Argula von Grumbach

Unmittelbarer als die beiden Reformatorenfrauen griff in das Triebwerk der Reformation eine Frau aus dem Bayernland ein, Argula von Grumbach, geborene von Stauff; geboren um das Jahr 1492. Ihr Vater, Bernhardin von Stauff, zeichnete sich dadurch vor den meisten seiner Standesgenossen aus, dass er schon vor dem Erscheinen der Lutherischen Übersetzung fleißig in der Bibel las und seiner zwanzigjährigen Tochter eine deutsche Bibel schenkte, mit der Aufforderung, in derselben, dem Gebote des Herrn gemäß, zu suchen. Kein Wunder also, dass die Grundsätze der Reformation in dieser Familie frühe Eingang fanden. Argula verlor ihre Eltern fünf Tage nach einander. Ein Bruder ihres Vetters nahm sich der verlassenen, vermögenslosen Jungfrau an. Auch der Herzog Wilhelm von Bayern tröstete sie und versprach ihr, nicht bloß ihr wohlwollender Landesfürst, sondern auch ihr Vater zu sein. Sie wurde Hoffräulein und verheiratete sich 1516 mit einem fränkischen Edelmanne, Freiherrn von Grumbach. Mit inniger Freude hörte sie von Luthers Auftreten gegen die Missbräuche in der Kirche. Sie las mit Begeisterung die Schriften des kühnen Mannes und wurde in Folge davon eine entschiedene Anhängerin desselben. Auch verhehlte sie ihre religiösen Ansichten vor keinem Menschen. Ja, sie fand bald Veranlassung, offen mit denselben hervorzutreten.

1523 wurde ein junger Magister, Arsacius Seehofer, zu Ingolstadt in den Kerker geworfen und durch Drohungen – man stellte ihm den Feuertod in Aussicht – zum Widerruf genötigt, worauf man ihn in ein Kloster steckte. Er entkam und nahm zu Luther seine Zuflucht. Vor ihm bekannte er seine Schwachheit mit dem Ausdrucke tiefer Reue.

Als Argula von dem Verfahren gegen den jungen Mann hörte, war sie bald entschlossen, ein Wort zu Gunsten desselben zu sprechen: Sie schrieb an die Universität Ingolstadt in einer Weise, dass man ihren Mut und ihre religiöse Einsicht bewundern muss. Einige Stellen aus diesem Schreiben mögen das Gesagte erläutern und bestätigen: „Ich finde einen Spruch, Matth. am 10., der also lautet: „Wer mich bekennt vor den Menschen, den will ich bekennen vor meinem himmlischen Vater“, und Luk. 10: Wer sich meiner schämet und meiner Worte, dessen werde ich mich wieder schämen.“ Solche Worte, von Gott selbst geredet, sind mir allezeit vor Augen; denn es wird weder Mann noch Frau darinnen ausgeschlossen. Aus diesem werde ich gedrungen Euch zu schreiben. Denn Ezechiel sagt am 33.: Siehst du sündigen deinen Bruder, so strafe ihn, oder ich will sein Blut fordern von deinen Händen. Ach Gott! wie werdet Ihr bestehen mit Eurer hohen Schule, dass Ihr so töricht und gewaltig handelt wider Gottes Wort und mit Gewalt zwingt, das heilige Evangelium zu verleugnen, wie Ihr dem Arsacius Seehofer getan habt! usw.“ Weiter heißt es: Ich bitte Euch und begehre Antwort, ob Ihr meint, dass ich irre. Denn Hieronymus hat sich nicht geschämt und zu den Weibern geschrieben gar viel, als zu Paula, Eustachia usw. Ja, Christus selbst hat sich nicht geschämt, sondern gepredigt Maria Magdalena, der Frau an dem Brunnen. Ich scheue mich nicht, vor Euch zu kommen und Euch zu hören, auch mit Euch zu reden. Und ob es gleich dazukäme, davor Gott sei! dass Luther widerriefe, soll es mir nichts zu schaffen geben. Ich baue nicht auf sein, noch eines Menschen Wort, sondern auf Christum selbst, welchen die Bauleute haben verworfen und der zum Eckstein geworden ist.“

Eine Abschrift dieses Briefes schickte sie zwei Monate später mit einem besonderen Sendschreiben an den Rat von Ingolstadt. In diesem Schreiben heißt es: „Und wenn sie mich gleich mordeten, so geschehe, wie Gott will. So ich gestorben bin, so ist doch Gottes Wort nicht vertilgt. Ich achte auch dafür, so ich die Gnade hätte, den Tod um seines Namens willen zu leiden, würden viele Herzen dadurch erweckt; ja, wenn ich allein stürbe, würden tausend Weiber wider sie schreiben; denn ihrer sind viele, die belesener und geschickter sind, denn ich.“

Selbst an den Herzog Wilhelm wendet sie sich, ihn zu ermahnen, dass eine christliche Obrigkeit bei dem Worte Gottes bleiben und solches aus christlicher Pflicht zur Hand haben solle. „Denn kein Mensch Gewalt hat, das Wort Gottes zu verbieten, allein das Wort Gottes soll und muss alle Dinge regieren. Ich bitte Euch um Gottes willen, nicht allein der Ingolstädter Wort zu glauben, sondern vorher die Geister nach göttlicher Schrift zu prüfen. Es ist nicht genug, zu sagen: Ich glaube, was meine Eltern geglaubt haben,“ wir müssen an Gott und nicht an unsere Eltern glauben.“

Der Kanzler Eck wurde über dieses Alles um so mehr erbittert, da er erfahren hatte, dass Argula die Einwohner von Dietfurt durch öffentliche Reden für den evangelischen Glauben zu gewinnen suche. Er forderte deshalb den Herzog auf, den Mann Argulas seines Dienstes zu entlassen, und ihm unter Androhung schwerer Strafen zu befehlen, dass er seiner Frau solches Schreiben nicht mehr gestatte.

Ein Magister, Johannes von Landshut genannt, verfasste ein Spottgedicht auf die Frau Argula, die so sehr aller weiblichen Zucht vergessen, dass sie ihren Herrn und Fürsten zu einem neuen Glauben hat verführen wollen, und sich zu unterstehen, eine ganze hohe Schule zu bestrafen und zu beschimpfen. Es heißt am Schlusse:

Willt du aber mit Ehren bestehen,
So stell ab dein Mut und Gutdunkel,
Und spinn davor an der Kunkel,
Oder strick Hauben und wirke Borten;
Ein Weib soll nicht mit Gottes Worten
Stolzieren und die Männer lehren,
Sondern mit Magdalenen zuhören.

Argula antwortete dem Magister in einem längeren Gedichte; sie forderte denselben auf, öffentlich mit ihr in Ingolstadt zu streiten; sie wolle sich fröhlich stellen. Hierauf verteidigte sie das Recht der Ungelehrten, das durch die Apostel verkündigte Evangelium zu treiben und zu verfechten. Das Beispiel einer Judith, Deborah und Jael sei ein Beweis, dass auch Weiber für Gott streiten dürften.

Darum zürnet nicht so hart,
Ob Gott jetzt auch wieder Weiber schaffen,
Die Eure Hoffart müssen strafen.
Macht, dass Ihr gar nicht würdig seid,
Dass ein Gelehrter mit Euch streit.

Am Schlusse heißt es:

Weh Euch, die Ihr jetzt sonder lacht,
Ihr werdet klagend und weinend gemacht,
Ihr Lästerer Gottes, wie wird euer Leben,
So ganz und gar vor Gott zu nichte,
Wenn ihr kommt vor das streng Gerichte
Am sechsten Lukas da bestimmt,
Darum lasst ab und seid besinnt;
Auf diesmal nehmt genug daran,
Bis er hervortritt auf den Plan.
Von Bileams Eselin nimm zu gut
Mein lieber Johannes von Landshut!

Dr. Eck schickte ihr auf die Aufforderung, mit ihr zu streiten, einen Spinnrocken und eine Spindel.

Der Herzog Wilhelm war über die kühne Frau erzürnt und folgte darum der an ihn gerichteten Aufforderung um so bereitwilliger. Argulas Gatte erhielt seinen Abschied. Sie selbst aber wurde in ihrem Glauben nicht wankend gemacht, auch, da ihre Verwandten ihren Unwillen gegen sie äußerten. Sie schrieb an ihren Vetter, den Statthalter Adam von Torring zu Neuburg: „Man hat mir gesagt, man wolle meinem jungen Herrn das Amt nehmen; kann ich ja nicht dafür; denn ich habe vorher Alles wohl bedacht; habe mich daran gesetzt, Alles zu verlieren, ja Leib und Leben; Gott steht mir bei.“

Sie ging noch weiter in ihrem Eifer für die Reformation. Sie schrieb an den Kurfürsten von Sachsen und an andere Fürsten: sie möchten sich des Evangelii treulich annehmen. Auch mit Luther trat sie 1524 in einen Briefwechsel, und dieser gedenkt ihrer öfters in ehrenvoller Weise; er nennt sie die „sehr gottselige Frau“ und schrieb 1524 an Spalatin: „Ich schicke Dir hiermit das Schreiben der Argula, der Jüngerin Christi, damit Du es sehen und Dich freuen mögest über eine sündige Tochter Adams, welche umkehrt und sein Kind wird.“

1530, während des Augsburger Reichstags, besuchte Argula Luther auf dem Schlosse Coburg. Auch an Spalatin schrieb sie: „Fürchtet Euch nicht, die Sache ist Gottes, der sie in uns, ohne uns angefangen hat, der wird sie auch wohl beschützen. Er schläft nicht, der Israel behütet; die Sache ist sein.“ Und dieses schrieb sie, da sie schon Witwe geworden und ihr Gottvertrauen durch mancherlei Prüfungen auf die Probe gestellt worden war. Dasselbe wurde nicht erschüttert. „Meine Kindlein,“ schrieb sie, „wird der Herr schon versorgen und speisen mit den Vögeln in der Luft, auch bekleiden mit den Lilien auf dem Felde. Er hat es gesagt; Er kann nicht lügen.“

Über ihre letzten Schicksale ist wenig bekannt. Nur so viel wissen wir, dass sie, als in Bayern die Verfolgung immer heftiger wurde und Mancher wegen seines evangelischen Glaubens den Scheiterhaufen besteigen musste, aus ihrem Vaterland verwiesen wurde. Sie starb 1554 zu Zeyligheim in Franken mit der Gesinnung, die sie in folgenden Worten ausgesprochen hat: „Man heißt mich Lutherisch; ich bin es nicht; ich bin im Namen Christi getauft, den bekenne ich; aber ich bekenne, dass ihn Martinus auch als ein treuer Christ bekennt.“

Auch andere Frauen zeigten sich bereit, das Evangelium mit biblischen und anderen Gründen zu verteidigen, z. B. Maria von Heringen und ihre Schwester Engel von Hagen, von denen Spangenberg in seinem „Adelsspiegel“, und Lobwasser in seiner „Hochwürdigen Gesellschaft gelehrter Frauenzimmer“ berichtet, wie sie mit den gelehrtesten Theologen über Luthers Lehre gestritten und dieselben mit ihren eigenen Worten gefangen hatte. Zu Eger forderte Katharina Junker die Theologen zu einer öffentlichen Disputation heraus; sie verteidigte ihre Ansichten mit Einsicht und Mut.

Argula von Grumbach

Diese geistreiche, gottselige und heldenmüthige Frau stammte aus dem uralten adeligen Geschlechte der Herren von Stauffen in Baiern, welches von dem Schwäbischen Geschlechte gleiches Namens zu unterscheiden ist. Ihr Großvater, der Stifter der Ehrenfelsischen Linie des Bairischen Hauses von Stauffen, und Kanzler des Herzogthums Baiern, war einer von den drei großen Bairischen Hansen. So nannte man nehmlich die drei Herren Hans von Stauffer, Hans von Degenberg und Hans von Eichberg, weil sie in der innigsten Freundschaft miteinander lebten, von großen Verdiensten um das Land und alle drei zugleich sehr ansehnlichen Leibes waren. Argula’s Vater hieß Bernhardin, und ihre Mutter Katharina von Theting (oder Dörring). Das  Jahr ihrer Geburt ist unbekannt.

Ihr Vater muß ein frommer christlicher Mann gewesen sein, denn er schenkte seiner Tochter an ihrem zehnten Geburtstage eine schöne, neue, deutsche Bibel, und ermahnte sie mit ganzem Ernst, dieselbe ja recht fleißig zu lesen. Aber die Bettelmönche, damit sehr unzufrieden, prägten dem Mägdlein ein, die Bibel sei ein Verführbuch, und tauge am wenigsten für Kinder. Das fromme Kind wollte sich nicht selbst verführen, uns folgte darum den verführerischen Pfaffen, ließ die Bibel ungelesen und lernte dafür Menschentand. Als sie zur Jungfrau herangewachsen war, kam sie an den Bairischen Hof, und erhielt dort nach alter deutscher Hofsitte weitern Unterricht in allen den Künsten und Wissenschaften, in denen ein adelig Fräulein damaliger Zeit wohlerfahren sein mußte; vor Allem rühmt sie die gute Zucht und die Gottesfurcht der Herzogin: von Baiern, in deren Dienste sie war. Ihr Vater, der ebenfalls im Dienste des Herzogs von Baiern stand, erwarb sich dadurch wohl einen ehrenvollen Namen bei Hofe, aber desto weniger Vermögen, ja, er setzte noch das, was er besaß, dabei zu; ein Zeichen, daß er seinem Herzog durchaus treu und redlich gedient hat. Gott, wollte unsere Argula frühzeitig in die Schule der Trübsal führen, damit sie ihn suchen und finden möchte, und für die Zeit, wo sie um seines Namens willen leiden sollte, Geduld im Unglück lernen könnte. Sie war noch sehr jung, als ihr innerhalb fünf Tagen Vater und Mutter durch den Tod entrissen wurden. Ohne Aeltern, ohne Vermögen, ohne den Trost des Wortes Gottes, fühlte die Waise sich ganz verlassen und weinte darüber Tag und Nacht. Der Herzog Wilhelm von Baiern, der Sohn der Herzogin, in deren Dienste Argula stand, und der ihr Obervermund war, Sah sie einstmals so weinen, trat zu ihr, und tröstete sie mit den Worten, sie sollte nicht so weinen, er wolle nicht blos ihr Landesfürst, sondern auch ihr Vater sein. Der edle Herr hat sein Wort gehalten, und wenn ihn die Pfaffen nicht betrogen hätten, so würde Argula nicht viel mehr von zeitlicher Noth zu sagen gewußt haben.

An des Herzogs Hofe lernte sie der Fränkische Baron Friedrich von Grumbach (oder Grünbach) kennen; und verheirathete sich mit ihr; in welchem Jahre, ist ebenfalls ungewiß. Gott segnete diese Ehe mit vier Kindern. Argulas Gemahl war in Herzoglich Bairischen Diensten, und einen ihrer Söhne nahm der Herzog ebenfalls an seinen Hof.

Um diese Zeit ging in Wittenberg das Licht des Evangeliums auf, und verbreitete seinen hellen Schein blitzesschnell durch alle Lande. Die Völker, die bisher so lange in Finsterniß gesessen hatten, erschraken zuerst über den hellen, gewaltigen Glanz wie die Hirten in der heiligen Weihenacht, und Vieler Augen konnten ihn lange nicht ertragen, Man war zwar des päbstlichen Joches herzlich müde, und die ernsteren Gemüther hatten es immer mit tiefem Schmerze gefühlt, daß ein Mensch durch seine eigenen Werke niemals zum wahren Frieden kommen kann; aber die Furcht vor dem päbstlichen Bann hielt alle in unwilligem Gehorsam. Um so mehr erstaunte man nun über den einzelnen, kühnen Mönch, der es im Namen Gottes wagte, dem Statthalter Gottes an die Krone zu greifen, und sich vor dem nicht fürchtete, der Kaisern und Königen auf den Nacken trat und sich rühmte, daß er die Schlüssel zu Himmel und Hölle allein in seinen Händen habe. Wie eine Heldengestalt, aus den Riesengräbern der Vorzeit wieder auferstanden, Vertrauen und Furcht zugleich erweckend, stand Luther da vor aller Augen, und sein Name war in aller Munde. – Argula vernahm auch bald von der neuen Lehre, und suchte sich eine genaue Kenntniß derselben zu verschaffen. Der Bairische Theologe von der Universität zu Ingolstadt, D. Eck, war Luthers gewandtester und heftigster Gegner; am Bairischen Hofe war Luther arg verleumdet und nicht wohl gelitten; der Bairische Adel theilte sich, wie überall, in zwei Partheien, der kleinste Theil desselben neigte sich Luthern zu; das Volk machte Anstalten, die christliche Freiheit in eine fleischliche Empörung zu verwandeln; Argula’s Gemahl scheint selbst nicht zu Luthers Freunden gehört zu haben: wäre es unter solchen Umständen zu verwundern gewesen, wenn sie den Lügen über die Wittenberger Glauben geschenkt und sich auch hätte verblenden lassen? Leichtsinn war aber nicht ihr Sinn, ihr Seelenheil lag ihr wahrhaft am Herzen; auch kannte sie den Hof, die Klerisei und den meisten Adel viel zu gut, als daß sie sich danach hätte richten sollen, was diesen gefiel, was sie sagten und thaten. Sie nahm also das edle Geschenk ihres Vaters, ihre lang vergessene Bibel wieder zur Hand, und so übel sie auch verdeutscht sein mochte, so verstand sie doch so viel daraus, daß sie einsah, dasjenige, was sie von Luthers Lehre gehört hatte, sei wirklich in der Schrift gegründet, und der Ruhm ihrer Pfaffen, als könnten sie Luthern überwinden, möge wohl grundlos sein. Um sich nun genau davon zu unterrichten, schrieb sie an den Chursächsischen Hofprediger Spalatinus, und bat ihn ihr die Titel von Luthers Büchern aufzuzeichnen, damit sie sich dieselben verschaffen könnte, und nicht mit untergeschobenen betrogen würde. Spalatinus erfüllte ihren Wunsch; sie las, was Luther in deutscher Sprache geschrieben hatte, und daraus ging ihr bald das Licht auf über die ganze heilige Schrift: Gott senkte durch das Wort den heiligen Geist in ihr Herz, und bald war sie eine gläubige, wahre Christin und erklärte Anhängerin der Reformatoren. Auch ihr Bruder Bernhard wurde von der Wahrheit des Evangeliums ergriffen, und bekannte sich schon im Jahre 1520 öffentlich zu der reinen Lehre des Wortes Gottes, wie es durch Luthern anfing in Wittenberg gepredigt zu werden. Er ließ auf seinem Gute Beretzhausen das Evangelium predigen und die Bürger von Nürnberg benutzten fleißig diese Gelegenheit, Gottes Wort zu hören. Späterhin, 1536 oder 1542, hielt er auch in seinem Hause zu Regensburg, dem sogenannten Stauffischen Hause((Vor hundert Jahren ist dieses Stauffische Haus der Gasthof zum grünen Strauß gewesen; wie es jetzt damit steht, weiß ich nicht.))  einen eigenen Prediger, der die päbstlichen Irrthümer abthun und den Seelen den Weg zu Christo, dem einzigen Heilande, zeigen sollte.

Wie fleißig Argula die heilige Schrift gelesen, wie gut sie sie verstanden und wie sorgfältig sie Luthers und Melanchthons Schriften damit verglichen hat, davon geben ihre herrlichen Briefe gültiges Zeugniß. Es blieb aber bei ihr nicht beim blosen Lesen und Schwatzen darüber, sondern das Wort Gottes wurde in ihr zur Kraft und zur That. Sie konnte sich mit gutem Gewissen rühmen, das sie durch Gottes Gnade ihre häuslichen Pflichten treulich und mit Freuden erfüllt, und ihren Gemahle mit ihrem Wissen nie zu einer Klage Veranlassung gegeben habe.  Ihr Gesinde und ihre Unterthanen hielt sie ebenfalls in Christlicher Gunst zu Gottesfurcht und Gottes Wort an, wie es christlicher Herrschaften Schuldigkeit ist. Ja, sie benutzte jede Gelegenheit, die ihr Gott gab, wo sie einen Sünder bekehren und einem Irrenden den rechten Weg zum ewigen Leben in Jesu Christo zeigen konnte. Leider haben wir weiter keine Nachrichten über ihr häusliches Leben; christliche Frauen werden sich aber leicht aus der heiligen Schrift und ihrer eigenen Erfahrung ein Bild davon entwerfen können.

Das für uns merkwürdigste Jahr ihres Lebens ist das Jahr 1523. Dieses gab ihr die Gelegenheit, der ganzen Welt ihren christlichen Heldenmuth zu zeigen, dieses hat ihren Namen berühmt gemacht, ihr aber auch alle die schweren Leiden verursacht, die sie um Christi Willen erdulden mußte, und heldenmüthig durch Christum geduldet hat.

Es war zu Ingolstadt an der Donau ein junger Magister der freien Künste((Man zählte damals deren sieben: Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Musik, Arithmetik, Geometrie und Astronomie.)),  Arsatius Seehofer; kaum 18 Jahre alt, der Sohn ehrsamer und wohlhabender Aeltern aus München. Dieser hatte aus Luthers und Melanchthons Schriften die christliche Wahrheit zu erkennen angefangen, und in Schriften und Vorträgen öffentlich bekannt gemacht. Die Professoren der Universität zu Ingolstadt zogen aus diesen Schriften Seehofers, wie sie sagen „mit inbrünstigem, ernstlichern Fleiße“, siebzehn Punkte heraus, welche sie für ketzerisch erklärten, ließen den Magister ins Gefängniß werfen, lange darin schmachten, und brachten es endlich, nachdem sie ihn auf Herzog Wilhelms Befehl aus dem Gefängniß unter der Bedingung, daß er widerrufen wolle, hatten entlassen müssen, durch Androhung des Feuertodes bei ihm dahin, daß er die 17 Artikel öffentlich und feierlich am 7. September 1523 widerrief. Die Artikel sind folgende:

1). Der Mensch wird vor Gott allein durch den Glauben gerecht.

2) Die Gerechtigkeit vor Gott besteht darin, daß uns Gott dieselbe zurechnet, ohne unsere Werke anzusehn.

3) Der Mensch kann diese Rechtfertigung sich durch keinerlei Werke oder Verdienst erwerben.

4) Gott allein macht uns gerecht dadurch, daß er uns seinen Geist eingießt, ohne alle unsere Werke.

5) Wir sollen auf unsere guten Werke gar keine Hoffnung oder Zuversicht setzen.

6) Es ist unmöglich, daß der Glaube nicht sollte gute Früchte oder Werke hervorbringen.

7) Wenn die Schrift sagt, daß die guten Werke belohnt werden, so soll man das so verstehen, daß wir nichtsdestoweniger durch den Glauben selig werden.

8) Diejenigen, welche es sich unterstehen, durch ihre guten Werke sich gerecht und gut zu machen, die bauen nicht auf einen Felsen, sondern auf Sand.

9) Man soll in der Kirche Keinem etwas glauben, außer was er gewiß und klar beweist aus dem Worte Gottes.

10) Es soll kein Mensch in der christlichen Kirche etwas thun oder lehren, was Gott nicht gewißlich angegeben, gelehrt oder geboten hat.

11) Ein Bischof darf nichts anderes, als das Wort Gottes lehren.

12) Ein Bischof ist der, der das Amt hat, Gottes Wort zu predigen.

13) Wenn ein Mann rechtlich von seinem Weibe geschieden wird, so hat er Macht, eine andere zu nehmen, ebenso darf sich die Frau  einem andern vermählen, ausgenommen, wenn man dem, der daran schuld. ist, daß die erste Ehe geschieden ist, verbieten wollte, eine andere einzugehn.

14) Man soll nicht schwören, ausgenommen zu Gottes Ehre und des Nächsten Nutzen, um zeitlicher Güter willen zu schwören, ziemet sich nicht.

15) Wer einen Eid von einem andern fordert, der muß nothwendig ein argwöhnisches, untreues, boshaftiges und leichtfertiges Gemüth haben, auch wenig Ehrfurcht vor Gottes Wort.

16) Das Gesetz Mosis fordert vom Menschen, was er nicht leisten kann.

17) Daß das Evangelium Christi nicht Geist sei, sondern Buchstabe, ist falsch.

Wer nur ein wenig im wahren Christenthume unterrichtet ist, wird sogleich erkennen, das gegen diese Behauptungen Seehofers, die fünfzehnte ausgenommen, die man ihm zu gut halten darf, nichts Gründliches aus der heiligen Schrift vorgebracht werden kann, sondern daß sie vielmehr ganz mit der Bibel übereinstimmen. Aus welchen Gründen die Universität zu Ingolstadt diese siebzehn Artikel für ketzerisch erklärt hat, kann man aus Luthers Schrift dagegen, die hier mit abgedruckt ist, zur Genüge erleben. Die Eidesformel, mit welcher Seehofer diese sogenannten Ketzereien abschwören mußte, war folgende:

Ich, Arsatius Seehofer von München, der freien Künste Meister, schwöre auf das heilige Evangelium, das ich in meinen Händen habe, und bekenne hier mit dieser Schrift, die ich mit meiner eigenen Sand geschrieben habe, und mit meinem eigenen Munde vor Euch, Rector und Räthen und der ganzen hohen Schule der löblichen Universität zu Ingolstadt, hiermit lese und ausspreche: wiewohl ich vor dieser Zeit mit der frevelhaften, falscher, irrigen, lutherischen Ketzerei in Verdacht und mannichfaltig befleckt gewesen bin, so daß ich sie auf manche Weise durch lehren, schreiben und vertheidigen ausgebreitet und nach meinen Kräften damit getäuscht habe; weshalb ich denn in der obengemeldeten, meines Herrn Rectors und der Räthe der Universität, Gefängniß gekommen bin, und eine Strafe (wie denn eine solche nach allgemeinen Rechten den Vertheidigern der Ketzereien aufgelegt werden soll) verschuldet hatte; so habe ich doch bei denselbigen aus besonderem Befehl und Verordnung der Durchlauchtigen, Hochgeborenen Fürsten und Herren, Herrn Wilhelm und Herrn Ludwig, Gebrüdern, Pfalzgrafen am Rhein u. s. w. die Gnade erlanget, daß solche ernstliche Strafe gegen mich ab- und eingestellt worden ist, unter der Bedingung, das ich’s jetzt soll demüthig erkennen und widerrufen. Hierauf so bekenne ich hiermit, daß Alles, das in meinen Vorlesungen durch mich aus den Schriften Philippi Melanchthons gelesen, auch sonst durch mich geredet und geschrieben, und jetzt hiervor durch den Notarius der Universität verlesen ist, eine rechte Erzketzerei und Büberey sei, daß ich auch denselben (Schriften Melanchthons) allen, wie von Päbstlicher Heiligkeit, Kaiserlicher Majestät und obengenannten meinen gnädigen Herrn verboten ist, nimmermehr anhangen oder sie gebrauchen, sondern, wie einem frommen Christen gebührt, alles dasjenige, was die heilige Römische, christliche Kirche, die heiligen Concilia geordnet und gesetzt haben, und was durch einen ehrbaren, geistlichen Brauch angenommen worden ist, halten wolle, und mich mit meinem eigenen Leibe in das Kloster Eetal((So schreibt M. Rieger den Ort; ich weiß nicht, wo er liegt.)) stellen, daraus ohne besondern Befehl unseres gnädigen Herrn nicht kommen, endlich auch kein lutherisches Buch lesen noch herausgeben wolle. Das helfe mir Gott, der Allmächtige, u. s. w.

Als M. Seehofer auf diese Weise seinen Herrn Christum verläugnet hatte, stürzten ihm, wie Argula erzählt, die Thränen in Strömen über die bleichen Wangen. Da trat ein Jurist zu ihm, und frug ihn, was er so weine? ob er noch ein Ketzer sei? Ich weiß nicht, kam die Frage aus Mitleid oder aus Verdacht; ob Arsatius geantwortet habe, wird uns nicht gemeldet, aber wohl, daß er bald darauf in ein Kloster zu hartem Gewahrsam abgeführt worden ist. Sein Gewissen ließ ihm aber keine Ruhe, und er suchte aus dem Kloster zu entkommen. Auf welche Weise ihm das gelungen sei, wissen wir nicht; es wird aber gemeldet, daß Arsatius Seehofer, nachdem er aus seinem Kloster geflohen war, sich nach Wittenberg zu D. Luther begeben, seinen Fall und seine Verläugnung Christi bekannt und Absolution darüber empfangen habe. Luther schickte ihn darauf nach Preußen zum Hochmeister des deutschen Ritterordens, Markgraf Albrecht von Brandenburg, wo er etwas anderthalb Jahr lang das Evangelium predigte. Weil er aber das dortige Klima nicht wohl vertragen konnte, ging er wieder nach Wittenberg. Im Jahre 1534 finden wir ihn zu Augsburg als Lehrer in der zweiten Klasse der, St. Annenschule daselbst. Als Herzog Ulrich von Württemberg sein Land wiedererobert hatte, ging Arsatius 1536 nach Stuttgart, wurde von D. Erhard Schnepf examiniert, und darauf zum Pfarrer und Prediger des göttlichen Wortes nach Leonberg berufen, wo er der Kirche gegen drei Jahre treulich und fleißig gedient hat. Von dieser Stadt Leonberg wurde er zur Stadtpfarrer Winnenden im Remsthale befördert, wo er zur Vertheidigung seiner Lehre gegen allerlei Lästerer und Feinde seine lateinische Postille oder Auslegung der sonntäglichen Evangelien im Jahre 1539 geschrieben hat. Dieser Postille sind einige Fragestücke, angehängt, welche er allen evangelischen Predigern zu gut über die vornehmsten Hauptstücke der christlichen Religion aufgelegt hatte; auch einige Sätze von der Messe, dem Fegfeuer und dem päbstlichen Ablaß. Dieses beides soll, nach M. Riegers Nachrichten darüber, eine ziemlich vollständige und ächt evangelische Unterweisung sein, welche wegen ihrer Gründlichkeit, Deutlichkeit und Erbaulichkeit, nicht wenig Nutzen gestiftet haben wird. Nachdem Seehofer zu Winnenden sechs Jahre lang das Evangelium gepredigt hatte, ist er an seinem Seitengeschwür in christlichem Bekenntniß selig entschlafen. In seiner vielfachen Bedrängniß hat er sich öfter an seine Aeltern gewandt und um Unterstützung gebeten, aber allezeit abschlägliche Antwort erhalten. Er hat dies mit christlichem Herzen ertragen, und sich getrost Gott dem Allmächtigen befohlen, auch seine Aeltern deswegen entschuldigt, als ob sie aus Furcht vor ihrem Landesfürsten solches hätten unterlassen müssen.- Ich habe diese Nachrichten über M. Seehofer hier deshalb mitgetheilt, damit man sieht, daß Argulas Hoffnung, die sie mehrmals über ihn ausgesprochen hat, in Erfüllung gegangen,

Wir kehren nun zum Jahre 1523 zurück. Kaum war dieser Gräuel zu Ingolstadt geschehen, so meldete es ein Bürger von Nürnberg an unsere Argula, schickte ihr die siebzehn Artikel, die Widerrufsformel des Arsatius und eine ausführliche Erzählung des ganzen Vorfalls zu, und schrieb dabei ziemlich spöttisch über die Universität und den Herzog von Baiern. Argula schrieb demselben zurück, und entschuldigte den Herzog, so gut sie konnte, indem sie darauf hinwies, daß der Herzog es ja gewesen, durch den Arsatius aus dem Gefängniß befreit worden sei, und daß er gewiß über den Arsatius falsch berichtet worden sein müsse, sonst würde er nicht in dieses grausame und gottlose Verfahren der Universität gewilligt haben, dazu sei sein Gemüth zu christlich. Sie war aber über diese Mißhandlung des achtzehnjährigen Kindes, wie sie sich ausdrückt, so empört, daß sie gleich willens war, der Universität zu schreiben, und ihr ihr Unrecht auseinanderzusetzen. Indessen ließ sie sich durch den Spruch des Apostels Paulus, daß die Weiber in der Kirche schweigen sollen, davon abhalten, obwohl es ihr, nach ihrem eigenen Geständnisse, schwer ward und viel Kummer machte. Sie hoffte täglich, es würden Männer auftreten, und diese Unbill öffentlich rügen, die dem armen Arsatius öffentlich angethan war. Es geschah aber nicht. Länger als acht Tage konnte nun Argula auch nicht warten, und so schrieb sie denn am Sonntage nach der Erhöhung des heiligen Kreuzes, den 15. September 1523, ihre gewaltige Strafepistel an die Universität zu Ingolstadt. In derselben erbot sie sich, nach Ingolstadt zu kommen, und mit den Professoren über die heilige Schrift zu disputieren, wenn dieselben den Muth und Willen dazu hätten, und zwar in Gegenwart der drei Fürsten von Baiern und des ganzen Volks; so gewiß war sie ihrer Sache. Sie hoffte zwar, die Herrn Professoren würden so klug sein und die Sache geheim halten da es aber wohl möglich war, daß man sie beim Herzog Wilhelm verleumden würde, so schrieb sie noch denselben Sonntag Abend ihren vortrefflichen Entschuldigungs- und Ermahn-Brief an den Herzog, und übersandte ihm eine Abschrift ihres Fehdebriefes an die Universität. – Herr D. Eck hielt es für zu schimpflich, mit einem Weibe zu disputieren, und schickte ihr Rocken und Spindel, damit sie dabei in der Spinnstube mit ihresgleichen Wäscherinnen plaudern möchte, so lange sie wollte; und die Sache wurde theils durch die Universität, theils durch den Hof bald überall bekannt. Man machte ein lustiges Histörchen daraus, spottete und lästerte über die edle Argula, was nur aus dem Munde wollte, und ehe ein Monat vergangen war, war sie das Liedlein aller Leute (Ezech. 33, 32.). So gering aber die Universität die Sache zu nehmen schien, so bitter war ihnen doch die Arznei, die ihnen von Frau Argula eingeschenkt war, eingegangen, und sie dachten in ihren Herzen nur darauf, wie sie die heldenmüthige Zeugin Christi bald von dieser Welt schaffen könnten; das war ihre beste Art, Recht zu behalten, und ihre Sache zu vertheidigen. Argula erfuhr das, und schrieb daher Sonntagabends, den 27. October 1523, an den Rath der Stadt Ingolstadt, übersandte demselben auch eine Abschrift ihrer Epistel an die Universität und bat, dieselbe zu lesen, damit sie in der Sache wohl unterrichtet würden und sich nicht verführen ließen.

Argula’s Verwandte hatten auch eben keinen Gefallen an ihrem Schritte, und ihr Zorn ging so weit, daß sie drohten, sie würden sie einmauern lassen, wenn ihr Gemahl nicht dazu thäte. Deshalb schrieb sie an ihren Vetter Adam von Thering und übersendete demselben auch eine Abschrift ihres Briefs an die Universität. Es half ihr aber alles nichts. Die Gnade des Herzog Wilhelm verwandelte sich in Ungnade, er vergaß seine Versprechungen, die er der Waise gethan hatte, und der großen Verdienste des Stauffenschen Hauses, und verwies unsere Argula, die noch dazu gerade zu der Zeit Wittwe geworden zu sein scheint, aus dem Lande, entließ auch ihren Sohn aus seinem Dienste und hinderte es nicht, daß sich die Pfaffen in Würzburg eines Gutes bemächtigten, das ihrem Gemahl gehört hatte. „Meine Kindlein wird der HErr schon versorgen,“ (schrieb sie dazumal) und sie speisen mit den Vöglein unter dem Himmel, auch bekleiden, wie die Blümlein des Feldes! Er hat’s gesagt! Er kann nicht lügen!“ Ihr Glaube hat sie auch nicht betrogen! Er hat’s gesagt! Wir haben aus dem Jahre 1523 noch zwei Briefe von ihr, einen an den Churfürst Friedrich den Weisen zu Sachsen, und einen an Johannes, Pfalzgrafen am Rhein, beide vom Zinstag (oder Dienstag?) nach Andreä, das wäre vom 3. Dezember ohne Angabe des Ortes datirt.

Im Jahre 1524 erschien das Karmen, welches ein Ingolstädter Student, Johannes, gebürtig aus Landshut, gegen Argula fabrizirt hatte, und woraus man sieht, daß die Feinde der Wahrheit in ihrer Art zu streiten sich zu jeder Zeit gleich bleiben. Auf die Sprüche der Schrift und die Hauptsachen wird nicht geantwortet, sondern es werden einige Kleinigkeiten aufgestochen, hauptsächlich aber der Argula eine schlechte Gesinnung angedichtet, und das mit solcher Frechheit, daß der Verfasser es für gut gehalten hat, seine werthe Person hinter den Schirm der Anonymität zu verstecken. Argula vertheidigte sich wieder in Versen, und antwortete (nach Sprüchw. 26, 5.) dem Narren nach seiner Narrheit.

Sie hat außer den hier wiederabgedruckten noch viel Briefe geschrieben, die uns aber leider nicht erhalten sind. Wir haben nur Nachrichten davon. Salig in seiner vollständigen Historia der Augsburgischen Confession erwähnt noch einer Schrift Argula’s von 1523, worin sie alle Stände und Obrigkeiten ermahnt, bei der Wahrheit und dem Werte Gottes zu bleiben; auch noch einer andern an den Pfalzgrafen Johann beim Rhein, als die hier abgedruckte. Luther schreibt schon 1522 an Paul Speratus nach Mähren (Ausgabe von Walch, Theil 21, Seite 702]: „Ich habe den Brief der Frau Argula von Stauffen erhalten, darinnen mir angenehm zu lesen gewesen ist, daß das Evangelium fruchtbar im Lande (Baiern] sei.“ Ferner 1524 an Georg Spalatinus [ebendaselbst, S. 885): „Ich schicke Euch, lieber Spalatin, den Brief der Argula, einer Jüngerin Christi, daß ihr sehet und euch freuet mit den Engeln über eine sündige Adamstochter, die bekehrt und eine Tochter Gottes geworden ist. Wenn ihr ihrer ansichtig werden könnt, so grüßet sie meinetwegen (d. i. von mir) und tröstet sie im Namen Christi. Denn ich suche auch zu ihr zu gelangen, und hätte schon geschrieben, wenn ich gewußt hätte, daß ich gewiß durch Euch an sie schreiben könnte“ Ferner an ebendenselben (S. 929): „Wenn ihr etwa unserer Argula antwortet, lieber Herr Spalatin, so schicket diesen meinen Brief zugleich an sie. Denn ihr könnt solches eher als ich.“ Man sieht hieraus, daß sie bald mit Luther in einen herzlichen Verkehr getreten war. Sie hatte ihn denn auch ermahnt, in den heil. Ehestand zu treten, worüber Luther an Spalatin 1524 schreibt (S. 931]: „Was mir die Argula wegen der Heirath schreibt, dafür danke ich, und es wundert mich nicht, daß man so von mir schwatzet, da man wohl mehr dergleichen redet. Ihr könnt ihr aber meinetwegen danken, und sagen, daß ich zwar in der Hand des HErrn sei, als seine Kreatur, deren Herz er ändern und wieder umkehren, tödten und lebendig machen kann alle Augenblick und Stunden. Bei dem Herzen aber, so ich bisher gehabt und noch habe, wird es wohl nicht geschehen, daß ich heirathe; nicht, das ich mein Fleisch und Geschlecht nicht fühlte, da ich weder Holz noch Stein bin, sondern weil ich noch keine Lust dazu merke, und täglich den Tod und die verdiente Strafe eines Ketzers erwarte; darum will ich auch dem HErrn kein Ziel noch Maaß seiner Wirkung in mir setzen, noch mich auf mein Herz verlassen. Ich hoffe aber, er werde mich nicht lange leben lassen.“ 1528 schreibt er wieder an Spalatin (S. 1136]: „Ich schicke die Briefe unserer Argula, daß Ihr sie leset statt der meinigen (denn ich habe nichts zu schreiben), und sehet, was das gute Weib ausstehen und leiden muß.“ Diese paar Worte Luthers sind alles, was wir aus dieser Zeit von Argula’s Lebensgeschichte wissen. Sie hat nachher auch Luthers persönliche Bekanntschaft gemacht, ist vielmals bei ihm gewesen, und namentlich hat sie ihn während des Reichstages zu Augsburg in Coburg öfter besucht, woselbst Luther, als einer, der sich noch in der Reichsacht befinde, vom Churfürsten von Sachsen vorsichtshalber zurückgelassen war. Luther gedenkt ihrer in einem Briefe an Melanchthon vom 2. Juni 1530, der so anfängt (Theil 16, S. 2826): „Gestern ist Hans Rennick von Mansfeld und Georg Römer, auch heute Argula von Stauffen bei mir gewesen. Ich aber, als ich sahe, daß der Anlauf an diesem Orte gar zu stark war, habe mir vorgenommen, nach dem Exempel Eures Stromers, entweder mich zu stellen, als wäre ich nicht zu Hause, oder auf einen Tag anderswohin zu reisen, damit die Rede gehe, ich hielte mich gar nicht mehr alhier auf.“ Spalatinus hat uns in seinem auf dem Reichstage zu Augsburg geführten Tagebuche noch ein Bruchstück eines Briefes von Argula aufbewahrt, indem er schreibt [Theil 21, S. 68): „Donnerstags nach Margarethae habe ich auch neben andern Schriften einen fast [sehr] christlichen Brief von der von Stauffen gehabt, die schreibt unter anderm also: Fürchtet euch nicht, die Sache ist Gottes, der sie in uns ohn‘ uns angefangen hat, der weiß und wird uns wohl beschützen; er schläft nicht, der da behütet Israel, die Sache ist sein; wird den Streit wohl stillen, und hinausführen u. s. w.“ Daselbst erzählt Spalatin auch von Herzog Wilhelm von Baiern [S. 57 ): „Man sagt nochmals (Spalatin hatte es schon einmal erzählt), auch etliche Baiern selbst, daß Herzog Wilhelm zu Baiern zu Doctor Ecken gesagt habe: Man hat mir viel anders von der lutherischen Lehre gesagt, denn (als) ich in ihrem Bekenntniß gehört habe. Ihr habt mich auch wohl vertröstet, daß ihre Lehre zu widerlegen sei! Da habe D. Eck gesprochen: Mit den [Kirchen-] Vätern getraute ich’s zu widerlegen, aber nicht mit der Schrift. Da habe sich Herzog Wilhelm von ihm gewandt.“ Ob aber Argula hiervon je einen Nutzen gehabt habe, ist unbekannt. Sie starb acht Jahr nach Luthers Tode im Jahre 1554.

In einem Briefe an Spalatin vom Jahr 1524 schreibt Luther folgendes [Theil 21, S. 898): „Ich schicke Euch hier die in ihrer und einer fremden Gestalt gemalte Argulam, ingleichen die tollen Possen Emsers u. s. w.“ Hieraus hat D. Zeltner geschlossen, Argula habe Luthern ihr Portrait zugeschickt, und er hat sich viele Mühe gegeben, aber vergebens, es irgendwo aufzufinden. Ich glaube indeß, daß sich Luthers Worte wenigstens ebensogut auf die beiden Gedichte deuten lassen, nehmlich das von Johannes von Landshut, welches die fremden Gestalt gemalte Argula oder die Argula, wie sie nicht ist, wäre, und das von Argula selbst verfaßte, wo sie sich in ihrer wahren Gestalt abgemalt hat. Beide sind vom Jahre 1524, und Luthers Worte haben so einen bessern Sinn, als wenn man sie von Portraits versteht, da es theils kaum glaublich ist, daß Argula Luthern ihr Bildniß zugeschickt habe, theils auch wunderlich wäre, wenn sie gleich zwei Exemplare übersendet hätte, und das endlich ein sonderbares Bildniß gewesen sein müßte, wo Argula in einer fremden Gestalt gemalt gewesen wäre.

Selbst nach ihrem Tode hat Argula vor den Papisten keine Ruhe gehabt. Der Jesuit Jacob Gretser schalt sie in seiner Vertheidigung Bellarmins „eine lutherische Medea oder Furie, ein Weib, das vom wiedertäuferischen Gifte angesteckt gewesen sei“. Der Jesuit Maimburg zielte auch auf sie, indem er in seiner Geschichte des Lutherthums schrieb: „Es war niemand in Deutschland, der nicht Luthers deutsche Bibelübersetzung hatte, oder doch dafür gelten wollte, als hätte er sie gelesen. Besonders Frauen hielten das für eine Ehre, und lasen sie beständig. Ja, einige Frauen von Stande waren auf das Lesen dieser lutherischen Bibel so erpicht, daß sie dasselbe so wie die lutherische Lehre nicht nur gegen andere Frauen, sondern auch gegen die katholische Geistlichkeit, Priester, Mönche und Doctoren zu vertheidigen sich unterstanden, mit solcher Anmaßung und solchem Hochmuth, daß sie jener als einfältiger und neidischer Menschen spotteten, und sich nicht scheuten ihnen vorzuwerfen, daß sie weder Hebräisch noch Griechisch und daher auch die Schrift nicht verständen, Luther allein habe den wahren Sinn getroffen.“

Es hat sich aber keine Frau zu beklagen, welcher von ihren Feinden ein solches Ehrendenkmal nach ihrem Tode gelegt wird. Von unserer Seite hat man ihr Gedächtnis ebenfalls immer in Ehren gehalten. Schon der alte Ulmische Theolog Ludwig Rabus setzte sie in sein Märtyrerbuch, weil sie, wie er sagt, nicht ohne Gefahr ihren Glauben öffentlich bekannt hat. Demselben verdanken wir auch die Erhaltung der Briefe, die wir noch von der Argula besitzen, Jacob Thomasius, Paschius und Johann Kaspar Ebert, welche von gelehrten Frauen geschrieben haben, rechnen auch unsere Argula mit darunter, und haben ihr Leben mitgetheilt. Seckendorf in seiner Geschichte des Lutherthums und Salig in seiner Geschichte der Augsburgischen Confession gedenken ihrer und ihrer Schriften mit großen Ehren. Im Jahre 1730 erneuerte ihr Andenken M. Johann David Schreber, Rector zu Schulpforta, in einem besondern lateinischen Programm: Ehrengedächtniß der Argula von Grumbach, einer berühmten Zeugin der Wahrheit. Im Jahre 1737 gab M. Georg Konrad Rieger ihr Leben und ihre Schriften wieder heraus, als einer Bairischen Debora, die seine Württembergische Tabea, d. h. das Leben der Jungfrau Beata Sturmin, begleiten sollte.

Die Worte des Rabus über sie mögen hier als ihr Grabstein stehen: „Sie widerlegte die Verfolger des Evangelii zu Ingolstadt mit unüberwindlichen Gründen der Schrift, mehr, als man glauben möchte, dergleichen man vormals vom weiblichen Geschlechte gar wenig, und bei unseren Zeiten gar nie gehört hat. Und was noch mehr ist, so erbot sie sich den Doctoren zu Ingolstadt, zum Verhör zu kommen, woraus man sehen kann, daß sie solches ihr Schreiben nicht durch Unterweisung anderer, sondern allein vom Geiste Gottes habe. Sie ließ sich auch durch die neuen Beispiele der grausamsten Strafen, die man wider einige Vertheidiger des göttlichen Wortes angewendet hatte, in diesem ihrem christlichen Werke nicht hindern. Daher mögen wir gegen solcher ihrer Ueberwindung der hochmüthigsten, größten Feinde Christi wohl sprechen aus Judith 9,12: „Das wird deines Namens, o Gott, Ehre sein, daß sie ein Weib darniedergelegt hat!“

Argula von Grumbach

In keinem Theile von Süddeutschland ist die Reformation des sechzehnten Jahrhunderts von der mit der Hierarchie verbündeten weltlichen Macht energischer bekämpft und unterdrückt worden, als in Bayern. Ueberzeugt, daß der Landesherr nicht allein berechtigt, sondern auch verpflichtet sei, die hergebrachte Religion aufrecht zu erhalten, und entschlossen, alle entgegengesetzten Regungen im Keime zu ersticken, hatten die von ihrer Universität Ingolstadt geleiteten herzoglichen Brüder, Wilhelm IV. und dessen Mitregent Ludwig, am Aschermittwoch des J. 1522 jenes erste Mandat gegen Luther und seine Anhänger erlassen, in welchem sie allen ihren Unterthanen unter Androhung schwerer Pönen geboten, bei dem Glauben ihrer Vorältern zu verharren. Von da ab begann jenes unerbittlich strenge Verfahren, dessen consequenter, vor keinem Mittel zurückscheuender Durchführung Herzog Wilhelm den Beinamen des „Standhaften“ verdankt. Viele mußten damals, nachdem sie abgeschworen, als Verbannte „über die vier Wälder“ wandern; wer zu widerrufen sich weigerte, war der Censur und nach Umständen dem Henker verfallen. Der fromme Leonhard Käser, der in Schärding den Holzstoß hat besteigen müssen, ist nicht das einzige Opfer des Fanatismus gewesen; in München allein wurden 29, in Landsberg 9 Menschen gleichzeitig hingerichtet, weil sie die Lehre Luthers verbreitet hatten.

In diese Zeit der Verfolgung ist das Leben der Wahrheitszeugin gefallen, welche hier geschildert werden soll.

Argula von Grumbach, geb. Freiin von Stauffen, erblickte das Licht der Welt um das J. 1492. Ihr Vater, Bernhardin von Stauffen, Freiherr zu Ehrenfels, war der Sohn eines von den sogenannten „drei großen bayerischen Hansen“ und gehörte zu den ritterlichsten Männern seiner Zeit; denn er hat in vielen Turnieren geglänzt und manchen „Dank“ davon getragen; ihre Mutter Katharina war eine geborne von Törring. Die Anfänge ihres Lebens trafen mit Ereignissen zusammen, welche fast den völligen Ruin des Hauses zur Folge gehabt hätten; denn in den ersten Tagen des Jahres 1492 sah Bernhardin als eines von den Häuptern des von dem Kaiser begünstigten, von Herzog Albrecht befehdeten „Löwenbundes“ seine Burgen zerstört, seinen Wohlstand untergraben. Darauf bezieht sich, was Argula später an einen ihrer Verwandten geschrieben hat: „Ihr wisset, daß mein Vater unter den Heeren von Bayern verdorben, und seine Kinder zu Bettlern worden sind.“ Je weniger glänzend aber in Folge dessen die äußeren Verhältnisse waren, unter welchen sie aufwuchs, desto früher war sie bereits in den Besitz eines Schatzes gekommen, welchen sie seiner Zeit nach Gebühr zu würdigen gelernt hat. Sie hatte eben das zehnte Lebensjahr erreicht, als ihr würdiger Vater ihr eine von jenen Bibelübersetzungen, deren es schon vor Luther gab, zum Geschenke machte und ihr „hoch befahl, dieselbe fleißig zu lesen.“ Daß sie ihm leider nicht gefolgt, weil die Geistlichen, besonders die Bettelmönche, ihr eingeredet, „sie verführe sich,“ fiel ihr in der Folge schwer auf’s Herz. Der Herr hat sie aber früh genug in seine Schule genommen, damit die Anfechtung sie auf’s Wort merken lehre; denn ehe sie noch völlig herangereift war, wurden ihr in Zeit von fünf Tagen beide Aeltern durch den Tod entrissen. Und noch war das Maß ihres Unglücks nicht voll. Der einzige Blutsverwandte, welcher sich der älternlosen Waisen mit Rath und That hätte annehmen können, war ihr mächtiger Oheim Hieronymus von Stauffen. Als nun aber dieser zur Besiegelung der zwischen den herzoglichen Brüdern geschlossenen Versöhnung 1516 auf dem Blutgerüste hatte sterben müssen, würde sie mit ihren sechs Geschwistern ganz verlassen da gestanden sein, hätte nicht, vielleicht durch eine Gewissensregung dazu angetrieben, Herzog Wilhelm Argula an den Hof gezogen und für ihr weiteres Fortkommen gesorgt. „Es ist mir noch unvergessen,“ schreibt sie später an ihn, „daß ich nach Absterben Vater und Mutter Euer Fürstl. Gnaden als oberstem Vormünder befohlen und in meinem Elend von Denselben getröstet wurde, mit diesen Worten: Ich sollte nicht also weinen, Sie wollten nicht allein mein Landesfürst, sondern auch mein Vater sein.“ – So blieb sie nun im Frauen-Zimmer der Herzogin Mutter und lernte bei ihr „Zucht und göttliche Furcht.“ Nie hat sie sich daran erinnern können, ohne mit dem Gefühle der innigsten Dankbarkeit hinzuzusetzen: „Gott sei ihre Belohnung, hie in der Zeit, und dort in Ewigkeit!“

Am herzoglichen Hofe war es auch, wo ihr späteres Lebensschicksal sich entschied. Angezogen durch ihre Schönheit und ihren Verstand, warb Friedrich von Grumbach, ein fränkischer Edelmann, welcher zugleich in Bayern begütert und herzoglicher Pfleger zu Altmannstein war, um ihre Hand und erhielt sie. Zwei Söhne und zwei Töchter waren die Frucht dieser Ehe; auch mit irdischen Gütern wäre die Familie reich gesegnet gewesen, hätte sie nicht mit der Zeit in Franken große Einbußen erlitten. Was Argula ihrem Gatten und seinem Hause war, darüber hat sie selbst sich einmal vernehmen lassen, als später ein Pasquillant sie beschuldigte, daß sie über ihrem Disputiren ihre Obliegenheiten als Gattin und Hausfrau vernachlässige. „Dieser Meister von hohen Sinnen,“ sagt sie, „will mich lehren haushalten und spinnen. Thu‘ doch täglich damit umgahn, daß ich nicht wohl vergessen kann.“ Was ihren Mann betreffe, so sei ihr Herz und Gemüth dazu geneigt, ihm gehorsamlich mit ganzer Freude zu dienen; sollte sie es nicht gethan haben, so wäre es ihr leid; sie glaube aber, es sei am Tag, daß er keine Klage über sie führe. „Hoff‘ , Gott werd‘ mich auch lehren wohl, wie ich mich gegen ihn halten soll.“

Während aber Argula im häuslichen Kreise als geschäftige Martha waltete, gab sie sich zugleich als eine den himmlischen Dingen zugewandte Maria mit allem Verlangen eines Wahrheit suchenden Gemüths dem Einen, was noth ist, hin. Luthers gewaltige Stimme war auch zu ihren Ohren gedrungen; das Leben an dem streng katholischen Hofe hatte ihre Sinne nicht verwirrt; sie griff jetzt wieder nach ihrer Bibel, verglich, was sie las, mit der aus seinen Schriften, diesen „Leitbächlein zum Worte Gottes,“ wie sie dieselben später genannt hat, geschöpften Lehre des Wittenberger Reformators, und bald war sie so fest von der Schriftmäßigkeit der letzteren überzeugt, daß sie das kühne Wort aussprechen konnte: „Und ob’s gleich dazu käme, daß Luther widerriefe, soll es mir nichts zu schaffen geben. Ich bau nicht auf seinen, meinen, oder irgend eines Menschen Verstand, sondern auf den wahren Felsen Christum selbst.“ Nachdem aber sie zur Erkenntniß der evangelischen Wahrheit gelangt war, fühlte sie sich in ihrem Gewissen gedrungen, dieselbe auch Andern mitzutheilen. Während ihr gleichgesinnter älterer Bruder Bernhardin seit dem J. 1520 zuerst auf seinem Gute Beratshausen einen von den Bewohnern der Umgegend fleißig besuchten evangelischen Gottesdienst eingerichtet hatte und späterhin auch in seinem Hause zu Regensburg einen eigenen lutherischen Prediger hielt, ließ Argula es sich nicht nehmen, in Dietfurt, wo ihr Mann jetzt Pfleger war, als Lehrerin aufzutreten, was in Bayern nicht geringes Aussehen erregte.

Ihr Bekenntnißtrieb sollte aber bald Gelegenheit finden, sich in noch weiteren Kreisen zu bethätigen. Am 7. Sept. 1523 stand ein junger Geselle, M. Arsatius Seehofer, eines Münchner Bürgers Sohn, des Lutherthums angeklagt, vor dem Ketzergerichte der Universität Ingolstadt. Von Wittenberg zurückgekehrt, wo er Luther und Melanchthon gehört, hatte er durch Collegien, welche er über die Episteln des h. Paulus las, das reine Wort Gottes zu verbreiten gesucht, war aber bald darauf verhaftet worden und so lange eingekerkert gewesen, bis des Herzogs Befehl ihn befreite. In der Zwischenzeit hatte die theologische Facultät „mit inbrünstigem, ernstlichem Fleiß“ aus den Papieren des Angeklagten 17 meist paulinische Sätze gezogen und dieselben als ketzerisch verdammt. Seehofer, noch zu jung und unreif, als daß er durch die drohenden Geberden der Inquisitoren nicht hätte eingeschüchtert werden sollen, ließ sich bei dem mit ihm angestellten Verhöre zum Widerruf drängen und sprach die ihm vorgeschriebenen Worte nach, daß Alles, was er geredet und geschrieben, „eine rechte Erzketzerei und Büberei“ sei; aber nachdem es geschehen war, stürzten ihm die Thränen aus den Augen, so daß schon damals ein Jurist meinte: es scheine, daß er doch noch ein Ketzer sei. Von einer Disputation oder Widerlegung war natürlich keine Rede gewesen. Im Kloster Ettal, wo er „Andern zum Ebenbild mit seinem Selbstleib“ sich stellen mußte, sollte nun die letzte Hand an das gewalttätige Werk seiner Bekehrung gelegt werden.

Die erste Kunde von diesem Vorgang erhielt Argula durch einen Bürger der Stadt Nürnberg, welcher bei diesem Anlaß sich zugleich ziemlich spöttisch über den Herzog von Bayern und seine Universität ausließ. Es ist ein Zeichen ihrer treuen Gesinnung, daß sie sich vor Allem ihres Landesfürsten annahm und, so weit es möglich war, denselben zu entschuldigen suchte. Er sei es ja gewesen, erwiederte sie, welcher den Gefangenen aus der Haft befreit habe, und wenn nicht treulose Rathgeber ihn irre geleitet hätten, so würde er bei seinem christlichen Gemüth gewiß nicht in das grausame und gottlose Verfahren der hohen Schule gewilligt haben. Was Seehofer betrifft, so hofft sie „daß noch viel Gutes aus diesem Jüngling kommen, und daß Gott, welcher nicht den Tod des Sünders will, sondern daß er sich bekehre und lebe, ihn noch ansehen werde mit den Augen seiner Barmherzigkeit, als Petrum, der den Herrn zu dreien Malen verläugnet:“ eine Ahnung, welche, beiläufig gesagt, in Erfüllung gegangen ist, als er glücklich aus dem Kloster entkam und, von Luther absolvirt, zuerst in Preußen das Evangelium predigte, zuletzt als Pfarrer zu Winnenden in Württemberg starb. Nichtsdestoweniger befand sich Argula in großer Unruhe; denn ihr Herz war entbrannt über die „verstockten und erblindeten Herzen“ derjenigen, durch welche „das achtzehnjährige Kind“ zur Verläugnung gezwungen worden war, und sie würde unverzüglich die Feder ergriffen haben, um öffentliche Rechenschaft von ihnen zu fordern, hätte nicht das apostolische Wort: „Eure Weiber lasset schweigen unter der Gemeine!“ sie davon abgehalten. Später warf sie wohl mit glücklichem Humor den Vers hin: „Ihr seid dermaßen von Gott geschlagen, daß euch nur müssen Weiber plagen;“ aber jetzt war sie über ihren inneren Beruf zu einem so ungewöhnlichen Schritte noch nicht in’s Klare gekommen. „Niedergedrückten Geistes und in Schwermuth“ brachte sie eine Woche hin; als sie aber auch jetzt noch keinen Mann sah, „der -reden wollte oder durfte,“ (denn Luthers vernichtende Schrift „wider das blind und toll Verdammniß der 17 Artikel, von der elenden, schändlichen Universität zu Ingolstadt ausgangen,“ erschien erst ein Jahr später,) faßte sie sich ein Herz und schrieb unter feierlicher Berufung auf die Sprüche heiliger Schrift, in welchen alle Gläubigen ohne Unterschied des Geschlechts vermahnt werden, Jesum Christum vor den Menschen zu bekennen, am 14. Sept. 1523 ihre berühmte Strafepistel an die hohe Schule zu Ingolstadt nieder. Dieses wie alle ihre Schriftstücke sind merkwürdige Zeugnisse der Bibelfestigkeit und eines fast männlichen Glaubensmuths. „Nie werdet ihr,“ redet sie die Gegner an, „bestehen mit eurer hohen Schul, daß ihr so thöricht und gewaltiglich handelt wider das Wort Gottes und mit Gewalt zwinget, das heilig Evangelium in der Hand zu halten, dasselbige dazu zu verläugnen, als ihr denn mit Arsatio Seehofer gethan habt, und ihm einen solchen Eid und Verschreibung fürgehalten, mit Gefängniß und Dräuung des Feuers dazu gezwungen, Christum und sein Wort zu verläugnen? Ja so ich’s also betrachte, so erzittert mein Herz und alle meine Glieder. Was lehret dich Luther und Melanchthon anders, denn das Wort Gottes? Ihr verdammet sie unüberwunden; hat euch das Christus gelehret, oder seine Apostel, Propheten, oder Evangelisten? Zeiget mir, wo es stehet? Ihr hohen Meister, ich finde es an keinem Ort der Bibel, daß Christus, noch seine Apostel oder Propheten gekerkert, gebrennet noch gemordet haben.“ In diesem Tone fährt sie fort. „Um eine Hand voll Gerste und Stück Brod erschlagen sie die Seelen, die da nicht sterben, und sagen lebendig die Seelen, die da nicht leben.“ Aber man solle nur ja nicht denken, als ob das Evangelium ihnen weichen werde. „Weder des Papstes Decretal, noch Aristoteles, der nie kein Christ worden ist, vermögen mit sammt euch nicht, Gott, seine Propheten und Apostel vom Himmel zu stoßen und aus der Welt zu treiben; es geschieht nicht. Bitt euch, meine liebe Herrn, ihn länger bleiben zu lassen.“ Nach solchen ironischen Wendungen immer wieder in den ernstesten Ton übergehend, redet sie die Widersacher an: „Ihr Heuchler! ihr habt zu nichte gemacht das Gebot Gottes von wegen eurer Aufsätze; es heißt aber vergeblich geehret, wenn man ihn verehret mit Menschengeboten!“ Sie klagt nicht ihre Landesherrn an, sondern deren blinde Leiter. „Mich erbarmen unsre Fürsten, daß ihr sie so jämmerlich verführet und betrüget.“ Sie zürnt über die große Untreue, daß man sie und ihre löbliche Universität zur Nachrede der ganzen Welt mache, daß sie niemand Getreues haben, welches sie der Wahrheit berichte, und daß ihre Pfenninge, so man täglich von ihnen abreißt, viel mehr denn sie geliebt werden: „ich bin Willens,“ setzt sie hinzu, „ihnen solches zu schreiben; denn sie vor andern Geschäften nicht über dem Lesen sitzen mögen, wiewohl ja das Wort Gottes das nöthigste wäre; aber sie verlassen sich auf euch als die Schriftweisen“ . .. Zuletzt fordert sie „durch das Urtheil und bei der Gerechtigkeit Gottes“ die Universität auf, ihr diejenigen Artikel Luthers oder Melanchthons, welche ketzerisch sein sollten, schriftlich anzuzeigen; Hieronymus habe sich auch nicht geschämt, an Frauen zu schreiben, ja unser Herr Christus selbst habe Mariä Magdalenä und dem Fräulein bei dem Brunnen gepredigt. Sie erbietet sich aber auch zugleich, persönlich, und zwar am liebsten in Gegenwart ihrer drei Fürsten und der ganzen Gemeinde, Rechenschaft von ihrem Glauben zu geben; denn sie schäme sich des Evangeliums von Christo nicht, fürchte sich auch nicht vor den hohen Meistern, wenn anders dieselben nicht gewaltiglich mit Gefängniß oder dem Feuer unterweisen wollten. „Ich kann zwar,“ bemerkt sie gelegentlich, „kein Latein, aber ihr könnt teutsch, in dieser Zung geboren und erzogen.“ Der prophetische Zuruf: „Kehrt wieder, kehret wieder zu dem Herrn; denn er ist gütig und barmherzig!“ bildet einen der letzten Gedanken des muthigen Schreibens.

Der Inhalt desselben war bald in die Oeffentlichkeit gedrungen. Weil man aber manchen ihrer Aeußerungen eine falsche Deutung unterlegte, so glaubte Argula, „nicht um sich zu verantworten, wohl aber um Aergerniß zu verhüten,“ auch dem Rathe von Ingolstadt eine Copie ihres Fehdebriefs mittheilen zu sollen. Begleitet war dieselbe von einem Schreiben, in welchem sie erklärte, daß sie als eine getaufte Christin, welche dem Teufel, so wie all‘ seinem Pomp und Gespenst, widersagt, und als eine von den Töchtern, von welchen Gott durch Joel vorher verkündigt, daß sie aus Antrieb des heil. Geistes weissagen würden, nur gethan habe, was sie nicht hätte unterlassen dürfen. Freilich seien darob Etliche so sehr erzürnt, daß sie nicht wüßten, wie sie es nur schickten, daß sie vom Leben zum Tod käme; aber sie furchte sich nicht vor tausend; denn sie sei in Gottes Händen, und wie gewaltsam auch ihre Fürsten handeln müßten, wollten sie anders vor dem Laufen ihrer Widersacher Ruhe haben: man würde ja, wenn sie die Gnade hätte, um des Namens Christi willen den Tod zu leiden, nicht einmal einen Gewinn davon haben, sondern nur bewirken, daß desto mehr Herzen erweckt, und tausend andre Weiber, welche belesener und geschickter seien, wider sie schreiben würden. Ihren Verfolgern, welche nicht wüßten, was sie thun, wolle Gott verzeihen und sie erleuchten; die Herren des Raths aber möchten sich wohl vorsehen, daß sie nicht sammt ihnen verderben!

Antwort erhielt Argula weder von dem Rath, noch von der Universität. Ob Dr. Eck sich für ihr unbequemes Schreiben durch Uebersendung eines Rockens mit Spindel an ihr zu rächen gesucht, muß als nicht beglaubigt dahingestellt bleiben. Ein kümmerliches, mit unwürdigen Schmähungen angefülltes Product in Knittelversen („ein Spruch von der Staufferin ihres Disputirens halber“), in welchem sie zum Spinnen, Haubenstricken und Bortenwirken aufgefordert wird, war das einzige unmittelbare Lebenszeichen der Gegner. Der Verfasser hatte nicht gewagt, sich zu nennen, sondern unter dem fingirten Namen Hr. Johann von Landshut geschrieben. Argula antwortete, den Rath Salomo’s befolgend, „dem Narren nach seiner Narrheit,“ und zwar in demselben Versmaß, worauf er verstummte.

Dem Herzog Wilhelm hatte sie schon bald nach ihrem ersten öffentlichen Auftreten ihr Herz ausgeschüttet und ihn „um Gottes willen“ gebeten, dem Evangelium freien Lauf zu lassen: so werde Glück und Heil über Land und Leute kommen; wo nicht, so werde Gott es nicht ungerochen lassen. Gestützt auf den Grundsatz, „daß nicht den weltlichen Herren das Wort Gottes unterworfen sein soll, sondern sie demselben getreuen und gewissen Wort Gottes,“ ruft sie mit unerschrockenem Freimuth aus: „O ihr Fürsten, wollte Gott, daß eure Augen aufgethan würden!“ Sie giebt dem Herzog die feierliche Versicherung, daß sie schon aus Dankbarkeit für die empfangene Gutthat ihm als ihrem Bruder in Christo die Wahrheit nicht habe vorenthalten dürfen und bittet ihn, zu Herzen zu nehmen, daß Gott fürwahr die Seelen seiner. Unterthanen aus seiner Hand fordern werde. – Vor Gott demüthig wie ein Kind und auf das tiefste davon durchdrungen, „daß sie aus sich selbst nichts Gutes zu thun vermöge, denn sündigen,“ hat sie in dem Bewußtsein, daß sie die Sache Christi zu vertreten gewürdigt sei, selbst einem Mächtigen der Erde gegenüber sich zu dem kühnsten Vertrauen erhoben.

Argula’s Lage fing jetzt an bedenklich zu werden. Der mächtige Kanzler von Eck stellte dem Herzog vor, daß im Interesse der obrigkeitlichen Autorität das Religionsmandat, obgleich sie ein Weib sei, auch auf sie angewendet werden müsse, und letzterer, um so entrüsteter über „das ungeschickte Schreiben der Grumbacherin,“ da sie einst seine Schutzbefohlene gewesen, suchte sofort seinen Bruder Ludwig dahin zu bestimmen, daß er ihren Mann vorfordre, ihn befrage, warum er solches seinem Weibe gestatte? und denselben „von Stund an seines Amtes entsetze, ihre Bestrafung aber vorbehalte.“ An ihrem Manne hatte Argula keine Stütze. Er ließ sie zwar nicht einmauern, wie man ihm freundschaftlich gerathen haben soll; aber „er that,“ wie sie einmal ihrem Vetter Adam von Törring klagte, „leider sehr viel dazu, daß er Christum in ihr verfolgte.“ Letzterer, pfalzneuburgischer Statthalter, war „als eingesippter Freund“ sehr ungehalten darüber, daß sie sich so vieler Schmach aussetze; sie dankt ihm für seine Theilnahme, giebt ihm aber zugleich die beruhigende Versicherung, daß sie bereit sei, um ihres Bekenntnisses willen Alles über sich ergehen zu lassen. „Und ob es gleich dazu käme, daß ich darob müßte zu Grunde gehen: hätte ich die Gnade, wie ein Edel-Kleinod müßte meine Seele Gott dem Herrn sein!“ Auch ihre Kinder machen ihr, obwohl nunmehr „die Pfaffen zu Würzburg“ ihres jungen Herrn Gut auch verzehrt haben, keine Unruhe. „Meine Kindlein wird der Herr schon versorgen und die speisen mit den Vögeln in der Luft, auch die bekleiden mit den Blümlein des Feldes; er hat’s gesagt, er kann nicht lügen.“ Schließlich giebt sie ihrem „herzlieben Vetter“ noch zu erkennen, was sie von ihm erwarte. Für sie möge er Gott ernstlich bitten, daß er ihr den Glauben mehre; er selbst aber solle doch ja nicht unterlassen, vor seinem Ende die Bibel, oder wenigstens die vier Evangelisten noch hinauszulesen: er habe lange genug den Fürsten berathschlagt, er solle nun anfangen, seine unsterbliche Seele zu berathen: dadurch werde er zugleich in seinem Regiment viel Nutzen schaffen. Daß diese außergewöhnliche Frau auch die allgemeinen Angelegenheiten nicht aus den Augen ließ, beweisen u. A. die zwei vertrauensvollen Schreiben, welche sie im J. 1523 an den Kurfürsten Friedrich und den Pfalzgrafen Johannes gerichtet hat. Wie sie anderswo gesagt, es sei zu wünschen, daß der Reichstag nicht vergeblich seinen Namen habe, sondern uns reich mache an Seele und Leib, so sieht sie nun zu beiden Reichsfürsten mit der gewissen Zuversicht auf, daß sie fröhlich und ohne Zittern vor alle gewaltigen Angesichter treten werden. Ein öffentliches Sendschreiben andrer Art hat sie ein Jahr später „an die von Regensburg“ ergehen lassen, weil „aus Anrichtung des Satans“ diese Reichsstadt allein unter allen übrigen den Lauf des heil. Evangelii verhinderte. Die meisten Briefe aber hat sie wohl mit den Wittenbergern gewechselt. Mit dem Manne, von welchem sie einmal sagt: „er hat mich durch Gottes Wort wiedergeboren,“ mit Luther, „dem getreuen Arbeiter des Evangelii,“ welchem sie für seine gerechte Bibelverdeutschung und Alles, was Gott durch ihn gewirkt, Gottes Lohn in Zeit und Ewigkeit wünscht, war sie schon seit 1522 in brieflichen Verkehr getreten. Damals hatte sie ihm fröhlichen Herzens melden können, „daß das Evangelium fruchtbar im Lande sei;“ später holte sie sich Trost bei ihm. Luther nennt sie „die Jüngerin Christi, Argula,“ und fordert Spalatin auf, sich mit den Engeln über sie zu freuen als über eine fündige Tochter Adams, welche eine Tochter Gottes geworden sei, sie selbst aber, wenn er sie erreichen könne, von seinetwegen zu grüßen und in Christi Namen zu trösten. Daß sie sehr bekannt mit ihm gewesen sein muß, darf man auch aus dem Umstand schließen, daß sie als eine abgesagte Feindin der „Teufelslehre“ vom Cölibat (1. Tim. 4, 1 ff.) ihn zu einer Zeit, wo er selbst noch nicht daran dachte, aufforderte, in den heiligen Ehestand zu treten. Persönlich scheint sie ihn kennen gelernt zu haben, als sie während des Augsburger Reichstags ihn in Coburg besuchte. Schon zwei Jahre früher hatte Luther an Spalatin geschrieben: „Aus dem beiliegenden Briefe unsrer Argula wirst Du ersehen, was das gottselige Weib zu ertragen und zu erdulden hat,“ jetzt hatten ihre Anfechtungen den höchsten Grad erreicht. Von allen Seiten angefeindet, vom Klerus verunglimpft und von der weltlichen Gewalt mit Argusaugen überwacht, bedurfte sie mehr als je des Trostes der Gemeinschaft; aber sie stand, von Gleichgesinnten verlassen, wie in einer Wüste da. „Daß ich doch,“ hört man sie einmal ausrufen, „Einen erführe, der sich annehme die Bibel zu lesen, auch sich gewißlich erkundigte, was der Befehl Gottes wäre!“ Von, allen Seiten her vernimmt sie nichts, als die gemeine Rede: „ich glaub‘ , was meine Aeltern geglaubt haben;“ darin stimmten die Fürsten und der meiste Adel überein: darum seien auch alle Stände so voll von Buben und Bübinnen. Ohne Zweifel gebe es zwar auch viele „heimliche Jünger des Herrn;“ aber diesen unmännlichen Männern sei ein Schloß vor den Mund gelegt; „Gott schicke ihnen einen herzhaftigen Geist!“ Die inneren Zustände des Landes mißfielen ihr auf das äußerste; dennoch blieb ihr Muth ungebrochen. Was sie während des Augsburger Reichstags an Spalatin geschrieben: „Fürchtet euch nicht, die Sache ist Gottes, der sie in uns ohne uns angefangen hat, der weiß und wird uns wohl beschützen; er schläft nicht, der da behütet Israel, die Sache ist sein; er wird den Streit wohl stillen und hinausführen,“ das stand ihr auch unter den mißlichsten Umständen fest. Weil sie nun aber eben deshalb sich weder durch Warnungen noch durch Drohungen abhalten ließ, die Lehre Luthers zu bekennen und zu verbreiten, so wurde sie endlich (man weiß nicht, in welchem Jahre) des Landes verwiesen und ihr Sohn Hans Georg aus dem herzoglichen Dienste entlassen. Daß es so kommen würde, hatte sie längst vorhergesehen. „Wir müssen ja“, sprach sie schon vor Jahren, „Alles verlassen, Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Kinder, Gut, Leib, Leben.“ Von ihren letzten Schicksalen ist nichts bekannt, als daß sie sich nach Franken gewendet und, nachdem sie noch den Passauer Vertrag und den Regierungsantritt des milderen Albrecht erlebt, auf evangelischem Grund und Boden ihren unruhvollen Erdenlauf beschlossen hat. Ihr Mann war ihr, man sagt, um 1530, bereits vorangegangen; sie selbst starb 1554 in Zeilitzheim unweit Schweinfurt, wo sie auch begraben liegt. Der Jesuit Gretser hat sie noch nach ihrem seligen Hingang „eine lutherische Medea oder Furie“ genannt; wir segnen ihr Andenken als das einer auserwählten Frau und guten Streiterin Christi.

Ch. H. Sixt in Nürnberg, später in Anspach

Die Zeugen der Wahrheit
Dritter Band
Piper, Ferdinand (Herausgeber)
Verlag von Bernhard Tauchnitz
Leipzig 1874