Schon lange lag ein duftiger Kranz schöner Christengemeinden um die Gestade des mittelländischen Meeres, aus dem als die reichsten Blumen Jerusalem und Caesarea, Antiochien und Ephesus, Corinth und Thessaloniki, Alexandrien, Cyrene, Carthago und Rom hervorglänzten, während noch dahinten in den Barbarenländern das rohere Heidenthum unbeschränkte Herrschaft übte. –
Allmählich aber, besonders seit unter Constantin dem Großen das Christenthum die Religion der Herrscher war, drangen die Samenkörner der Wahrheit auch in die ferngelegenen Länder. Das Heidenthum selbst, welches damals die vertrocknenden Quellen seiner Weisheit gerne in den fernen Regionen des Ostens auffrischte, half dazu mit. So reiste ein Philosoph Namens Metrodorus nach Persien und den angränzenden Ländern; es bleibt ungewiß, ob er Indien oder Arabien besuchte. Wahrscheinlich das erstere, denn von seinen Merkwürdigkeiten, die er aus dem fernsten Lande seiner Wanderung mitbrachte, nahm ihm der Perserkönig das Beste weg, daß er nur den Rest dem Kaiser Constantin zu Füßen legen konnte.
Einen größern Gewinn trug seine Reise dadurch, daß ein anderer Gelehrter Namens Meropius aus der alten Seehandelsstadt Tyrus, durch die Reisebeschreibung des Metrobor veranlaßt wurde, dieselben Forschungswege zu betreten. Er war ein Christ und hatte wohl noch andre Gedanken bei seiner Reise, als bloß, die Weisheit der fernen Heiden zu erforschen. Mit ihm reisten seine beiden jungen Neffen Frumentius und Aedesius, die ihm zur Erziehung übergeben waren. Seine Reise ging gut von Statten und er kam glücklich wieder in die der Heimath nahen Gewässer des rothen Meeres zurück, wo dem Christen so manche heilige Erinnerungen geweckt werden. Ehe er aber das ernste Antlitz des Sinai sehen durfte, berief ihn der Herr in das ewige Heiligthum des Himmels. In einem Hafen des rothen Meeres, südlich von Aegypten und Nubien, also an der Küste des hohen Berglandes Abessinien, welches damals mit allen Ländern umher zusammen Aethiopien oder auch manchmal Indien hieß, wollten die Seefahrer noch einmal frisches Wasser und Lebensmittel einnehmen. Es war aber gerade, was die Reisenden nicht wußten, Krieg zwischen dem römischen Kaiserreiche oder vielmehr seinem Statthalter in diesen Regionen und den angränzenden Barbaren. Die rohen Feinde bemächtigten sich des Schiffes und mordeten ohne Erbarmen die ganze Mannschaft. Nur die beiden Knaben entgingen diesem Lose, weil sie während des Ueberfalles ruhten unter einem Baume am Ufer Taxen, ohne zu ahnen, was inzwischen in ihrer Nähe geschehen war. Bald kam die wilde Horde auch zu ihnen. Aber ob Gedanken des Erwerbes durch die schönen Jünglinge, oder eine Rührung des Erbarmens sie ergriffen? – sie wagten nicht die Hände an sie zu legen und beschlossen, sie ihrem Oberherrn, dem Könige von Aguma (in Tigre, dem nördlichen Abessinien) als Sclaven zu schenken. Auch diesem barbarischen Monarchen gefielen die muntern, geistig regen Knaben und er behielt sie bei sich und ließ sie in Sprache und Sitten des Landes bilden, machte nachher Frumentius, den älteren, zu seinem Haushofmeister, den jüngern zu seinem Mundschenken. In ihren Herzen loderte aber unüberwindlich die heilige Flamme des Glaubens und diese war jetzt durch sie in das Herz eines Heidenlandes getragen.
Nur Gott ist bekannt, durch welche Prüfungen und Kämpfe diese frommen Zeugen Jesu Christi schon in blühender Jugend sich hindurch arbeiteten, welchen Versuchungen sie widerstanden und welche Kräfte des ewigen Lebens im Stillen von ihnen ausgingen. Es scheint wenigstens ihr Glaube und Bekenntnis auf ihren heidnischen Herrn keinen widrigen Eindruck gemacht zu haben. Denn ehe er starb, sprach er sie von der Sclaverei los, aber mit der Bitte, an seinem Hofe zu bleiben. Sie sagten dies zu und die verwitwete Königin übertrug ihnen die Leitung der ihr während der Minderjährigkeit ihres Sohnes anvertrauten Regierung. Jetzt war die Zeit zum offenen Wirken für den Herrn gekommen. Frumentius, der die Zügel der Leitung hatte, sah sich nach christlichen Ansiedlern um. Er fand manche christliche Kaufleute aus Aegypten, die sich in den Hafenplätzen am rothen Meere aufhielten, und veranlaßte sie zu bleibender Ansiedlung und zur Einrichtung regelmäßiger gottesdienstlicher Versammlungen. Er gewährte zugleich den Christen bedeutende Erleichterungen im Handel und es gelang ihm in Kurzem, eine zwar kleine, aber innerlich kräftige Christengemeinde den abessinischen Heiden als lebendiges Muster vor Augen zu stellen. Sie wirkte nach der Verheißung des Herrn, und eine Anzahl von Heiden bekehrte sich zu dem lebendigen Gott und glaubte an Jesum Christum.
Das Senfkorn war im Wachsen, als der junge König Aizanbolla jährig ward und Frumentius ihm zugleich die Zügel der Herrschaft in die Hände geben und ihn um Erlaubnis zur Rückkehr in die Heimath seiner Jugend bitten konnte. Sie ward ungern gegeben, weil Frumentius vom Könige und seiner Mutter sehr geliebt und geehrt war. Sie baten ihn zu bleiben, weil ein solcher Rathgeber ihnen unschätzbar schien. Zur Freude der Christen in der Heimath kamen die Brüder wieder zurück und Aedesius ließ sich in Tyrus zum Priester weihen, während Frumentius, sein abessinisches Christenhäuflein auf dem Herzen, zu dem großen Patriarchen von Alexandria, dem frommen Athanasius, eilte, dem er den ganzen Verlauf seiner Geschichte erzählte und in ihn drang, einen Bischof und einen Priester nach Abessinien zu senden, um die kleine Herde zu weiden. Athanasius berief eine Synode und diese erklärte den Frumentius selbst als das beste Werkzeug des Herrn für diese Aufgabe. Er übernahm sie, wurde zum Bischofe von Aethiopien geweiht, eilte im Jahr 356 mit freudigem Herzen nach Aruma zurück, wo er das Feld reif zur Erndte fand. In rascher Folge wurden Scharen der Aethiopier zu Christo bekehrt, viele Kirchen gebaut und der König selbst mit seinem Bruder und Mitregenten Sazan getauft. Die spätern Jahre des Frumentius wurden durch die Kämpfe gestört, welche die falsche Lehre des Arius hervorrief, der auch der Kaiser Constantius huldigte. Athanasius wurde verbannt, Frumentius sollte, so verlangte es der Kaiser, von den abessinischen Herrschern an den neuen Patriarchen zu Alexandria ausgeliefert werden. Allein diese Fürsten waren sicher genug vor dem römischen Kaiser, um diesem Befehl keine Folge zu leisten. Die Arbeit des Frumentius blieb eine gesegnete und bei seinem späten Ende konnte er den größesten Theil Abessiniens vom Lichte des Evangeliums überstrahlt unter der Obhut anderer treuer Hirten überlassen und zu seines Herrn Freude eingeben. Ob von Frumentius einen Theil der äthiopischen Bibelübersetzung geliefert hat, wie es sehr wahrscheinlich ist, oder ob er sie bloß durch Andere veranlaßte, steht dahin. Seit dem 4ten Jahrhundert aber besaß die abessinische Kirche, was sie mitten in den heftigen Erschütterungen der Kirche im Morgenlande als ein Licht in der heidnischen Nacht brennend erhielt, das Wort Gottes in der Landessprache. Ihr Fortbestand bleibt ein besseres Ehrengedächtnis des Glaubenshelden Frumentius, als die Wunder, die er gethan haben soll, und deren man im Lande noch rühmend gedenkt.
Wilh. Hoffmann in Berlin.