Katharina Luther

Luther behauptete einmal: „Wenn die Weiber die Lehre des Evangeliums annehmen, so halten sie viel härter und steifer darüber als die Männer.“ Dieses Wort wird vielfach durch die Reformationsgeschichte bestätigt, so auffallend es im ersten Augenblick erscheinen mag. Wir müssen anerkennen, dass nicht wenige Frauen die Reformation in Deutschland wesentlich gefördert haben. Um dieses zu würdigen, müssen wir zuerst in Erwägung ziehen, welche Förderung die Reformatoren selbst durch ihre Frauen in ihrer ganzen Stellung erfahren haben((Nur im Vorübergehen sei daran erinnert, dass es Frau Cotta in Eisenach war, welche den Knaben Luther bei sich aufnahm und es dadurch verhinderte, dass er zu seinen Eltern zurückkehrte.)). Wir dürfen zunächst die Behauptung aufstellen: Luther wäre nicht geworden, was er gewesen ist, wenn ihm nicht seine Käthe als treue Gehilfin zur Seite gestanden hätte. Es ist eine falsche Beschuldigung, dass der Augustinermönch durch das Verlangen nach dem ehelichen Leben zur Bekämpfung der herrschenden Missbräuche veranlasst worden wäre. Als er zuerst seine Stimme gegen den Ablass erhob, dachte er an Nichts weniger als an eine Heirat; selbst noch im Jahre 1520 schrieb er an Spalatin: „Unsere Wittenberger wollen sogar den Mönchen Weiber geben; aber mir sollen sie keine Frau aufdrängen.“ Ja, noch im Oktober 1524 bemerkte er demselben Freunde: „Bei der Gesinnung, die ich bisher gehabt habe, wird es nicht geschehen, dass ich eine Frau nehme; ich bin dem Heiraten abgeneigt.“ Doch ehe ein Jahr verging, hatte er seinen Entschluss geändert.

Mit seinem Vorwissen, ja durch seine Vermittlung waren am 4. April 1523 neun Nonnen aus dem Kloster Nimptschen bei Grimma entflohen; Luther nahm sich derselben liebevoll an und suchte ihnen bei Bekannten Unterkunft zu verschaffen und die jüngeren zu verheiraten. An seine Verheiratung dachte er immer noch nicht; wenigstens war nicht Katharina von Bora (geb. 29. Januar 1499) der Gegenstand seiner Sehnsucht. Wenn er damals eine Wahl zu treffen gehabt hätte, hätte er einer anderen Nonne, Eva von Schönfeld, den Vorzug gegeben. Die Katharina hielt er für stolz und darum für ungeeignet, seine Gehilfin zu werden. Er gab sich alle Mühe, den reichen Nürnberger Patrizier Baumgartner zu bewegen, dass er seiner Schutzbefohlenen die Hand reiche, ehe solche einem Andern gegeben würde. Es hatte sich nämlich Dr. Glatz, Pfarrer zu Orlamünde, um dieselbe beworben. Katharina wies diesen Bewerber zurück, und Baumgartner tat keine weiteren Schritte. Dagegen gab Katharina nicht undeutlich zu verstehen, dass es ihr nicht zuwider sein würde, wenn Luther sie zur Lebensgefährtin erwähle. Anfangs war den Freunden des Reformators gerade diese Heirat ein Stein des Anstoßes, weil sie die öffentliche Meinung fürchteten, da unter dem Volke die Ansicht verbreitet war, aus einer Verbindung eines Mönches mit einer Nonne werde der Antichrist geboren werden. Vielleicht ließ sich Luther gerade durch dieses Vorurteil in seiner Wahl bestärken. Ohne sich mit seinen Freunden besprochen zu haben, bat er um das Jawort und erhielt dasselbe. Am 13. Juni 1525 wurde er durch seinen Freund Bugenhagen in Gegenwart weniger Zeugen ehelich eingesegnet. Natürlich erregte dieser Schritt nicht geringes Aufsehen; namentlich gab diese Heirat den Feinden der Reformation Veranlassung, durch allerlei üble Nachreden ihrem Ärger Luft zu machen. Luther äußerte sich: „Ich habe mich durch meine Heirat so geringschätzig und verächtlich gemacht, dass ich hoffe, es werden die Engel lachen und die Teufel weinen.“ So viel ist wenigstens gewiss: Luther wurde durch sein eheliches Leben in seiner Reformationstätigkeit nicht gehindert, sondern gefördert. Allerdings konnte Katharina nicht durch Rat und Tat ihren Gatten unterstützen, namentlich nicht in wissenschaftlicher Beziehung. Ihre Kenntnisse waren beschränkt, wie schon die vielerwähnte Frage, ob der Hochmeister in Preußen des Markgrafen von Brandenburg Bruder sei, beweist; es war eine und dieselbe Person. Doch ist die Äußerung von Erasmus zu beachten, dass Luther seit seiner Verheiratung gegen seine Feinde sanfter und milder geworden sei. Der Mann bedurfte bei seinen vielen, amtlichen und nichtamtlichen Arbeiten einer ihm wohltuenden Erholung und Erheiterung, und diese wurde ihm in reichem Maße in seiner Familie zu Teil. Er fühlte sich glücklich an der Seite seines Weibes und im Kreise seiner Kinder, deren ihm Katharina sechs gebar; er teilte derselben mündlich und schriftlich mit, was sie über den Fortgang der Reformation interessieren konnte. Der gelehrte Mann verachtete auch nicht das gesunde, natürliche Urteil seiner Gattin. Bisweilen erinnerte ihn diese daran, dass er ein gebrechlicher Mensch sei und solches über seinem unermüdlichen Eifer vergesse. Einmal zeigte er sich während dreier Tage nicht in dem Familienzimmer. Frau Käthe ließ die Tür der Arbeitsstube erbrechen, da all‘ ihr Pochen ohne Erfolg und Antwort blieb. Luther war mit der Übersetzung des 22. Psalmes beschäftigt, und erwiderte auf die Vorwürfe seines treuen Weibes: „Meinst Du, es sei etwas so Schlechtes, was ich vorhabe? Weißt Du nicht, dass ich wirken muss, so lange es Tag ist?“ Besonders gerne besprach er sich über den Katechismus mit derselben, und nannte sie deshalb auch seine Katechissima. Auch die Erklärung einzelner Bibelstellen machte er zum Gegenstande der Unterredungen der Familienstube, sowie er auch seine Käthe aufforderte, fleißig in der heiligen Schrift zu lesen. 1535 schrieb er an seinen Amtsgenossen Dr. Jonas: „Die Käthe hat angefangen, die Bibel zu lesen. Ich habe ihr 50 Gulden versprochen, wenn sie zu Ostern damit fertig wird.“ Dass sie auch unter den regelmäßigen Zuhörern ihres Mannes war, versteht sich von selbst, und wird durch ein Gemälde von Lukas Kranach bestätigt. Man bemerkt auf demselben unter den Personen, welche Luthers Kanzel umgeben, auch das wohlbekannte Gesicht seiner Gattin.

Bei seinen geselligen Erholungen, Spaziergängen usw. ging, saß und stand Katharina an seiner Seite. Während dieselbe im Garten arbeitete, spielte Luther mit seinen Kindern oder zeigte seinen Freunden die schönen Blumen und Früchte.

Bei der Kindererziehung konnte die Mutter die dem mütterlichen Herzen eigentümliche Schwäche und Nachgiebigkeit nicht verleugnen, und es war gut, dass hier der Mann häufig seine Rechte geltend machte. Einstens ließ er seinen dreijährigen Sohn Johannes wegen einer Ungezogenheit drei Tage nicht vor sich. Die Mutter bat um Nachsicht; der Vater aber erklärte: „Lieber einen toten als einen ungeratenen Sohn.“ Und wir wissen doch, wie groß die Vaterliebe des Mannes war. Mit welcher Sorgfalt saß und wachte derselbe an dem Krankenbette seiner Kinder? Wie war sein Herz mit Trauer erfüllt, wenn der Todesengel ihm ein Kind wegnahm; z. B. sein liebes Lenchen. Und wie wusste er sich selbst und seine Gattin über den schmerzlichen Verlust zu trösten? Mit welcher Zärtlichkeit und Kindlichkeit schrieb er an seine Kinder Briefe, wenn er von denselben entfernt war? Man muss das Alles erwägen, um zu erkennen, welchen wohltätigen Einfluss das eheliche Leben auf das Gemüt Luthers gemacht hat. Er fühlte sich glücklich im Kreise der Seinen, wie aus unzähligen mündlichen und schriftlichen Äußerungen hervorgeht.

Am 11. August 1526 schrieb er an seinen Freund Stiefel: „Es grüßt Euch Käthe, meine Rippe. Sie befindet sich mit Gottes Hilfe wohl und ist mir willfährig und in Allem gehorsam und gefällig, dass ich meine Armut nicht mit Krösus‘ Reichtum vertauschen möchte.“ Und es war nicht das Feuer der ersten Liebe, wodurch er zu solchen Äußerungen veranlasst wurde. Noch im Jahre 1538 schrieb er an einen guten Freund: „Wenn ich ein junger Witwer wäre, so wollte ich doch, auch wenn mir eine Königin nach meiner Käthe angeboten würde, lieber sterben, als zum zweiten Male mich verehelichen. Ich kann keine gehorsamere Frau bekommen; ich müsste mir sie denn aus Stein hauen lassen.“ In seinen Tischreden sagt er: „Ich achte sie teurer, denn das Königreich Frankreich und der Venediger Herrschaft; denn mir ist ein fromm Weib von Gott geschenkt und gegeben.“ „Ich habe meine Käthe lieb, ja ich habe sie lieber, denn mich selbst; das ist gewisslich wahr. Ich wollte lieber sterben, denn dass sie und die Kinderlein sterben sollten.“ „Es ist keine lieblichere, freundschaftlichere und einmütigere Verwandtschaft, Gemeinschaft und Gesellschaft, denn eine gute Ehe.“

Sein Herz war hoch erfreut, wenn sein Weib von einer Krankheit genesen war; er schrieb in einem solchen Falle: „Meine Käthe fängt an, mit Wohlgefallen zu essen und zu trinken und schleicht mit den Händen an Tischen und Bänken umher.“

Wurde er selbst auf das Krankenlager geworfen, so hatte er an seinem Weibe eine unermüdliche Pflegerin. Käthe war eine sorgsame Hausfrau, und das war für Luthers Verhältnisse ein großer Gewinn. Seine Besoldung war nicht groß, und seine Vermögensverhältnisse nicht die besten. Als er 1527 erkrankte und sich dem Tode nahe glaubte, empfahl er die Seinen der väterlichen Obhut Gottes, da er denselben weder Haus noch Acker, noch Geld noch Gut hinterlassen könne. Er erwähnt das öfters, dass er von armen Eltern geboren sei und selbst noch in das Register der Armen gehöre. Dabei gestand er, dass er kein guter Haushalter sei und dass er übel beraten wäre, wenn sein Weib nicht das Wenige, was er habe, zu Rate hielte. So sagt er in seinen Tischreden: „Eine jegliche Person in der Ehe soll ihr Amt tun, was ihr gebührt; der Mann soll erwerben, das Weib aber soll ersparen; darum kann das Weib den Mann wohl reich machen und nicht der Mann das Weib; der ersparte Pfennig ist besser, denn der erworbene.“ Später kaufte Luther ein kleines Gut in der benachbarten Gemeinde Zülsdorf für 610 Gulden. Hier waltete Katharina als sorgsame Hausfrau, auf die ihres Mannes Herz sich verlassen konnte; sie bekümmerte sich um den Viehstand und die Landwirtschaft. Luther nannte sie deshalb bisweilen scherzend „Katharina Luther von Bora und Zülsdorf.“ Noch am 16. Februar 1546 schrieb er an dieselbe „Katharina Lutherin, die Zülsdorferin.“

Was wäre Luther ohne die sorgsame und sparsame Käthe geworden? Er folgte bei seiner Freigebigkeit mehr dem Drange des liebenden Herzens als dem Rat des berechnenden Verstandes. Eines Tags kam ein armer Student zu ihm und klagte ihm seine Not. Da Luther im Augenblick einen leeren Beutel hatte, nahm er einen silbernen, vergoldeten Becher, den er von einem Fürsten erhalten hatte, drückte denselben zusammen und schenkte ihn dem Studenten. Er gewahrte in diesem Augenblicke die bedenkliche, unwillige Miene seiner Frau; darum äußerte er: „Ich brauche keinen silbernen Becher.“ Ein ander Mal gab er einem Bedrängten, der um eine Unterstützung bat, das Patengeschenk des jüngsten Kindes. Als die Wöchnerin die Tatsache erfuhr und zürnte, suchte sie Luther zu beruhigen, indem er sprach: „Gott ist reich; er wird ein anderes Geschenk bescheren.“

Scherzweise beschwerte er sich bisweilen, dass Käthe allzustrenge die Herrschaft führe. Dagegen ist auch folgende Äußerung seiner Frau gegenüber nicht zu übersehen: „Du überredest mich zu Allem, was Du willst. Du hast die ganze Herrschaft. In dem Haushalte gestehe ich Dir es gerne zu, meinem Rechte unbeschadet; denn der Weiber Regiment hat noch niemals etwas Gutes gestiftet.“

Luther vermachte in seinem 1542 errichteten Testamente der treuen Lebensgefährtin das Gütlein Zülsdorf, mit 200 Gulden Schulden belastet, ein Haus in der Stadt, einen Becher und Kleinodien im Werte von 1000 Gulden, mit dem Bemerken: „Das tue ich darum, dass sie mich als ein fromm, treu, ehrlich Gemahl allezeit lieb, wert und schön gehalten, und mir durch reichen Gottes Segen fünf Kinder gegeben und erzogen hat, und zu allermeist darum, dass ich will, sie müsse nicht den Kindern, sondern die Kinder ihr in die Hände sehen, sie in Ehren halten und unterworfen sein, wie Gott geboten hat.“

Als Luther am 18. Februar 1546 sein tatenreiches Leben beendete, war die Zukunft seiner Witwe keineswegs sichergestellt. Zwar gewährte ihr der Kurfürst von Sachsen eine jährliche Unterstützung, so wie auch der König von Dänemark die Pension, die er Luther versprochen hatte, fortzuzahlen versprach; aber der für die Evangelischen so verhängnisvolle schmalkaldische Krieg verstopfte ihr alle Hilfsquellen. Der Kurfürst Johann Friedrich geriet in Gefangenschaft und konnte nicht halten, was er gelobt hatte. Der König von Dänemark hielt die versprochene Unterstützung zurück, so dass Katharina oft in große Verlegenheit geriet. Sie nahm Studenten in Kost und Logis, um sich besser nähren zu können; doch konnte sie sich nicht der Notwendigkeit entziehen, ihr Gut mit neuen Schulden zu belasten. 1552 brach in Wittenberg eine ansteckende Krankheit aus, so dass die Universität nach Torgau übersiedelte. Auch die verlassene Witwe wollte folgen, damit sie ihren geringen Verdienst durch Kostgänger nicht verliere. Unterwegs wurden die Pferde scheu, und Katharina, um ihre Kinder besorgt, sprang aus dem Wagen, fiel auf die Erde und dann in einen mit Wasser angefüllten Graben Schrecken und Erkältung zogen ihr eine bedenkliche Krankheit zu, welche sich bald in Zehrung verwandelte. Sie starb am 20. Dezember desselben Jahres zu Torgau und wurde am folgenden Tage in der Stadt- und Marienkirche beigesetzt.