der Habgier der Fürsten zum Opfer gefallen, zurück zu fordern, gründete der Kurfürst den schmalkaldischen Bund. Es war ein schweres Unternehmen, des Kaisers Acht und Macht zu bestehen. Allein Johann der Beständige kannte seine Zeit.

Der Kaiser hatte die Fürsten beleidigt, indem er ohne ihren Rath seinen Bruder zum römischen Könige einsetzte. Mehrere traten dem schmalkaldischen Bunde bei. Von Osten rückten die Türken heran. Der Kaiser musste wohl nachgeben, er schloss mit den protestirenden Fürsten den Nürnberger Religionsfrieden. Diejenigen, welche bereits der Augsburger Confession beigetreten waren, sollten bis zum Austrag durch eine Kirchenversammlung weder vor Gericht noch mit den Waffen wegen dessen belangt werden, was sie an Religionssachen gethan oder an sich genommen. Damit war das Reformationswerk gerettet. Bald darauf starb Kurfürst Johann der Beständige.

Historische und biographische Erläuterungen zu
Wilhelm von Kaulbach's
Zeitalter der Reformation
von Franz Löher
Stuttgart
Verlag von Friedrich Bruckmann
1863
Johann der Beständige

Johann der Beständige

Die drei sächsischen Fürsten des Reformationszeitalters, welchen die Geschichte die ehrenden Beinamen gegeben hat, unter denen sie uns geläufig sind, bezeichnen durch ihre mit diesen Namen übereinstimmende Handlungsweise drei Stufen in dem Verhalten eines Menschen zur göttlichen Wahrheit, welche man auch mit den Worten des Psalms (116, 10.) darstellen könnte: Ich glaube – darum rede ich; – ich werde aber sehr geplagt. Die Tage Friedrich des Weisen fallen in die Zeit der anbrechenden evangelischen Erkenntniß, er mußte die ersten, schweren Wege des Forschens und inneren Kampfes durchwandern. Wer die tief in ihm gewurzelte Gottesfurcht, die aller Weisheit Anfang ist, ließ ihn des rechten Weges nicht verfehlen. Daß er in seinem demüthigen, heilsbegierigen Sinne der erkannten Wahrheit nicht widerstrebte, sondern seine Vernunft gefangen nahm unter den Gehorsam des Glaubens, und daß er dabei doch nicht durch voreiliges Handeln das Maaß seiner Erkenntniß überschritt, hat ihm ein Recht auf den empfangenen Ehrennamen gegeben. Mit seinem Bruder Johann trat die Reformation in das Zeitalter des Bekennens, und als Bekenner hat dieser, Zeit seiner Regierung, besonders in den schweren Tagen von Augsburg, den Ruhm der Beständigkeit redlich verdient. Wozu aber beide Brüder innerlichst bereit, von Gott aber nicht berufen waren, das kam an Johann Friedrich, nämlich das Leiden über der erkannten und bekannten Wahrheit, und in seinem Leiden vielmehr, als in seinem Handeln hat er den wahrhaft großen Sinn bewährt, welchen ihm sein Ehrenname beilegt. Mit dem zweiten dieses fürstlichen Kleeblatts hat es das gegenwärtige Lebensbild zu thun.

Von den vier Söhnen des Kurfürsten Ernst, des Stammvaters der Ernestinischen Linie, war Johann der letzte, fünf Jahr jünger als sein Bruder Friedrich, mit dem er seit 1486 die Regierung ihrer Lande theilte, und dem er 1525 in der Kurwürde folgte. Er war den 30. Juni 1468 geboren und empfing gleich seinen Brüdern eine gelehrte Erziehung, die er später auch seinen Söhnen zu geben sich bemühte. An geistigen Gaben überragte ihn sein Bruder, aber es bedarf nicht gerade ausgezeichneter Talente, wo sich eine so aufrichtige Frömmigkeit, Demuth und Freundlichkeit finden, wie bei ihm. „Wenn die zween Fürsten – sagte Luther – wären eine Person gewesen, so wäre es ein groß Wunderwerk.“ Am Hofe seines Großoheims von mütterlicher Seite, des Kaisers Friedrich III. brachte er den größten Theil seiner Jugend zu, und unter Kaiser Maximilian nahm er an dessen Feldzügen gegen Venedig und Ungarn Theil, wobei er sich tapfer bewies und bei der Erstürmung von Stuhlweißenburg eine Mauerkrone verdiente. Auch an den rauschenden ritterlichen Festlichkeiten an Maximilians Hofe nahm er zuweilen Antheil; aber er meinte später, von diesen Tagen sey doch auch keiner ohne irgend ein Herzeleid vergangen. Es war eben ein anderer Zug in seiner Seele, als der der Weltlust. Zwar scheint er mehr auf fürstlichen Prunk gehalten zu haben, als sein höchst einfacher Bruder, auch liebte er die Freuden der Tafel und der Jagd, vielleicht selbst etwas mehr als billig; aber daß sein Herz nicht an etwas der Art hing, das zeigte sich an mehr als einem Prüfungstage. Als er im Jahre 1525 von den Fortschritten des Bauernaufstandes hörte, sagte er gelassen: „Will mich Gott lassen bleiben einen Fürsten, wie ich bisher gewesen bin, so geschehe sein Wille! Ich kann auch ein ander Mann seyn.“ Sein Jugendleben war rein und unbescholten. Im Jahre 1500 verheirathete er sich mit Sophie von Meklenburg, welche die Mutter des nachmaligen Kurfürst Johann Friedrich wurde, aber 1503 an den Folgen der Entbindung starb. Zehn Jahr später vermählte er sich zum zweitenmale, mit Margaretha von Anhalt, und lebte bis zu deren Tode im Jahr 1521 mit ihr in einer glücklichen Ehe, aus der zwei Söhne und zwei Töchter entsprangen.

Die Regierung führte er mit seinem Bruder in größter Einigkeit: sie ging so weit, daß keiner von beiden auch nur einen Diener annahm, ohne daß der andere damit einverstanden gewesen wäre. Es war ein schwerer Zeitpunkt, als die Sorge der Regierung durch den Tod seines Bruders (d. 5. Mai 1525) ihm allein zufiel. Der Bauernaufstand war eben im vollen Gange. Der fromme Fürst wäre bereit gewesen, in die Artikel der Bauerschaft zu willigen, wenn er sie als recht erkannt hätte und befragte sich deshalb bei Luther; auch erschrack er nicht davor, wenn es etwa künftig sollte anders werden und meinte, er könne eben auch mit acht oder vier Pferden reiten: aber demohngeachtet, ja eben deßhalb zog er getrost für sein gutes Recht gegen die wüsten Empörer aus. Aber sie waren bereits vom Landgrafen von Hessen geschlagen, und es blieb dem gelassenen Fürsten nichts übrig, als über die Schuldigen Gericht zu halten und dabei durch seine Milde die Härte seines Vetter Georg zu mäßigen. So wenig er aber vor dem daherbrausenden Aufruhr verzagte, eben so wenig ließ er sich durch die nach Dämpfung desselben sich erhebende Reaction beirren, dem Reformationswerk den Schutz und die Pflege angedeihen zu lassen, welche es damals gerade besonders bedurfte.

Seine Stellung zu diesem Werke war schon längst genommen und sie war bestimmt nicht durch irgend eine äußere Rücksicht, sondern durch das Bedürfniß seines Herzens, welches in der neu aufgeschlossenen Quelle der Wahrheit allein sein Genüge fand. Seine Liebe zur heiligen Schrift war so groß, daß die sechs Edelknaben, die ihm aufwarteten, ihm sechs Stunden des Tags in der Bibel vorlesen mußten, und wenn er auch manchmal darüber einschlief, so hatte er doch irgend einen schönen Spruch beim Erwachen behalten. Er pflegte auch mit eigner Hand die Predigten nachzuschreiben und man hat ein von ihm eigenhändig geschriebenes Exemplar des kleinen Katechismus Lutheri. In diesem hatte er alsbald ein Rüstzeug Gottes erkannt und erbaute sich, wie auch sein Bruder, an dessen Lehr- und Trostschriften gar sehr, weshalb ihm auch Luther im J. 1520 seinen Sermon von guten Werken zueignete. Aber die Zeit des Zuwartens, auf das sich der weise Friedrich meist beschränkt hatte, war vorbei, es galt jetzt ein freies Bekennen und entschiednes Handeln. Und siehe, der sonst so milde, zum Nachgeben allezeit bereite Kurfürst Johann war zu dem Einen wie zu dem Andern entschlossen und hat in solchem Entschlusse nie gewankt. Vor allen Gewaltschritten zwar, zu denen der ungestüme Eifer des Landgrafen von Hessen ihn manchmal fortreißen wollte, bewahrte ihn, mehr noch als seine reichsfürstliche Verehrung für den Kaiser, Luthers treuer Rath, den er einzuholen nie versäumte; aber im Uebrigen benutzte er das ganze Gewicht des Ansehns, welches das Kurhaus Sachsen im Reich genoß, um dem Andringen des Kaisers und der papistisch gesinnten Reichsstände wider die reine Lehre zu wehren, und stand an der Spitze der evangelischen Fürsten und Stände, welche durch die Protestation von Speyer (1529) ihr durch Gottes Wort gebundenes Gewissen wahreten. Inzwischen hatte er seinen eigenen Landestheilen durch die auf Luthers dringendes Anhalten vorgenommene Visitation der Kirchen und Schulen die Segnungen der Reformation zu sichern, der Willkühr durch Aufrichtung guter Ordnungen zu steuern und der Verschleuderung der Kirchengüter Einhalt zu thun versucht. Daß diese Bemühungen nicht fruchtlos waren, das mußte dem redlichen Fürsten ein großer Trost bei den Anfechtungen sein, die er deßhalb zu erleiden hatte, wie es ihm denn auch Luther zum Trost und als ein göttliches Gnadenzeichen vorhält, daß er sein Wort so mächtig und fruchtbar in den kurfürstlichen Landen mache. „Denn freilich Ew. K. F. G. Lande die allerbesten und meisten guten Pfarrer und Prediger haben, als sonst kein Land in aller Welt, die so treulich und rein lehren und so schönen Fried helfen halten. Es wächset jetzt daher die zart Jugend von Knäblein und Maidlein, mit dem Katechismus und Schrift so wohl zugericht, daß mirs in meinem Herzen sanft thut, daß ich sehen mag, wie jetzt junge Knäblein und Maidelein mehr beten, gläuben und reden können von Gott, von Christo, denn vorhin und noch alle Stift und Klöster und Schulen gekonnt haben und noch können. Es ist fürwahr solch junges Volk in Ew. K. F. G. Landen ein schönes Paradeis, desgleichen auch in der Welt nicht ist. Und solch Alles bauet Gott in Ew. K. F. G. Schooß, zum Wahrzeichen, daß er E. K. F. G. gnädig und günstig ist. Als sollt er sagen: Wohlan, lieber Herzog Hans, da befehl ich dir meinen edelsten Schatz, mein lustiges Paradeis, du sollst Vater über sie seyn.“

Als Luther diese Worte schrieb, bedurfte der fromme Kurfürst solches Trostes. Es geschah in den Tagen des Augsburger Reichstags (1530), allwo Kurfürst Johann recht eigentlich sein Martyrium bestanden hat. Mit freundlichen Worten hatte der Kaiser zum Reichstag eingeladen, aber er war entschlossen und hatte dem Papst bei seiner Krönung versprochen, wenn der Weg der Güte nicht verschlüge, mit Gewalt die Ketzerei auszurotten. Die papistischen Reichsstände merkten, wohin der Kaiser wolle und drängten ihn schneller und weiter vorwärts, als er zu gehen vorhatte; aber auch die kleine Schaar der evangelischen Stände ahnte, was ihr bevorstand und stand fest bei einander. Kurfürst Johann, im Rang und Ansehn der erste unter ihnen, leuchtete auch allen voran als treuer und standhafter Bekenner. Hätte er gewankt, leicht wäre der Ausgang ein anderer gewesen. Die Evangelischen hatten sich gerüstet, Rechenschaft von ihrem Glauben zu geben und das bekannte Bekenntniß verfaßt, welches von Augsburg seinen Namen führt. Wohl erboten sich die Theologen, um den Kurfürsten nicht in Fährlichkeit zu bringen, dieß Bekenntniß in ihrem Namen einzugeben, ohne daß er sich ihrer anzunehmen brauche; aber er wies dieses Anerbieten mit den Worten ab: „Ich will meinen Christus auch mit bekennen.“ Mit einem großen Gefolge, von 160 Pferden, war er bei guter Zeit in Augsburg erschienen, mit großer Ehrerbietung empfing er seinen nach langem Zögern einziehenden Kaiser; aber mit Entschiedenheit verweigerte er die Theilnahme am Fronleichnamsfeste, als einer schriftwidrigen und abgöttischen Ceremonie, und verstand sich zur Einstellung der veranstalteten evangelischen Predigten nur unter der Bedingung, daß auch dem Gegentheil Stillschweigen auferlegt würde. Er ermahnte seine Glaubensverwandten, sich in dieser hochwichtigen Sache Gottes und des christlichen Glaubens standhaft zu erweisen und stärkte sich selbst durch Lesen der Schrift und Gebet. Vom Kaiser war das Versprechen erlangt worden, die Religionshändel zuerst vorzunehmen. So kam der 25. Juni, an welchem der Kurfürst nebst seinen Glaubensverwandten das Bekenntniß ablegte, welches an seiner Spitze das Psalmwort führt: Ich rede von deinen Zeugnissen und schäme mich nicht. (Ps. 119, 46.) Wohl feierte die Macht der Wahrheit in diesem Bekenntniß an jenem denkwürdigen Tage manchen stillen Triumph, aber für die Bekenner erwuchs zunächst nur Bedrängniß aller Art daraus. Man brachte eine Schrift zusammen, durch die sollten sie ihr Bekenntniß ohne weiteres für widerlegt erachten, und es wurde ihnen die Wahl gestellt, sich der römischen Kirche gehorsam zu bezeigen, oder zu gewärtigen, daß der Kaiser als Schirmherr der Kirche wider sie verfahre. Den Kurfürsten von Sachsen traf als den nächsten die Ungunst des Kaisers am meisten. „Wir haben – klagte er einem seiner Diener – Se. Kaiserl. Majestät gebeten, uns mit der Kurwürde zu belehnen; das ist uns abgeschlagen worden. Wir liegen mit großen Kosten hier, haben eben 12,000 Gulden aufnehmen müssen; Kaiserl. Majestät hat uns noch mit keinem Worte zugesprochen. Wir können nicht anders denken, als daß wir bei Kaiserl. Majestät schwer verunglimpft sind, und daß dieß durch unsere eigenen Verwandten geschehen ist.“ Es fehlte nicht an offenbaren Drohungen und man ließ ihn geflissentlich wissen, wenn er sich nicht fügen werde, so werde ihn der Kaiser mit gewaffneter Hand angreifen, von Land und Leuten verjagen und an seiner Person das äußerste Recht vollstrecken. Der Kurfürst wurde darüber sehr bewegt, allein er verhielt sich nicht, welche Wahl hier zu treffen sey. „Entweder Gott verleugnen – sagte er – oder die Welt; wer kann zweifeln, was das Beste sey? Gott hat mich zu einem Kurfürsten des Reichs gemacht, was ich niemals werth geworden bin, er mache ferner aus mir was ihm gefällt.“ Tag und Nacht lag die Sorge schwer auf ihm. Einst ergriff ihn im Schlaf jene Beklemmung, wo der Mensch unter einer die Brust niederdrückenden Last zu vergehen meint. Er träumte, er liege unter einem hohen Berge, auf dessen Spitze sein Vetter Herzog Georg stehe. Gegen Morgen sank der Berg zusammen und der feindliche Blutsverwandte fiel neben ihm nieder. – Wie aber auch die Sorge drückte, der Kurfürst stand fest und öfter sagte er zu seinen Räthen: „Sagt meinen Gelehrten, daß sie thun, was recht ist, Gott zu Lob und Ehre und mich oder mein Land und Leute nicht ansehn.“ Es war ihm eben ein ganzer Ernst mit seinem Wahlspruch: Verbum Domini manet in aeternum (Gottes Wort bleibt ewig), dessen Anfangsbuchstaben seine Diener auf ihren Livreen gestickt trugen. Hartnäckigkeit und Gelüst am Widerspruch hatten bei einem so weich gestimmten und nachgiebigen Gemüth, wie des Kurfürsten, keinen Antheil an seinem Widerstand, es ward ihm schwer genug, seinem Kaiser so Widerpart halten zu müssen, und als dieser bei der Abreise zu ihm sagte: „Ohm, Ohm, das hätte ich mich zu Ew. Liebden nicht versehn,“ konnte er ihm nur mit Thränen antworten.

In Koburg, wo der Kurfürst Luthern zurück gelassen und von wo aus dieser ihn und die Seinen mit so schönen, frischen Trostworten erquickt hatte, wurde er nun auch von Luther empfangen und beglückwünscht, daß er mit Gottes Gnaden aus der Hölle zu Augsburg gekommen war. „Ob Menschen Ungnad sich fast sammt ihrem Gott dem Teufel läßt sauer ansehn – sprach Luther – hoffen wir doch, daß Gottes angefangene Gnade soll auch hinfort desto stärker und mehr bei uns seyn. Sie sind ja sowohl in Gottes Hand als wir, das fehlet nicht und werdens nicht thun noch ausrichten, er wollt es denn haben, auch nicht ein Haar krümmen uns oder Jemand Gott thu es denn selbst gewaltiglich.“ Und also geschah es. So drohend die Dinge in Augsburg ausgesehn hatten, so hart der Reichsabschied lautete, so ärgerlich auch die Rechtsplackereien waren, zu welchen die Gegenpartei das Reichskammergericht aufrief; so kam es doch zu nichts, denn dem Kaiser waren durch seine politischen Pläne die Hände gebunden, in den Religions-Händeln zur Gewalt zu greifen, und selbst der Erbfeind der Christenheit, der Türke, mußte dazu dienen, den Ausbruch offner Feindseligkeiten in Deutschland für jetzt zu verhüten. So durfte der fromme Kurfürst Johann von Sachsen, friedliebend wie sein Bruder Friedrich, auch wie dieser in Frieden schlafen gehn. Er verband sich zwar mit seinen Glaubensverwandten für den äußersten Fall, und schloß das schmalkaldische Bündniß, aber er folgte auch Luthers Rath, in den Dingen, wo es sich nicht um Gottes Wort und den Glauben handelte, wie bei Ferdinands Wahl zum römischen König, das Recht nicht auf’s schärfste zu berathen, und so zog die Wolke vorüber

Zwei Jahre nach den schweren Tagen von Augsburg kam des Kurfürsten Sterbestündlein. Schon zu Anfang des Jahres 1532 war er sehr krank gewesen und es hatte ihm die große Zehe am linken Fuß abgelöst werden müssen; aber er war wieder genesen, und Luther, der zweimal bei ihm gewesen war und treulich für ihn gebetet hatte, wünschte ihm zu seiner Genesung Glück und tröstete ihn, es solle keinen Mangel haben weder hier noch dort, ob er gleich ein wenig habe Wermuth essen und in einen sauern Apfel beißen müssen. Aber am 15. August wurde der Kurfürst zu Schweinitz, wohin er der Jagd wegen gekommen war, von einem so heftigen Kopfschmerz befallen, daß er bald die Sprache verlor und achtundzwanzig Stunden ohne Bewegung, ohne Gehör und Verstand da lag. Als folgenden Tags die herbeigerufenen Wittenberger ankamen, hob er beide Hände empor, ließ sie aber bald wieder sinken und starb. „Gleich wie Kinderlein ohne Sorge geboren werden, ohne Sorge leben und ohne Sorge sterben, also wird unserm lieben Fürsten, Herzog Johannsen, am jüngsten Tage zu Sinne seyn, als käme er von der Lochischen Heide von der Jagd, wird nicht wissen, wie ihm wird geschehen sein, wie Esaias sagt: Der Gerechte wird weggerafft und legt sich in sein Kämmerlein und Ruhebettlein.“ So sprach Luther, der Zeuge seines Todes war, und als zwei Tage darauf die Leiche des Fürsten neben Kurfürst Friedrich in der Schloßkirche zu Wittenberg begraben wurde, über 1 Thess. 4, 13-18. die Leichenpredigt hielt. Er lobte ihn dabei nicht seiner hohen Tugenden halber, wiewohl er ein gar frommer, freundlicher Mann gewesen sey, ohne alles Falsch, an dem er sein Lebtag keinen Stolz, Zorn noch Neid gespüret habe, der leicht habe tragen und vergeben können und mehr denn zu viel milde gewesen sey; er ließ es auch dahin gestellt, ob er etwa in seinem Regiment gefehlt habe; kurzum er wollte ihn auch lassen einen Sünder und unter dem Artikel der Vergebung der Sünden bleiben. Aber das rühmte er an ihm, daß er Christi Tod und Auferstehung, womit er Tod und Hölle mit allen Sünden verschlungen, bekannt habe und auf diesem Bekenntniß fest verblieben sey. Ueber diesem Bekenntniß habe er zu Augsburg einen viel herbern Tod, denn jetzt, erlitten, da er alle bösen Suppen und Gift habe müssen ausessen, die ihm der Teufel eingeschenkt. Solch‘ ein Tod sey ein männlicher und rechter Tod, wie auch St. Paulus sage 1 Kor. 15: Bei meinem Ruhm, den ich habe in Christo Jesu, ich sterbe täglich.

M. Meurer in Callenberg.

Die Zeugen der Wahrheit
Dritter Band
Piper, Ferdinand (Herausgeber)
Verlag von Bernhard Tauchnitz
Leipzig 1874