Ephraem der Syrer.

Dieser sogenannte Prophet der Syrer erblickte gegen den Anfang des 4. Jahrhunderts das Licht der Welt, wo sein Vater als Götzenpriester, Priester des Gottes Abnil, fungierte; seine Mutter stammte aus dem benachbarten Amida. Ephraems Vater war ein fanatischer Priester, ein Mann, der noch mit ganzer Seele an dem alten Irrglauben hing. Schon war aber das Christenthum gerade in das Herz dieses Landes zu weit vorgedrungen, als daß es nicht auch einen Weg zu dem Hause des Götzenpriesters hätte finden sollen. Der religiös empfängliche und in der priesterlichen Wohnung lebendig angeregte Knabe ward mit einem Christen bekannt und ließ sich bei einem tief religiösen Sinn gern von ihm über das Christenthum unterhalten. Wie hätte der Empfängliche sich nicht bald von dem verabscheuungswürdigen Götzencultus abwenden und der ewigen Licht- und Wahrheitssonne zuwenden sollen? Der Vater bemerkte mit Entrüstung die in dem Knaben vor sich gehende Umwandlung; er ertappte ihn gradezu in seinem Verkehre mit dem Christen und ließ ihn schwer für die Frevelthat büßen. „Gottloses Kind,“ rief er dem hart Gestäupten zu, „fort aus dieser fluchwürdigen Gesellschaft! Ich aber werde hingehen, die Götter um Gnade für dich anflehen und dich mit ihnen zu versöhnen suchen.“ Er ging; diese sahen aber schärfer, als er. Der ihm im Tempel angeblich erscheinende Böse lobte zwar seinen Eifer, wies ihn aber mit einem Gnadengesuche ab. „Dieser sein Sohn werde einst ihr entschiedenster Gegner und gewaltigster Feind werden. Fortjagen solle er ihn, weithin fortjagen, wenn ihm der alte Verkehr mit ihnen, der alte Cultus am Herzen liege.“ Jedenfalls kam das dem Vater hier im Tempel recht zum Bewußtsein, ihm, der seinen Sohn tief durchschaut hatte. Im fanatischen Eifer eilte er deshalb nach Hause und rief demselben in gewaltiger Aufregung zu: „Hier kannst Du nicht länger weilen, fort, mir für immer aus den Augen! Dein Verbrechen ist ans Tageslicht hervorgetreten; Du bist ein entschiedener Feind meiner Götter geworden.“

Dieser schwere Unwille des blind eifernden Vaters beugte aber den charaktervollen Knaben nicht; freudig sah er sich vielmehr die Flucht bewilligt, an die er schon manchmal in der innigen Liebe zu seinem Christus gedacht hatte. Verstoßen aus dem väterlichen Hause begab er sich sofort auf den Weg, nicht wissend, wohin, auf seinen Gott sich verlassend. Ein unbewußter Zug des Herzens führte ihn nach Nisibis zu dem h. Jakob, dem dortigen Bischof, einem treuen aufrichtigen Christen, der diese Treue durch ein treues Bekenntniß unter dem wüthenden Maximin besiegelt hatte, eben deshalb aber auch einem entschiedenen Gegner alles Irr- und Wahnglaubens. Der wahre Seelenhirte nahm sich sofort des hoffnungsvollen Jünglings, der schon eine so große Charakterentschiedenheit an den Tag gelegt hatte, an, zog ihn in seinen näheren Umgang, unterrichtete gern den lernbegierigen in den Heilswahrheiten und nahm ihn bald in die Zahl der Katechumenen auf Ephraem wußte ihm dafür den besten Dank zu spenden; Jakob ward ihm nicht nur ein Lehrer, sondern auch ein lebendiges Vorbild echten Christenthums. Wie jener, gewann er sich deshalb auch die Achtung und Liebe. Aller durch eine Frömmigkeit, Enthaltsamkeit und ascetisch-strenge Lebensweise. Er ward eine Säule der Kirche und auch zugleich der aufblühenden Schule zu Nisibis, ein treuer Mitarbeiter eines Lehrers an ihrem Auf- und Ausbau. Es war gerade damals die arianische Ketzerei ausgebrochen und die Synode nach Nicäa ausgeschrieben worden, um der Kirche die verlorne Ruhe der Einheit wieder zu geben. Es ließ Ephraem keine Ruhe; im innern Lebensdrange zog er mit einem väterlichen Freunde, der ihn gern mit sich nahm, und noch andern Bischöfen der Umgebung zu dem großen ökumenischen Concil. Die großartige Versammlung, der Ernst und die Tiefe der dort gepflogenen Verhandlungen konnten nicht ohne Eindruck an dem Jüngling vorübergehen. Wie es selbst den katholischen Glauben feststellte, stellte es auch unsern Ephraem noch fester auf den katholischen Glaubensgrund. Es trat nach demselben bekanntlich eine gewaltige Bewegung in der Kirche ein; zugleich begannen die Angriffe der Perser auf Nisibis, welche mit der Stadt auch die aufblühende junge Kirche bedrohten. Jakob und Ephraem beeiferten sich, um die ermattende Kraft der Ihrigen der Uebermacht des Feindes gegenüber immer wieder zu beleben. Namentlich erbat sich Ephraem von seinem Vater die Erlaubniß die Mauern ersteigen und den gerechten Fluch auf den übermüthigen Feind schleudern zu dürfen. Wohl geschahen unter der Kraft gebenden geweckten Begeisterung Wunder der Tapferkeit, wohl wurden die Perser anfangs gezwungen, die Belagerung aufzuheben; umsonst, es ereilte die Stadt doch ihr Verhängniß. Nisibis wurde i. J. 350 von den Persern genommen und die Schule daselbst zerstört. Welche Verehrung aber Jakob und Ephraem damals genossen, mag noch die Erzählung beweisen, daß auf ihr Gebet hin, wie einst über die Aegypter so über das Persische Heerschwere Plagen gekommen seien (ungeheure Schwärme Ungeziefers sollen sie und ihre Pferde und Elephanten gepeinigt haben) und sie genöthigt haben wenigstens für damals von der Belagerung abzustehen. Sie standen so hochgeachtet in der Gemeinde da, wie ein Moses und Aaron. Sonst ist uns aus dieser Zeit der stillern Lern- und Lehrthätigkeit Ephraems nichts weiter bekannt, als daß er nach bestimmter Angabe 28 Jahre alt getauft wurde. Man hat gefragt, von wem? Kaum möchte hierüber ein Zweifel sein können. Jakob, sein geistiger Vater, war ohne Zweifel derjenige, von dem er die Weihe der Taufe erhielt. Er scheint sich nicht früher für eine solche reif gehalten zu haben; eben deshalb sehen wir ihn auch nicht in ein Kirchenamt eintreten, dem er sich nicht etwa aus Furcht und Bangigkeit bei den drohenden Verfolgungen, sondern aus zu großer Gewissenhaftigkeit und Gottesfurcht entzog Nisibis war also von den Persern genommen und die Schule daselbst zerstört worden; die christliche Kirche wurde mit Feuer und Schwerdt verfolgt. Was sollte Ephraem hier länger weilen? Wohl wäre es eine Pflicht gewesen, als treuer Kirchenhirte bei seiner Heerde auszuharren: er war aber nicht in den Kirchendienst eingetreten. Hierzu kam noch, daß der Bischof Jakob gerade noch zur rechten Zeit vor der Katastrophe gestorben war. So begab er sich trauernd nach seiner Mutterstadt Amida, bald aber, da auch hierher das Kriegsgestürm drang (es ward 349 befestigt), nach dem alten ehrwürdigen Sitze des Christenthums, nach Edessa: die Stadt mit ihren Klöstern gewann beim ersten Anblicke so viel Anziehendes für ihn, daß er sofort beschloß, hier bis ans Lebensende zu bleiben.

Wie für die Stadt selbst, so gewann er auch für die Einwohner ein gutes Vorurtheil. Ein Fluß, Namens Daian, bespült die Mauern der Stadt; Frauen waren hier bei einem Kommen mit Waschen beschäftigt. Eine faßte den Fremdling dreist ins Auge, daß er sich unwillig mit der Frage an die wandte: „Wie kannst du so schamlos um dich blicken? solltest du nicht vielmehr die Augen zur Erde niederlenken?“ Diese aber antwortete schnell gefaßt: „Solltest du nicht vielmehr zur Erde niederblicken, der du aus Erde gemacht bist, und sollte ich dich nicht anschauen dürfen, die ich von dir genommen bin? „Wie mögen doch hier die Männer begabt sein,“ dachte der über die Antwort verwunderte, „wenn schon die Frauen solchen . Scharfsinn an den Tag legen.“ So trat Ephraem mit schönen Hoffnungen in die Stadt und zwar, um nicht unthätig zu sein, in die Dienste eines Badewirthes; er konnte aber in solchem Dienste seinen höhern Lebensberuf nicht verleugnen. Im alten Glaubenseifer ward die Bekehrung der auch hier noch sehr zahlreichen Heiden, deren Irrglaube ja gerade ihm recht klar geworden, sein eigentliches Ziel. Da trifft ihn einst ein Mönch mit weißen Haaren mitten in dieser Thätigkeit und nimmt an einem innigen Verkehre mit den Heiden nicht wenig Anstoß. Nachdem er sich nach seinen frühern Lebensverhältnissen erkundigt, ruft er ihm zu: „Wie kannst du doch als Christ in solchen Verkehr treten, solltest du dich nicht überhaupt von der sündigen Welt zurückziehen?“ Es war das ein Wort, das in der Seele des ascetisch gesinnten gerade jetzt großen Anklang finden mußte. Er sprach sofort eine volle Geneigtheit dazu aus. „Nun so mache dich.“ jagte der Greis, „zum Heil deiner Seele auf den Weg, besteige dort den Berg und wende dich an einen der älteren Mönche, auf daß er dich zur wahren christlichen Vollkommenheit hinleite.“ Ephraem hörte das Gebot mit aller Freude, folgte dem Rufe wie einem höhern, zog die Mönchskleider an und begab sich in eine Höhle, wo er unter Fasten und Gebet sich ganz in das Studium der Schrift vertiefte. Jetzt hatte er auch Muße, den Gewinn desselben in Wort und Schrift zu fassen. Bald soll der Greis, der sein Führer zum Berge war und natürlich ihn auf der neuen Lebensbahn nicht aus den Augen verlor, in nächtlicher Stille einen Engel mit einem innen und außen beschriebenen Buche niedersteigen gesehen und einen andern Engelfragen gehört haben: „Wen glaubst du, werde ich mit diesem Buche belohnen?“ „“Origenes, den Mönch der ägyptischen Wüste, den Schüler des h. Antonius.“ „O nein, du irrest.“ „Nun dann wohl den Mönch Julianus in den nördlichen Gegenden?“ „O nein, du irrst auch hierin. Niemand ist jetzt würdiger dieses Buches, als der h. Ephraem.“ Schon an der Mutterbrust soll man auch einen Weinstock aus seiner Zunge emporwachsen gesehen haben, der, bis zum Himmel aufgeschossen, mit Tausenden von Trauben und aber Tausenden von Beeren prangte: ein treffendes Symbol für die große Produktionskraft unseres Ephraem, für die große Zahl seiner biblisch-ascetischen Erklärungsschriften und die noch größere seiner heiligen Gesänge. Der Greis sah sich in einen hohen Erwartungen nicht getäuscht; er fand die von ihm verfaßten Erklärungsschriften zu den Büchern Moses so vortrefflich, so voll von göttlicher Weisheit, daß er sie mit sich nahm und dieselben den ersten Männern der Stadt, den Lehrern der Schule und ihren Zuhörern und der Geistlichkeit vorlegte. Schon wollten sie ihm selbst dafür huldigen, da verwies er sie auf Ephraem und erzählte ihnen Alles, was er früher in der Vision geschaut hatte. Bald machte man sich auf nach der Höhle, um ihn aus ihr ans Tageslicht hervorzuziehen. Ephraem bemerkte die Kommenden und ahnete die Ursache; sofort machte er sich davon und verbarg sich in dem dichtesten Wald des benachbarten Thales. Da erst sich recht besinnend, hörte er die mahnende Engels- oder Gottesstimme, nicht aus Liebe zur Ruhe das Joch von der Schulter abzuschütteln und das Licht unter den Scheffel zu setzen. So andern Sinnes machte er sich auf den Weg nach Edeja, im Bewußtsein der neuen Aufgabe am Thore den Herrn um Kraft bittend, allen Ketzereien mit Erfolg entgegen treten zu können. Es war Abends, als er in die Stadt einzog; er blieb so im nächsten Thurme der Stadtmauer und trat erst am folgenden Tage unter das Volk. Seine gestrige Flucht und sein heutiges unerwartetes Auftreten erweckte zwar einiges Befremden und selbst Zweifel an Identität seiner Person; er wußte sich aber bei näherer Prüfung so auszuweisen, daß die ihm gewordene himmlische Gnade und Weisheit nur noch in ein helleres Licht trat. Ein weissagender Mönch, der ihm zufällig begegnete, rief noch dazu mit lauter Stimme vor dem Volke aus: „Sehet, das ist der vom Herrn Auserkohrne, der alle Ketzereien vernichten und die Trespe von dem Waizen scheiden wird.“ So geschah es denn nun auch: Ephraem ward der entschiedenste Feind und der Schrecken, ebendeshalb aber auch der Haß aller Ketzer.

Nicht bloß mit Worten, Spott und Hohn, sondern auch mit Waffen und Knütteln fielen sie über ihn her und steinigten ihn fast zu Tode. Glücklich entging er zwar noch ihren Händen, hielt es aber, wiederhergestellt, doch für rathsam, sich wieder in eine stille Klause auf dem Berge zurückzuziehen und den begonnenen Kampf nur mit scharfen Schriften und Briefen fortzuführen. Zugleich wirkte er aber auch hier als Lehrer derjenigen, die sich zu ihm hindrängten, und bildete eine Menge bedeutender Schüler, welche die lebendigen Träger eines Geistes und der Stolz und Ruhm der Syrischen Kirche wurden. Unter der Zeit war Basilius der Große, der Begründer eines neuen thätigeren Mönchslebens, so wie es auch Ephraem genehm war, und einer neuen Klosterregel immer berühmter geworden. Wie mußte es nicht unsern Ephraem, den ernst ascetisch gesinnten, zu ihm, dem Geistesgenossen, mächtig hinziehen? Mitten in einem Gebete hatte er gegen den Altar zu eine leuchtende Säule von unermeßlicher, bis zu dem Himmel hinan reichender Höhe gesehen und die Worte gehört: „Eine solche feurige Säule ist Basilius,“ wie hätte ihn nicht eine Sehnsucht erfassen sollen, an dem Glanze dieses Meteors sich einmal recht lebendig zu erfreuen? Noch lebte aber außer dieser eine andere tiefere Sehnsucht in seinem Herzen. Er hätte gerne auch selbst die Geburtsstätte des Mönchslebens, die Heimathsstätte der größten, verehrungswürdigsten Asceten, seiner Vorbilder, nämlich Aegypten betreten und sich noch höhere Lebenskraft geholt. Erst also nach Aegypten und dann nach Kappadocien, ward jetzt der Wahlspruch des Asceten. Bald war er auf einem Schiffe, auf dem er die Geistesruhe behauptete, als die Wellen in Empörung geriethen und Meerungeheuer das Schiff bedrohten. Voll Achtung und Bewunderung des Gottesmannes, der den Sturm beschworen hatte, dem Ungeheuer getrost mit dem Kreuz entgegengetreten war, schieden die glücklich in Aegypten angekommenen Schiffsleute von dem anfangs nicht gekannten Reisegefährten; Ephraem aber begab sich sofort nach der Stadt Antin (Antonia) und von da nach der cetischen oder nitrischen Wüste. Hier fand er zuerst, in einer Höhle verborgen, den Einsiedler Pesos (Pasäus), mit dem er eine Woche, sieben wahre Feiertage, verlebte, und zog dann tiefer in die Wüste um noch andere treue Asceten und Glaubenshelden aufzusuchen. So feierte er noch manchen Festtag, doch fehlten neben den Rosen nicht ganz die Dornen auf seinem Wege.

Die arianische Ketzerei hatte gerade auch in ihrem Heimathslande weithin um sich gegriffen. Es gab deshalb für den so entschiedenen Freund des orthodoxen Glaubens auch hier bald Kampf und Arbeit. Ein berühmter Patron der arianischen Ketzerei erlaubte sich sogar die heftigsten Ausfälle gegen ihn, als er einen von ihm Gewonnenen eines Bessern zu belehren suchte. Ephraem ließ sich aber nicht einschüchtern; jener schien ihm vom bösen Geist selbst besessen zu sein und er rief deshalb aus: „Die Kraft Gottes strafe dich, du Feind aller Gerechtigkeit; laß ab, dieses Gebild Gottes zu mißbrauchen.“ Der von dem ernst strafenden Worte schwer Getroffene stürzte zu Boden und gerieth in die gewaltigste Aufregung. Eine neue Beschwörung mit dem Kreuzeszeichen, die freundlich dem noch am Boden Liegenden dargereichte Hand brachte ihm aber bald Ruhe und mit dieser die Rückkehr zum wahren Glauben. Solche Wunder der Kraft sicherten Ephraem eine immer erweiterte Wirksamkeit; wenn auch nicht 8 Jahre, mag er doch längere Zeit hier geblieben sein und, selbst gewinnend, auch Andern reichen Gewinn gebracht haben. Endlich konnte er die nie aufgegebene Reise zu Basilius antreten. Es war gerade das Epiphanienfest, als er hier ankam. Er hörte, daß Basilius den folgenden Tag in die Kirche kommen und predigen werde. Hier sah er ihn denn auch zum ersten Male vor sich; er hörte nicht nur mit Ehrfurcht und steigender Bewunderung den großen Kanzelredner, sondern sah auch nach einer Angabe eine Taube, das Symbol des h. Geistes, auf einer Schulter sitzen, welche ihm die geistvollen Worte zuflüsterte. Eben so soll aber auch umgekehrt Basilius durch den h. Geist Ephraem den Syrer erkannt oder ihn zwischen zwei Engeln in blitzesähnlicher Strahlenkleidung, Symbol eines keine Schonung kennenden Feuereifers, gesehen haben. Sicher erkannten sich beide Männer bald im Grunde ihrer Seele und lernten sich so hoch achten und lieben. Natürlich suchte deshalb auch Basilius den eben so frommen als gelehrten Mann für den Kirchendienst zu gewinnen. Nur mit Mühe brachte er es aber dahin, daß sich der Bescheidene zur Diakonatsweihe stellte. Beide hatten übrigens von einander gelernt, Basilius namentlich soll die Winkel des tüchtigen alttestamentlichen Exegeten umsichtig benutzt haben. Sie wurden sich selbst Lehrer in Bezug auf die Sprache. Syrisch soll ihm Basilius bei der Taufe ein „Stehe auf“ zugerufen, Ephraem dagegen griechisch den Segen des Herrn über sich herabgefleht haben. So wenigstens nach einer Darstellung Lange konnte Ephraem aber nicht bei Basilius verweilen; die Sorge um die viel bewegte Heimathskirche führte ihn zurück. Eine verderbliche Ketzerei war dort ausgebrochen; die Anhänger des Bardelanes, des syrischen Hymnensängers und Lehrers höherer Weisheit hatten vorzüglich hier die Oberhand gewonnen. Ein von ihm geschriebenes, Viele verführendes Buch erfüllte Ephraems Seele mit tiefer Trauer. Mit aller einer Kraft und rastlosen Thätigkeit trat er gegen die Irrlehren auf. Als er bemerkte, daß sich die Edelssener vorzüglich durch die einschmeichelnden Töne der Musik verlocken ließen, errichtete er Jungfrauenchöre, dichtete Hymnen auf alle Heilshandlungen, auf die Märtyrer und Dahingeschiedenen rc., prägte sie ihnen ein und ließ an den Fest- und Sonntagen die h. Jungfrauen singen. Er aber war die Seele des Ganzen und leitete, wie ein Meister der Tonkunst, die sich übenden Chöre. Das einsichtsvoll gewählte Mittel verfehlte nicht einen Zweck; die kirchlichen Gesänge verdrängten die unkirchlichen. Vier Jahre waren so verflossen, seitdem er Basilius verlassen hatte, als dieser, der hehren Erscheinung eingedenk, zwei seiner ausgezeichnetsten Schüler, Theophilus und Thomas, nach Edessa zu Ephraem schickte, um ihn zur Bischofsweihe noch einmal zurückzuführen. Er befahl ihnen zwar, wohl wissend, wie wenig Ephraem solche hohe Würde begehre, mit aller Vorsicht zu handeln; der errieth aber doch bald ihre Absicht. Er stellte sich, um sie zu vereiteln, sofort närrisch. Er änderte seine Kleidung, ging in Lumpen umher, lief auf den Straßen zwecklos auf und ab, aß vor allen Leuten und ließ den Speichel in den Bart fließen. Die Gesandten, die ihn in solchem ekelhaften Zustande sahen, ließen sich nun auch wirklich täuschen und kehrten mit der Nachricht zurück, daß der Mann ein Narr geworden. Basilius sah aber tiefer und rief unter Thränen und Seufzern aus: „O nein, ihr seid die Narren, Ephraem aber, den die Welt als einen verborgenen Edelstein noch nicht gehörig gewürdigt hat, ist ein gottweiser Mann.“ So blieb Ephraem in seiner bescheidenen Würde zu Edeja, vorzüglich als Dichter immer größere Verdienste und Anerkennung sich gewinnend; er blieb in derselben bis auf die Zeit Julians des Abtrünnigen, dem er auch mit einer siegreichen Waffe, einen schwungvollen Gedichten, entgegentrat. In der That wußte er eine solche Begeisterung in Edessa zu erwecken, daß eine zum Götzendienst auffordernde Gesandtschaft desselben mit der größten Entschiedenheit und einer auf Alles gefaßten Glaubenstreue abgewiesen wurde. Es ist ein schönes Zeugniß für Edessa und seinen Propheten, daß Julian aus lauter Haß gegen die seit alten Zeiten Christus treu zugewandte Stadt nicht sie, sondern das benachbarte Haran (Charras) mit einem Jupiterstempel besuchte. Julian soll selbst in seinem Grimme daran gedacht haben, die Edessener nach dem Perserkrieg für ihren Glaubenstrotz zu züchtigen; es war aber anders beschlossen. Julian fand seinen Untergang; der hochbetagte Ephraem, der noch zuletzt dem Kaiser selbst Widerstand geleistet hatte, hielt aber hiermit einen Lebenskampf für geschlossen und zog sich in der jetzt wieder eintretenden Zeit größerer Ruhe in eine Klause zurück, die er nur ungern verlassen hatte. Nur einmal noch trat er aus derselben hervor, als eine bittre Hungersnoth über Edessa kam und es ihn der Hungernden jammerte. Mit seinem eindringlichen Worte wandte er sich noch einmal an die Reichen und Begüterten und führte ihnen ihr selbstisches habsüchtiges Wesen ernst zu Gemüthe. Erschüttert wollten sie es zwar nicht Wort haben, daß sie keine andre Sorge hätten, als die für ihre irdischen Güter, und verschanzten sich hinter den gewöhnlichen Vorwand, daß es sehr schwer sei, beim Geben den wahrhaft Hülfe Bedürftigen und derselben Würdigen heraus zu finden. Ephraem wußte aber der Ausrede zu begegnen. „Was ist,“ rief er aus, „eure Meinung über mich?“ Als sie ihm volle Gerechtigkeit als einem durch und durch redlichen und erprobten Manne widerfahren ließen, bat er sie, ihn diese schwere Aufgabe lösen zu lassen. Und bald standen 300 Betten in den öffentlichen Hallen, bereit zur Aufnahme und Verpflegung der Kranken, Fremden und der vom Lande herbeigekommenen Nothleidenden. Mit diesem schönen Liebesakte schloß er eine geweihte öffentliche Laufbahn. In seine Zelle zurückgekehrt, sollte er noch den Tod seines Seelenfreundes Basilius erleben. Er erschütterte ihn tief; seine Muse wand dem Freunde noch einen Ehrenkranz. Es war dies ein Schwanengesang. Todesahnungen traten immer bestimmter vor seine Seele; er machte bald ein Testament. Eine tiefe Bewegung gab sich aber im Volke kund, als man von dem drohenden Verluste hörte; viele kamen, um den Propheten noch einmal zu sehen. Er segnete. Alle und verschied, nachdem er die Trauernden noch beschworen hatte, ihn einfach auf dem öffentlichen Gottesacker zu begraben. So geschah es denn auch; eine ungeheure Menge Volkes, die Gesammtgeistlichkeit und ein langer Zug von Mönchen aller Gattungen gaben ihm das letzte Geleite. Unter Palmen und Hymnen ward der Hymnendichter ins Grab gelegt. Sein Körper blieb jedoch nicht hier; er wurde später in die ihm geweihte Kirche übergesiedelt. Er starb nach der Angabe seiner alten von uns benutzten Lebensbeschreibung den 15. Juni, nach der Annahme der alten Kirche den 28. Januar oder 1. Februar. Jedenfalls nach verschiedenen, hier nicht weiter zu erörternden Combinationen in den ersten Monaten des Jahres 379 kurz nach dem Tode des Basilius.

Aus dieser seiner Lebensbeschreibung ergibt sich, daß Ephraem eine geistig hochbegabte, sehr lebendige und kräftige, ja leidenschaftlich erregbare Persönlichkeit war, die, was sie erfaßte, mit aller Innigkeit und Entschiedenheit erfaßte, so daß er selbst das prinzipiell Uebertriebene und Verkehrte bei der Auswahl der Mittel zur Verwirklichung an sich guter Zwecke übersah. Es ergibt sich, daß er Christ und zwar katholischer mit ganzer Seele, ja mit einer gewissen Leidenschaftlichkeit war, die er nicht immer zu meistern wußte. So erzählt ein Lobredner desselben, daß er unter dem Vorwande, selbst ein Anhänger des Apollinaris zu sein, von einer Anhängerin desselben seine Bücher erhalten, die er dann so mit Fischleim verklebt habe, daß der schon bejahrte Apollinaris, der sich auf sie verließ, bei einer Unterredung mit den Katholischen in bittre Verlegenheit gerieth und voll Schimpf den Kürzeren zog. Analogieen hierzu finden wir wirklich in der oben gegebenen Lebensbeschreibung. Es ergibt sich weiter, daß er bei dieser Erregbarkeit und Leidenschaftlichkeit eines Wesens, die nur allmälig einer größeren Ruhe wich, ein geborner Streiter des Herrn war, eine Eliasnatur, ein Mann, den Basilius mit Recht zwischen den Engeln mit dem Blitzesgewande sah und ganz recht als einen derer bezeichnete, von welchen der Herr sage: „Ich bin gekommen, das Schwerdt auf die Erde zu werfen.“ Wo es ihm immer nöthig schien, bestieg er das Kampfroß und zog so unermüdlich gegen alle Ketzereien in seiner Umgebung, gegen die Gnostiker, die Bardetaneaner, Arianer, Manichäer, Apollinaristen rc., die gerade hier in Syrien, dem Lande der Religionsmischerei zahlreicher, als irgendwo hervortraten, zu Felde. Er hat nun in der That auch das Verdienst gewonnen, die kirchliche Lehre gleich den drei großen Kappadociern, vor Allem dem Basilius, treu geschützt und das Schifflein seiner Kirche unversehrt durch die Wellen einer wild fluthenden Zeit geleitet zu haben. Es ergibt sich ferner, daß Ephraem, wie er auch auf dem Gebiete der Wissenschaft mit großer Einsicht und reichem Wissen arbeitete, doch im Grunde eine praktische Natur war, die im Wirken und Ringen für Christus, in einer edlen Proselytenmacherei, in einem unermüdlichen Erbauungseifer allein ihre volle Befriedigung fand. Nur in diesem Eifer schrieb er auch eine stets erbaulichen Erklärungsschriften über die Bücher des alten und neuen Testaments; nur in diesem ward er ein begeisterter Sänger, der sogenannte Prophet der Syrer, die Cither des h. Geistes. Eben so ergibt sich aber auch zuletzt, daß er im Geiste der Zeit und im Besondern auch seiner Kirche als eine ernst sittliche Natur ein Freund des Mönchslebens werden und vor Allem in der Unterdrückung der eignen sinnlichen Regungen und in der treuen Vollziehung frommer Uebungen eine höchste Lebensaufgabe finden mußte. Freilich zog es ihn immer wieder bei dem lebendigen Interesse an dem Entwicklungsgange der Kirche hinaus ins Leben; nichts desto weniger ward er persönlich noch mehr, als ein Basilius, ein Träger der Mönchsfrömmigkeit, die damals als ein Theil des großen Kampfes des Christenthumes mit der Welt und dem Heidenthume ihre Berechtigung hatte. E. F. Gelpke in Bern.