Thascius Caecilius Cyprianus

Das nördliche Küstenland von Afrika, wo heute nach langer Nacht des Heidentums das Licht des christlichen Glaubens aufs neue aufzudämmern beginnt, war in den ersten Jahrhunderten der Kirche ein ganz besonders fruchtbarer Boden für die Verkündigung des Evangeliums. Wie die Sonne fort auf den Feldern Blüten und Früchte schneller zeitigt in mannigfaltiger Schönheit und reichem Ertrage, so zeigt die Geschichte der nordafrikanischen Kirche in den Raum weniger Jahrhunderte zusammengedrängt eine überaus rasche Entwickelung des christlichen Lebens, und nach heißen Kämpfen reiche Erfolge, die fernen Zeiten und Ländern zu Gute kommen sollten. Die Anfänge der abendländischen Kirche, als Grundzüge der Lehre und erste Festsetzung der Verfassung, müssen größtenteils auf die nordafrikanische Kirche zurückgeführt werden; die drei großen Lehrer derselben, Tertullian, Cyprian und Augustin, sind in recht eigentlichem Verstande Väter der Kirche gewesen, und was der Geist des Herrn durch sie ausgerichtet hat, ist noch heute nicht verloren. Der Lebensgang dieser drei Männer hat viel Gemeinsames: eine starke und feurige Kraft des Geistes verwenden sie zuerst dem natürlichen Triebe des Herzens folgend, im schweren Dienst weltlicher Ehre und irdischer Eitelkeit, bis sie plötzlich berührt von der umwandelnden göttlichen Gnade, im Mannesalter getauft, fortan nichts begehren, als mit allem was sie sind und haben der Kirche Jesu Christi zu dienen, je nach dem Maß der ihnen verliehenen Kraft und Erkenntnis: bei keinem von ihnen aber tritt es so klar wie bei Cyprian hervor, dass die Wiedergeburt das Leben eines Christen auch immer zu einer Nachfolge seines Herrn macht, dass er ihm ähnlich werde im Tun wie im Leiden.

Thascius Caecilius Cyprianus war der Sohn eines vornehmen heidnischen Mannes, eines Senators zu Carthago, und schlug daselbst die herkömmliche Bahn zu einer angesehenen öffentlichen Stellung zu gelangen ein: er wurde Sachwalter und Lehrer der Redekunst in seiner Vaterstadt. Die Sage bringt seine Bekehrung mit der Liebe zu einer christlichen Jungfrau in Verbindung, deren Geist ihm zu mächtig geworden. Mag so irdische Liebe ihm die Führerin zur himmlischen gewesen, oder der Herr auf anderem Wege ihm begegnet sein und ihm sein: Folge mir nach! zugerufen haben, gewiss ist, dass er sich anfangs abwandte und zu folgen widerstrebte. Auch ihn dünkte es Torheit und etwas Unmögliches von neuem geboren zu werden, und so lange er noch in demselben Leibe walle ein neues Leben zu beginnen, auszureißen Neigungen und Gewohnheiten, die tief und fest in seinem Herzen gewurzelt und damit verwachsen wären. Aber es war des Herrn Wohlgefallen, an ihm seine Gnade zu verherrlichen: „Siehe, Ich mache alles neu“ und „Ich bin der Herr, dein Arzt“, das erfuhr Cyprian in den Jahren gereifter Männlichkeit, in denen nun sofort die volle Kraft eines gottgeweihten Willens für das Reich des Herrn tätig zu sein Beruf und Gelegenheit hatte. Im Jahre 243, wo er etwa fünfzig Jahr alt sein mochte, wurde Cyprian von dem Presbyter Caecilius zu Carthago getauft. Die Liebe zu Dem, von welchem er sich nun zuerst geliebt wusste und fühlte, machte es ihm leicht Opfer zu bringen, die er vorher für unmöglich gehalten hatte, und standhaft bis aufs Blut zu widerstehen: seine Güter gehörten fortan der Gemeine seiner christlichen Brüder und den Armen, und sein Leben weihte er auch durch das Gelübde der Keuschheit völlig dem Dienste des Herrn. In einem herrlichen Briefe an einen gewissen Donatus, der zugleich mit ihm getauft worden war, spricht er die Seligkeit dieses neuen Lebensgefühls, der Freiheit in Christo und des vollen Genügens in seiner Liebe mit ergreifenden Worten und mit einer tiefen Erkenntnis der evangelischen Heilslehre aus.

Die Christen zu Carthago erkannten bald den großen Wert dieses Zuwachses ihrer Gemeine; schon im Jahre 247 wählten sie Cyprian zum Presbyter, und bereits im darauf folgenden Jahre nötigte ihn das christliche Volk mit ungestümer Liebe und dringenden Bitten, denen er zuletzt nicht zu widerstehen vermochte, den erledigten Bischofsstuhl einzunehmen. Er kannte die Größe und Verantwortlichkeit des Bischofsamtes, und wie er es, gemäß dem Bedürfnis seiner Zeit, mit Entschiedenheit und Selbstständigkeit zehn Jahre hindurch bis an seinen Tod verwaltet hat, ist er ein Muster christlicher Weisheit und eines kräftigen Handelns geworden.

Die Kirche hatte damals im römischen Reiche Frieden und baute sich: seit den Zeiten des Kaisers Alexander Severus waren fast dreißig Jahre vergangen, ohne dass die Christen sonderlich beunruhigt worden wären; so war die Gemeine zu Carthago auf wohl 20.000 Christen aus allen Ständen angewachsen, und bei einer Kirchenversammlung, welche einige Jahre später Cyprian nach Carthago berufen hatte, waren 87 Bischöfe aus den benachbarten Ländern Numidien und Mauretanien zugegen. Aber zugleich mit diesem äußerlichen Wachstum hatte auch fleischliche Sicherheit in der Kirche zugenommen, und Weltsinn in mancherlei Formen hatte sich mit eingedrängt, von dem namentlich auch die Bischöfe selbst nicht frei waren. Wie eine Läuterungsflut brach darum plötzlich die Verfolgung unter dem Kaiser Decius im Jahre 250 über die Kirche herein, so gewaltig und ausgedehnt wie keine vorher oder nachher. Cyprian selbst sah darin ein göttliches Strafgericht über die Sorglosigkeit und den irdischen Sinn der Christen. – Auch unter afrikanischen Kirche vereinigte sich mit den Unterdrückungsmaßregeln der kaiserlichen Beamten die Wut des heidnischen Pöbels; und um die Auflösung der Christengemeine sicher zu erreichen, begann man wiederum damit, ihre heiligen Schriften zu vernichten und sie ihrer Bischöfe zu berauben. So forderte auch zu Carthago der Pöbel mit wildem Geschrei, Cyprian solle den Löwen vorgeworfen werden. Er aber, obwohl todesfreudig, hatte doch das Gefühl, seine Stunde sei noch nicht gekommen: er fand Gelegenheit aus der Stadt zu fliehen und sich in einen sichern Zufluchtsort zu bergen, der den Seinigen bekannt war. Es fehlte in seiner Abwesenheit und später nicht an Feinden, welche ihm aus dieser Entfernung eine Schmach zu bereiten suchten. Cyprian antwortete ihnen getrost: Es war des Herrn Wille, dass ich ging; ich tat es nicht um meiner Sicherheit willen, sondern weil ich wusste, die Heftigkeit des Sturms gegen die Christen werde sich legen, wenn eine Hauptursache entfernt sei; und leiblich abwesend war ich doch den Brüdern im Geiste nahe. Und dies konnte er zuversichtlich sagen; denn die Gemeine empfand während der vierzehn Monate seiner Abwesenheit bei aller äußeren Bedrängnis dennoch, dass sie einen Bischof habe, der sie auf dem Herzen trage und ihr nahe sei mit Gebet und Fürsorge. Seine Briefe aus dem Exil an die Presbyter, Diakonen und die um des Glaubens willen leidenden Gemeindeglieder zeigen seine innige Teilnahme an ihrer Not und sorgen mit Rat und Tat für Arme, Kranke, Verfolgte; sie warnen eben so vor dem unlauteren Märtyrertum, wie sie zur Ausdauer in der Trübsal die Herzen stärken und die wahre Treue im Bekenntnis preisen. „Der Herr verlangt nicht unser Blut, sondern unseren Glauben,“ schreibt er gegen das schwärmerische Hindrängen zu Tod und Marter.

Der heftigste unter seinen Gegnern war ein ehrgeiziger Diakonus, Felicissimus, der mit seinem Anhange den Cyprian als Bischof anzuerkennen sich weigerte und die Erwählung eines anderen betrieb. Doch blieb diese Feindschaft, trotz der Abwesenheit Cyprians, ohne tiefere Wirkung auf die Gemeine, und die protestierende Partei ging später an ihrer eigenen Unbesonnenheit zu Grunde.

Nachdem im Jahre 251 auf Decius der Kaiser Gallus gefolgt war, kehrte Cyprian nach Carthago zurück; er wusste, dass im Innern der Gemeine Kämpfe, zum Teil durch die eben erwähnten Widersacher genährt, seiner warteten, die ihr gefährlicher zu werden drohten als die Feindschaft der Welt. Er gehörte zu den großen Männern der ersten christlichen Zeiten, welche klar erkannten, dass auf den Trümmern des zusammensinkenden römischen Weltreiches die Kirche nur dann sich siegreich erheben könne, wenn sie von ihrem ewigen Grunde, dem geoffenbarten Worte Gottes, nicht weiche und dadurch fest und einig in sich selber sei. Der Tempel des Herrn konnte wie zu den Zeiten Nehemias nur gebaut werden, wenn die Bauleute zugleich rüstige und sich selbst verleugnende Streiter waren. Cyprian war zu Beidem geschickt und gerüstet, zum Aufbauen und zur Abwehr: es ist Märtyrerblut in den Bau der Kirche gekommen, und er pries Gott dafür; aber wo das Märtyrertum eitel wurde und mehr die eigene Ehre suchte, als dass die Mauern Zions fest und fester gebaut würden, da entbrannte sein Eifer für das Haus des Herrn. Die zaghaften und abtrünnigen Christen nämlich, deren Zahl groß war, und die während der Decianischen Verfolgung sich Sicherheitskarten von der Obrigkeit erkauft, oder dem Bilde des Kaisers geopfert hatten, suchten, sobald der Sturm vorübergezogen schien, die Rückkehr zu der Christengemeine, von der sie sich tatsächlich losgesagt hatten. In solchen Fällen konnte oft die Fürbitte Derer, welche auch unter Martern und in Kerkerhaft den Herrn treu bekannt hatten, nicht überhört werden. Cyprian schätzte die Verdienstlichkeit des standhaften Zeugenmutes so hoch, dass er der Bluttaufe eine von Sünden reinigende Kraft zuschrieb, dass er in seinen Briefen empfahl die Tage zu merken, an welchem einer der Brüder den Tod für den Glauben gelitten, damit man sie alljährlich feiern könne, und dass er endlich sogar die im Himmel um ihren Heiland versammelten Märtyrer als Fürsprecher für die Lebenden ansah und das Gebet zu ihnen für besonders erhörlich hielt. Aber als man anfing, das Verdienst derjenigen Gemeindeglieder, welche Martern überstanden hatten, so zu überschätzen, dass darauf ein Recht und die ungestüme Forderung gegründet wurde, jeder Abgefallene müsse, ohne Rücksicht auf das Urteil des Bischofs, der Wiederaufnahme sicher sein, der die Empfehlung eines solchen Märtyrers aufweise, da widerstand Cyprian mit Festigkeit, und ließ nicht ab von seinem bischöflichen Rechte und der Forderung, dass vor allem wahre Reue an den Tag gelegt und öffentliche Buße getan werde. Seine Strenge hierin und überhaupt in der Kirchenzucht ist ein Zug seines Charakters, und wird dadurch und durch die Zuchtlosigkeit der Zeit genügend erklärt, mochte aber auch wohl im Zusammenhange stehen mit seiner Verehrung für Tertullian und dessen strenge montanistische Grundsätze. Doch teilte er nicht die Ansicht Derer unter seinen christlichen Zeitgenossen, welche keinen Abgefallenen für wieder aufnehmbar hielten, sondern er sagt ausdrücklich, man dürfe diese Unglücklichen nicht durch gänzliche Verweigerung zur Verzweiflung bringen.

Dieselbe Sorge um Reinerhaltung der Kirchengemeinschaft erkennt man in der Entschiedenheit, mit welcher Cyprian gegen den Bischof von Rom, Stephanus, die Gültigkeit der Ketzertaufe bestritt. Hat die Kirche einen festen Bestand in ihrer Einheit, so kann sie die außerhalb derselben vorgenommenen Taufen nicht anerkennen: konnte sich wider diese Behauptung Cyprians kein Gegner für sein nachsichtigeres Verfahren auf das Herkommen berufen, so verwahrt sich Cyprian gegen die Verbindlichkeit der römischen Überlieferung für die Christengemeinen in anderen Ländern, und bestreitet überhaupt eine solche Schützung der Tradition: „ein Herkommen ohne Wahrheit, sagt er, ist nur ein veralteter Irrtum;“ er will den Wert der Tradition lediglich an der göttlichen Wahrheit gemessen wissen. Das römische Verfahren war weltlich klug, für Cyprian sprachen sich die wichtigsten Stimmen auf den Konzilien seiner Zeit aus; die späteren entschieden sich für die römische Sitte, wie sie noch heute in der Kirche die überwiegende ist.

Hierauf, dass Einheit und Reinheit der Kirche gewahrt werde, lassen sich alle Bestrebungen Cyprians als auf ihren Mittelpunkt zurückführen, das ist der Grundgedanke seines Lebens, darin seine Größe und seine Kraft. Die Notwendigkeit einer festen Einheit der Kirche musste damals so wie in unseren Zeiten stärker gefühlt werden als die Möglichkeit: um so höher ist es anzuklagen, wo wir dies Ziel mit Sicherheit erkannt, und mit unzweifelhaftem Talent des Organisierens und Verwaltens beharrlich verfolgt sehen. Nicht nur darauf kam es in jener Zeit an, dass der christliche Glaube des Einzelnen sich bewähre in einer Welt voll Gräuel der Lüste und der Gewalttat, sondern dass eine Gemeinschaft der Heiligen zu Stand und Wesen komme, dass die Kirche, die Eine allgemeine, wahrhaft katholische, für Alle die ihr angehörten, eine feste Burg sei wider die Feindschaft eben so sehr und mehr noch der Ketzerei als des Heidentums und des Judentums. Der Glaube an die Einheit der Kirche war bestimmt, Bekenntnis aller Christen zu werden, was sich vorbereitete durch die Kämpfe, in denen Cyprian Heldenmütig voranging. Ist es die Kirche, in welcher Christus auf Erden immer völliger Gestalt gewinnen soll, so können die berühmten Säge in Cyprians Schrift von der Einheit der Kirche, die, aus dem Zusammenhange gerissen, so oft Anstoß gefunden haben, nur als notwendige Folgerungen erscheinen, z. B. „Außer der Kirche kein Heil.“ „Es kann Niemand Gott zum Vater haben, der die Kirche nicht zur Mutter hat.“ „Die Einheit der Kirche ist wie die Einheit der Sonne: viele Strahlen, aber Ein Licht; und wie ein Baum mit vielen Zweigen: aber der Eine Stamm ist mit seinen Wurzeln fest in der Erde gegründet; und wenn aus Einer Quelle viele Bache fließen, so mag der Reichtum der Wassermenge sich noch so weit und gesondert ausbreiten, in ihrem Ursprunge sind sie dennoch alle Eins. Trenne den Strahl von der Sonne: die Einheit des Lichts duldet keine Teilung; brich den Zweig vom Baume: er wird verdorren; schneide den Bach von der Quelle ab: er wird versiegen. Dieselbe Einheit und denselben Zusammenhang hat die Kirche des Herrn über die ganze Erde; sie ist Eine fruchtbare Mutter, die uns alle geboren hat, von ihrer Milch nähren wir uns, ihr Lebenshauch beseelt uns.“

Der Missbrauch, welcher von diesen Sätzen durch ihre Deutung auf die vergängliche Form einer sichtbaren Kirche gemacht werden konnte, ist nicht ausgeblieben. Aber dass Cyprian ursprünglich keineswegs diejenige äußere römisch-katholische Einheit der Kirche gemeint habe, welche aller Freiheit beraubt, lässt sich, so gern auch die römische Kirche sich für ihre Verfassung auf seine Autorität beruft, aus seinen Schriften leicht dartun. Cyprian glaubte an die Einheit der Kirche, ohne einen sichtbaren Mittelpunkt für sie in Rom für notwendig zu halten. Eine starke bischöfliche Gewalt, als Ersatz für die einst die Kirche regierende apostolische Autorität, hielt er allerdings zur Abwehr der Willkür in Lehre, Zucht und Cultus, und überhaupt zur Befestigung der kirchlichen Ordnung, für unerlässlich; hatten doch mehrere Presbyter nicht einmal eine von ihm angeordnete Kirchenvisitation wollen geschehen lassen. Cyprians Ansicht von den Vorrechten der priesterlichen Würde ist oft nur auf das Alte Testament gegründet, und den Ansprüchen eines allgemeinen Priestertums aller Gläubigen hat er wenig Recht eingeräumt. Er ist zwar so weit entfernt, die Gemeine ganz von der Teilnahme an der Kirchengewalt auszuschließen, dass er namentlich bei Wahl und Ordination von Bischöfen und Priestern und bei Wiederaufnahme von Abgefallenen, ihr Urteil, Zeugnis und Zustimmung wiederholt als unentbehrlich bezeichnet: gleichwohl ist er es, der die vorher überwiegend aristokratische Verfassung der Kirche in ihrer mehr gleichgeordneten Verwaltung durch Bischöfe, Presbyter und Diakonen, mehr und mehr in eine monarchische verwandelt hat, wobei er mit altrömischer Entschiedenheit, und darum freilich auch nicht ohne menschliche Leidenschaft und Gewaltsamkeit zu Werke ging. – Konnte Cyprian nicht anders als anerkennen, dass der Herr dem Petrus, um seiner Persönlichkeit willen, vor den übrigen Aposteln Auftrag gegeben habe, so war es möglich, gerade ihn in späterer Zeit zu einem Begründer der päpstlichen Hierarchie und der römischen Lehre vom Primat Petri zu machen. Aber wie wenig dies im Sinne des Cyprian sei, lehrt schon der vorher berührte und mit großer Heftigkeit geführte Streit mit dem römischen Bischof Stephanus und zahlreiche Stellen in seinen Schriften, wo er die Einheit sämtlicher gleichgeordneter Bischöfe als das eigentliche Regiment der Kirche, und sie alle nur dem Einen Herrn und Heilande für den jedem übertragenen Anteil an der Einen Herde verantwortlich erklärt. In den Worten Christi an Petrus sieht er nur die Einheit des Ursprungs der Kirche, ohne daraus Vorrechte für Petrus selbst oder für seine Nachfolger abzuleiten.

Dass dem Cyprian vor Vielen in seiner Zeit der Beruf zu Teil geworden war, die Kirche zu bauen und zu festigen, bezeugt außer seinem Tun und dem Charakter seines ganzen Lebens auch die Richtung und der Inhalt seiner zahlreichen Schriften, welche sämtlich recht eigentlich Gelegenheitsschriften sind, d. h. durch die Kämpfe und Bedürfnisse der Zeit hervorgerufen. Er warnt, ermahnt, tröstet und stiftet Frieden; er legt das Wort Gottes aus und lehrt es gebrauchen, wobei er sich als einen überaus gründlichen Schriftforscher erweist; er streitet gegen die unsinnigen Beschuldigungen und falschen Auffassungen der Heiden, und hält ihnen die Torheit vor, mit äußerer Gewalt den Geist dämpfen zu wollen, womit er zugleich bei den Seinigen die Furcht vor Denen bekämpft, die wohl den Leib töten, aber die Seele nicht zu töten vermögen. – Dass er aber nicht bloß zu lehren, zu streiten und zu regieren wusste, sondern auch ein rechter Bischof für die ihm anvertrauten und auf sein Vorbild hingewiesenen Seelen war, hat er durch seinen Wandel, durch Taten christlicher Bruderliebe und durch Freudigkeit im Leiden herrlich bezeugt.

Einst als er von der Gefangenschaft numidischer Christen hörte, in die sie bei angrenzenden Barbaren geraten waren, brachte er, wie bei anderen Gelegenheiten, in kurzer Zeit große Summen zu ihrer Loskaufung zusammen: es war ein herzliches Mitleiden, wenn auch noch so entfernte Glieder litten. – Der Kaiser Gallus hatte anfangs den Christen kein Leid getan; als aber Pest und Hungersnot hereinbrach, glaubte auch er, den alten Göttern würden durch den Abfall der Christen zu viele Opfer und Gebete entzogen, und so erfuhren diese aufs neue Zwang und Verfolgung. Da galt es an erbitterten Feinden Gutes zu tun. Die Pest raffte nämlich auch in Carthago Viele hin; Schrecken und Entsetzen kam über Alle, sehr Viele flohen und überließen die von der Krankheit Ergriffenen ihrem Schicksal: die Leichen blieben häufig unbeerdigt auf den Straßen liegen. Da versammelte Cyprian die Christengemeine und forderte sie auf, um Christi willen ein Werk der Barmherzigkeit und Nächstenliebe auch an den Heiden zu tun und Böses mit Gutem zu vergelten. Denn, sprach er, tun wir nur an den Unsrigen Gutes, so sind wir nicht mehr als Zöllner und Heiden, und nicht wie die Kinder unsers himmlischen Vaters, der seine Sonne aufgeben lässt über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Und auf das Wort ihres Bischofs machten sich die Christen unverzagt ans Werk und halfen wo sie konnten, die Einen durch Darbietung ihres Vermögens, die Anderen durch persönliche Dienstleistung. So wurde vieler Not gewehrt und die Stadt gegen weitere Verpestung gesichert.

War Gallus den Christen feindselig gewesen, so schien der hergebrachte Wechsel der Politik unter den aufeinanderfolgenden Regenten, den Christen unter seinem Nachfolger Ruhe zu versprechen. Auch tat der Kaiser Valerianus, der im Jahre 253 den Thron bestieg, wirklich den Verfolgungen Einhalt. Doch schon im fünften Jahre seiner Regierung hatte diese Frist der Wiederherstellung und Sammlung für die Christen ein Ende. Einer seiner Günstlinge, Macrianus, flößte dem altersschwachen Kaiser über die auch durch den Zutritt vieler Vornehmen von Tag zu Tage wachsende Ausdehnung der Christengemeinden Besorgnis ein, und vermochte ihn, Verbote der gottesdienstlichen Versammlungen der Christen und Strafedikte zu erlassen, von denen wiederum die Bischöfe und die höheren christlichen Staatsbeamten zuerst betroffen wurden. Als Kerker, Vermögensberaubung und Verbannung den erwarteten Erfolg nicht hatten, schritt man auch zu Hinrichtungen.

Sobald die kaiserlichen Befehle nach Carthago gekommen waren, ließ der Prokonsul den Cyprian vor sich fordern, und als er ihn unerschütterlich im Bekenntnis seines Glaubens fand, auch nicht bewegen konnte die Presbyter der Carthagischen Kirche anzugeben, schickte er ihn in die Verbannung nach Surubis, einem etwa eine Tagereise von der Stadt entfernten Orte am Meere. Obwohl Cyprian auch von dort aus, wo er unangefochten schien, für die Gemeine sorgen konnte, und sich viele Christen um ihn sammelten, wie auch häufig in anderen Fällen die Verbannungen gerade dazu dienten, den Samen des Evangeliums weiter zu tragen, so ward er doch seines nahen Endes von Tag zu Tage gewisser, ja durch ein Gesicht desselben ausdrücklich versichert. Was er früher den um des Glaubens willen Leidenden und Kämpfenden zu Trost und Stärkung aus dem Worte Gottes vorgehalten hatte, damit erfüllte er nun seine eigene Seele, mit der demütigen Ergebung in den Willen des Herrn, mit der Freudigkeit für ihn zu zeugen, ihm das Kreuz nachzutragen, und mit der sichern, seligen Hoffnung auf die zukünftige Herrlichkeit, deren die Leiden dieser Zeit nicht wert sind.

In demselben Sinne schrieb er heldenmütige Briefe an die Brüder, welche zu den Bergwerken verdammt waren oder in den Gefängnissen schmachteten. Sich durch die Flucht vor weiterer Verfolgung zu retten, was ihm möglich gewesen wäre, dazu konnten ihn die Freunde nicht überreden; er glaubte wohl durch Ausharren des Herrn Willen zu tun.

Der Prokonsul Paternus starb plötzlich, und Cyprian begab sich nach Carthago zurück. Aber der neue Statthalter Galerius nahm die Untersuchungen gegen die Christen sogleich wieder auf, und so erschien auch für Cyprian bald der Tag seines letzten Verhörs. Die ganze Stadt war in Bewegung: die Dankbarkeit für des Gottesmannes Hilfe in der Not erwachte auch bei vielen Heiden. Der Prokonsul musste des Kaisers Befehl erfüllen; sein Ausspruch lautete: Cyprian sei zum abschreckenden Beispiel für Alle, die er durch sein Wort und seinen Vorgang zu Feinden der römischen Götter gemacht, durchs Schwert hinzurichten, auf dass durch sein Blut die Ordnung wieder hergestellt werde. Als der Bischof das Urteil gehört hatte, sprach er: Gott sei gelobt! Es war am 14. September 258, als er seinen letzten Gang antrat, zur Richtstätte, dicht bei Carthago. Große Scharen der Gläubigen begleiteten ihn und viele begehrten mit ihm zu sterben. Er ordnete selbst mit Ruhe das Letzte an, zog seine priesterlichen Kleider aus und gab sie den neben ihm stehenden Diakonen, fiel nieder auf seine Knie und betete unter vielen Tränen. Dann erhob er sich wieder, verband sich selbst die Augen, und bot seinen Hals dem Todesstreiche dar.

Auch dieser Tod war ein Same des Lebens: die Gemeine zu Carthago, der es gewiss war, ihr treuer Hirt und Versorger sei eingegangen zu seines Herrn Freude und habe die Krone des Lebens empfangen, stärkte sich an dem Vorbild seines Zeugenmutes und nahm zu an innerer Kraft und an Ausdehnung. An der Stelle, wo die Hinrichtung geschehen war, baute sie ein Gotteshaus, worin später Augustinus, desselben Geistes voll, oft gepredigt und sein Gedächtnis erneuert hat. Die dankbare Kirche aber hat den Cyprian für das, was er für das Reich des Herrn getan und gelitten, unter ihre Heiligen gerechnet.

L. Wiese in Berlin.