Olympia Fulvia Morata.

(geb. 1526, gest. 1555.)

„Mein einziger Trost, der mich aufrecht erhält, ist das Wort Gottes, um welches ich nie mit den verderblichen, nur die Lüste befriedigenden, weltlichen Vergnügen tauschen würde.“

Wie ein hochgebildeter, von ungeheuchelter Frömmigkeit durchdrungener Geist sich in der traurigsten Lage aufrecht erhält, davon gibt uns Olympia einen deutlichen Beweis.

Olympia war im Jahre 1526 zu Ferrara in Italien geboren. Ihr Vater, Fulvio Morata, Professor am Gymnasium zu Ferrara, stand daselbst wegen seiner Gelehrsamkeit und Rechtschaffenheit in großem Ansehen. Sehr bald bemerkte er die vorzüglichen Geistesgaben seiner Tochter und dieß bewog ihn, sie selbst auf das Sorgfältigste zu erziehen. In dieser Absicht unterrichtete er sie in der griechischen und lateinischen Sprache so wie in den Wissenschaften, und unterließ es auch nicht, durch Lehren und Beispiele sie zur Rechtschaffenheit und Frömmigkeit zu erziehen. Olympia machte in kurzer Zeit so bedeutende Fortschritte, daß sie von Allen, die sie hörten, nur bewundert wurde. In Ferrara lebte damals die Herzogin Renata, Tochter des Königs Ludwig XII. von Frankreich, die sich öffentlich zur reformirten Lehre bekannte. Diese Dame hatte von den Talenten der Olympia gehört und wünschte sie an ihrem Hofe zu haben, um der Prinzessin als Gesellschafterin zu dienen. Olympia übertraf als Hofdame alle Erwartungen, denn man hörte sie lateinisch declamiren, griechisch sprechen, die schwersten Fragen beantworten, und dabei wußte sie die Gesellschaft so angenehm zu unterhalten, daß man stets in ihre Nähe sich wünschte.

Neben dieser ausgezeichneten Bildung besaß sie auch eine ungeheuchelte Frömmigkeit und Demuth. Als ihr Vater in eine Krankheit verfiel, verließ Olympia den Hof, um die Pflichten einer lieben Tochter zu erfüllen und den Vater in seiner Krankheit zu warten und zu pflegen. Doch all ihr Mühen war nicht vermögend, den Vater zu erhalten, er starb. Olympia blieb nun bei der kränklichen Mutter, besorgte die Wirthschaft und half ihre beiden Schwestern und ihren Bruder erziehen.

Um diese Zeit lebte ein junger Mensch, Namens Andreas Gründler, zu Ferrara, der die Arzneiwissenschaft studiert und den Doctortitel erlangt hatte. Dieser Mensch, aus Schweinfurt in Deutschland gebürtig, lernte Olympia kennen, und ihre vortrefflichen Eigenschaften des Geistes und Herzens erweckten bei ihm eine besondere Zuneigung zu dieser Jungfrau. Er warb um ihre Hand, sie wurde seine Gattin und folgte ihm in seine Vaterstadt. Hier las sie nicht bloß viele religiöse Schriften, sie widmete sich sogar mit Eifer den eigentlichen theologischen Wissenschaften. Unter solchen Beschäftigungen lebte sie einige Zeit vergnügt und zufrieden an der Seite ihres geliebten Gemahls. Doch dieses Glück war leider nicht von Dauer. Beide waren Protestanten und hatten schon als solche um des Glaubens willen unsäglichen Kummer auszustehen. Dieser wurde noch vermehrt, da Schweinfurt, welches Albrecht, der Markgraf von Brandenburg, besetzt hielt, von mehren Fürsten belagert wurde. Denn während der Belagerung brach in der Stadt eine gefährliche Krankheit aus, von welcher auch der Gatte der Olympia ergriffen wurde. Nur wenig Hoffnung zur Wiedergenesung zeigte sich; doch Olympia ertrug dieses Leiden mit Muth und Standhaftigkeit, wie es die christliche Religion ihr gebot. „Mein einziger Trost, der mich aufrecht erhielt,“ – so schrieb sie an eine Freundin – „war das Wort Gottes, um welches ich nie mit den verderblichen, nur die Lüste befriedigenden, weltlichen Vergnügen tauschen würde.“ Nach einer 14 monatlichen Belagerung verließ der Markgraf in der Nacht plötzlich mit den Truppen die Stadt, und die Bewohner derselben glaubten schon einer glücklichern Zukunft entgegen zu sehen, als auf einmal die Truppen des Bischofs von Nürnberg in die Stadt eindrangen, sie plünderten und in Brand steckten. Nun erst gerieth die Stadt in die äußerste Noth und jeder suchte sich durch die Flucht zu retten. Olympia wollte eben mit ihrem Gemahl in einer Kirche sich verbergen, da machte sie ein ihnen unbekannter Soldat auf die Gefahr aufmerksam und rieth ihnen, so eilig wie möglich aus der Stadt zu fliehen. Im Begriff, diesem Rathe zu folgen, wurden sie noch auf dem Markte fast aller Kleidungsstücke beraubt und verließen in diesem traurigen Zustande und ohne Geld die Stadt. Kaum hatten sie aber diese hinter sich, so wurde der Gatte von den Feinden gefangen. Olympia ohne Mittel, ihren theuren Gatten loszukaufen, flehete zu Gott um Hülfe und bat die Feinde fußfällig um Freilassung ihres Gemahls. Gott erhörte ihr Gebet und erweichte die Herzen der Feinde, die den Gemahl in ihre Arme zurückführten. Mit nackten Füßen und zerrissenen Kleidern, die sie von mitleidigen Menschen erhalten hatten, kamen sie endlich nach Hammelburg, einem kleinen Orte, drei Meilen von Schweinfurt. Tiefer Kummer wie die großen Anstrengungen auf der Reise hatten der Olympia ein heftiges Fieber zugezogen, und gleichwohl durften die beiden Unglücklichen nicht länger als vier Tage an diesem Orte bleiben, weil es den Bewohnern verboten war. Sie setzten daher, so entkräftet auch Olympia war, ihren Weg weiter fort, doch ohne zu wissen wohin. Dabei drohete ihnen neue Gefahr. Ein Offizier des bischöflichen Heeres hatte ihren Mann gefangen genommen und Befehl erhalten, alle Flüchtlinge aus Schweinfurt zu tödten. Zwischen Furcht und Hoffnung schwebend theilte Olympia mit ihrem theuren Gemahl die Gefangenschaft; denn der Verlust aller irdischen Güter war ihr nicht so schmerzlich gewesen, als die Trennung von dem geliebten Gatten. Mit dem festen Vertrauen, daß Gott auch in dieser neuen Noth sie nicht verlassen würde, richtete sie ein Bittschreiben an den Bischof und Beide erhielten ihre Freiheit.

Bis hieher hatte Olympia und ihren Gemahl das Unglück hart verfolgt, aber mit Muth und Standhaftigkeit hatten sie es ertragen. Nun sollten auch angenehme Tage ihnen zu Theil werden. Nach einer kurzen Reise kamen sie zum Grafen von Erbach, der sie freundlich aufnahm und ihnen Kleider und andere Bedürfnisse reichte; ja dessen Gemahlin, von besonderem Mitleid gegen Olympia durchdrungen, pflegte dieselbe mehre Tage und beschenkte sie mit einem werthvollen Kleide. Mit Hülfe dieser und einer schon auf der Reise von einem wohlthätigen Manne erhaltenen ansehnlichen Geldunterstützung gelangten sie endlich nach Heidelberg, wohin ihr Gemahl von dem Kurfürsten von der Pfalz als öffentlicher Lehrer berufen worden war.

Von jetzt an hoffte Olympia, nach so vielen ausgestandenen Leiden, an der Seite ihres Gatten glückliche und frohe Tage zu verleben. Doch im Rathe der Vorsehung war es anders beschlossen. Von der beschwerlichen Reise und so manchem damit verbundenen Ungemache verfiel sie bald in ein heftiges Fieber, dem sie erliegen mußte. Mit freudiger Sehnsucht nach jenem bessern Leben starb sie den 24. Oct. 1555 in ihrem 29. Jahre.

Psalm. 73, 23. 24. Auch in Gefahr und Noth bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand; du leitest mich nach deinem Rath, und nimmst mich endlich im Tode doch zu Ehren an.