Heinrich Voes und Johann Esch.

Kein Volk war im sechzehnten Jahrhundert zur Aufnahme der evangelischen Wahrheit, wie sie zuerst von dem Manne Gottes, Martin Luther, wieder gepredigt wurde, mehr vorbereitet als die Niederländer. In den Niederlanden waren die Vereine der Brüder des gemeinsamen Lebens, die so viel zur Wiederbelebung wahrer christlicher Frömmigkeit und zur Verbesserung des Unterrichts der christlichen Jugend geleistet haben, zuerst in’s Dasein getreten und hatten sich von da am Niederrhein, in Westphalen, ja bis nach Schwaben verbreitet. Gerhard Groot, der Stifter, Florentius Radewin und Gerhard Zerbolt, die Beförderer dieser Vereine, waren Männer, deren Namen und Wirken keinem evangelischen Christen unbekannt sein sollten. In den Niederlanden hatte Johann von Goch, Vorsteher des von ihm gegründeten Priorats Thabor der Kanonissinnen des heil. Augustins in Mecheln und Johann Wessel von Groningen durch ihre Schriften reichliche Samenkörner christlicher Erkenntniß und christlichen Lebens ausgestreut, und insbesondere der Letztere, ein mehr praktisch gearteter Mann, hatte die augenfälligen Verderbnisse der Kirche kräftig bekämpft und in die Verbesserung derselben einzugreifen gestrebt. Diese frommen Männer, die aus dem lautern Quell der heiligen Schrift Heil, Frieden und Leben schöpften, bereiteten unter ihrem Volke dem Herrn Jesu Christo den Weg zur Reinigung der Kirchenlehre von den vielen verderblichen Irrthümern, die sich mit der Wahrheit vermischt hatten und zur Umgestaltung der Kirche auf dem Einen Grund, der gelegt werden kann und der Er selbst ist, Er der Erlöser und König seines Volkes.

Unter den großen und reichen Städten der Niederlande nahm eben keine Stadt so lebhaften und ernsten Antheil an den religiösen Bewegungen und war so begierig nach der lautern Milch des Evangeliums als das durch seinen ausgebreiteten Handel und seine Malerschule blühende Antwerpen. Die Kaufleute Antwerpens, unter denen eben so viele fremde als einheimische waren, verloren sich nicht so sehr in ihre Handelsgeschäfte, daß sie nicht auch Zeit und Lust hatten, sich mit öffentlichen Angelegenheiten, sowohl denen des Staates, als denen der Kirche zu befassen. Es muß damals in dieser Stadt ein Verein von Männern gewesen sein, deren Blick geschärft war für die Uebelstände in der Kirche und die ernstlich daran dachten, ihres Theils so viel wie möglich zur Beseitigung derselben beizutragen, denn es ist kaum anzunehmen, daß allein der Stadtschreiber Cornelius Grapheus die Schriften Gochs werde gelesen und zu seiner christlichen Erbauung gebraucht haben. Ob Cornelius Grapheus mit Jakob Spreng, dem Probste des kurz vor der Reformation gegründeten Augustinerklosters, der wie Erasmus in einem Briefe an Luther meldet, ein Schüler des sächsischen Reformators gewesen, bekannt war, wird nicht erzählt; es läßt sich aber vermuthen, da diese zwei Männer die ersten, die um des Evangeliums willen so schwere Verfolgungen zu erdulden hatten, in derselben Stadt wohnten.

Wurden den Kaufleuten Antwerpens Luthers erste Schriften von ihren Geschäftsfreunden in Bremen und den anderen Hansestädten zugeschickt, so empfingen sie die Augustiner dieser Stadt von Mitgliedern dieses Ordens in Deutschland, und daß schon 1519 von Jakob Spreng, wenngleich mit großer Vorsicht doch mit festem Nachdruck das reine Evangelium, soweit er es erkannte, verkündigt wurde, berichtet uns wieder Erasmus in dem oben angeführten Schreiben an Luther. Und wie schnell nicht bloß in Antwerpen, sondern auch in anderen Städten der Niederlande die evangelische Wahrheit sich Bahn brach, geht aus der theologischen Disputation hervor, die in demselben Jahre (1519) in Löwen statt fand, in welcher die für das Evangelium in die Schranken getretenen Kämpfer obsiegten, was De Raer, der Rektor der jetzigen katholischen Universität in dieser Stadt in seiner Schrift über jene Disputation nicht zu berichten wagt.

Es blieb indeß nicht bei dieser Bekämpfung der evangelischen Wahrheit durch die Löwner Theologen. Carl V, der auf dem Reichstage zu Worms mit einem Theil der deutschen Fürsten die Reichsacht über Luther aussprach, erließ mit dem Edikt vom 8. Mai 1521 gegen den Reformator und seine Anhänger ein Plakat gegen die Ketzerei in den Niederlanden, das seine Tante Margaretha von Oesterreich, die Statthalterin dieser Länder, bekannt machen ließ. In diesem Plakat wird von Luther gesagt, es sei kein menschliches Wesen, sondern ein Teufel in Menschengestalt, und angethan mit einer Mönchskutte, um desto leichter für Viele den ewigen Tod und die Zerstörung des Menschengeschlechts herbei zu führen. Es wird darin verboten Bücher, in welchen von der heiligen Schrift Meldung geschieht oder welche Erklärung biblischer Sprüche enthalten, ohne die Erlaubniß des Bischofs des Sprengels oder dessen Stellvertreters und ohne das Gutheißen der theologischen Fakultät der nächsten Universität herauszugeben. Die frühern Herren der Niederlande erließen keine Verordnungen und machten keine Gesetze außer im Einverständniß mit dem Adel und den Ständen, und so läßt sich denken, wie das Plakat vom 8. Mai, das gegen des Landes alte Freiheit war, viele Niederländer erbittern mußte. Von den fanatischen Anhängern des Pabstthums in Antwerpen wurde aber am 13. Juli 1521 dieses Edikt durch öffentliche Verbrennung der Schriften Luthers gefeiert.

Im Jahre 1522 beauftragte Carl V. den Rath von Brabant, Franz van der Hulst, den Erasmus einen wunderlichen Feind der Gelehrsamkeit nennt, und den Carmeliter Nicolaus van Egmont, einen unsinnigen Menschen mit einem Schwert bewaffnet, wie wiederum Erasmus sagt, mit der Ketzeraufspürung in den Niederlanden. Es dauerte nicht lange, so konnte man sehn, daß diese zwei Ketzerrichter entschlossen waren allen reformatorischen Bestrebungen mit Gewalt Einhalt zu thun. Sie ließen den Stadtschreiber von Antwerpen, Cornelius Grapheus, der kurz vorher das Buch Gochs von der christlichen Freiheit mit einer kräftigen Vorrede herausgegeben hatte, in das Gefängniß nach Brüssel abführen. Obgleich dieser gelehrte, aber in seinem evangelischen Glauben wenig befestigte Mann zuerst in Brüssel, auf einem Schaffote, und danach in Antwerpen in der Liebfrauenkirche widerrief, wurde er doch nicht sogleich aus seiner Haft entlassen. Selbst der Erzbischof von Palermo und Kanzler von Brabant, Johann Carondiletus, an den er aus seiner Gefangenschaft am 18. November 1522 schrieb, konnte oder wollte sich nicht bei der Statthalterin Margaretha für ihn verwenden. Später wurde er jedoch wieder in Freiheit gesetzt, aber ohne sich weiter an der immer mehr um sich greifenden Reformation zu betheiligen. Auf ihn findet das Wort des Herrn seine Anwendung: „Wer aber auf das Steinigte gesäet ist, der ist es, wann Jemand das Wort höret, und dasselbige bald aufnimmt mit Freuden. Wer es hat nicht Wurzel in ihm, sondern er ist wetterwendisch; wann sich Trübsal und Verfolgung erhebt um der Marter willen, so ärgert er sich bald.“ Der Herr will solche Bekenner, die lieber sterben, als daß sie ihn verleugneten. Und Gott sei Dank, es fehlte auch in den Niederlanden nicht an solchen Jüngern. War Martin Luther der erste, der wieder aus voller freudiger Ueberzeugung das Heil, das allein im Namen Jesu Christi ist, bezeugete, so waren Augustinermönche von Antwerpen die ersten, die ihr Zeugniß von Christo mit ihrem Blute besiegelten.

Schon gegen Ende des Jahres 1521 wurde nämlich auch der Augustinerprior, Jakob Spreng, gefänglich eingezogen, der aber seine Freiheit mit seinem Widerrufe vor dem päbstlichen Nuntius Alexander, dem Kanzler von Brabant Hieronymus van der Nort, dem Weihbischof von Cambrai Adrian Herbout, dem Beichtvater des Kaisers, Glapio, und anderen Prälaten erkaufte, und sich nach Brügge zurückzog. Entbehrungen aller Art und die Marter der Folter hatten ihn zu diesem Widerrufe gebracht. Bald kehrte aber sein Muth zurück, und mußte er gleich befürchten wieder in die Gewalt der Feinde der Wahrheit zu gerathen, so predigte er doch das Evangelium wieder, selbst mit größerem Eifer als in der Klosterkirche zu Antwerpen. Die Ketzerrichter van der Hulst und Egmont ließen ihn zum zweiten Mal greifen und nach Brüssel in’s Gefängniß bringen. Diesmal wäre er dem Tode nicht entronnen, hätte er nicht durch die List eines Franziskaners seine Freiheit gefunden. Er eilte zu Luther nach Wittenberg, von wo er als Prediger nach Bremen berufen wurde.

Die Verfolgungen, die ihren Prior trafen, entmuthigten indeß die Augustinermönche in Antwerpen nicht. Ihre Kirche faßte oft kaum die Menge des Volks, die sich zu ihren Predigten hinzudrängte. Auf Verlangen des Bischofs von Cambrai wurden mehrere von ihnen gefänglich in’s Schloß nach Vilvoorde gebracht. Sie waren es noch nicht, die der Herr sich zu Blutzeugen seiner Wahrheit ausersehen hatte. Auch sie ließen sich durch Drohungen erschrecken und widerriefen öffentlich in der Liebfrauenkirche die von ihnen verkündigte evangelische Lehre.

Hofften ihre Feinde, daß sie jetzt schweigen und nicht mehr von der Gnade Gottes in Christo Jesu zeugen würden, so irrten sie sich. Mehrere von ihnen, und am kräftigsten ihr neuer Prior Heinrich von Zütphen, sammelten durch ihre Predigten ganze Schaaren heilsbedürftiger Zuhörer um sich. Da brach die Wuth gegen sie und die Wahrheit, die sie den hungrigen Seelen als das Brot des Lebens anboten, auf’s neue los. Hellebardiere drangen in die Kirche und rissen den Prior von der Kanzel, wo Worte des ewigen Lebens, wie man sie in der heiligen Schrift fand, von seinen begeisterten Lippen flossen. Dies geschah am 29, September 1522. Der Prior wurde in einen Kerker im St. Michaelskloster geführt. Kaum war der Ort, wo er gefangen saß, bekannt, so eilten seine Anhänger, unter ihnen viele Weiber, dahin, drängten die Wächter bei Seite, erbrachen die Thüren und befreiten den geliebten Prediger. Heinrich von Zütphen war gerettet und verließ Belgien. Damit nun nicht länger das Gift der Ketzerei in die Herzen dringen möchte, wurde das Augustinerkloster zerstört. Es blieb kein Stein auf dem andern. Das Tabernakel mit der Hostie wurde feierlich weggetragen und in der Liebfrauenkirche von der Statthalterin Margaretha in Empfang genommen. Die Mönche brachte man theils nach Hoogstraeten, einem Marktflecken 7 Stunden von Antwerpen, theils nach Bogaerden bei Hal. Nur die hartnäckigsten Ketzer unter ihnen wurden im Schloß zu Vilvoorde festgesetzt. Wo das Augustinerkloster gestanden, da steht jetzt die Andreaskirche.

Es zeigte sich aber auch hier wieder, wie viel leichter es ist den Herrn mit dem Munde als mit Treue, die auch durch die Schrecken des Todes nicht erschüttert wird, zu bekennen. Als die Doktoren von Löwen den Mönchen von Vilvoorde drohten, sie würden sie öffentlich verbrennen lassen, wenn sie ihre Ketzereien nicht abschwörten, fielen sie bis auf drei vom Herrn ab. Diese drei blieben standhaft bei ihrem Bekenntnisse bis zum letzten Hauche ihres Lebens. Sie hießen Heinrich Voes, Johann Esch und Lambert Thorn.

Von Vilvoorde wurden diese drei edlen Jünglinge, deren Haupt bald die Märtyrerkrone schmücken sollte, nach Brüssel geführt und in einem der Kerker dieser Stadt in Verwahr gebracht. Der Herr war mit ihnen und ließ sie erfahren, daß sein Evangelium eine Kraft Gottes ist, die, wie sie den bußfertigen Sünder selig macht, so den begnadigten Sünder mit Sterbensfreudigkeit erfüllt, wenn durch seinen Tod Christus sich in ihm verherrlichen will. Sie glaubten, wer den Herrn bekennet vor den Menschen, den will er bekennen vor seinem himmlischen Vater, und bezeugten ein gutes, ein freudiges Bekenntniß vor Hoogstraeten, van Egmont, Lutomus und den andern Richtern. Ihr Blick war nach oben gerichtet – dort wird uns der Herr die Krone der Gerechtigkeit aufsetzen, sagten sie, – darum freudig, in die lodernde Flamme getreten, die verzehren wird, was sträflich ist in uns. Unsere Seele aber wird der Herr zu sich nehmen, auf daß sie da sei, wo er ist.

Als die Ketzermeister, wie die alten Flämischen Scribenten ihre Richter nennen, sie fragten, was sie glaubten, da antworteten sie und bekannten mit lauter Stimme und großer Freudigkeit: Wir glauben und halten die 12 Artikel des christlichen Glaubens und auch Alles, was in den evangelischen und biblischen Schriften enthalten ist. Wir glauben auch eine christliche Kirche, aber nicht eine solche, wie ihr glaubet.

Zweitens wurden sie gefragt, ob sie auch die Satzungen, die Concilien und alten Väter glaubten. – Ihre klare und bestimmte Antwort war: Wir glauben die Satzungen, so weit sie mit den göttlichen Schriften übereinstimmen und nicht dagegen sind.

Auf die dritte Frage, ob sie auch glaubten, daß sie eine Todsünde begingen, wenn sie nicht des Pabstes und der Väter Satzungen annähmen, lautete ihre einfältige Antwort: Wir glauben, daß die Gebote Gottes und nicht der Menschen Satzungen selig machen und verdammen.

Die Ketzerrichter ließen Nichts unversucht, weder freundliche Zusprache, noch Drohung um die guten Christen – ich lasse das Martyrologium reden, zum Widerrufe zu bringen. Die Jünglinge blieben unverrückt bei ihrem Bekenntnisse. Luther sagt von ihnen in dem schönen Liede, das er auf ihren Zeugentod gedichtet hat:,

Sie sungen süß (die Ketzermeister), sie sungen sau’r,\
Versuchten manche Listen;\
Die Knaben stunden wie ein Mau’r,\
Verachten die Sophisten,\
Den alten Feind, das sehr verdroß,\
Daß er ward überwunden\
Von solchen Jungen – er, so groß:\
Er ward voll Zorn von Stunden,\
Gedacht sie zu verbrennen.

Es war wieder die Zeit gekommen, daß wer die glaubensmuthigen Zeugen des Evangeliums tödtete, in seiner Blindheit und Bosheit meinte, er thue Gott einen Dienst daran. Die Reformation sollte auch ihre Blutzeugen haben und die ersten waren die drei jungen Augustinermönche von Antwerpen. Ihr Blut schreit nicht um Rache, es schreit um Erbarmen, daß doch bald das Licht der Wahrheit da wieder hell leuchten möchte, wo es vor drei Jahrhunderten so hellen Glanz verbreitete.

Die drei Jünglinge wurden den weltlichen Richtern übergeben, daß sie sie nähmen und tödteten, das Martyrologium bemerkt, gleichwie Christus Pilatus und den Juden überantwortet ward. Das Urtheil ward gesprochen: Johann Voes und Heinrich Esch sollten öffentlich verbrannt werden.

Am ersten Juli 1523 strömte in Brüssel die Menge des Volks auf den Rathhausplatz. Bald erschienen die drei Bettelorden in feierlichem Zuge mit Kreuz und Fahnen und stellten sich auf. Für die Doktoren der Gottesgelahrtheit und die Aebte, mit Insul und Stab war vor dem Stadthause ein Gerüste aufgeschlagen. Die Menge sollte merken, die Mönche würden zur Ehre Gottes verbrannt.

Um eilf Uhr wurde der jüngste der drei Augustiner, Heinrich Voes, der die andern an Erkenntniß der heilsamen Lehre und an Beredtsamkeit weit übertraf, mitten auf den Markt geführt. Mit priesterlichen Gewändern angethan, mußte er auf das Schaffot steigen. Da war ein Altar aufgeschlagen und geschmückt, vor dem man ihn niederknien ließ. Aller Augen waren auf den Jüngling gerichtet. Ruhig stand er da, mit dem Gesicht zum Volke gewendet, und war bereit seinen Leib zu begeben zum Opfer, das da lebendig, heilig und Gott wohlgefällig wäre.

Man konnte an ihm kein Zeichen von Furcht und Angst bemerken. Hinter ihm stand der Guardian der Barfüßer und redete zum Volk. Er wird gedonnert haben gegen die Greuel der Ketzerei und des Abfalls von der Kirche, und die Menge gewarnt haben, daß sie dem Beispiele des unglückseligen Mönches nicht folge, der seine Sünde – er liebte den Herrn mehr als sein Leben – mit dem Feuertode büßen müßte. Während der Barfüßer predigte, wenn man es so nennen darf, sprach ein Abt, der die Stelle des Bischofs vertrat, die Entweihung über Heinrich Voes aus. Die Predigt und die Entweihungsceremonie dauerten eine ganze Stunde. Nachdem die priesterlichen Kleider dem Mönche abgenommen waren, wurde er hinter das Schaffot gebracht.

Darauf wurden die zwei anderen, Johann Esch und Lambert Thorn vorgeführt. Sie waren älter als Heinrich. Lange Bärte entstellten ihr Gesicht, auf dem jedoch freudiger Muth strahlte. Sie wurden ebenfalls der priesterlichen Weihe und Kleidung beraubt wie ihr Bruder und Mitgenosse „an der Trübsal und am Reiche, und in der Geduld Jesu Christi.“ Ruhig ließen sie es geschehen und dankten dem guten himmlischen Vater, daß er sie, nach seiner großen Güte, von den Zeichen eines solchen Priesterthums befreit habe, um sie zu Priestern seiner heiligen Ordnung zu machen und sie zu sich zu nehmen als Gabe und Opfer zu einem süßen Geruche.

Wiewohl es recht und billig ist, bemerkt das Martyrologium, und besonders zu Brüssel üblich, daß die gegen Schuldige angebrachte Anklage öffentlich vorgelesen werde, ehe sie zum Tode abgeführt werden, so wurde dies bei der Verbrennung der Augustiner aus Scham oder großer Ungerechtigkeit nicht gethan. Hoogstraeten trat zu ihnen, sie zu trösten und sprach zu ihnen, wofern sie widerrufen wollten: so habe er Macht sie freizugeben. Darauf antwortete einer von ihnen: das sind Worte des Pilatus; und auch du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht wäre von oben herab gegeben (Joh. 19, 10. 11). Wiederum lobten sie Gott, daß sie für seinen heiligen Namen sterben durften.

Als Heinrich Voes und Johann Esch zum Scheiterhaufen geführt wurden, und sie ihre Kleider ausgezogen, redeten sie viele schöne Worte, aus denen man deutlich genug erkennen konnte, daß sie gottesfürchtige Männer waren, die herzlich froh waren, abzuscheiden und zu dem Herrn Jesu Christo zu kommen (Philipp. 1,23). Sie bezeugten fort und fort, daß sie als Christen stürben und daß sie die eine heilige, allgemeine Kirche glaubten. Das ist der Tag, sprachen sie auch, nach welchem wir uns seit langer Zeit gesehnt haben. Wie treu ist er der Herr, daß er seine Bekenner so stärkt und sie weit überwinden läßt, wenn sie geachtet wie Schlachtschafe zum Tode geführt werden.

Sie waren bis auf’s Hemd entkleidet und standen lange da, als die nicht gebunden sondern von selbst den Pfahl ergriffen, an dem sie den Feuertod schmecken und erdulden sollten. Ihre Feinde hofften noch immer, die Nähe oder Schrecken des Todes würden sie endlich doch zum Widerrufe bringen, aber sie blieben standhaft und wollten im Namen des Herrn Jesu sterben. Auf die Ermahnung, sie sollten sich bekehren, sonst würden sie die Beute des Teufels werden und in seinem Namen sterben, erwiederten sie, sie wollten, als gute Christen, in der evangelischen Wahrheit sterben.

Endlich wurde der Holzstoß angezündet. Sie standen mitten in den Flammen, verklärten Angesichts und als Solche, die mit brennenden Lampen dem Bräutigam ihrer Seelen entgegengingen. Bald werden sie ihn sehen von Angesicht zu Angesicht. Wie selig werden sie sein, wenn er zu ihnen sprechen wird: Ei, ihr frommen und getreuen Knechte, ihr seid über Wenigem getreu gewesen; ich will euch über viel setzen; ziehet ein zu eures Herrn Freude.

Einer von ihnen (Voes), da er das Feuer zu seinen Füßen auflodern sah, rief aus, es sei, als ob Rosen um ihn her gestreut wären. Je höher das Feuer an ihnen aufschlug, desto größer wurde ihre Todesfreudigkeit. Sie sagten laut das apostolische Symbolum her und sangen im Wechselgesange, Vers für Vers, das Tedeum:

Herr Gott, dich loben wir, Herr Gott wir danken dir – \
König der Ehren, Jesu Christ, Gott Vaters wahrer Sohn du bist – \
Du hast dem Tod zerstört sein Macht, und alle Christen zum Himmel bracht: \
Du sitz’st zur Rechten Gottes gleich, mit aller Ehr‘ ins Vaters Reich; \
und Richter du zukünftig bist Alles, das todt und lebend ist.\
Nun hilf uns, Herr, den Dienern dein, die mit deim Blut erlöset sein: \
laß uns im Himmel haben Theil, mit den Heil’gen im ew‘gen Heil: \
hilf deinem Volk, Herr Jesu Christ, und segne was dein Erbtheil ist.

Sie glaubten nun nicht bloß, sie erfuhren und empfanden die Kraft der Worte des Apostels: der Tod ist verschlungen in den Sieg, Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? Als sie schon ganz von den Flammen eingehüllt waren, hörte man sie noch laut rufen: Herr Jesu, Sohn Davids, erbarme dich unser. Das waren ihre letzten Worte. Sie waren getreu gewesen bis in den Tod und empfingen die Krone des Lebens aus der Hand des Herrn.

Der Eine von ihnen war aus der Kampe (Compene) zwischen Antwerpen und der Grenze von Nordbrabant, der Andere aus der Provinz Seeland.

Was den dritten Augustinermönch, Lambert Thorn, betrifft, entweder daß er noch nicht so fest im Glauben war wie die zwei anderen, oder daß er zurückschauderte vor dem Feuertode, er soll um vier Tage Bedenkzeit gebeten und wieder in’s Gefängniß gebracht worden sein. Sein Zeugenmuth wuchs ihm wieder und die Todesangst wich von ihm. Er bekannte sich offen und frei zu seinem Herrn und Heilande, und starb wie seine Leidensgenossen im Namen und für den Namen Jesu Christi.

Alle drei sind selig gestorben, weil sie sind im Frieden des Herrn gestorben.

In unsern Tagen wird durch Schriften über die Reformation den Bewohnern dieses reich gesegneten Landes, von denen Viele fragen: Was soll ich thun, daß ich selig werde? in die Erinnerung gerufen, wie im 16ten Jahrhundert ihre Vorfahren so begierig die Wahrheit gesucht und aufgenommen haben. Es findet auch in Belgien wieder Anwendung, was zur Zeit der Reformation unsere Väter mit dankbarem Gemüthe sangen, da die Sonne der Gerechtigkeit mit hellem Glanze ihnen aufging:

Der Sommer ist heut vor der Thür,\
Der Winter ist vergangen,\
Die zarten Blümlein gehn herfür;\
Der das hat angefangen,\
Der wird es wohl vollenden. Amen.

Der gnädige Gott, der auch jetzt wieder dreinsieht, und sich seines in Unwissenheit und weltlichen Bestrebungen versunkenen Volkes in Belgien annimmt, verleihe, daß der fröhliche Schall des Evangeliums mehr und mehr in die Herzen dringe, und daß diejenigen, die sich zum Herrn Jesu Christo, als dem einzigen Heilande, den Gott den Menschen gegeben hat, bekennen, mit lauterem Eifer, der nur auf die Ehre des Herrn und das Heil ihrer Brüder gerichtet ist, sein Reich auszubreiten suchen. Streiten sie mit Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und Linken, so wird Gott es ihnen besser gelingen lassen, als ihren Vätern im 16ten Jahrhundert: die evangelische Kirche, die sie mit seiner Hülfe bauen, wird sein wie eine Stadt, die auf einem Berge liegt, daß Jedermann sie sehen könne, und sie allen Angriffen, von welcher Seite sie kommen, ob aus den Palästen des Götzendienstes, oder aus dem Lager des Unglaubens, siegreich widerstehn. Ist hier Einiges von den Anfängen der Reformation in Belgien erzählt worden, so ist es auch in der Absicht geschehen, den evangelischen Christen Deutschlands an’s Herz zu legen, sie möchten für das kleine Häuflein evangelischer Christen in Belgien bitten, daß der Herr ihnen verleihe treu zu sein in ihrem Bekenntnisse, fromm in ihrem Wandel und nur darauf bedacht, nach dem Beispiele Johann von Goch von der christlichen Freiheit zu zeugen.

S. Spörlein in Antwerpen.