Theodor von Beza

Theodor Beza

Wie neben der heroischen Gestalt Luthers sich die ehrwürdige Gestalt eines Melanchthon erhebt, wie neben Zwingli ein Oekolampad und gleich nach ihm ein Bullinger auftraten in der Reformationsgeschichte der deutschen Schweiz, so tritt dem Reformator Genfs, dem erlauchten Johann Calvin zur Seite sein Schüler und Freund, ein Amts- und Kampfgenosse, der muthige Fortsetzer seines Werkes Theodor Beza. Er ist nicht, wie Luther und Zwingli, aus der ärmlichen Hütte des Berg- oder Landmanns, nicht wie Melanchthon aus der Werkstätte eines Waffenschmiedes oder wie Oekolampad aus dem Kramladen eines ehrbaren Bürgers hervorgegangen. Er gehörte zu denen, welche die Welt als Hochgeborene auszeichnet, wenn sie auch gleich im Himmel nicht höher angeschrieben sind als die, welche der Herr aus dem Staube zu der Höhe emporhebt, auf die er sie gestellt haben will. Sein Vater war ein Adlicher, Peter de Béze und residierte als königlicher Landvoigt (bailli) auf dem Schlosse Bézelay, in einer wild romantischen Gegend des ehemaligen Herzogthums Burgund gelegen. Seine Mutter, Marie Bourdelot, war ein Muster von Frömmigkeit, Demuth und Milde gegen die Armen und Leidenden, denen sie nicht nur mit Gaben der Liebe, sondern auch mit thätiger Hülfsleistung beistand, wobei ihr die ärztlichen Kenntnisse zu gut kamen, die sie sich erworben hatte. Theodor, geboren am Tage Johannis des Täufers (24. Juni) 1519 war das 7te Kind der glücklichen mit zahlreicher Familie gesegneten Eheleute. Als er noch nicht volle drei Jahre alt war, erbat sich seines Vaters Bruder, der Parlamentsrath Nicolaus de Béze, von den Eltern die Erlaubniß, das überaus zarte Kind mit nach Paris zu nehmen, um es dort erziehen zu lassen. Nur mit schwerem Herzen ging die Mutter in diesen Vorschlag ein. Sie begleitete den Liebling ihres Herzens noch selbst an den neuen Ort seiner Bestimmung und trennte sich von ihm, ohne ihn je wieder zu sehen, denn bald darauf starb sie im 32. Lebensjahre. Der Oheim vertrat nun Vater- und Mutterstelle an dem Kleinen, und so fehlte es ihm auch nicht an den Sorgen, welche den Eltern aus all‘ den Gefahren erwachsen, denen das Kindesalter ausgesetzt ist. Bei aller Vorsicht konnte er es nicht verhüten, daß Theodor von einem seiner Diener mit einem lebensgefährlichen Hautausschlag angesteckt wurde. Er mußte sich den schmerzhaftesten Operationen eines Wundarztes unterwerfen. Täglich wurde der Knabe mit einem jungen Vetter, der an demselben Uebel litt, durch den Diener in das Haus des Arztes geleitet, der im Louvre wohnte. Der Weg dahin führte über die damalige Müllerbrücke (pont aux meuniers). Da wandelte eines Tages den Vetter die Versuchung an, um den Qualen der Operation zu entgehen, sich über die Brücke in die Seine zu stürzen, und dazu machte er auch Theodor Muth. Schon wollten die beiden Knaben, die der Diener aus den Augen gelassen hatte, das Wagestück ausführen, als sie noch zur rechten Zeit vom Oheim bemerkt und an der schauderhaften That verhindert wurden. Das Uebel gab sich wieder, und nun sollte die geistige Ausbildung der Knaben nicht länger versäumt werden. Durch einen Freund aus Orleans, der den Parlamentsrath Beza in Paris besuchte, erfuhr dieser, daß sich in Orleans ein Lehrmeister von besonderer Geschicklichkeit befinde, ein Deutscher, Namens Wolmar. Diesem entschloß er sich, seinen Neffen zur weiteren Erziehung zu übergeben, und so reiste der junge Theodor mit dem Gastfreunde nach Orleans ab, um zugleich ein Haus- und Studiengenosse des Sohnes eines Wohlthäters zu werden. Schon damals scheinen die Franzosen vor der deutschen Gründlichkeit Respect gehabt zu haben, und dieser Respect war in gegenwärtigem Falle gewiß nicht ungegründet: der Schwabe Wolmar war ein Mann von ernster Gesinnung und einem reichen Wissen. Der junge Beza, der den 5. Dezember 1528 in Orleans anlangte, fand in dem Hause seines Lehrers die herzlichste Aufnahme. Er pflegte in der Folge den Eintritt in dieses Haus als einen zweiten Geburtstag zu feiern. Bald sollte er seinem Lehrer an einen neuen Aufenthaltsort nachfolgen. Die Schwester Königs Franz I., Margarethe von Angouléme, vermählte Herzogin von Alencon und Berry, hatte an Wolmar einen Ruf ergehen lassen, die alten Sprachen auf ihrer Akademie in Bourges zu lehren; Wolmar nahm den Ruf an und sein Schüler ging mit ihm. Nun aber gehörte Bourges zu den Städten, in welchen die neu aufgehende Sonne evangelischer Erkenntniß bereits ihre Strahlen auszusenden begonnen hatte. Viele, die um ihres Glaubens willen aus der Hauptstadt waren verbannt worden, fanden hier Zuflucht. Wie konnte es fehlen, daß nicht auch das junge Gemüth Beza’s von jenen Strahlen berührt wurde, da sich in Wolmars Hause so viele hochbegabte Männer und Jünglinge versammelten, welche der neuen Lehre zugethan waren, unter ihnen auch der junge Calvin, auf den Wolmar bekanntlich einen entscheidenden Einfluß übte. Aber nicht lange dauerte dieses schöne Verhältniß. Auch in Bourges waren die Freunde der Reformation nicht mehr sicher. Wolmar sah sich genöthigt, im Jahr 1535 Frankreich zu verlassen und sich wieder nach Deutschland zurückzuziehen. Gerne wäre ihm der dankbare Schüler dahin gefolgt, allein der alte Herr und Landvoigt von Vécelay, der dem Glauben einer Väter anhing, war froh, daß das Verhältniß seines Sohnes mit Wolmar und den übrigen unruhigen Geistern sich löste, und Beza mußte wieder nach Orleans zurück, um dort das Studium der Rechte, zu dem er sich entschieden hatte, zu absolvieren und sich auf eine praktische Laufbahn vorzubereiten. Die Art, wie damals die Rechtswissenschaft betrieben wurde, war nun freilich wenig geeignet, dem geistreichen und klassisch gebildeten jungen Manne Luft für dieselbe einzuflößen; größeres Wohlgefallen fand er an den römischen Dichtern, deren Süßigkeiten er in Wolmars Schule gekostet, an Ovid, Catull, Tibull. Bald versuchte auch er sich in Gedichten, die er an seine erste Geliebte, Marie de l’Etoile (Stella), die Tochter eines seiner juristischen Professoren in Orleans richtete; allein diese ward ihm bald durch den Tod entrissen, und Beza, nachdem er am 11. August 1539 den Grad eines Licentiaten der Rechte erlangt hatte, verließ Orleans und wandte sich Paris zu. Sein früherer Gönner und Versorger, der Oheim Nicolaus, war längst gestorben; aber dessen Bruder, Claudius, Abt von Froimont, nahm sich gleichfalls des Neffen an. Dort lebte auch ein ältester Bruder, ein Geistlicher, im Besitz einer Pfründe, und mit diesem wohnte er zusammen. Beza blieb bei seinen hervorstechenden Talenten nicht lange unbemerkt. Er bewegte sich mit Leichtigkeit in den Kreisen der damaligen Literaten und Schöngeister, und auch jetzt verschaffte ihm seine Muse viele Gunst und manchen Genuß. Aber es war der Genuß weltlicher Freude, welche den vollendeten Weltmann ergötzte. Später sah Beza nur mit Bedauern auf diese Zeit zurück. Um den Versuchungen zu entgehen, in die er durch einen leichtfertigen Umgang mit dem weiblichen Geschlechte verstrickt wurde, entschloß er sich, zu heirathen. Er verlobte sich mit einem jungen Mädchen aus dem Bürgerstande, die kein Vermögen besaß, und erklärte vor zwei Zeugen, daß er sich auch öffentlich zu dieser Verbindung bekennen werde, sobald es eine Verhältnisse gestatten würden. Die Verlobte hieß Claude Desnoz. Dieses Verhältniß hat ihm später bei den Gegnern viel üble Nachrede erweckt, gegen die er sich mit der edelsten Freimüthigkeit vertheidigte. In diese Zeit (1548) fällt auch die Herausgabe einer poetischen Jugendversuche in lateinischer Sprache (Juvenilia), wobei er sich Virgil und Ovid als Vorbilder setzte. Schon des letztern Name läßt errathen, daß manches mit unterlief, das mehr der antiken (heidnischen) als der christlichen Lebensanschauung entnommen war. Beza hat es selbst später gestanden, daß er nur mit Erröthen an den Mißbrauch der edeln Dichtergabe zurückdenke, den er sich habe zu Schulden kommen lassen. Solche freimüthigen Bekenntnisse (wie ja auch Zwingli seiner Zeit ein ähnliches abgelegt hat) geben uns einen richtigern Maßstab zur sittlichen Beurtheilung unserer Reformatoren, als die Uebertreibungen und Verläumdungen böswilliger Gegner auf der einen oder die Beschönigungen unberufener Advocaten auf der andern Seite. Nicht als vollendete Heilige, sondern als durch Gottes Gnade Geheiligte und in einem Dienste mehr und mehr in der Heiligung Fortgeschrittene führt sie die unbestechliche Geschichte uns vor. Uebrigens waren jene Gedichte mehr in einem allzufreien und losen, als in einem schmutzigen, unzüchtigen Tone gehalten; wie würde sonst der ernste Wolmar, dem er sie vorlegte und widmete, ihn zur Herausgabe derselben ermuntert haben? Bald aber sollte der hochbegabte Jüngling aus den poetischen Liebeständeleien herausgerissen und ernstern Studien entgegen geführt werden. Gott nahm ihn selbst in die Schule, indem er ihn in eine schwere Krankheit fallen ließ. „Der Herr, so sagt er uns selbst, griff mich durch diese Heimsuchung dergestalt an, daß ich an meinem Aufkommen verzweifelte. Was sollte ich Unglücklicher thun, dem nichts als Gottesfurchtbares Gericht vor Augen schwebte? Was geschah? Nach unendlichen Qualen des Leibes und der Seele erbarmte sich doch der Herr seines flüchtigen Knechtes und tröstete mich, so daß ich nicht mehr an einer verzeihenden Gnade verzweifelte. Unter tausend Thränen verabscheue ich mich selber, flehe ihn um Verzeihung an, erneuere das Gelübde, mich offen zu einer wahren Kirche und Verehrung zu bekennen; kurz, ich gebe mich ihm ganz und gar hin. So geschah es, daß das mir in allem Ernte vorgehaltene Bild des Todes das in mir schlummernde und nie begrabene Verlangen nach dem wahren Leben erweckte und daß jene Krankheit der Anfang meiner Genesung und wahren Gesundheit wurde. So wunderbar ist die Wirkung des Herrn bei den Seinen, daß er durch dasselbe Mittel niederschlägt, verwundet und heilt. Sobald ich also das Lager verlassen konnte, brach ich alle Bande, welche mich bisher gefesselt hielten, packte meine geringe Habe zusammen und verließ Vaterland, Eltern, Freunde, um Christo nachzufolgen.“ Und wohin hätte sich Beza besser wenden können, als nach der Stadt, wohin so viele um des Evangeliums willen Verfolgte ihre Zuflucht genommen hatten und wo gerade Calvin in der vollsten Blüthe seines Wirkens stand, nach Genf? Dorthin zog er mit seiner Verlobten. Nachdem er von Calvin freudig war aufgenommen worden, war sein erster Schritt der in die Kirche, um sich feierlich und öffentlich trauen zu lassen. Nun aber fragte sichs: wovon leben? Das Project, mit dem gleichfalls nach Genf geflüchteten Crespin eine Buchdruckerei zu errichten, wurde ihm von Calvin als unsicher mißrathen. Das Beste schien ihm, einstweilen einen Freund Wolmar in Deutschland aufzusuchen und sich mit ihm über sein künftiges Leben zu besprechen. Er machte sich also auf nach Tübingen und wurde von einem ehemaligen Lehrer mit offenen Armen empfangen. Dieser ermunterte ihn nach Genf zurückzukehren und ruhig abzuwarten, welchen Weg ihm Gott zeigen würde. Und siehe, er brauchte nicht lange zu warten. Noch ehe er Genf wieder erreichte, schon auf der Heimreise dahin, in Lausanne bot sich ihm an der dortigen Akademie ein Lehrfeld an. Lausanne stand damals, wie das ganze Waadtland unter der Herrschaft Berns. In kirchlicher Beziehung galten dort die Artikel der Berner Disputation von 1528. Auf diese Artikel hatte. Jeder der ein kirchliches oder ein Schulamt bekleidete, sich eidlich zu verpflichten. Beza leistete den Eid den 9. November 1549 und trat nun die ihm übertragene Professur (es war die der griechischen Sprache) mit Dank gegen Gott und mit Vertrauen auf eine weitere Führung an. Von der Gewissenhaftigkeit des Mannes ist auch das ein schönes Zeugniß, daß er die Lehrstelle nicht früher antreten wolle, als bis er die Versicherung erhalten hätte, daß das Aergerniß, das er früher durch seine poetischen Jugendversuche möge gegeben haben, gehoben sei. Erst nachdem seine Collegen ihn darüber beruhigt, als über eine Sache, die unter dem Papstthum geschehen und nun mit diesem beseitigt sei, gab er sich zufrieden. Ja, er suchte den Schaden dadurch gut zu machen, daß er nun die Dichtergabe, die ihm Gott verliehen, nicht etwa zum Schweigen verdammte, sondern sie vielmehr zur Ehre Gottes verwandte. Und wie konnte er das besser als durch die Uebersetzung der Davidischen Palmen zum Besten der Gemeinde? In dieser Arbeit war ihm Clément Marot aus Cahors vorangegangen; allein nur 50 ausgewählte Psalmen waren von ihm bearbeitet und von dem berühmten Goudimel in Musik gesetzt worden. Beza vollendete nun das angefangene Werk, so daß der ganze Psalter 1552 der Gemeinde zu gottesdienstlichem Gebrauch übergeben werden konnte. Aber auch die der Welt zugekehrte dramatische Poesie sollte unter seinen Händen eine edle Richtung gewinnen. Die alten geistlichen Schauspiele des Mittelalters waren längst ausgeartet. Dagegen wurden in den Schulen zur Uebung im Vortrag biblische Geschichten zur Aufführung gebracht. Beza bearbeitete, und zwar in sehr gelungener Weise, das „Opfer Abrahams“ als Schuldrama. Es wurde in einem der Säle der ehemaligen Officialität aufgeführt und hatte sich eines großen Beifalls zu erfreuen. Auf die heitern Tage des Spieles folgten bald die ernsten trüben Tage göttlicher Heimsuchung. Von Bündten her war (1551) die Pest nach Lausanne gekommen und auch Beza wurde von ihr befallen. Sein Leben schwebte in Gefahr. Viret, der Reformator Lausannes, theilte darüber in einem Briefe seine Besorgnisse an Calvin mit. Die Gebete aller Freunde vereinigten sich um Erhaltung dieses wichtigen Werkzeuges zur Verbreitung der evangelischen Wahrheit, und die Gebete wurden erhört. Beza genas und widmete seine Kräfte aufs Neue der Wissenschaft und der Kirche. Es würde uns zu weit führen, wollten wir eine zehnjährige Wirksamkeit in Lausanne in all‘ ihre Einzelheiten verfolgen. Wir fassen das Hauptsächlichste zusammen. Neben einen akademischen Vorlesungen hielt er zu Belehrung und Erbauung der Gemeinde Bibelstunden, in welchen er zuerst den Brief an die Römer und dann die beiden Briefe Petri in französischer Sprache praktisch erklärte. Dabei führte er einen ausgedehnten Briefwechsel mit Bullinger, Calvin u. A. Er verfolgte den Gang der Reformation nicht nur mit dem Auge des Zuschauers, sondern griff sowohl durch schriftstellerische, als durch persönliche Thätigkeit in denselben ein. Einen tiefen Eindruck machte auf ihn das Schicksal jener fünf Lausanner Studenten, einer Schüler, die in Lyon den Zeugentod starben. Er gab seinem Schmerz Ausdruck in einer Elegie. Auch in die Lehrstreitigkeiten, wie in die über die Gnadenwahl, wurde er verwickelt, indem er sich in diesem Stücke strenge zu Calvins Lehre hielt und die Gegner derselben, wie einen Hieronymus Bolsec bekämpfte. Ja, selbst dann unterließ er nicht, für Calvin Partei zu nehmen, als ein lauter Schrei des Unwillens gegen die im Jahr 1553 an Servet vollzogene Hinrichtung sich erhob. Beza verfaßte eine Schrift, in welcher er das Recht der Obrigkeit nachwies, Ketzer am Leben zu strafen. Beza betrachtete wie Calvin die religiöse Irrlehre als ein Verbrechen gegen die Gesellschaft, das, indem es die christlichen Grundlagen untergrabe, noch weit strafbarer sei, als Mord, Ehebruch und Diebstahl. Er bedachte aber nicht genug, daß religiöse Ueberzeugungen nicht mit Gewalt unterdrückt werden können; doch stand er mit dieser Ansicht nicht allein. Es war dies damals die Ansicht der Mehrheit, und zwar nicht der unerleuchteten Masse, sondern viele auch der einsichtsvollsten Staatsmänner und Theologen bekannten sich zu ihr. Erst dem christlichen Geiste der spätern Zeit ist es gelungen, hierüber richtigere Grundsätze zu verbreiten. Mitten in die öffentlichen Kämpfe hinein fiel auch noch für den viel geprüften Mann der Kampf mit denen, die ihm leiblich am nächsten standen, mit seinem Vater und dem ältesten Bruder. Wir haben schon erwähnt, daß der alte Herr von Anfang an die Verbindung seines Sohnes mit den Männern des neuen evangelischen Glaubens nur ungerne sah. Und wie tief hatte sich dieser unterdessen in die dem Vater verhaßte Neuerung hinein gelassen! Sollte es jetzt noch möglich sein, ihn zur Rückkehr in den Schooß der alten, der „allein selig machenden“ Kirche zu bewegen? Es schien dies doch wohl eines Versuches werth. Eines Tages erschien daher der älteste Sohn, Jean de Béze, ein Kaufmann, um den jüngeren Bruder zu einem ehrenvollen Rücktritt zu bewegen: allein er mußte sich bald überzeugen, daß alle seine Beredsamkeit dem beredtern Bruder gegenüber umsonst sei; ja, fast wäre er von diesem beredet worden, die Kirche Roms zu verlassen und dem lautern Evangelium sich zuzuwenden. Als der Bruder nichts ausgerichtet, da blieb für Beza noch das Schwerte übrig, die Begegnung mit dem greisen Vater. Diese fand in einem Grenzorte zwischen der Schweiz und der Franche-Comté statt. Aber auch sie führte zu keinem Ziele. Beide trennten sich von einander mit schwerem Herzen; eine Verständigung war bei den so ganz verschiedenen Standpunkten unmöglich. Einen willkommenen Auftrag erhielt Beza gemeinschaftlich mit seinem Freunde Farel, im Jahre 1556, die evangelischen Kantone der Eidgenossenschaft zu bereisen, um diese zu einem nachdrücklichen Schritte zu Gunsten der von Frankreich aus verfolgten Waldenser zu stimmen. Sie sollten nämlich Abgeordnete nach Paris schicken, um den dortigen Hof, der jene Verfolgungen angeordnet hatte, günstiger zu stimmen. Auch die deutschen Fürsten und Städte sollten bewogen werden ihre kräftige Fürsprache einzulegen. Leider wurde die Ausführung dieses schönen Gedankens nicht wenig erschwert durch die Spannung, die noch immer zwischen den Schweizern und den Deutschen wegen der Abendmahlslehre herrschte. Diese mußte erst gehoben werden, und auch dazu wirkte Beza mit. Aber ein Friedenswerk ward von beiden Seiten mißdeutet und dadurch vereitelt. Erfolglos blieben auch seine Bemühungen als er zu Gunsten der Glaubensbrüder in Frankreich, über welche neue Verfolgungen ausgebrochen waren, eine Reise nach Deutschland, bis Marburg, machte, um die deutschen Fürsten zu gewinnen. Wohl ging eine Gesandtschaft nach Paris, kehrte aber unverrichteter Sache nach Hause zurück mit der Nachricht, daß sogar während ihrer Anwesenheit neue Schlachtopfer auf die brennenden Scheiterhaufen geführt wurden. Zu diesen betrübenden Erfahrungen kamen noch die innern Zerwürfnisse in der Waadtländischen Geistlichkeit, indem die Einen in Sachen der Kirchenverfassung und Kirchenzucht sich unbedingt den Anordnungen der Berner Regierung fügten, während die Andern die kirchliche Unabhängigkeit im calvinischen Sinne zu behaupten suchten. Vergebens suchte Beza zu vermitteln. Er verließ Lausanne und siedelte Anfang September 1558 nach Genf über. Dorthin kam er zur rechten Stunde: denn eben hatte der Magistrat auf Calvins Anregung in Genf eine hohe Schule eingerichtet, an welcher Beza zu lehren berufen ward. Ja, er sollte nicht nur Vorlesungen halten, in denen er die heilige Schrift erklärte, sondern die Leitung der neuen Anstalt ward in seine Hände gelegt. Dazu ward ihm erst noch ein Pfarramt übertragen. Die Eröffnung der Schule geschah am 5. Juni 1559: in der Hauptkirche zu St. Peter hielt Beza, nachdem die Feierlichkeit durch Calvin mit Gebet und einer kurzen Ansprache war eröffnet worden, die akademische Festrede über Ursprung, Würde, Nothwendigkeit und Nutzen der Schule. Was er da über den Vortheil der Bildung Treffliches sagte, verdient noch heut zu Tage beherzigt zu werden. Von diesem Tage an ward die Genfer Akademie die Bildungsschule für das ganze reformierte Frankreich. Von allen Seiten strömten ihr Schüler zu. Schon bald nach der Stiftung zählte die unterste der sieben Klassen ihrer allein Dreihundert. Bei seiner vielfachen Beschäftigung in Kirche und Schule ließ indessen Beza die Schicksale der Reformation im Großen nicht aus den Augen. Abermals nahmen die Verfolgungen in Frankreich eine Fürsorge in Anspruch. Abermals machte er sich (im November 1559) nach Deutschland auf, um dem frommen Churfürsten Friedrich III. zu Heidelberg die hochwichtige Sache ans Herz zu legen. Der Churfürst ließ sich auch in der That herbei, ein von Beza verfaßtes Bittgesuch in seinem eignen Namen an des Königs Majestät nach Paris zu senden, aber trotz der freundlichsten Zusicherungen, welche der König der Gesandtschaft gab, wurden die Opfer zum Tode geführt, unter ihnen der berühmte Parlamentsrath Anna du Bourg (s. Nr. 327). Auch das undankbare Vermittelungswerk zwischen den Lutheranern und Calvinisten, in Absicht auf die Lehre vom heiligen Abendmahl, wollte er nicht aufgeben. Aber bald mußte er sich überzeugen, daß bei der obwaltenden leidenschaftlichen Stimmung der Parteien jede Friedenspredigt in den Wind geredet sei. Die grobe Weise, womit der Hamburger Theologe Joachim Westphal die calvinische Lehre angriff, reizte ihn zum Widerspruch und noch mehr schienen die Schmähungen eines Tileman Heßhus eine derbe Abfertigung zu fordern. Wer kann es Beza verdenken, wenn auch er die Mäßigung vergaß und sich zu Ausdrücken hinreißen ließ, die nicht geeignet waren, in einer so ernsten und heiligen, Sache eine Verständigung anzubahnen? Wie wahr und treffend hatte er doch selbst in einer Schrift gegen Westphal sich ausgesprochen, wenn er schrieb: „Es sind der Zänkereien, Schmähungen Beschuldigungen und Vertheidigungen schon mehr als genug. Reue und Betrübniß muß es erwecken, daß der Fortgang des Evangeliums durch dieses traurige Gezänke schon so viele Jahre hindurch gehindert worden ist. Bis hieher und nicht weiter mit dem Wettstreit im Hasse, der ein Sold unserer Sünde ist. Warum sollen wir nicht auch einen Wettstreit beginnen in der Liebe?“ Aber zu einem solchen schien einmal die Zeit nicht angethan, und wer darf jene Zeit verdammen im Blick auf die unsrige? Steht es denn jetzt besser? Mit richtigem Scharfblick hatte übrigens Beza es vermerkt, daß die Bekenner des Evangeliums durch solche Zänkereien dem gemeinschaftlichen Gegner den größten Triumph bereiten. Um so mehr war es an der Zeit, abgesehen von allen jenen Streitigkeiten, ein offenes und klares Bekenntniß des eigenen Glaubens abzulegen. Und dieß that nun Beza, indem er eine kleine Schrift, die er ursprünglich französisch aufgesetzt hatte, um sich mit seinem Vater auseinander zu setzen, nun weiter ausarbeitete und zum Behufe der Gelehrten in lateinischer Sprache herausgab. (1560). Die Schrift (das Bekenntniß des christlichen Glaubens) war von ungeheurer Wirkung; sie wurde auch ins Italienische übersetzt und galt noch hundert Jahre nach ihrem Erscheinen als ein Hauptbuch der calvinistischen Kirche, über das im Jahre der Aufhebung des Edictes von Nantes, der Erzbischof von Paris das Verdammungsurtheil aussprach. Nun kam aber auch für Beza die Zeit, wo er nicht durch das geschriebene, sondern durch das lebendige Wort vor den Obrigkeiten dieser Welt öffentliches Zeugniß ablegen sollte über den Glauben, um des willen noch immer eine Brüder in Frankreich Verfolgung litten. Dort hatte bereits nach dem Tode König Heinrichs II. jene dem Protestantismus feindselige Partei der Guisen sich aufgethan, gegen welche die politische Macht der Bourbons unter Anton von Navarra sich erhob. Dieser hatte die „Hugenotten“, wie man jetzt allgemein die Protestanten in Frankreich nannte, auf seiner Seite, einen Condé, den edeln Coligni und andere Edelleute mehr. Er selbst war indessen nur mit halbem Herzen dem Protestantismus zugethan und nur nach längerem Bedenken entschloß er sich, einen der anerkanntesten Lehrer der hugenottischen Partei anzuhören und dann erst auf eine gründliche Erwägung der Sache einzugehn. Niemand schien aber einer solchen Aufgabe, den Schwankenden durch überzeugende Gründe für die Sache des Evangeliums zu gewinnen, gewachsener als eben Beza, der auch das Vorurtheil der adelichen Herkunft für sich hatte. König Anton wandte sich deshalb schriftlich an Calvin und dieser ermunterte Beza, dem Rufe zu folgen. In Nérac, der alten Hauptstadt des Herzogthums Albret (in der Gascogne) waren die hugenottischen Edelleute um Anton von Navarra versammelt. Auch die Königin Johanna von Albret (Mutter des nachmaligen Heinrichs IV) war gegenwärtig. Dahin sollte Beza sich verfügen. Nach zwölfjähriger Verbannung hatte er zum erstenmal wieder den Boden Frankreichs betreten, und nach einer gefahrvollen Reise, auf welcher er sich mehr als einmal von bewaffneten Reitern mußte begleiten lassen, langte er in Nérac an. Er bestieg die Kanzel, zu der sich Adel und Kriegsvolk und Leute aus allen Ständen hinzudrängten. Wohl ward Anton von des gewaltigen Mannes Worten ergriffen; aber die mit ihm gepflogenen Unterhandlungen führten zu keinem Ziel. Auch die Königin schien anfänglich gegen Beza’s Predigt verschlossen, aber bald that ihr Gott das Herz auf und sie wurde die „zweite Debora“ des streitenden Israel. Nach dreimonatlicher Abwesenheit kehrte Beza nach Genf zurück, das er voll von französischen Flüchtlingen fand, für deren Unterkommen er und Calvin zu sorgen hatten. Auch die Pest hatte sich wieder eingestellt und mehrere der Freunde und Genossen dahin gerafft. Zudem erfuhr Beza mit Schmerzen den Tod eines alten Lehrers und Freundes Wolmar. Bald aber forderte die Gestaltung der Dinge in Frankreich noch einmal eine Gegenwart. Wie anderwärts, so sollte auch hier ein Religionsgespräch den Ausschlag geben. Dieses Gespräch wurde durch einen offenen Majestätsbrief vom 25. Juli 1561 nach der Abtei Poissy, unweit Paris, ausgeschrieben. Hier sollte. Jeder erscheinen, „der in Sachen der Religion etwas zur Sprache zu bringen hätte, weß Standes er auch sei“, und zwar geschah die Einladung unter feierlicher Zusage eines sichern. Geleites. Die Evangelischen Frankreichs glaubten keinen bessern Sprecher auf das Religionsgespräch enden zu können, als Beza. An ihn ward also von Seiten Condés und Colignis, sowie der ganzen Gemeinde der Evangelischen zu Paris durch den Edelmann Claudius von Pradella eine Einladung nach Genf geschickt, und nach einigen weitern Verhandlungen, die seiner Sicherheit wegen nothwendig geworden waren, entschloß er sich dieser Einladung zu folgen. Den 22. August 1561 langte er in Paris an. Er wurde dem Hofe in St. Germain vorgestellt, hielt auch am folgenden Sonntag auf den Wunsch der Versammlung einen Gottesdienst vor einem auserwählten Kreise. Auch in einem vornehmen Kreise beim König von Navarra hatte er Gelegenheit sich Angesichts der Königin Mutter, Katharina von Medicis, gegen den Cardinal von Lothringen auszusprechen und schon hier einige üble Nachreden zu beseitigen, die in Betreff der Abendmahlslehre gegen ihn waren erhoben worden, als habe er z. B. gesagt, Christus sei gerade so im Brot wie im Koth (Christum esse in coena sicut in coeno). Erst am 9. September wurde das Colloquium in dem langen, hochgewölbten Saale der Abtei Poissy unter allerlei Ceremonien eröffnet. Es war eine glänzende Versammlung. Unter einem Thronhimmel saß der König Karl IX., noch ein Knabe, umgeben von den Herren und Damen des königlichen Hauses. Die Königin Mutter und die Großen des Reichs, wie die höchsten Würdenträger der Kirche, Cardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe, die Doctoren der Sorbonne als Vertreter der Universität, waren in ihrem reichen Schmucke anwesend. Als nun, recht sehr dagegen abstehend, die vierunddreißig Prediger und Aeltesten als die Abgeordneten der reformierten Kirche Frankreichs in ihrer bescheidenen Kleidung mitten in die glänzende Versammlung traten, entschlüpfte einem hochmüthigen Cardinal das bittere Wort: „da kommen die Genfer Hunde.“ Aber Beza blieb dem Mann im Purpur die Antwort nicht schuldig: „Treue Hunde, sprach er, thun noch in der Schafheerde des Herrn, um die reißenden Wölfe anzubellen.“ Nachdem sodann der würdige Kanzler l‘Hopital die Verhandlungen durch eine Anrede eröffnet, ergriff Beza das Wort und wandte sich an den König mit der Erklärung, daß es vor allen Dingen sich zieme, mit der Anrufung des heiligsten aller Namen zu beginnen. Dann fiel er auf seine Kniee und sprach also: „Herr Gott, ewiger, allmächtiger Vater, wir erkennen und bekennen vor deiner heiligen Majestät, daß wir arme Sünder sind, empfangen und geboren in Sünden, geneigt zu allem Bösen, untüchtig zu einigem Guten, daß wir ohne Unterlaß deine heiligen Gebote übertreten und dadurch nach deinem gerechten Urtheil Verderben und Tod uns zuziehen. Aber, o Herr, wir tragen Reu‘ und Leid, daß wir dich beleidiget haben, wir verdammen uns und unsere Uebertretungen mit wahrer Reue und seufzen darnach, daß deine Gnade zu Hülfe komme unterm Elend“ (Diese Worte bilden bekanntlich die sogenannte „offene Schuld“, womit die französische Kirche noch heute und mit ihr auch deutsche reformierte Kirchen den Gottesdienst beginnen). Dann fuhr er fort: „Da es dir heute gefallen, die unnützen Knechte so hoch zu begnadigen, daß sie die Wahrheit deines heiligen Wortes, so du ihnen geoffenbart, in Gegenwart des Königs, den du über die geordnet hat, vor dieser so erlauchten Versammlung frei bekennen dürfen, so bitten wir dich, o du Gott und Vater alles Lichts, du wollest nach deiner unaussprechlichen Güte und Barmherzigkeit unsern Verstand also erleuchten, unsere Herzen und Gedanken also regieren und in alle Wahrheit leiten, ja unsere Worte alle dahin richten, daß wir die nach Maßgabe deines Wohlgefallens von uns erkannten und den Menschen zu ihrer Seligkeit geoffenbarten Geheimnisse nicht allein mit dem Munde, sondern auch von ganzem Herzen rein und lauter bekennen und vorbringen mögen zu deines heiligen Namens Ruhm und Ehre, zur Wohlfahrt und zum seligen Gedeihen unters Königs und seines ganzen Hauses, zum Troste und zur Beruhigung ganzer gemeiner Christenheit und insonderheit dieses theuren Königreichs. Herr Gott, allmächtiger Vater, wir bitten dich um dieses alles im Namen und von wegen deines lieben Sohnes Jesu Christi unters Herrn und Heilandes. Amen.“ Und nun erst, nachdem er noch das Unser Vater gesprochen, hielt er eine wohldurchdachte Rede an den König, in der er ihm die Sachlage auseinander setzte und eine kurze Darstellung des evangelischen Glaubens gab, wie die Protestanten ihn bekennen. Freimüthig setzte er auch die Ansicht der Reformierten vom Abendmahl auseinander. Er wies die Beschuldigung von sich, als machten sie aus dem Mahl des Herrn ein bloßes Gedächtnißmahl, er betonte aufs Feierlichste, daß es auch ihnen sei ein Mahl der Gemeinschaft des wahren Leibes Christi, nur bestritt er die räumliche Gegenwart dieses Leibes im Brote und zwar sowohl die Verwandlungslehre der Katholiken als auch die Ubiquitätslehre der Lutheraner. Räumlich gefaßt, meinte er, seien Leib und Blut Christi eben so weit vom Brot und Wein entfernt, als der oberste Himmel (darin Christus thront) entfernt sei von der Erde. Damit berührte er nun freilich den wundeten Fleck. Während man ihm bis dahin ruhig zugehört hatte, brach nun ein Sturm wider ihn los: blasphemavit, blasphemavit! (er hat gelästert) tönte es von allen Seiten. Der Cardinal von Tournon ersuchte unter anderm den König und die Königin dem verwegenen Redner das Wort zu entziehen und drohte mit seinen Prälaten den Saal zu verlassen; allein er wurde vom König zur Ordnung gewiesen. Wir können dem Gange des Gespräches, das auch an weitern Tagen und auch in kleinern Conferenzen fortgesetzt wurde, nicht in eine Einzelheiten folgen. Das Ergebniß war nicht das erwünschte. Die Verhandlung wurde abgebrochen. Beza blieb indessen, und zwar auf den ausdrücklichen Wunsch der Königin Katharina noch längere Zeit in Frankreich, wo er, so oft sich Gelegenheit fand, die Gemüther durch die Macht einer Predigt stärkte. Er war Zeuge der blutigen Kämpfe, zu denen der unvermeidlich gewordene Religionskrieg führte. In der Schlacht von Dreux war er als Feldprediger zugegen. Seinem Einfluß war es vorzüglich zu verdanken, daß in dem Heere der Hugenotten eine Mannszucht aufrecht erhalten wurde, die auch dem Feinde Achtung einflößte. Im Mai 1563 kehrte er wieder nach Genf zurück. Seine Anwesenheit war um so nöthiger, als Calvin seinem Ende entgegenging, das auch bald erfolgte. Wer war geeigneter an seine Stelle zu treten, als er? Und doch wehrte ihm seine Bescheidenheit, sich als lebenslänglichen Nachfolger Calvins zu betrachten; sondern alljährlich sollte (so wurde auf einen Antrag beschlossen) ein Leiter (Modérateur) der kirchlichen Angelegenheiten von der Genfer Geistlichkeit (Vénérable compagnie) gewählt und nach Ablauf des Jahres eine strenge Censur über denselben geübt werden. Der Abtretende war indessen wieder wählbar, und so groß war das Vertrauen in Beza’s Persönlichkeit, daß die Wahl bis zum Jahre 1580, wo schuldige Rücksichten auf das Alter eintraten, jedesmal wieder auf ihn fiel, obgleich gegen ihn die Censur der Brüder mit aller Strenge geübt wurde. Welche Last dadurch auf eine Schultern gelegt wurde, läßt sich denken. Aber Gott gab ihm Kraft, sie zu tragen bis in ein Alter. Und zu den vielen täglich sich häufenden Geschäften kamen auch jetzt noch schwere Zeitereignisse, die ihn und sein Amt näher berührten. Aber nicht auf Genfs Kirche allein beschränkte sich eine Sorge, sondern er war und blieb nun selbstverständlich der Patriarch der Reformierten Frankreichs. So führte er, um nur einiges von dem Vielen zu nennen, den Vorsitz auf der Synode zu Rochelle im April 1571. Er hatte sich hiezu von einer Regierung Urlaub erbeten. Die Schreckensnachricht von der Bluthochzeit (August 1572) kam ihm zwar nicht unerwartet; (er hatte kurz zuvor Heinrich von Navarra in einem ernsten Briefe vor der Verbindung mit einer katholischen Prinzessin gewarnt); aber dennoch wirkte sie auch auf ihn wie auf Alle, erschütternd. Er erkannte darin ein Gericht Gottes. Auf einen Antrag wurde im September ein außerordentlicher Buß- und Bettag angeordnet. Er hielt eine Predigt, in der er die Gemüther aufrichtete. Viele der nach Genf Geflüchteten nahmen an der Feier Theil. Für diese, die in immer größern Schaaren anlangten, zu sorgen, war sein und seiner Amtsgenossen unausgesetztes Bemühen. Sie gingen mit ihrem Beispiel voran, als es sich um eine Collecte handelte und machten ihre Häuser zu Herbergen der flüchtigen Brüder. Besonders tief aber ging dem glaubenstreuen Manne zu Herzen der Uebertritt Heinrichs IV. zur Kirche Roms. Man hat längere Zeit geglaubt, Beza habe dazu still geschwiegen nach dem Grundsatz der Welt, daß man das Unabänderliche doch nicht ändern könne; allein seit etwa zehn Jahren sind wir im Besitz eines in Genf entdeckten Briefes vom Jahre 1593, worin Beza dem König mit allem Nachdruck ins Gewissen redet, ihn ermahnt, doch nicht auf das was ihm Ehre bringe, sondern allein auf Gottes Ehre zu schauen und sein Vertrauen auf den zu setzen, der ihn noch aus größern Verlegenheiten gezogen habe, als aus der gegenwärtigen, und der ihn auch jetzt festhalten werde mit einem gewaltigen Arm. Er erinnerte ihn an eines seiner eigenen Worte, das er einmal gesprochen: „Wenn Gott will, daß ich König werde, so wird es geschehen, wie man mich auch daran hindern möge; will. Er es nicht, so will ich es auch nicht.“ Das sei ein Wort, eines christlichen Königswürdig! Dabei stellte er ihm Davids Beispiel vor Augen, dem er nicht nur nachahmen, den er übertreffen möge, indem er seinen Tugenden nachfolge, seine Fehler vermeide. Die Warnung kam freilich zu spät, und so mußte nun allerdings Beza zu geschehenen Dingen – nicht das Beste reden, aber mit dem Bewußtsein, das Seinige gethan zu haben, den Schmerz über das Geschehene in sich verwinden und das Uebrige Gott anheimstellen. „Nicht zwar vom Glauben verlassen ist meine Seele (schrieb er deßhalb im August an einen Freund), Gott sei Dank dafür; wohl aber ist sie tief betrübt und geängstigt. Welche Hoffnungen haben wir auf diesen Fürsten gesetzt, und wie hat er sich nun so arg versündigt an Gott, an einen heiligen Engeln und an allen Heiligen der Erde. . . Unsere einzige Zuflucht ist die Gnade Gottes; es kann nicht sein Wille sein, uns ganz der Zerstörung Preis zu geben.“ Beza war auch billig genug, den guten Willen und die wohlwollende Gesinnung Heinrichs IV. anzuerkennen, die er namentlich in der Erlassung des Edictes von Nantes zu Gunsten der Protestanten an den Tag legte; er ahnte in ihm ein wohlthätiges Werkzeug in der Hand Gottes zur Erhaltung der reformierten Kirche Frankreichs. Noch einmal (1599) wurde ihm die Ehre zu Theil, den König persönlich zu begrüßen, als dieser in einer kritischen Lage, in der sich Genf dem feindlichen Savoyen gegenüber befand, zum Schutze der Stadt an den Grenzen erschien. Beza, an der Spitze der Genfer Gesandtschaft hielt eine Anrede an den König, die er mit Anspielung auf die Worte des greifen Simeon schloß: „Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren; wie du gesagt hat, denn meine Augen haben vor meinem Tode nicht allein den Befreier Eurer unterhänigen Diener, sondern den Retter von ganz Frankreich und aller Gläubigen gesehen.“ Heinrich aber redete ihn als einen „Vater“ an und entließ ihn mit einem Ehrengeschenke. Es würde den Raum dieser Blätter überschreiten und zudem weniger die Erbauung der Leser fördern, wollten wir Beza in die weitern Gebiete seiner Thätigkeit folgen und namentlich der Streitschriften erwähnen, die er nach verschiedenen Seiten hin zu veröffentlichen sich veranlaßt sah. Daß er dem von Friedrich von Württemberg veranstalteten Religionsgespräch zu Mömpelgard (1587) beiwohnte, um sich mit dem berühmten lutherischen Theologen Jacob Andreä über die Differenzpunkte der Lehre, und zwar nicht nur das Abendmahl, sondern auch die Prädestination (Gnadenwahl) betreffend, zu besprechen, sei nur im Vorbeigehen erwähnt. Nicht verschwiegen werden soll aber endlich noch die edle Standhaftigkeit mit welcher der von allen Seiten angefochtene Mann noch in einen alten Tagen die Zumuthung zurückwies, die von einem hochgestellten Prälaten, einem der edelsten Vertreter der römisch-katholischen Kirche an ihn gestellt wurde, wieder in den Schooß dieser Kirche zurückzutreten. Es war der noch junge Franz von Sales, der Bischof (in partibus) von Genf, der im Jahre 1597 im Auftrag des Papstes den höchst mißlichen Versuch wagte. Unter anderm stellte er an Beza die Frage, ob er glaube, daß man auch in der katholischen Kirche selig werden und sein Heil schaffen könne? Wie hätte dieß Beza läugnen sollen? Aber von diesem Zugeständniß zu dem andern, daß die römisch-katholische Kirche die allein selig machende oder auch nur eine vorzüglichere Kirche sei, als die evangelische, war noch ein weiter Schritt. Und diesen zu thun, konnte der in seinen Grundsätzen so feste Mann nicht einen Augenblick sich versucht fühlen. Am wenigsten aber verfingen bei ihm Bestechungen. Auch zu diesem unedeln Mittel nahm der sonst edle fromme Mann, Franz von Sales, eine Zuflucht. Es sollte freilich nicht das Ansehn einer groben Bestechung haben, es sollte nur ein Anerbieten sein, das Beza einen Schritt erleichtere, wenn ihm der Bischof eine jährliche Pension von 4000 Reichsthalern und noch Weiteres mehr in Aussicht stellte. Da konnte Beza nicht länger an sich halten; es drängte sich ihm das Wort auf die Zunge: „Hebe dich von mir Satan.“ Ob er es laut ausgesprochen, wie einige melden, oder ob er nach einer mündlichen Ueberlieferung in der mildern, aber doch sehr verständlichen Weise geantwortet habe: „Gehet, Herr, ich bin zu alt und zu taub, um solche Worte hören zu können“ mögen wir auf sich beruhen lassen. So viel ist gewiß, daß ihn der Versucher von der Stunde an verließ mit dem bleibenden Eindrucke, daß der Mann ein „steinernes Herz“ habe. In seinen spätern Jahren hatte sich Beza mehr und mehr vom Schauplatz der Kirche zurückgezogen. Im Jahre 1588 starb ihm seine Gattin, mit der er 40 Jahre glücklich gelebt. Kinder hatte sie ihm keine geboren. Auf den Rath seiner Freunde hatte er sich noch in seinem Alter zu einer zweiten Ehe entschlossen mit einer verwittweten Genueserin, Catharina del Piano. Bis in sein 65stes Jahr genoß er der besten Gesundheit; aber nun stellten sich die Beschwerden des Alters ein, rheumatische Schmerzen, Schlaflosigkeit, häufiger Schwindel, der ihn auch auf der Kanzel befiel, ein Zittern in der Hand, das ihn besonders am Schreiben hinderte. Er mußte seine Briefe einem Schreiber dictiren. Im October 1595 setzte er ein Testament nieder, worin er besonders auch Gott dankte für die Barmherzigkeit, die er an ihm als einem armen Sünder erwiesen. Noch hielten die geschwächten Kräfte vor bis in das Spätjahr 1605. Den 2. Oktober d. J. meldeten sich die Vorboten eines Todes. Die Prediger der Stadt wurden an ein Krankenbett berufen; auch von den Professoren verabschiedete er sich. Nachdem ihn den 13. October eine Ohnmacht befallen, schlummerte er sanft in ein besseres Leben hinüber. Er hatte in seinem Testament den Wunsch geäußert, daß eine irdischen Reste auf dem allgemeinen Kirchhof Plain-Palais beigesetzt würden: aber der Magistrat ließ ihn im Kreuzgang von St. Peter beisetzen. Unter seinen schriftlichen Leistungen verdient besonders die lateinische Uebersetzung des Neuen Testamentes hervorgehoben zu werden, die sich sowohl durch Treue als Eleganz auszeichnet. Auch eine Bibelerklärungen sind von Werth, so wie eine historischen Schriften, besonders eine Geschichte des reformierten Frankreichs, welche den Zeitraum von 1521-63 umfaßt. An seinem Charakter wird bei aller Entschiedenheit eine große Milde und Leutseligkeit gelobt, und bis auf unsere Zeit hat sich ein Wort aus dem Lager der Gegner erhalten, sie wollten lieber mit Beza in der Hölle, als mit Calvin im Himmel sein. Wir glauben uns aber freuen zu dürfen, daß des Einen wie des Andern Name im Himmel angeschrieben sei, wenn wir auch, was Menschliches an beiden war, nicht auf Kosten der Wahrheit beschönigen wollen. Der Herr kennt die Seinen. Jeder steht und fällt einem Herrn. Uns aber geziemt das Andenken derer zu ehren, die uns das Wort des Heils verkündigt haben, und ihrem Glauben nachzufolgen.

 

K. R. Hagenbach in Basel

Theodor von Beza

Theodor von Beza

„Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, dazu Du auch berufen bist, und bekannt hast ein gutes Bekenntniß vor vielen Zeugen!“
(1. Tim. 6, 12.)

Theodor von Beza (de Béze) stammt aus seinem alten, adligen Geschlechte Frankreichs, und wurde geboren am 24. Juni 1519 zu Bezelay im nordwestlichen Theile des ehemaligen Herzogthums Burgund, wo sein Vater Landvogt war. Zur Erziehung wurde er dem berühmten Professor Melchior Wolmar, übergeben. Sieben Jahre lang war er in seinem Hause, und mit solchem Erfolge, dass er in seinem 17. Jahre der alten Sprachen vollkommen mächtig war, und es keine Wissenschaft gab, mit deren Anfangsgründen er nicht bekannt gewesen wäre. Aber wichtiger, als alles dies, war es, dass Wolmar ihn mit der reinen Lehre des Wortes Gottes bekannt machte, uns sie ihm sorgfältig und tief einprägte.

Nachdem er zu Orleans dem Rechtsstudium obgelegen hatte, mußte er sich nach dem Willen seines Vaters nach Paris begeben. Hier schienen anfangs die frommen Lehren Wolmars erstickt. Von Allem, was ihn irre leiten konnte, umgeben, geistvoll und reich, lebte er in Paris als Weltmann, und gab einen Band weltlicher Gedichte heraus. Jedoch sah er es sein ganzes Leben lang als eine besondere Gnade Gottes an, daß er ihn bei der großen Sittenlosigkeit, die an dem Hofe herrschte, und von da aus sich über die Stadt verbreitet hatte, vor groben Ausbrüchen der Sünde bewahrt habe. Um den Versuchungen zu entfliehen, vermählte er sich im Geheimen, aber vor Zeugen, mit einem zwar armen, aber mit herrlichen Tugenden ausgestatteten bürgerlichen Mädchen. er wollte die Ehe nicht bekannt machen, weil er sich nicht stark genug gefühlt hatte, die Einkünfte einiger Pfründen aufzugeben, die sein Oheim zu seinen Gunsten abgetreten hatte.

Aber die Lehren Wolmars waren nicht ausgelöscht, wurden vielmehr täglich aufgefrischt durch die grausamen Verfolgungen, welche die Evangelischen ohne alles Recht trafen. Er las fleißig die Schriften der Reformatoren, und wurde nicht wenig dadurch in seinem Glauben bestärkt. Oft sprach er in seinem Herzen: „Ach, wie lange werde ich mich in diesem papistischen Unflath befinden? wann werde ich diese wahrhaft frommen Männer reden hören, ihren Versammlungen beiwohnen, und mit ihnen den wahren Gott des Himmels bekennen?“ Da brachte der Herr selbst ihn zur Entscheidung: eine schwere Krankheit kam über ihn, so daß er an seinem Aufkommen verzweifelte. „Was sollte ich Unglücklicher thun, schreibt er, dem Nichts als Gottes furchtbares Gericht vor Augen schwebte? Was geschah? Nach unendlichen Qualen des Körpers und der Seele erbarmte sich doch der Herr meiner, und tröstete mich, so daß ich nicht mehr an seiner verzeihenden Gnade zweifelte. Unter tausend Thränen verabscheue ich mich selber, flehe ihn um Verzeihung an, erneuere da Gelübde, mich offen zu seiner wahren Kirche und Verehrung zu bekennen, kurz, ich gebe mich ganz und gar hin… Sobald ich also das Lager verlassen konnte, brach ich alle Bande, welche mich bisher gefesselt hielten, packte meine geringe Habe zusammen, und verließ das Vaterland, Aeltern, Freunde zumal, um Christo nachzufolgen, und zog mich mit meiner Gattinn, in freiwilliger Verbannung nach Genf zurück.“ Das Erste, was er hier that, war der Gang zur Kirche, um seine Ehe einsegnen zu lassen; alle Verirrungen seiner Jugend schwur er mit aufrichtigem Herzen ab. Es war im November 1548; Beza war 29 Jahre alt.

Es wurde freilich mancher heftige Angriff auf ihn gerichtet, ihn anderen Sinnes zu machen; aber er hat sie alle zurückgeschlagen. Er hatte durch seinen Übertritt sich seiner Familie entfremdet. Vergebens suchte er sie, besonders seinen Vater, durch kurze Darlegung seiner religiösen Ueberzeugung umzustimmen und zu gewinnen. Man hoffte, er werde in die römische Kirche, in den Besitz eines großen Vermögens und in glänzende Aussichten für die Zukunft wieder eintreten. Gegen alle Erwartung erschien eines Tages sein älterer Bruder, Johann von Beza, in Genf. Wir sehen die beiden Brüder, in nächtlicher Stunde vor der Bibel, und der jüngere, weit entfernt, als der Bekehrende zu sprechen, ermahnt mit klaren und schlagenden Gründen aus Gottes Wort den älteren Bruder, ebenfalls die Ketten des Papsttums zu zerreißen. Der Eindruck, den er hervorbrachte, war so mächtig, daß er an Calvin schreiben konnte: „Du wirst von dem unerwarteten Erscheinen meines Bruders schon gehört haben. Er kam, um mit mir einen Strauß zu bestehen, bei welchem es mir, Gottlob! gelungen ist, daß sich mir bei ihm einen gewaltigen Zugang zur Erlangung dessen eröffnet habe, was ich nie zu hoffen wagte.“ Es sollte jedoch Alles angewandt werden, um ihn schwankend zu machen. „Vermag ich Nichts, sagte sein Bruder beim Scheiden, so will dein alter Vater mit dir reden.“ Ueber die Zusammenkunft mit dem Vater selbst wissen wir nichts Näheres. Es mögen viele Vorstellungen, Bitten und Thränen von beiden Seiten stattgefunden haben. Aber eine Bereinigung erfolgte nicht, sondern eine größere Spaltung. Das Wort: „Wer Vater, oder Mutter mehr liebt, denn mich, der ist mein nicht werth“, bewährte sich wieder seine Alles überwindende Kraft. Beza blieb unbesiegt.

Arm geworden um Christi Willen, entschloß sich der feine Weltmann der Pariser Salons, Buchdrucker zu werden, und verband sich zu dem Ende mit Johann Crespin, der gleichfalls seines Glaubens wegen aus Frankreich geflohen war. Wenn er nun auch demüthig genug war, diese Stellung einzunehmen, so wollte ihn doch Gott als ein auserwähltes Rüstzeug zu einem höhern Dienst verwenden. Er wurde zum Professor der griechischen Sprache nach Lausanne, und später nach Genf als Pastor und Lehrer der griechischen Sprache am Gymnasium berufen.

Hier bildete sich zwischen ihm und Calvin ein enges Freundschaftsverhältnis. Waren doch beide von demselben Sinne beseelt, das so lange unter den Scheffel gestellte Wort Gottes wieder auf den Leuchter zu stellen. Beza wurde eine treue Stütze für den von Feinden rings umgebenen Calvin, und ein kräftiger Trost in den trüben Stunden seines fast beständigen körperlichen Leidens. Er wurde das Werkzeug, neue Einrichtungen zu gründen, die für die Verbreitung und Befestigung der Reformation unentbehrlich waren. So sollte Genf eine Pflanzstätte von Geistlichen werden, um die Nachbarländer, und besonders Frankreich, mit Hirten und Lehrern zu versorgen. Deswegen wurde eine hohe Schule dort errichtet, und Beza, als der dazu geeignete, zum Rektor und Professor der Theologie an derselben berufen. Bald hatte die Schule durch seine Tüchtigkeit und Entschiedenheit, mit der er jede Unsitte in calvinischer Strenge bestrafte, einen ganz bedeutenden Ruf erhalten, und aus den fernsten Gegenden, aus England, Dänemark, Schweden, Deutschland strömten die Jünglinge herbei, um hier da Wort Gottes lauter und rein lehren zu hören. – Man hat Beza den Melanchthon Calvins genannt; und in dieser Bezeichnung liegt sehr viel Wahres. Die Strenge Calvins wurde oft durch das vermittelnde Wesen Bezas gemildert. – Von Calvin gebeten, übersetzte er in dieser Zeit die Psalmen in französische Verse, welche lange Zeit von den reformirten Kirchen Frankreichs bei dem Gottesdienste gesungen wurden. Außerdem hat er Auslegungen zu der h. Schrift, und eine Geschichte der französischen Kirchen bis zum Jahre 1562 geschrieben.

In Frankreich floß in dieser Zeit immerwährend Märtyrerblut. Verschiedene Male hatte Beza deswegen Reisen zu den schweizerischen Bundesstaaten und den deutschen Fürsten gemacht, um ihre Verwendung für die Verfolgten zu erbitten. Aber die Verwendungen hatten keinen Erfolg gehabt. Anstatt daß jedoch die evangelische Religion durch Feuer und Schwert hätte ausgerottet werden können, verbreitete sie sich immer weiter. Die Gebildeten unter dem Volke und der größte Theil des Adels waren ihr gewogen. So der König von Navarra, und der Prinz von Condé, beide Prinzen von Geblüt, und der Admiral Coligny. Die Protestanten waren eine Macht geworden, und die Königinn-Mutter, Katharina von Medicis, welche für ihren Sohn, Karl IX., die Regentschaft führte, sah wohl ein, daß durch weitere Verfolgungen Frankreich dem Untergange würde entgegengebracht werden. Zähle doch Frankreich bereits fünf Millionen Reformirte, mit mehr als 2150 Kirchen. Sie bot daher, obgleich selbst ohne Religion, Alles auf, eine Vereinigung zwischen Katholiken und Protestanten anzubahnen. Zu dem Ende veranstaltete sie das Glaubensgespräch zu Poissy, wo Vertreter beider Parteien sich über eine Vereinigung besprechen sollten.

Unter den durch Gelehrsamkeit, Muth und Glaubenstreue ausgezeichneten reformirten Predigern Frankreichs war nach dem einstimmigen Urtheile, sowohl durch seine Gewohnheit, sich in den höchsten Kreisen zu bewegen, als auch durch seine Beredsamkeit und Geistesgegenwart Beza vor allen Andern geeignet, die evangelische Sache zu verfechten. Er erschien am 23. August zu Poissy. Bei dem König von Navarra traf er Abends den Cardinal von Guise (von Lothringen), die Hauptstütze der Katholiken, der jedoch, wie er selbst sagte, sich nicht viel mit theologischen Dingen beschäftigt hatte, aber Beredsamkeit und Gewandheit besaß. Sie sprachen über die Messe, und Beza trieb ihn so in die Enge, daß er die Brodverwandlung ganz aufgab. „Es freut mich gar sehr, Herr von Beza, euere Bekanntschaft gemacht zu haben, sagte der Cardinal beim Abschied, ihm auf die Schulter klopfend, und die Hand reichend, und ich beschwöre euch bei Gott, daß ihr mit mir handelt, damit ich euere Gründe vernehme, und ihr die meinigen. Ihr werdet finden, daß ich nicht so gar schwarz bin, als man nicht gemalt hat.

Kaum hatte Beza ihm für seine Freundlichkeit gedankt, so rief das freimüthige Fräulein von Crussol: „Vortrefflich, lieber Herr, für heute Abend, aber wie morgen?“ Und wirklich, gleich nach der Unterredung, als er wieder in seine Umgebung kam, erröthete der Cardinal nicht, die ganze Unterredung der Wahrheit zuwider darzustellen; und am Hofe, ja bis nach Poissy verbreitete sich das Gerücht, Beza sei von ihm überwunden, und zum römischen Glauben zurückgebracht worden. Als der streng römische Connetable Montmorency am folgenden Tage beim Mittagsmahle freudig diese Lüge auftischte, erklärte die Königinn: „Ich habe selbst beigewohnt, Connetable, und kann euch versichern, daß ihr ganz schlecht unterrichtet seid.“

Beza und die Seinigen hatten als Bedingung zum Gespräch gefordert, daß die Bischöfe und Geistlichen nicht ihre Richter seyen, und daß alle Streitpunkte allein durch Gottes Wort entschieden werden sollten, als auf welche der Glaube allein such gründen dürfe. Das waren Bedingungen, die denen ziemten, die nicht für ihre, sondern für Christi Sache in den Kampf gingen, die aber auf der andern Seite den Bischöfen gefährlich und anmaßend erschienen, so daß man sich hätte wundern müssen, wenn sie dieselben zuzugeben hätten. Da verlautete, daß am 9. September da Gespräch stattfinden solle, ohne daß den Hugenotten eine Antwort geworden wäre. Es ergriff sie ein gerechter Unwille. Beza, als ihr Abgesandter, erklärte daher der Königinn, wenn ihnen jene nothwendigen und billigen Bedingungen nicht gewährt würden, wären sie genöthigt, desselben Tages noch abzureisen. Die Zeit und Noth drängte; da erhielten sie die Antwort: „die vorzunehmende Handlung solle den Evangelischen zu keinem Nachttheil gereichen, und die Prälaten sollten nicht ihre Richter seyn.“ Aber schriftlich konnte er die Zusicherung nicht erhalten; des Königs Wort, hieß es, müsse genügen.

Endlich wurde am 9. September 1561 das Refektorium des Nonnenklosters zu Poissy geöffnet. Der junge König, sein Bruder, der Herzog von Orleans, seine Mutter Katharina, der König von Navarra und dessen Gemahlinn Johanna saßen dem Eingange grade gegenüber auf einer Erhöhung. Hinter ihnen hatten alle Prinzen und Prinzessinnen, alle Großbeamten der Krone, alle Herren und Damen des königlichen Hofes ihren Platz. Diesen zur Seite und vor ihnen saßen 6 Cardinäle und 36 Bischöfe, welche im vollen Ornate in ihren Prunkgewändern erschienen waren; hinter denselben befand sich eine große Zahl de vornehmen katholischen Gelehrten und Geistlichen. Ganz bescheiden und demüthig, in ihren schwarzen Talaren, erschienen in unterm Raume die reformirten Geistlichen, lauter Männer, welche nur durch Einfalt, Würde und Gelehrsamkeit ausgezeichnet waren; sie waren einfach, wie es den Jüngern Christi geziemte. Der Gegensatz der Erscheinung, die Demuth der Evangelischen einerseits, der Hochmuth und die Pracht andererseits, machte einen so tiefen Eindruck auf die ganze Versammlung, daß selbst der Hof ergriffen schien. Es waren ihrer 11, gefolgt von 21 weltlichen Abgeordneten.

Nachdem der Kanzler die Versammlung eröffnet hatte, erhielt Beza das Wort. Mit fester, wohltönender Stimme hob er an: „Sire, da der Ausgang jedes Unternehmens, der großen sowohl als der geringfügigen, von Gottes Gnade abhängt, zumal wenn es sich um Seine Ehre und um Dinge handelt, die höher sind, als unser Wissen und Verstehen, so hoffen wir, Ew. Majestät werden es weder übel, noch befremdet aufnehmen, wenn wir vor Allem mit der Anrufung seines h. Namens beginnen, und also zu ihm beten.“ Hierauf kniete er nieder, und alle seine Amtsbrüder, und die weltlichen Abgeordneten knieten feierlich mit ihm nieder, und er sprach das einfache Sündenbekenntniß, mit welchem jeder Gottesdienst begann. Inhalt und Form des Gebets machte auf die Versammlung den tiefsten Eindruck. Beza erhob sich wieder, und begann seine eigentliche Rede. Zuerst suchte er jeden Gedanken an Zank, Rechthaberei, oder Feindseligkeit gegen die Katholiken zu entfernen. Als er auf die Glaubensartikel kam, und die Abweichungen seiner Glaubensgenossen von der alten Lehre rechtfertigte, wurde er mit der gespanntesten Aufmerksamkeit angehört. Er behauptete, nach der Schrift heiße jede andere Genugthuung, außer dem vollkommenen Gehorsam Christi, Gott seiner vollkommenen Gerechtigkeit berauben; die Lehre, Gott vergebe uns nur einen Theil unserer Schulden, den Ueberrest lasse er uns selbst bezahlen, beraube ihn seiner vollkommenen Barmherzigkeit. Wer sich an dem durch die Propheten und Apostel gepredigten und verfaßten Worte nicht genügen lasse, der entsetzte Christus seines Propheten- und Lehramtes; wer mit neuen Satzungen die Gewissen binde, der beraube ihn der Würde des geistlichen Königthums in der Kirche, und wer sich unterstehe, ihn von Neuem darzubringen als Opfer zur Vergebung der Sünden, und an ihm, dem einzigen Fürsprecher bei Gott, nicht genug habe, der beraube in seines ewigen Hohepriesterthums.

„Die guten Werke betreffend, so sind diejenigen schlecht berichtet, die etwa glauben sollten, daß wir dieselben verachten. Denn wir trennen ebenso wenig den Glauben von der Liebe, als Licht und Wärme von dem Feuer getrennt ist, und sprechen mit Johannes (1. Joh. 2, 4): „Wer da sagt: ich kenne Gott, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in solchem ist keine Wahrheit. Uebrigens aber gestehen wir offen, daß wir doch in dieser Lehre von einander abweichen. Wir erkennen in dem Menschen keinen andern freien Willen an, als denjenigen, der allein durch die Gnade unseres Herrn gefreiet ist, und behaupten: unsere Natur, in dem Zustande, in welchem sie verfallen ist, soll vor allen Dingen nicht sowohl unterstützt und ihr nachgeholfen, als vielmehr durch die Kraft des h. Geistes getödtet und zu nichte gemacht werden, zumal die Gnade diese Natur nicht etwa bloß schwer verletzt und geschwächt, sondern ganz kraftlos, allem Guten entgegen, ja todt, und der Fäulnis der Sünde und des Verderbens anheim gefallen findet. Wir geben Gott die Ehre, und wollen nicht mit ihm abrechnen; denn Anfang, Mittel und Ende unserer Werke messen wir einzig und allein der göttlichen Gnade und Barmherzigkeit zu, die in uns wirket beides, das Wollen und das Vollbringen.“

Nachdem er noch gezeigt, daß die guten Werke uns durchaus nicht als Verdienst angerechnet werden, ging er darauf ein, zu beweisen, daß die h. Schrift die einzige Regel und Richtschnur des christlichen Glaubens und Lebens sei, wies dies auch aus Aussprüchen der Kirchenväter nach. „Wir sagen also, daß wir die h. Schrift als eine vollständige Offenbarung alles dessen betrachten, was zur Seligkeit nothwendig ist. Die Concilien also und die Kirchenväter betreffend, so können und sollen wir euch nicht wehren, dieselben, wie auch wir thun, zu Hülfe zu nehmen, wenn nur das Angeführte auf ausdrückliche Zeugnisse der h. Schrift gegründet ist. Aber wollet um Gottes willen uns nicht einzig und allein mit ihrem bloßen Ansehn begegnen, ohne daß Alles zuvor an dem rechten Prüfstein als echt erfunden worden wäre! Denn wir sagen mit Augustinus, daß, wenn eine Stelle der h. Schrift in der Auslegung schwierig sein sollte, der h. Geist die Schrift so eingerichtet hat, daß, was hier vielleicht dunkler lautet, an einem andern Orte deutlicher ausgesprochen ist.“

In der Auseinandersetzung vom h. Abendmahl vertrat der die streng calvinische Auffassung. Seine Rede schloß er mit den Worten: „In Summa, wir halten uns an den Spruch Röm. 13: „Jedermann sei unterthan der Obrigkeit!“ So sich’s nun begeben hat, oder künftig sich begeben möchte, daß einer unter dem Schein unserer Lehre widerspänstig wäre, und dem geringsten Befehlshaber nicht gehorsam seyn möchte, so bezeugen wir vor Gott und Eurer Majestät, daß solche Menschen nicht zu den Unsern gehören, und daß sie keine größeren Feinde haben, als uns nach unserm geringen Stand und Gelegenheit!“

Darauf kniete er sammt den Seinigen von Neuem zum Gebet nieder, und bat den König, ihre Bekenntnißschrift, die vor zwei Jahren auf der Synode von Paris entworfen war, anzunehmen.

Die ganze Rede war mit der gespanntesten Aufmerksamkeit, in tiefer Stille angehört worden, bis Beza beim Abendmahl die Entfernung des Leibes Christi vom Brode mit der Entfernung des Himmels von der Erde verglich. „Er hat gelästert!“ rief eine Stimme; „er hat gelästert,“ erscholl’s wiederholt aus dem Munde der anwesenden Bischöfe und Priester; sie fingen laut an zu murren, mit den Füßen zu scharren und aufzustehn. Aber die Königinn äußerte einen von der ganzen Versammlung getheilten Unwillen über diese Störung, und Beza sollte fortfahren. „Liebe Herren, so redete er mit Ruhe die entrüsteten Gegner an, ich bitte den Schluß abzuwarten, der euch hoffentlich zufrieden stellen wird,“ und fuhr dann fort, das Uebrige, was jene theilweise viel härter berührte, mit unerschütterlicher Freimüthigkeit und Würde vorzutragen.

Groß war der Eindruck, den Beza’s Ruhe, Würde, Klarheit und Wärme hervorgebracht hatte, und die Prälaten waren deswegen in ängstlicher Besorgniß. „Wollte Gott, dieser Mensch wäre entweder stumm, oder wir taub gewesen!“ begann der Cardinal von Lothringen mit einem ihm hier wirklich von Herzen kommenden Seufzer, als er mit den andern Prälaten über eine Antwort berathschlagte, und alle sprachen ein schmerzliches Amen dazu. Am 16. September wurde eine zweite Versammlung gehalten. Der Cardinal von Lothringen suchte Beza zu widerlegen; ihm gehörte jedoch von seiner Rede nur die Form an, während der Stoff von dem katholischen Theologen d’Espense gegeben worden war. Er ging aber nur auf zwei Punkte, die Kirche und das heil. Abendmahl ein. Er sang das schon hundert und aber hundertmal widerlegte Lied von den allgemeinen Concilien, von der Tradition und Aehnlichem. Bei dem Abendmahl erwähnte er die Brodverwandlungslehre mit keinem Worte, gab aber der Sache eine schlaue Wendung, indem er die Uneinigkeit der Lutheraner und Reformirten in diesem Punkte hervorhob. Alle Bischöfe, die nur mit dem größten Widerwillen zu dem Gespräch gekommen waren, erklärten jetzt jedes weitere Disputiren für überflüssig. Beza ließ sich auf ein Knie nieder, und sprach zum König: er habe jetzt alle Gründe gehört, welche der Cardinal anzuführen gehabt habe, und sein jetzt am besten im Stande, Punkt für Punkt auf dieselben zu antworten, da er gegenwärtig noch Alles lebendig im Gedächtniß habe; er bitte daher im die Erlaubniß, auf der Stelle antworten zu dürfen. Seinen Gegnern gelang es zwar, dies jetzt zu hintertreiben; es wurde ihm aber die Antwort: man wolle die Sache auf einen andern Tag verschieben; man werde ihn rufen lassen. obgleich er seine Rede auf das erste Begehren den Katholiken übergeben hatte, so konnte er doch auf keine Weise die des Cardinals erhalten.

Inzwischen traf ein päpstlicher Legat ein, Hippolytus von Este, um das Gespräch abzubrechen; in seiner Begleitung war der Jesuitengeneral Jakob Lainez. Jener hatte sich durch seinen ausschweifenden Lebenswandel die allgemeinste Verachtung zugezogen, so daß das Volk ihn auf seiner Reise verhöhnte. Die Universität von Paris hatte eine Verwahrung ihrer Rechte gegen die drohenden Anmaßungen des Papstes überreicht. Diese Erfahrungen brachten den Legaten dahin, zuerst sehr gemäßigt aufzutreten. Er widersetzte sich daher der Fortsetzung des Religionsgesprächs nicht, entfernte aber den König und dessen Bruder, machte die Sache zu einer Privatangelegenheit, und schloß alle Feierlichkeit und Oeffentlichkeit davon aus. Als Beza am 24. September wieder eingeladen worden war, disputierte nicht mehr der Cardinal, sondern er saß als Richter da, und das Gespräch hatte den Anschein eines Gerichts bei verschlossenen Thüren. Beza fand beim Eintritt in das Zimmer Niemand als die Königinn Mutter, die Königinn von Navarra, die Prinzen von Geblüt, einige Staatsräthe, fünf Bischöfe und fünfzehn Doktoren der Theologie. Was konnte es helfen, daß Beza und Peter Martyr, der sich später zum Gespräch eingefunden hatte, mit der Beredsamkeit, welche das Bewußtsein der Wahrheit verleiht, die evangelische Sache verfochten, und die faulen Flecken der katholischen Kirche und ihrer Priester aufdeckten! Wir können nur Einiges aus dem Gespräch mittheilen. Als er immer wieder auf die h. Schrift als Norm des Glaubens drang, schrie der Mönch von Sainctes: „So zeiget doch, wo ihr die ewige Jungfrauschaft der Maria in der h. Schrift gefunden habt!“ Das sei kein Glaubensartikel, entgegnete Beza gelassen, zumal, da manche Väter sich so geäußert, daß man daraus schließen müsse, sie hätten nicht geglaubt, daß Maria nach der Geburt Jesu Jungfrau geblieben; man glaube aber der Wahrscheinlichkeit folgend, Gott habe en so heiliges Gefäß ganz abgesondert, und auf immer geheiligt. – Auf diese Abfertigung wollte der schon erwähnte d’Espense, welcher übrigens zu den gelehrten anwesenden katholischen Theologen gehörte, die Ehre der katholischen Doktoren retten, indem er behauptete, in der Stelle Pauli, die Beza für die Schrift angeführt hatte, (2. Tim. 3, 16) heiße nicht „jegliche Schrift,“ sondern „jegliche Lehre,“ und als Beza erwiederte, er wolle es auf das Nachschlagen ankommen lassen, und auch einer der Doktoren schnell einfiel: es heiße allerdings „jegliche Schrift, “ so fragte er, mit welcher Schriftstelle man beweisen könne, daß der h. Geist vom Vater und vom Sohne ausgehe? Beza entgegnete: Johannes sage ausdrücklich, der h. Geist sei vom Vater und vom Sohne gesandt. (Joh. 15, 26)

So wurden die Katholiken überall überwunden. Der Cardinal hatte sich durch allerlei Schliche aus der Schlinge zu ziehen gesucht. So hatte er mehrere Theologen aus Deutschland verschrieben, in der Hoffnung, somit Reformirte und Lutheraner in Streit zu bringen, selbst aber dann als Zuschauer zugegen zu sein. Sie erschienen auch, aber erst nach dem Gespräch, so daß sie seinem Zweck nicht mehr dienen konnten. Da stand er denn jetzt auf, und forderte Beza auf, eine lutherische Formel über das Abendmahl zu unterschreiben. „Unterschreibet! Sonst können wir nicht weiter unterhandeln.“ Darauf wandte sich Beza, entrüstet über dieses ebenso hinterlistige, als anmaßende, und offenbar auf das Abbrechen des Gesprächs abgesehene Betragen, an die Königinn, und erklärte fest und entschieden, auf solche Weise sey kein Erfolg zur Vereinigung zu erwarten. „Uebrigens, Herr Cardinal, so wandte er sich plötzlich an diesen, wollt denn ihr, wie billig, dasjenige unterschreiben, was ihr da vorlegt? Denn sonst kann ja unsere Unterschrift nichts fruchten!“ Das hieß vor der ganzen Versammlung den Klugen in seiner eignen Schlinge fangen. Als er sich mit verworrenen Worten aus derselben zu ziehen suchte, und sich förmlich weigerte, sprach Beza: „In diesem Falle, was soll es euch kümmern, ob wir mit jenen übereinstimmen, ober nicht, da ihr die einen sowohl, als die andern mißbilligt? Damit ihr aber sehet, Herr Cardinal, daß ich keine Winkelzüge mache, so antworte ich: daß wir diejenigen, die ihr Protestanten betitelt, als liebe Brüder in Christo anerkennen, und nur in einigen wenigen Dingen von der Augsburgischen Confession verschieden sind, welche noch dazu gar leicht mit dem, was wir sagen, in Einklang gebracht werden könnte, wenn nicht das maßlose Ungestüm Einiger im Wege stünde.“ Der Cardinal aber erklärte, er bleibe dabei, und man könne nicht umhin, alle Hoffnung auf Eintracht aufzugeben, wenn die Prediger nicht unterschrieben.

In derselben Conferenz trat der Jesuit Lainez unverschämt schimpfend und tobend auf, wurde indessen von Beza auf eine so feine und spöttische Weise abgefertigt, daß er die allgemeine Verachtung erntete. Aber an eine Vereinigung war nicht mehr zu denken. Jedoch die Protestanten waren schon so mächtig, und durch das Gespräch so befestigt worden, daß Catharina des für nöthig hielt, sie einiger maßen zu befriedigen. Man hielt daher den Beza am Hofe zurück, um mit einigen schon halb protestantischen Bischöfen und Doktoren eine Formel zu entwerfen, welche beiden Theilen genüge. Die Formel kam durch Beza’s Klugheit zu Stande, und die Bischöfe fanden nichts Nachtheiliges darin. Der Cardinal von Lothringen sogar erklärte, er stimme dem vollkommen bei. Aber als sie dieselbe von der Universität prüfen ließen, wurde das Anathema über sie ausgesprochen. So war denn die letzte Aussicht auf eine Vereinigung erloschen.

Das Gespräch hatte ein allgemeines Aufsehen erregt; das Erscheinen und der Aufenthalt der Prediger am Hofe hatte bei den Hugenotten eine große Zuversicht und Sicherheit erzeugt, und aller Orten erscholl der Ruf um Gewissensfreiheit. Die Königinn sah ein, daß Niemand den Sturm beschwichtigen könnte, als Beza; sie ließ ihn daher trotz wiederholten Bittens nicht einmal für einige Tage nach Genf. Dieser erkannte, jetzt, oder nie sei für die Freiheit der Evangelischen Etwas zu gewinnen. Mit dem ihm eignen Ernst stellte er ihr vor, die Sache sei nicht von Menschen, sondern von Gott, und es müsse in kürzester Frist Etwas zu Gunsten der Reformirten gethan werden. Und als die Katholiken, fanatisirt von Mönchen und Jesuiten, an vielen Orten die Versammlungen der Evangelischen störten, und, wo sie die Oberhand hatten, dieselben tödteten, so gelang es ihm, daß eine Versammlung aller Parlamente Frankreichs veranstaltet wurde. Am 17. Januar 1562 wurde auf derselben das sogenannte Januar- oder Toleranz-Edikt aufgenommen, nach welchem die Protestanten ihre Religion außerhalb des Umfangs der Städte frei üben durften. Beza’s Einfluß gelang es, dasselbe auch in solchen Städten zur Anerkennung zu bringen, wo die Bevölkerung durchweg evangelisch war. Die Katholiken aber waren rasend geworden über diese Zugeständnisse, und der Cardinal von Lothringen, der die Königinn und ihren Sohn in seine Gewalt bekam, und auch den wankelmüthigen König von Navarra umstrickt hatte, bot Alles auf, das Edikt rückgängig zu machen. Plötzlich traf die Protestanten die Kunde von dem Blutbad zu Bassy. Beza erschien als ihr Abgesandter bei der Königinn, um Beschwerde zu führen. mit bewegtem und scharfem Tone stellte er ihr jene Missethat nach ihrem Verlaufe vor die Augen, ging auf die offen zu Tage liegenden Pläne der Gegner über, nämlich, jede Begünstigung der Protestanten zu vereiteln, und forderte die Bestrafung der Verbrecher. Sie gab ihm zwar eine freundliche Antwort; aber es stand nicht in ihrer Gewalt, seinen gerechten Forderungen nachzukommen; vielleicht wollte sie auch nicht, da sie stets die Partei desjenigen nahm, der augenblicklich im Vortheile war.

In Folge dessen entspann sich ein furchtbarer Bürgerkrieg. Beza theilte Glück und Unglück mit seinen Glaubensgenossen, und bot alle seine Beredsamkeit, sein ganzes Ansehn auf, um sie in der Zucht zu erhalten. mitten durch die feindlichen Heere hindurch machte er lebensgefährliche Reisen zu den Bundesgenossen, um sie zum Eifer zu ermahnen. Den Anführern machte er sich nützlich durch seine vortrefflichen Rathschläge. Die Schlacht bei Dreux entschied sich zu Gunsten der Katholiken; Condé selbst wurde gefangen. Aber ungebeugt wandte sich der Admiral von Coligny, von Beza begleitet, dessen Beistand er nicht entbehren konnte, und der nach der Niederlage die Seinigen mit dem größten Muthe und der Zuversicht auf Gottes Hülfe erfüllt hatte, nach der damals durchweg evangelischen Normandie, um sich durch Hülfstruppen der Engländer zu verstärken. Mit großer Heeresmacht und frischer Zuversicht kehrten sie zurück, wohl im Stande, die Sache der Protestanten mit Einem Schlage triumphiren zu machen. Dazu kam, daß die Seele der Katholiken, de Cardinal ermordet worden war, und sie jetzt die Friedensbedingungen vorschreiben konnten. Da traf sie die erschütternde Nachricht, daß Condé, umgarnt durch die Ränke der Königinn, mit dieser einen leichtsinnigen Frieden unterzeichnet hatte. Ihre entrüsteten Vorstellungen waren vergebens. Das Edikt von Amboise am 18. März 1563 gab eigentlich nur den Adlichen Religionsfreiheit, während die Masse des Volks von ihrer Obrigkeit entweder Alles zu hoffen, oder zu fürchten hatte. In Paris und dem ganzen Weichbilde der Stadt war die evangelische Religion unter jeder Bedingung verboten.

Voll Unmuths über den Leichtsinn Condé’s, der alle Anstrengungen, alles Märtyrerblut, durch diesen Frieden vergebens gemacht hatte, kehrte Beza nach Genf zurück. Er war 22 Monate abwesend gewesen. In Genf war seine Gegenwart um so nöthiger, als der von der Last seiner Arbeit und von seinen körperlichen Leiden niedergebeugte Calvin seinem Tode nahe war. Die Last seiner Arbeiten sollte Beza übernehmen. Calvin, die Collegen, die öffentliche Stimme in Genf bestimmten ihn zum Nachfolger des großen Reformators. Beza war von Ehrgeiz frei, fürchtete die große Verantwortlichkeit, und glaubte, den schwierigen und vielen Geschäften nicht gewachsen zu seyn. Er lehnte daher die Stelle als Präsident des Consistoriums ab. Das Consistorium, welches theils aus Geistlichen, theils aus Laien bestand, handhabte die Sittenreinheit, und war von der einflußreichsten Bedeutung und Macht in Genf. Die Collegen wendeten eine List an, um Beza’s beharrlichen Widerstand zu beugen; sie beschlossen, daß die Würde jährlich seyn sollte, und dann wählte man ihn alle Jahre auf’s Neue.

Unter den vielen Arbeiten, de er außerhalb seines Berufs besorgte, und die allen schon hinreichend waren, die Kräfte eines Mannes in Anspruch zu nehmen, sind diejenigen die wichtigsten, die sich auf Frankreich bezogen. Hier brach der Krieg von Neuem aus. Beza tröstete, ermahnte und stärkte seine Glaubensgenossen, und stand ihnen bei mit seinen Rathschlägen, da er ihnen keine andere Hülfe geben konnte. Er nahm Theil an den Synoden von La Rochelle 1571, und von Nismes 1573. Nach der Pariser Bluthochzeit wurde Genf der Zufluchtsort einer unglaublichen Menge von Franzosen, um sich vor der Wuth ihrer Landsleute zu bergen. unter diesen befanden sich allein 50 Prediger, die bis auf das Aeußerste aller ihrer Güter beraubt waren. Beza verwandte sich kräftig für sie bei den deutschen und englischen Kirchen, und brachte eine hinreichende Summe zusammen, daß sie, während der drei Jahre, die sie in Genf verweilten, ohne Nahrungssorgen leben konnten. Als Heinrich IV. König von Frankreich geworden war, trat er mit ihm in Verbindung, und legte ihm seine Glaubensgenossen ans Herz. man hat gewöhnlich angenommen, Beza habe den Uebertritt des Königs als eine That der Staatsklugheit entschuldigt. Daß dem nicht so ist, zeigt ein Brief von ihm an Heinrich. Er ermahnt ihn, nicht auf seinen Stand, sondern allein auf Gott und auf das, was er ihm schuldig sei, sein Augenmerk zu richten; es sei das Schädlichste, das Gewissen zu verletzten; er solle alle Gefahr nicht scheun; Gott habe ihn ja aus noch größeren gezogen. Dabei erinnerte er ihn an des Königs eigne Worte: „Wenn Gott will, daß ich zur Regierung gelange, so wird es geschehen, wiewohl man mich daran verhindern will; will es Gott nicht, so will ich es auch nicht.“ Der König ist ihm nicht gefolgt, hat ihm aber seine Achtung bewahrt, und ihn im Jahre 1599 in Genf besucht. –

Beza hatte schon früher verschiedene Male Versuche gemacht, die deutschen und schweizerischen Kirchen zu vereinigen. Sie waren aber stets mißlungen. Noch einmal ließ er sich zu einem Religionsgespräch zu Mömpelgard (1587) mit Jakob Andreä bewegen. Aber auch diesmal kam es zu keiner Einigung. Jedoch schied man mit gegenseitiger Achtung, und auf keiner Seite war Verbitterung. Man war übereingekommen, über den Verlauf des Gesprächs zu schweigen. Als aber Andreä sich rühmte, Beza überwunden zu haben, sah sich dieser genöthigt, Bericht zu erstatten.

Die katholische Kirche bemühte sich vergebens, ihn wieder zu gewinnen. Franz von Sales, Bischof von Genf, mußte auf Befehl des Papstes Beza zu bewegen suchen, zur katholischen Religion zurückzukehren. Als dieser ihm zugab, man konnte in der katholischen Kirche selig werden, meinte er, den Sieg davon getragen zu haben. Er bot ihm die reichsten Einkünfte an, nicht als ob er, fügte der Verführer hinzu, ihn bestechen wolle; sie Absicht sei bloß, seinen Entschluß zu erleichtern. Es wurde darauf von den Jesuiten ausgesprengt, da er gestorben sei, und über seinen Austritt aus der katholischen Kirche Reue gezeigt habe. Der Greis aber geißelte in einer Schrift diese Lüge dermaßen, daß jene nun ausstreuten, die Reformirten hätten die Lüge erfunden, um über sie herfallen zu können.

In seinem Greisenalter litte er sehr an Schlaflosigkeit, und brachte ganze Nächte zu, ohne ein Auge zu schließen. Da versüßte er sich die langen Stunden dadurch, daß er geistliche Lieder dichtete. Wenn er mit seinen Freunden über diese Beschwerden sprach, pflegte er ihnen mit dem Worte Davids zu antworten: „Das wäre meines Herzens Freude, wenn ich dich mit fröhlichem Munde loben sollte. Wenn ich mich zu Bette lege, so denke ich an dich, wenn ich erwache, so rede ich von dir.“ (Ps. 63, 6. 7.) Oft wendete er sich an Gott mit folgender Bitte, die er in einem lateinischen Vers gebracht hatte: „Vergiß, was ich gethan und begangen habe, und was ich thun werde in Zukunft! Herr, vollende in mir, was du angefangen hast, damit ich nicht im Hafen Schiffbruch leide!“

Als man merkte, daß sein Ende herannahe, beschlossen die Prediger von Genf, daß wenigstens zwei von ihnen jeden Tag bei ihm sein sollten. So waren am 12. Oktober 1605 Anton de la Faye und Claudius Perrot bei ihm. Als ihm la Faye die Worte vorsagte: So du willst, Herr, Sünde zurechnen, Herr, wer wird bestehen (Ps. 130, 3.) bat ihn Beza, sie zu wiederholen. Mit erhöhter Stimme sprach er dieselben Worte, und schloß: „Wie viel und groß auch unsere Sünden seyn mögen, wir brauchen nicht wegen unsers vergangenen Lebens zu erröthen; denn wir haben einen Gott, dessen Barmherzigkeit unendlich ist.“ Beza’s Angesicht leuchtete vor Freude; er hob seine Hände zu Gott empor, und sprach ihm in tiefster Demuth seinen Dank für seine Gnade aus.

Am folgenden Morgen erhob er sich gegen 7 Uhr. Er betete im Kreise seiner Familie zu Gott, nahm ein wenig Brod und Wein, und erkundigte sich, ob Alles in der Stadt gut gehe. Als ihm eine bejahende Antwort wurde, legte er sich zu Bette, und entschlief einige Augenblicke nachher, ohne irgend einen Schmerz, seinem Herrn, in einem Alter von 86 Jahren, 3 Monaten, 19 Tagen.

Dr. Theodor Fliedner, Buch der Märtyrer, Verlag der Diakonissen-Anstalt zu Kaiserswerth, 1859