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Herzog Christoph von Württemberg, Vollender der Reformation dieses Landes, Ulrichs und der Herzogstocher Sabina von Bayern Sohn, unter den Zerwürfnissen seiner Eltern, vier Tage nach der Entleibung Hansens von Hutten durch den eifersüchtigen Herzog, am 12. Mai 1515 geboren, vom Vater mißtrauisch angesehen, ward nach Gottes Fügung im Elend und durchs Elend erzogen. Die Mutter entwich sechs Monate nach seiner Geburt; der Vater, von der Blutrache verfolgt, mußte sein Land in den Händen des schwäbischen Bundes, dann unter österreichischer Herrschaft lassen, und gewann es erst durch seinen frommen Freund, den Landgrafen Philipp von Hessen, mit der Schlacht bei Lauffen am Neckar (1534) wieder.
Der vierjährige Christoph, anfangs auf Hohenurach bei dem gemüthskranken Großvater, Grafen Heinrich, aufgezogen, dem der greise Bart bis auf die Hälfte der langen Gestalt herabreichte, kam mit der Uebergabe Hohen-Tübingens an den schwäbischen Bund unter Rundsberg in des Kaisers Gewalt (April 1519) und ward neun Jahre lang in Inspruck verwahrt, wo ihm durch Gottes Fügung Michael Tyffernus, einst von einer Türkenhorde geraubt, und als Findelkind bei Triest erzogen und in Wien durch Wissenschaft gebildet, zum treuen Lehrer und Erzieher gegeben ward, der ihn aus der Hand der Türken, und bald des Kaisers rettete, als der Knabe auf dem Reichstag zu Augsburg die Glaubenskämpfe und die Belehnung des Feindes mit seinem Herzogthum angesehen und dem Kaiser Karl V. als Schreiber und Vorleser nach Italien und Spanien folgen und vielleicht in einem Kloster lebendig begraben werden sollte. An der Gränze Tyrols, mit verkehrten Hufen, ritten Lehrer und Schüler dem kaiserlichen Gefolge davon und kamen wohlbehalten nach Landshut ins Bayerland.
Von dort aus trat Christoph als achtzehnjähriger Jüngling durch Unterhandlungen für sein Recht in die Schranken und kämpfte, bis der Sieg bei Lauffen dem Vater Ulrich sein Erbland zurückgab.
Am fünften Tage nach der Schlacht, am 18. Mai 1534, berief dieser den Sohn nach Stuttgart, ihn, den er in der Wiege verlassen, und der jetzt, ein blühender Jüngling von neunzehn Jahren, starken und geraden Leibes, wie Vater und Großvater, mit schwarzen Augen und Haaren, und edlem Oval des Gesichts, vor dem kraushaarigen Vater mit blondem Bart und rother Wange stand. Doch hatte Ulrich noch kein rechtes Herz zum Sohne gefaßt. Dieser ward von ihm nach Frankreich entfernt, und diente, während Herzog Ulrich selbst, dem die Geschichte endlich Gerechtigkeit wiederfahren läßt, das große Werk der Reformation in Württemberg begann, dem Könige Franz I. mit 10000 Knechten, die er ihm zugeführt, in Savoyen. Meuchelmord, Seesturm, Gift, das er sein Leben lang nicht überwand, und tödtliche Krankheit verfolgten den Prinzen, und die häuslichen Bedrängnisse dauerten fort.
Unermüdlich wirkte für Christoph beim Vater, und bei Christoph fürs Evangelium der edle Landgraf Philipp, denn noch wußte man nicht, wie der Sohn gesinnt war, obwohl er zu Nizza dem Papste, trotz der Ermahnung des Connetable’s, den Pantoffelkuß, als eines freien Deutschen unwürdig, verweigert hatte.
Im verdorbenen Welschland behielt er sein deutsches Herz, seine deutschen Sitten und seinen Freund Tyffernus, den er lebenslang hoch hielt.
Endlich berief der Vater, mit den Schwägern und der Gemahlin versöhnt und von des Sohnes Treue überzeugt, diesen im Mai 1542 ins Land zurück, kredenzte ihm rothen und weißen Wein, und sandte ihn, auf die Wahl des letztern, zur Brautwerbung nach Onolzbach, von wo er, als Statthalter der württembergischen Grafschaft Mömpelgard, bald die sanfte Tochter des Markgrafen Georg von Brandenburg, Anna Maria, als Gemahlin über den Rhein führte (1543). Nach einem glücklichen Jahr und der Erstgeburt dieser Ehe folgten Sorge und Noth im Kriege zwischen Karl und Franz, und endlich mußte Christoph mit der schwangern Gemahlin nach Basel ziehen.
Mittlerweile beugten Kummer und Krankheit den Vater Ulrich, der sich dem Interim fügen mußte, und am 6. Novbr. 1550 in Böblingen vom Tode übereilt ward. Da ging, als ein im Feuer geprüftes Gold, Herzog Christoph aus dem Elend hervor, um sein Erbfürstenthum aus dem tiefsten Jammer zu erheben und den Grund für seine Wohlfahrt auf dritthalb Jahrhunderte zu legen.
Schöpfer oder Vollender einer ganz neuen Ordnung der Dinge gab er vor allem dem Lande, besonders durch seine großen Theologen Job. Brenz und Jakob Andrea, seine kirchliche Einrichtung. Die württembergische Confession wurde auf dem Concil zu Trient übergeben (1551), von dem päpstlichen Legaten unterdrückt, von auswärtigen Bischöfen gesucht, auch im Herzogthum Preußen als Vorschrift des Glaubens und der Lehre aufgestellt. Jetzt schaffte der neue Herzog im Lande das Interim ab, trat dem Passauer Vertrag bei (1552), hob überall die Messe auf, reformirte die Klöster, rieth zu einer allgemeinen Synode in Deutschland (1557), briefwechselte mit Melanchthon über die Einigung der süddeutschen Fürsten und Theologen, bekämpfte die Sekten im eigenen Lande, ordnete den Kirchenkasten (die Verwaltung des Kirchenguts), stiftete die segensreichen Klosterschulen, erweiterte die Schöpfung seines Vaters, das theologische Stift zu Tübingen, und erließ endlich im Jahre 1559 die große Kirchenordnung, welcher der Grundsatz vorangestellt war, „daß die weltliche Obrigkeit den Beruf und die Pflicht habe, vor allen Dingen das Land mit reiner Lehre zu versorgen,“ welche den Sekten steuern, und die Verwendung der Kirchengüter einzig zum Besten der Kirche sichern sollte.
Die Erfahrung bewährte das neue Kirchengesetzbuch, und willig übernahm das Land im Jahre 1565 über eine Million fürstlicher Schulden gegen die Versicherung, daß die augsburgische Confession und dieser Codex ihm nicht mehr geraubt werden solle, eine „gottselige Bitte, die dem Herzog zu ganz gnädigem Wohlgefallen gereichte.“
Wie für die Kirche, so sorgte Christoph auch für die Staatsverwaltung, führte schon 1555 ein allgemeines Landrecht, zu gleicher Zeit eine Landesordnung, und 1557 gleiches Maß und Gewicht ein.
Vornämlich aber ließ er sich das Leben und die Ausbildung der württembergischen Verfassung, welche ein englischer Staatsmann der seines großen Vaterlands als naturwüchsiges Erzeugnis, an die Seite zu stellen nicht verschmäht hat, angelegen sein.
Selbst seine einzige Liebhaberei, „der Baugeist“ diente dem Lande zum Segen und zur Zierde. Unter ihm stieg das alte Schloß in Stuttgart und 22 fürstliche Häuser in den Städten des Landes empor, zum Theil noch jetzt nutzbare Staatsgebäude.
Herzog Christoph starb, müde von seinem Tagewerk und lebenssatt, längst von Herzen zu Gott hoffend, „er werde ihn bald zu seinen Gnaden nehmen“, im 54sten Lebensjahre den 28. Dec. 1568, von seinem Jugendfreunde Maximilian II. beklagt, von seinem Volke betrauert, bis auf diesen Tag ein protestantischer Heiliger seines Landes. Wenigen Bösen kam sein Tod erwünscht.
Christoph stand an Kenntnissen und edlen Sitten keinem Fürsten nach, er sprach und schrieb Latein, las die Classiker und die Bibel, war des Französischen mächtig, führte das deutsche Wort mit männlichem Nachdruck auf Reichs- und Fürstentagen, kannte Kriegskunst, Rechtswissenschaft und Staatsverwaltung, und betrat die Schwelle der höchsten Wissenschaft, der Gottesgelahrtheit.
An Gedächtniß, Fassungskraft, Besonnenheit, Arbeitsamkeit kamen ihm wenige gleich. In Sänfte und Kutsche fehlten Bücher und Schreibzeug nicht. Er mied das Spiel, er kürzte die Mahlzeit ab, um über Staats- und Glaubenssachen sich unterhalten zu können. Endlich floh ihn der Schlaf, den er so oft verscheucht. „Wohl gäbe ich hundert Gulden um ein Stündchen Schlaf!“ konnte er sagen, und wieder sagten die Leute: „Herzog Christoph habe Jedermann Gutes gethan, ohne allein seinem Leib.“
Offenheit, Redlichkeit, Milde, Bescheidenheit, Großmuth waren die Grundzüge seines Charakters. Selbstbeherrschung und Willenskraft hatte das Unglück in ihm befestigt. Seine erste Fürstentugend war die Gerechtigkeit. Nachsicht hatte er gegen die Schwächen der Menschen, nie gegen das Unrecht; am wenigsten Nachsicht gegen sich selbst.
Das Evangelium war bei ihm ins Leben übergegangen, und fleckenlose Sittenreinheit seine Frucht.
Jeden Tag las er einen Abschnitt der h. Schrift und betete für alle seine Unterthanen und Mitchristen. Ein eignes von ihm verfaßtes Gebetbuch für die wichtigsten Regierungsangelegenheiten ist verloren gegangen.
Diese Frömmigkeit beseelte seine ganze Denk- und Handlungsweise. Er lebte in dem großen Gedanken: „daß doch einst mit dem Sturz aller Glaubenstyrannei eine einhellige Reformation unter allen christlichen Völkern zu Stande kommen und daß Gott der Herr den Deutschen so viel Gnade verleihen werde, darin voranzugehen. Zeit und Mittel aber wisse Gott.“
G. Schwab in Stuttgart
Die Zeugen der Wahrheit
Dritter Band
Piper, Ferdinand (Herausgeber)
Verlag von Bernhard Tauchnitz
Leipzig 1874