Zu Aachen, wo manchem großen deutschen Kaiser die Krone auf das Haupt gesetzt wurde, zum Wahrzeichen, daß er der vornehmste Herrscher sei in der Christenheit, steht in dem uralten Münster ein schlichter Grabstein, darauf sind die Worte zu lesen: „Karl dem Großen. Bei diesem Steine soll Jedermann, der in die Kirche eintritt, des großen Kaisers Karl gedenken, dessen Name einst gepriesen und gefürchtet wurde von Christen und von Heiden bis zum fernen Morgenlande, weil er ein siegreiches Schwerdt führte, und doch groß und gut war und weise regierte, der auch dieses Gotteshaus gegründet hat, wo er zuletzt nach allen herrlichen Thaten bestattet worden ist, um auszuruhen von seinem schweren Tagewerke. Mehr als tausend Jahre sind seitdem verflossen, und längst ist das ganze deutsche Volk eingegangen zu den Pforten der Kirche, längst hat sich die Asche des großen Kaisers mit dem Staube vermischt, und andere Herrscher haben die Welt mit ihrem Ruhme erfüllt; aber vergessen ist er darum nicht, denn keiner von allen Kaisern war größer als er, und wollte man einen am höchsten preisen, dann sagte man: „Er hat gewaltet wie Karl der Große.“ Denn alles Leben wie es geworden ist in deutschen Landen, und weit darüber hinaus, in bürgerlichen Einrichtungen und kirchlichen Ordnungen, das gibt Zeugniß von dem was er gethan hat, und unter allen, die ein Werkzeug waren in der Hand Gottes, ist er das gewaltigste gewesen. Mit starkem Arm hat er einen großen Theil der deutschen Erde durchfurcht, damit sie jenes Senfkorn in sich aufnehme, das nun zu einem hohen Baume aufgewachsen ist, und in dem Schatten seiner mächtigen Zweige haben seitdem viele Millionen Menschen Obdach, Schutz und Frieden gefunden.
Als Karl im Jahre 768 nach dem Tode seines Vaters Pipin, der auch ein großer Herrscher war, zum Reiche kam, da hatte im Lande der Franken das Licht des Christenthums schon lange die alte Finsterniß verscheucht, denn in den Städten erhoben sich Kirchen und Bethäuser, und die Bischöfe nahmen der Lehre wahr, und den Armen und Unwissenden wurde das Evangelium gepredigt, und die Menschen wohnten friedlich neben einander wie es Christensitte und Brauch ist. Aber so stand es nicht überall. Denn auf dem festen Lande herrschte die christliche Lehre nur noch jenseits der Alpen in Italien, wo in der uralten Stadt Rom der Papst seinen Sitz hatte, der damals der oberste Bischof der Christenheit war.
Wie ein Eiland aus dem stürmischen Meere erhoben sich diese Länder unter dem Panier des Kreuzes, das hoch aufgerichtet war und weit hinausschaute in die Welt, denn rings umher waren sie eingeschlossen von Heiden und Ungläubigen, die von allen Seiten einzubringen trachteten in die Christenheit. Da wohnte im Norden von Deutschland bis zur Elbe hin das tapfere und zahlreiche Volk der Sachsen, dem das sanfte Joch Christi eine schmähliche Knechtschaft schien, und über die Elbmündung hinaus saßen die harten Dänen und Normannen, die auch Heiden waren und auf ihren Raubschiffen alle christlichen Länder heimsuchten, und tiefer nach Osten hinein die Slaven und Wenden, die bittere Feinde waren aller Deutschen und des Christenthums. Weiter hinab im heutigen Ungerlande hauste ein fremdes Volk, das wilder und grausamer war als alle andern, das hieß die Avaren. Und jenseits des hohen Pyrenäengebirges in Spanien war das weite Reich der Saracenen, die glaubten zwar an einen einigen Gott, aber ihr Glaube war verworren. Denn sie hielten Mohamed für einen göttlichen Propheten, und haßten die Bekenner der Lehre Christi. Also war die Christenheit überall von Heiden umgeben, da bedurfte es eines glaubensfesten Sinnes und eines starken Schwerdtes, um sie vor Schaden zu hüten und den Untergang des Reich abzuwehren. Auch hatte Karl viele und schwere Kämpfe zu bestehen; denn wo einer die Hände nach seiner Hülfe ausstreckte, da erschien er mit seinem Heere, und alle seine Kriege hat er allein zum Schutze wider die Heiden geführt, und zum Beistande der Schwachen wider übermüthige Feinde.
Zuerst aber rief der Papst seine Hülfe an gegen den mächtigen König der Langobarden, der hatte dem Papste mehrere Städte entrissen und ihn in seinem eigenen Sitze bedroht. Da überstieg Karl mit seinem Heere die Alpen und lagerte sich vor Pavia, der festen Hauptstadt des Königs. Der aber stand auf dem höchsten Thurme der Stadt und schaute hinaus nach dem feindlichen Lager. Als er nun den König Karl erblickte im glänzenden Helmschmuck, wie er weit kenntlich vor den andern hoch auf seinem Rosse saß mit dem Speer in der Hand, da erschrak er über den gewaltigen Mann, der Muth entsank ihm, und er stieg vom Thurme herab. Bald darauf wurde die Stadt erobert und das ganze Reich der Langobarden, und der Papst war gerettet, und alle christlichen Reiche in Italien, Frankreich und Deutschland, gehorchten fortan nur einem Herrscher, dem Könige Karl. Als er nur wenige Jahre darauf einen Reichstag hielt mit den Großen des Landes zu Paderborn, da erschienen abermals Bittende vor seinem Throne; das waren Statthalter der Saracenen, die schon von seiner Macht und Weisheit gehört hatten. Sie unterwarfen sich und ihre Städte seinem Regimente, und flehten, er möge ihnen zu Hülfe kommen wider die Bedrückungen des Chalifen, der in Spanien herrschte. Karl aber hieß sie willkommen und erkannte in ihrer Bitte den Ruf, daß er die Kirche solle wiederherstellen helfen im Lande der Saracenen. Und er zog über die Pyrenäen und den großen Fluß Ebro, und eroberte die Stadt Saragossa; alles Land aber, durch welches er gekommen war, gehorchte ihm von jetzt an. Da er nun auf dem Rückwege einherzog, auf engem Pfade zwischen den steilen Felsenwänden, deren Spitzen sich in die Wolken verlieren, da brachen aus verborgenen Klüften die feindlichen Gebirgsvölker hervor, und viele tapfere Mannen wurden erschlagen, oder in den Abgrund gestürzt; doch Karl und die Seinen brachen sich Bahn und erreichten die Heimath wieder.
Hier aber warteten seiner noch schwerere Kämpfe. Denn schon vorher hatte der blutigste unter allen Kriegen begonnen, den Karl je bestanden hat, gegen die Sachsen. Der kostete vielen Tapfern auf beiden Seiten das Leben, und hat drei und dreißig Jahre lang gedauert. Schien es aber, er sei beigelegt, so brach er wie eine alte und unheilbare Wunde immer wieder von Neuem aus. Die Sachsen und Franken waren Nachbaren und von alten Zeiten her Feinde. Wenn nun die heidnischen Sachsen einfielen in das Reich und die Kirchen verbrannten, dann faßten auch die heimlichen Heiden, die noch unter den Franken im Verborgenen lebten, neuen Muth und drohten sich zu erheben, darum war dieser Krieg gefährlicher als alle anderen. Lange Zeit wechselte Sieg und Niederlage, und Bekehrung und Abfall, aber der König ruhete nicht eher als bis er die Sachsen bezwungen und ihren harten Sinn gebrochen hatte. Da empfingen ihre vornehmsten Führer die Taufe, und das Volk nahm den Glauben und die Sitte der Christen an. Da nun der König im Sachsenlande Burgen und Kirchen errichtet hatte, überschritt er auch die Elbe und lernte die Völker der Wenden und Slaven kennen. Einen Theil von ihnen und auch die Böhmen unterwarf er dem Reiche, und so kam das Christenthum auch zu diesen. Dann aber ging er wider die Avaren im Ungerlande, die eine Plage waren für alle benachbarten Völker, denn sie plünderten weit und breit, und häuften alles geraubte Gut in ihren festen Plätzen zusammen. Doch Karl eroberte ihre Festen, entriß ihnen den Raub, und legte Grenzwehren wider sie an, damit das Reichs gesichert wäre vor ihren Einfällen. Auch die Dänen bekriegte er, und schloß dann einen Frieden mit ihnen, daß ihre Raubschiffe ihm fortan keinen Schaden mehr thäten.
So hatte Karl ein großes Reich gestiftet, wie seit Jahrhunderten keines war gesehen worden, denn alle deutschen Stämme gehorchten ihm und die Völker in Italien und Frankreich, die Saracenen am Ebro, die Slaven an der Elbe und die Avaren an der Raab. Ueber dreißig Jahre waren nun unter wechselnden Geschicken verflossen, da geschah es, daß Karl wiederum nach Italien ziehen mußte, denn abermals hatte der Papst seinen Schutz angerufen. Der Papst, welcher damals in Rom herrschte, hieß Leo; gegen den erhoben sich seine Feinde, und da er im feierlichen Zuge durch die Straßen ritt, fielen sie über ihn her und verwundeten ihn. Da aber seine Wunden geheilt waren, entfloh er aus der Stadt, und eilte nach Deutschland, das mit Karl ihm helfe. Als dieser die Bitte Leo’s vernommen hatte, wurde er zornig über die geschehene Frevelthat, bot seine Mannen auf und zog nach Rom. Hier untersuchte der König Alles nach dem Rechte, strafte die Frevler und stellte den Frieden wieder her. Da es nun um die Weihnachtszeit war, so beging er zu Rom das hohe Fest wie es sich ziemt. In der Peterskirche aber war er zugegen mit seinen Rittern bei dem feierlichen Hochamte, und als er niedergekniet war vor dem Altare, da legte ihm der Papst vor allem Volke eine Kaiserkrone auf das Haupt, und begrüßte ihn als Kaiser und Herrn der Christenheit. Das Volk aber rief mit lauter Stimme: „Heil und Sieg dem erhabenen Karl, dem großen und erlauchten Römischen Kaiser, den Gott gekrönt hat.“ Das war ein großer und feierlicher Augenblick, wie er selten vorkommt in dem Leben der Menschen, denn das war der Ursprung und Anfang des deutschen Kaiserthums, das tausend Jahre bestanden, und auf die Geschicke vieler Völker eingewirkt hat bis auf den heutigen Tag. Karl aber nannte sich von nun an einen Kaiser von Gottes Gnaden, und achtete sich für einen Schirmherrn der Kirche und Vorsteher der Christenheit, dem Gott das Amt gegeben, daß er in Kirche und Reich zum Rechten sehe, und die Seelen Aller, die Gott seiner Herrschaft untergeben habe, den Weg des Heils führe.
Als ein wahrer Kaiser trug er nun Sorge für das große wie für das Kleine, für Recht und Gerechtigkeit, für den Schutz der Armen und Bedrängten, für die Kirche und die Reinheit ihrer Lehre, für Predigt und Gottesdienst, für Schulen und Unterricht der Kinder und die Wissenschaft. Alles dessen nahm er wahr neben den Sachen des Staats, den Kriegen und Heerzügen und Botschaften, die er aus Theilen des Reichs anhörte. Auch durchzog er das Land und wollte überall selbst sehen und hören wo zu helfen sei. Dann versammelte er die Grafen, Bischöfe und Aebte, und berieth mit ihnen das Wohl des Landes, und gab Gesetze und ordnete alles, wie es am besten schien.
Vor Allem aber sorgte er für die Kirche, für ihre Erhaltung, wo sie eben gepflanzt war, für ihre Förderung und Besserung, wo sie schon länger bestand. Weil nun bei den Sachsen das Heidenthum am tiefsten eingewurzelt war, sandte er dorthin die kräftigsten Streiter und Arbeiter. Da predigte und taufte Liudger, Lebuin und Willehad, die ihre Gedenktage im christlichen Kalender haben. Auch theilte er das ganze Land in Sprengel, denen er Bischöfe vorsetzte, damit sie auf das Heil des Volkes sehen und das Gewonnene erhalten möchten. So wurden Bischofsitze errichtet in Paderborn und Münster, in Osnabrück und Bremen. Und auch zu den Avaren wurde von Salzburg aus das Christenthum gebracht. Mit den Bischöfen aber wachte der Kaiser über die Reinheit der Lehre, und wenn sich irgendwo zum Verderben der Leute Irrlehrer erhoben, dann trat er ihnen mit den scharfen Waffen des Geistes entgegen, und suchte sie auf den richtigen Weg zurück zu führen. Doch die Bischöfe selber ermahnte er zu untadelichem Wandel und zur Wachsamkeit über Leben und Predigt der Priester, daß sie dem Volke das lautere Evangelium verkündigten, und nichts aufkomme was der Schrift zuwider sei. „Sie sollen predigen,“ verordnete der Kaiser, von der Dreieinigkeit und der Menschwerdung Christi, sie sollen das Laster strafen, zur Liebe ermahnen, Glaube und Hoffnung erwecken und auffordern zu allen christlichen Tugenden, damit die Leute vom Bösen lassen und das Gute thun.“ Zum Muster und Vorbilde ließ er eine Sammlung der Predigten der alten und großen Kirchenlehrer machen. Damit aber die Priester nicht aus Unwissenheit in Irrlehren verfielen, und zu allen Zeiten Rechenschaft geben könnten von dem Inhalte der heiligen Schrift, wollte er, daß sie auch in Sprache und Wissenschaft sollten bewandert sein. Darum rief er große Gelehrte, die damals vor allen Ländern in Italien und England waren, an seinen Hof, und an den Bischofsitzen und in den Klöstern ließ er Schulen einrichten. Auch die Kinder sollten in dem Glauben unterrichtet werden, und der Kaiser achtete es nicht unter seiner Würde, in den Schulen in ihre Mitte zu treten, und sie zu loben oder zu tadeln. Dann aber stellte er im ganzen Reiche alle verfallenen Kirchen wieder her, und erbaute neue, unter diesen aber war ihm keine lieber als die zu Aachen. Die schmückte er mit kaiserlicher Pracht und ließ Säulen, Marmor und Kunstwerke aus Rom und Ravenna kommen, und hier feierte er am liebsten die hohen Feste Weihnachten und Ostern. Damit nun solche Feste begangen würden wie es sich gebührt, berief er berühmte Lehrer des Kirchengesanges aus Italien, daß die Franken auch hierin unterwiesen würden; auch ließ er Orgeln in den Kirchen aufstellen.
War nun Friede im Reiche, dann lebte der Kaiser in seinem Palaste mit jenen gelehrten Männern, und im Umgange mit ihnen suchte er selbst noch zu lernen in allen guten Dingen. So lernte er noch in späten Jahren fremde Sprachen, und versuchte zu schreiben, und ließ sich unterrichten in allen Künsten und Wissenschaften, wie sie damals getrieben wurden. Oft unterredete er sich mit den gelehrten Bischöfen und Aebten über die Vorzeit, über die Bücher der heiligen Schrift, und über Gott und göttliche Dinge, denn er durstete nach der Erkenntniß des Grundes auf dem alles Leben ruht, und dann rief er aus: daß Gott mir solche Männer senden möchte, wie der h. Hieronymus und Augustinus waren!“ Vor allen liebte er den h. Augustinus, und selbst wenn er bei der Mahlzeit saß, ließ er sich aus dessen Buche vom Reiche Gottes, vorlesen. Sonst war der Kaiser in seiner Lebensweise ein schlichter Mann, der einfach einherging wie die übrigen seines Volkes. Dennoch aber erkannte Jedermann, daß er der Kaiser sei und ein gewaltiger Herrscher. Er war groß von Gestalt, hatte leuchtende Augen, ein offenes und freies Antlitz und eine helltönende Stimme. Fest und majestätisch schritt er einher, und wer in seine Nähe kam, der blickte auf ihn mit Ehrfurcht. In allen Künsten des Kriegs und der Tapferkeit war er wohlerfahren, und unter allen Königen jener Zeit war er an Weisheit und Hoheit des Sinne der erste. Wie er ein jegliches Ding nach seinem Wesen erkannt hatte, also führte er es aus, und war dabei unerschütterlich, und zagte nicht in der Gefahr, noch überhob er sich im Glücke.
Als er nun längere Zeit geherrscht hatte, verbreitete sich sein Ruhm weit hinaus über die Grenzen seines Reichs zu fremden Fürsten und Völkern bis in das Morgenland; da schickten sie alle Gesandte nach Aachen an den Hof, daß sie mit dem Kaiser die gemeinsamen Dinge besprächen. So thaten die stolzen Kaiser in Constantinopel und auch der Chalif des Arabischen Reichs, der ihm herrliche Geschenke übersandte. Auch der Patriarch von Jerusalem schickte ihm die Schlüssel des heiligen Grabes, weil der Kaiser unter allen Königen der Christenheit der mächtigste war, und die heiligen Orte unter seine Obhut nehmen sollte. Denn auch die Christen in Jerusalem und Alexandria, und wo sie sonst in Asien und Afrika seines Schutzes bedurften, hatte er zu allen Zeiten unterstützt. Weil aber nun Karl so viel Gewaltiges vollbracht hatte, darum nannten ihn seine Zeitgenossen den Großen; er aber nannte sich nicht so, sondern demüthigte sich in seinem Herzen und sagte: „Gott allein ist groß, ihm allein gebührt die Ehre“. Denn auch an schweren Prüfungen neben den vielen Kriegen hat es ihm nicht gefehlt. Im Reiche empörte sich der Baiernherzog, der ihm nahe verwandt war, wider ihn, so daß er ihn absetzen mußte, und einer seiner Söhne machte eine Verschwörung unter dem Volke, und trachtete seinem Vater nach Leben und Reich, da ließ ihn der Kaiser in ewiges Gefängniß sehen. Dann starben seine besten und tapfersten Söhne Karl und Pipin vor ihm, die schon in mancher heißen Schlacht glücklich für ihn gekämpft hatten. Das beugte den Kaiser tief, denn er dachte sein Reich unter sie zu theilen, daß sie dereinst neben einander herrschen sollten in der Weise des Vaters. Nun aber war noch der jüngste seiner Söhne übrig, der hieß Ludwig und wurde der alleinige Erbe des weiten Kaiserreichs.
Seit der Zeit aber alterte Karl rasch, und nachdem er sechs und vierzig Jahre rastlos gewirkt hatte, sehnte er sich von seinem großen Tagewerke auszuruhen, und er fühlte, daß er nun bald sterben werde. Darum begann er sein Haus zu bestellen und berief seinen Sohn Ludwig nach Aachen. Hier aber versammelte er einen großen Reichstag, wie er ihn oft gehalten, und ermahnte die großen und Mächtigen, daß sie seinem Sohne die Treue bewahren sollten unverbrüchlich, wie sie ihm gethan hätten. Dann aber war ein feierliches Hochamt in der Kirche, da erschien Karl noch einmal in seiner kaiserlichen Pracht, aber schon war er schwach, und wenn er ging, mußte er sich auf seinen Sohn stützen. Dann knieten beide nieder und beteten lange, und auf dem Altare vor ihnen lag eine Kaiserkrone. Als sie sich erhoben hatten, sprach der Kaiser mit lauter Stimme zu seinem Sohne, und vor den Bischöfen und Grafen und unzähligem Volke ermahnte er ihn zum letzten Male, er solle Gott alle Zeit vor Augen haben, die Kirche solle er schützen vor Bedrückung und Unbill, die Bischöfe ehren als seine Väter, das Volk lieben wie seine Kinder, den Frevlern ein strenger Richter sein, den Armen ein Vater, Gerechtigkeit solle er üben gegen Jedermann, und selber unsträflich wandeln vor Gott und allem Volke. „Willst du mir in allen diesen Dingen gehorsam sein?“ Da antwortete Ludwig: „Ich will es mit Gottes Hülfe.“ Dann befahl der Kaiser, daß er die Krone vom Altar nehme und zum Zeichen des Kaiserthums selbst sich auf das Haupt setze. Ludwig that wie ihm geheißen, und sie stimmten mit allem Volke den Lobgesang an, und kehrten in den Palast zurück.
Also schloß Karl mit der Welt ab. Nun lebte er still in seinen Gemächern, ging bei Tage und, wenn er es vermochte, bei nächtlicher Weile zum Gebete, las viel in den evangelischen Büchern und verbesserte ihre Abschriften mit eigner Hand. Nicht lange nachher aber ergriff ihn ein heftiges Fieber, seine Kräfte schwanden mehr mit jedem Tage, und er fühlte, daß nun sein Ende nahe. Da ließ er einen getreuen Bischof kommen, und empfing aus seiner Hand das Abendmahl. Als nun der Morgen des 28. Januar 814 anbrach, war seine letzte Stunde gekommen. Da bezeichnete er sich mit dem Kreuze, faltete die Hände über der Brust, schloß die Augen und betete mit leiser Stimme: „Herr in deine Hände befehle ich meinen Geist. Das waren seine letzten Worte, dann verschied er. Bald aber verbreitete sich die Kunde, daß der Kaiser, der so viele Jahre ruhmvoll geherrscht hatte, gestorben sei, und überall war tiefe Trauer und Klagen, denn Alle fühlten, daß ein großer Mann von ihnen geschieden sei.
Darauf wurde er feierlich bestattet in der Kirche zu Aachen, die er selbst erbaut hatte. Der Körper aber wurde einbalsamiert, und bekleidet mit den kaiserlichen Gewändern und der Krone, und umgürtet mit dem Schwerdte, so wurde er auf einen Thron gesetzt in einer Nische des Grabgewölbes. Auf seinen Knieen lagen die Evangelien, zu seinen Füßen das Scepter und kaiserliche Schild, so daß er auch im Tode als Kaiser zu herrschen schien. Alsdann wurde das Grab geschlossen, und diese Worte darauf gesetzt: „In dieser Gruft ruht der Leib des großen und frommen Kaisers Karl, der das Reich der Franken ruhmvoll vergrössert und sieben und vierzig Jahre segensreich geherrscht hat. Er starb über siebzig Jahr alt im Jahre des Herrn 814 am 28. Januar.“ So lebte und starb Kaiser Karl der Große.
R. Köpke in Berlin.