Kennedy, Alexander, und Russel, Hieronymus

(gest. 1539)

Alle die gottselig leben wollen in Christo Jesu, müssen Verfolgung leiden.
(2. Timoth. 3,19)

Das Jahr 1539 ist besonders reich an Zeugnissen von der Gewaltthätigkeit der Römischen, wie von der Bekenntnißtreue der Freunde des Evangeliums. Ein rührender Beweis von der Kraft der Gnade, die auch über persönliche Furchtsamkeit und über die der Jugend so natürliche Liebe zum Leben siegen kann, ist die Geschichte des Märtyrertodes von Kennedy und Russel.

Alexander Kennedy zu Glasgow war ein sehr begabter Jüngling, und gehörte den höheren Ständen an. Er hatte so eben erst die fröhliche Zeit der Jugend verlassen, und das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet, als er wegen ketzerischer Meinungen zur Untersuchung gezogen wurde. Sein Leidensgefährte war Hieronymus Russel vom Kapuzinerorden, nach Knox Zeugniß ein Mann „sanfter Natur, lebhaften Geistes und voll guter Kenntnisse“. Als Kennedy den über ihn gefällten Urtheilsspruch, lebendig verbrannt zu werden, vernahm, erschrak er Anfangs gewaltig vor der Aussicht auf einen so frühen Tod, und zeigte sich zum Widerruf geneigt. Aber gar bald gewann er durch die himmlische Gnadenstärkung keine Fassung wieder. Er fiel auf seine Kniee nieder, und dankte Gott inbrünstig, daß Er ihn vor dem Abfall bewahrt habe. Dann rief er muthig: „Tod, jetzt verachte ich dich! Komme, was da wolle! Ich preise Gott. Ich bin bereit!“ Der Erzbischof von Glasgow war von diesem Auftritt so bewegt, daß er das Leben des Jünglings schonen wollte, aber die Mönche verhinderten dies.

Russel, der ebenfalls zum Feuertode verurtheilt war, ward durch die empörende Rohheit der Verfolger in Eifer versetzt. „Jetzt ist Eure Stunde, und Euer die Gewalt der Finsterniß,“ sagte er ihnen; „jetzt sitzt Ihr als Richter, und wir sind mit Unrecht angeklagt; aber der Tag wird kommen, wo unsere Unschuld sich zeigen wird, und Ihr zu Eurem ewigen Verderben Eure Blindheit erkennen werdet. Nur zu, und füllet das Maß Eurer Bosheit!“ Auf dem Wege zum Richtplatze meinte Russel, sein junger Leidensgenosse sey noch immer nicht ganz ohne Furcht, und ermuthigte ihn deshalb durch folgende Worte: „Bruder, fürchte nichts; der in uns ist, ist größer, als der in der Welt ist; die Pein, die wir leiden, ist kurz, und wird leicht seyn; aber unsere Freude und Tröstungen werden nimmer ein Ende haben. Laß uns daher gegen den Schrecken des Todes freudigen Muthes kämpfen, um zu unserm Herrn und Erlöser durch denselben schmalen Weg einzugehen, den Er uns vorangegangen ist. Der Tod kann uns nicht besiegen; denn er ist bereits von dem überwunden, für dessen Sache wir leiden.“ Auf dem Richtplatze angekommen, knieten sie beide nieder, und beteten. Darauf ließen sie sich ruhig vom Scharfrichter an den Pfahl befestigen, und das Feuer trug ihre Seelen zur Heimat, zur ewigen Ruhe.

Dr. Theodor Fliedner, Buch der Märtyrer, Verlag der Diakonissen-Anstalt zu Kaiserswerth, 1859