Dreihundert Jahre waren verflossen seit die Franken das Evangelium angenommen hatten. Seitdem hatten sich auch die übrigen deutschen Stämme dem Kreuze unterworfen bis auf einen, das waren die mächtigen Sachsen, die wohnten zwischen dem Rhein und der Elbe und nach Süden hin tief in das Land hinein. Sie waren Heiden in Glauben und Sitte, und wie in alten Zeiten ihre Väter gelebt und gethan hatten, so lebten und thaten auch sie noch, und wollten nimmer lassen von ihrer angestammten Weise. Darum haßten sie alles was ihnen von andern Völkern kam, und so verwarfen sie mit dem Bösen auch das Gute und wurden Feinde des Christenthums, das sie doch nicht kannten. Viele von ihnen hausten noch in Schluchten und Thälern und bei den dunkeln Bächen, die tief im Walde rinnen, wo das Wild seine Lagerstätte hat. Auch ihr Sinn war wild und zügellos, und dort im Waldesdunkel, an verborgenen Orten, hatten sie ihre Altäre und Opferstätten, denn sie meinten, es hätten die Götter vornehmlich in hoben und rauschenden Bäumen ihren Sitz. Vor Allem aber achteten sie einen großen Baum heilig an dem war ein Götterbild befestigt, dieser Baum hieß Irmensäule und lag bei dem festen Orte Eresburg an der Diemel. Auch wähnten sie im Gesange der Vögel und im Wiehern ihrer Pferde die Stimmen der Götter zu vernehmen. Das gemeinsame Wohl aber beriethen sie in großen Versammlungen des Volkes, und wenn ein Krieg ausbrach, wählten sie einen obersten Führer aus den Mächtigen des Landes.
Bei dem Stamme der Westfalen war einer der angesehensten Widukind, der ragte hervor durch Adel seines Geschlechts und Reichthum an Land und Knechten. Seine Stimme galt bei Allen, denn er war klug im Rathe, tapfer und besonnen in der Schlacht, seinem Volke und seinen Göttern eifrig ergeben, und oft hatte er die Sachsen im Krieg geführt. Da nun Kaiser Karl zur Herrschaft kam, wollte er auch die Sachsen für das Christenthum gewinnen, und auf dem Heereszuge in ihr Land begleiteten ihn Bischöfe und Aebte, die sollten versuchen, ob die Sachsen auf ihre Predigt hören würden. Und Karl stürzte die heilige Irmensäule in den Staub und kam bis zur Weser. Die Sachsen aber vertheidigten sich tapfer, und Widukind kämpfte unermüdlich an ihrer Spitze. Kehrten aber die Franken in ihr Land zurück, dann stand er hinter ihnen auf mit allem Volke und verfolgte sie. So schwankte der Krieg manches Jahr hin und wieder, bis der Kaiser abermals im Sachsenlande erschien. Da ließen sich viele taufen und unterwarfen sich. Widukind aber entfloh über die Elbe zu den Dänen, die auch Feinde des Kaisers waren, und wartete ab, bis dieser heimgezogen sei. Darauf kam er wieder in das Land, und rief das Volk zum Kampfe auf für seine alten Götter, da fielen alle vom Christenthum ab, das Heer des Kaisers wurde geschlagen, die Sachsen drangen bis zum Rhein, verwüsteten die Felder, verbrannten die Kirchen und erschlugen die Priester. Auch im Lande der Friesen machte Widukind einen großen Aufstand und die Altäre der Götzen wurden wieder aufgerichtet. Da kam ein großer Schrecken über die Franken, und der Kaiser wurde zornig und kam mit einem größeren Heere, und drohte dieses hartnäckige Volk auszurotten, weil es immer von Neuem auf Abfall sinne. Widukind aber entwich von Neuem zu den Normannen, und der Kaiser hielt ein blutiges Strafgericht über die Sachsen.
Nun erkannte der Kaiser, daß nimmer das Christenthum Eingang finden würde im Lande, bevor er nicht Widukind‘s eisernes Herz bezwungen habe, und er beschloß ihn durch Milde zu gewinnen. Also sandte er Boten aus und ließ ihm sagen, er solle nicht länger wider den Stachel löken, sondern das Evangelium annehmen, er möge nicht selbst sein Volk in’s Verderben führen, der Kaiser wolle ihn halten und ehren, wie es einem tapfern Manne gezieme. Widukind überdachte aber, wie er dem Kaiser in so viel Schlachten Schaden gethan habe an Land und Leuten, und er meinte, er könne ihm nimmer vergeben; aber er bedachte auch, wie viele der Seinen schon gefallen waren, wie die Götzenbilder gestürzt wurden, und die Welt rings umher eine andere geworden war; da erkannte er, daß er es nicht vermöge wider den Stachel zu löken. Als nun der Kaiser einen andern Boten sandte, und ihm gelobte, daß er nimmer an Rache denke, und daß Widukind seinem kaiserlichen Worte vertrauen möge, da glaubte er ihm und verließ das Sachsenland, und mit ihm ein anderer Führer Namens Abbio. Der Kaiser aber beschied sie nach der Stadt Attigny im Frankenreiche. Da trat Widukind vor den Kaiser, und beide tapfere Männer sahen sich von Angesicht zu Angesicht, und verziehen einander Alles was sie sich Böses gethan hatten, und Widukind empfing die Taufe in der Kirche zu Attigny im J. 785.
Also hatten die Sachsen ihren besten Führer verloren, und ihre Kraft war seitdem gebrochen. Widukind aber führte die Waffen nicht mehr wider die Franken, sondern lebte nach Christenweise, und wurde der Stammvater eines mächtigen Geschlechts, das zu allen Zeiten festhielt am Christenthum und eifrig bemüht war, es unter seinem Volke auszubreiten.
R Köpke in Berlin.