In der Reformationsgeschichte Deutschlands lassen sich zwei unterschiedene Abschnitte bezeichnen: eine Zeit des Anfangs, wo die große religiöse Geistesbewegung unter der persönlichen Leitung ihrer ersten Urheber steht und von diesen mit vollen Händen die gottgesegnete Saat evangelischer Wahrheitserkenntniß ausgestreut wird, und eine Folgezeit, wo, nachdem die erste Generation vom Herrn aus dem Arbeitsfeld bereits heimgerufen worden ist, einer zweiten die Aufgabe zufällt, die bereits in den Aehren stehende Ernte des Herrn zu beschirmen, eine jede der unter sich nicht ganz gleichartigen Fruchtgattungen, welche zum Vorschein gekommen sind, zu umfriedigen, auch von mancherlei mit aufgeschossenem Unkraut zu reinigen, mit einem Wort: die Zeit des festern Ausbaues der evangelischen Bekennerschaften zu eigentlichen Confessions-Kirchen. In diese zweite Generation gehört der Mann, von welchem hier die Rede sein soll. Er gehört der reformirten Kirche Deutschlands an; ja unter den Theologen der letztern ist sein Name in allen Ländern und Welttheilen, über welche die reformirte Kirche sich ausgebreitet hat, vielleicht am Meisten bekannt und gefeiert, und zwar weil er den Hauptantheil hat an der Abfassung jenes volksmäßigen Bekenntniß- und Unterweisungsbuches, welches unter den Reformirten aller Länder den ungetheiltesten Beifall und die weiteste Verbreitung erlangt hat, nemlich des Heidelberger Katechismus, dessen Anslichttreten vor nunmehr drei Jahrhunderten, gerade in diesem Jahre (1863) in der reformirten Christenheit mit Dank gegen Gott begangen werden wird.
Zacharias Ursinus, geboren am 18. Juli 1534, war der Sohn einer angesehenen, jedoch nicht eben begüterten Familie. Sein Vater Andreas Bär war damals als Diaconus an der Mariamagdalenen-Kirche in Breslau angestellt; später wurde er Inspektor des geistlichen Ministeriums und Professor der Theologie an der Elisabethanischen Schule daselbst; seine Mutter Anna Roth stammte aus patrizischem Geschlecht. Frühzeitig zeigte der junge Zacharias vorzügliche Anlagen, welche vom Vater und treuen Lehrern ihre Ausbildung empfingen. Bereits 1550 in seinem sechszehnten Lebensjahr war er reif genug um die Universität Wittenberg beziehen zu können. Das Zeugniß eines besonders hoffnungsvollen Jünglings, welches er sich auf der Schule erworben, bewog den Rath und die Handelszunft in Breslau ihn mit Stipendien zu unterstützen. Er verweilte in Wittenberg fast sieben Jahre, mit einer einzigen Unterbrechung im dritten Jahre seiner Studien, wo ihn eine in Wittenberg ausgebrochene Pest von dort vertrieb, aber auch drohende politische Ereignisse seine Heimkehr nach Breslau räthlich erscheinen ließen. Es war das letzte Jahrzehnt der so langen und an vielen tausend Jünglingen so reichgesegneten Wirksamkeit Philipp Melanchthons, des Lehrers von Deutschland, an dieser Ursprungsstätte des gereinigten Evangeliums im Vaterland. Es war aber zugleich das Zeitalter, in welchem leidenschaftliche Streitigkeiten zwischen den Anhängern des Lutherischen und des Calvinischen Lehrbegriffs vom Abendmahl den Frieden der Kirche störten, unter den Protestanten Deutschlands eine weitgehende Zerklüftung nach sich gezogen hatten, und der gehässige Hadergeist der Eiferer für Luthers reine Lehre durch unausgesetzte Schmähungen die letzten Tage Melanchthons auf’s Empfindlichste trübte. Der junge Ursinus, schon in Breslau im friedfertigen Geiste der Schule Melanchthons erzogen, schloß sich in Wittenberg eng an seinen ehrwürdigen Lehrer an und wurde von diesem väterlich wieder geliebt. Als Melanchthon im Jahre 1557 zum Religionsgespräch nach Worms reiste, durfte der vielversprechende Zögling dem berühmten Meister sich anschließen. Nach dem Schluß des Religionsgesprächs aber trat Ursinus, von freigebigen Verwandten unterstützt, eine gelehrte Reise an. Sie führte ihn von Worms über Heidelberg und Straßburg nach Basel und Zürich; von dort nach Lausanne und Genf und weiter über Lyon und Orleans nach Paris. Auf der Rückkehr nach Wittenberg im September 1558 besuchte er noch Tübingen, Ulm und Nürnberg. Glänzende Empfehlungen Melanchthons verschafften dem jungen Mann überall die beste Aufnahme. Noch lebte Calvin und die mit ihm gleichzeitigen Begründer und Wortführer der reformirten Kirche und Theologie. Ursinus lernte fast alle diese Männer persönlich kennen und erwarb sich ihre Hochschätzung und Liebe. Calvin schenkte ihm seine Schriften, in welche er mit eigner Hand Zeugnisse seiner wohlwollenden Gesinnung für den Empfänger einschrieb. Diese Reise war für Ursinus von hoher Wichtigkeit. Denn er benutzte nicht nur unter anderem den Pariser Aufenthalt zur Erweiterung seiner Kenntnisse im Hebräischen und zur Erlernung des Französischen, sondern gewann auch einen tiefern Einblick in die kirchlichen Verhältnisse der durchwanderten Länder und Oertlichkeiten. Endlich waren die erworbenen persönlichen Bekanntschaften von weitreichenden Folgen für sein späteres Leben.
Mittlerweile hatten sich Breslauische Gönner für eine Anstellung des jungen Gelehrten in der Heimath bemüht. Auf der Rückreise in Wittenberg traf ihn eine Berufung als Lehrer an dem Elisabethanischen Gymnasium. Ursinus folgte dem Ruf aus Liebe und Dankbarkeit für die Vaterstadt, vermuthlich aber nicht eben mit leichtem Herzen. Denn der Streit zwischen Lutherisch- und Melanchthonisch-Gesinnten war unterdessen auch dort heftig entbrannt und Ursinus fehlte das Vertrauen in Mitten desselben auf die Dauer eine öffentliche Stellung behaupten zu können. Denn seine Ueberzeugungen waren durch die Reise ausgereift und hatten ihm eine sehr bestimmte Stellung auf Seiten Calvins angewiesen. Obwohl in der Friedensgesinnung mit Melanchthon innig verwandt und dem edeln Mann bis an sein Ende treu zugethan, vermochte Ursinus doch nicht sich mit der unentschiedenen Stellung seines Lehrers zwischen Lutherthum und Calvinismus einverstanden zu erklären und mit dem Bekenntniß seiner Ueberzeugungen zurückzuhalten. So gerieth er in Breslau bald in den gehässigen Ruf eines Calvinisten. Er wußte sich darüber zwar in einer eigenen Schrift zu verantworten, aber im Drang einer peinlich gewordenen Lage sich zu entziehn begehrte und erhielt er wenige Tage nach dem Tode Melanchthons seine Entlassung begleitet von rühmlichen Zeugnissen und der ausgesprochenen Erwartung, daß er auf den Ruf der Vaterstadt wieder in deren Dienste treten werde.
Ursinus brachte in der vollen Freudigkeit eines entschiedenen Glaubens sein Amt zum Opfer. Seinem Oheim Roth gab er auf die Frage: wohin er sich wenden wolle? freimüthig die Antwort: „Nicht ungern verlasse ich mein Vaterland, wenn es das Bekenntniß der Wahrheit nicht zulassen will, das ich mit gutem Gewissen nicht aufgeben kann. Lebte mein bester Lehrer Philipp noch, so würde ich mich nirgend anders wohin als zu ihm begeben. Nun er gestorben ist, will ich mich zu den Zürichern wenden, deren Ansehn hier freilich nicht groß ist, die aber bei andern Kirchen einen so berühmten Namen haben, daß er von unsern Predigern nicht verdunkelt werden kann. Es sind fromme, gelehrte, große Männer, mit denen ich meist Leben zuzubringen sofort beschlossen habe. Für das Uebrige wird Gott sorgen.“ So geschah es. Ohne sich auf der Durchreife in Wittenberg fesseln zu lassen, wo ihn die Theologen gern zum Amtsgenossen gemacht hätten, langte Ursinus am 3. Oktober 1560 in Zürich an. Dort erneuerte er das freundschaftliche Verhältniß mit den einheimischen Geistlichen und Theologen, vor Allem mit Heinr. Bullinger und Peter Martyr. Mit warmer Hingebung aber schloß sich Ursinus besonders an Letztern an und pries sich glücklich den „göttlichen Unterricht“ desselben genießen zu können. Es that ihm wohl hier mit voller Freiheit seine Ueberzeugung bekennen und in einer lebendigen Glaubensgemeinschaft leben zu dürfen. Zwar verläßt ihn nicht die Liebe zur Heimath. Er schreibt von Zürich aus: „Wenn die Unsrigen mich die Lehre, welche in diesen Schweizerischen Kirchen über die Sakramente, die Vorsehung und Wahl Gottes, den freien Willen, die menschlichen Ueberlieferungen in der Kirche, die strenge christliche Kirchenzucht gelten, auf meine Gefahr öffentlich und amtlich lehren lassen wollten, so würde ich bereit sein zu zeigen, mit welchem wahrhaften Verlangen, dem Vaterlande zu dienen, ich erfüllt bin.“ Allein die Hoffnung seiner Breslauer Freunde ihn einmal wieder in ihre Mitte zurückkehren zu sehn, ging nicht in Erfüllung; denn es öffnete sich für Ursinus bald nachher ein großer und lohnender Wirkungskreis in Mitten der reformirten Kirche der Pfalz.
Am 12. Februar 1559 war der Churfürst Otto Heinrich von der Pfalz gestorben. Sein Nachfolger in den Churlanden wurde Friedrich, bisher Herzog zu Pfalz-Simmern, ein Fürst geziert mit den edelsten Regenteneigenschaften, vor allem erfüllt von der aufrichtigsten Gottesfurcht. Schon in seinem kleinen Erbland hatte Friedrich ebenso entschieden die Sache der Reformation geführt, als Otto Heinrich in der Churpfalz. Allein während der Letztere vom Lutherthum ausgehend zu jener mildern und freier n Auffassung der streitigen Lehrpunkte des Protestantismus übergegangen war, welche Melanchthon und seine Schule vertrat und die sich im Abendmahl der Calvinischen näherte, so war Friedrich längst mit Bestimmtheit dem Calvinismus innerlich zugewendet. Gemäß dem Rechte über die Landesreligion zu bestimmen, welches den deutschen Reichsständen durch den kurz vorher abgeschlossenen Religionsfrieden zugesprochen worden war, suchte daher Friedrich dem Drang seines Gewissens folgend mit großem Ernst das Calvinische Bekenntniß auch bei seinen Unterthanen in der Churpfalz zum herrschenden zu machen. Vor allem war die theologische Fakultät in Heidelberg dazu bestimmt, ihm bei diesem Vorhaben Dienste zu leisten. Schon unter Otto Heinrich war eine Anzahl von der reformirten Lehrform zugethanen Männern an der Universität angestellt worden, unter ihnen Peter Boquin, ein geflüchteter französischer Calvinist, als Professor der Theologie. Nicht minder hatten hochgestellte Beamte und selbst Otto Heinrichs Hofprediger Michael Diller dem reformirten Bekenntniß gehuldigt. Aber erst Friedrich nahm die Umgestaltung der Universität und theologischen Fakultät im Sinn dieses Bekenntnisses entschiedener in Angriff. Unter dem Beirath der Züricher und Genfer Theologen gesellte Friedrich dem genannten Boquin noch Em. Tremellius und Casp. Olevian, einen unmittelbaren Schüler Calvins, als Professoren der Theologie bei. Vor Allen gern hätte Friedrich den von ihm hochverehrten Peter Martyr von Zürich nach Heidelberg gezogen. Allein dieser lehnte wegen vorgerückten Alters ab und empfahl statt seiner den jungen Ursinus. Zu den Genannten kam seit 1568 noch der berühmte Hieron. Zanchi.
So trat Ursinus in seinem sieben und zwanzigsten Lebensjahr in einen Kreis von Männern ein, welche zu den Säulen der reformirten Kirche gehören. Durch die Vereinigung derselben empfing Heidelberg weit über die Grenzen der Pfalz hinaus einen berühmten Namen. Die Universität galt seit Friedrichs Zeiten als eine Burg des reformirten Glaubens.
Ursin’s Hauptamt in Heidelberg war und blieb das eines Vorstehers am Sapienzkollegium, einer Art Predigerseminars, welches zum häuslichen Zusammenleben der Zöglinge eingerichtet, mit der Universität in engster Verbindung stand. Schon Otto Heinrich hatte dieses Collegium gegründet, um dem fühlbaren Mangel an Geistlichen für die Pfalz Abhülfe zu schaffen. Von Friedrich dagegen war die Anstalt erweitert worden, so daß sie 70 Zöglinge aufnehmen konnte und unmittelbar unter den Kirchenrath gestellt. Nicht gering war die Aufgabe für einen Mann, welcher selbst noch im jugendlichen Alter stand, die Erziehung einer so großen Zahl künftiger Prediger zu leiten. Nicht nur das Wissenschaftliche der eigentlichen Theologie, sondern auch das Praktische, Predigt und Katechese, umfaßte Ursinus in seinen Vorträgen an jenem Collegium; ja, so wie er das Bedürfniß erkannte, so unterzog er sich sogar dem encyklopädischen Unterricht der philosophischen Fächer. Am 28. August 1562 erhielt er die Doctorwürde, womit die Obliegenheit den von Olevian verlassenen Lehrstuhl der Dogmatik an der Universität zu übernehmen verbunden war. Aber schon nach sechs Jahren trat er dieses Amt, das ihm ungeachtet seines eisernen Fleißes zu beschwerlich geworden war, an Zanchi ab. Denn zu den Bemühungen für gründliche und gewissenhafte Ausarbeitung seiner Vorlesungen kamen noch fast ohne Unterbrechung hinzu die vielen Geschäfte, womit ihn der Churfürst speciell beauftragte und die Abfassung seiner, mit allem Fleiße ausgefeilten, gelehrten Schriften. Zwar nicht an allen Arbeiten für die innere Befestigung und Organisation der Pfälzischen Kirche, welche auf Friedrichs Antrieb schon in den ersten Jahren in Angriff genommen wurden, nahm Ursinus in gleichem Maße Antheil, wie sein Freund Olevianus. Die Aufstellung einer neuen Gottesdienstordnung und eines Kirchenrathes als oberster, aus geistlichen und weltlichen Mitgliedern zusammengesetzten Behörde in Kirchen- und Schulsachen, war mehr das Geschäft des für praktisch-kirchliche Angelegenheiten vorzüglich ausgerüsteten Olevianus. Der Letztere wurde auch deshalb bald von seinen Aemtern an der Universität entbunden und dafür zum Stadtpfarrer in Heidelberg und Mitglied des Kirchenraths ernannt. Dagegen gab es fast keine Gelegenheit, wobei es eines lehrhaften Ausdrucks für das Calvinische Bekenntniß bedurfte, ohne daß der Churfürst Ursinus als Hauptwortführer, Vertheidiger und Beurtheiler herbeigezogen hätte. Unter den Arbeiten der letztern Art war aber keine so wichtig, als der Antheil, welchen Ursinus nahm an der Abfassung des Heidelberger Katechismus.
Der Churfürst Friedrich machte bereits im Anfang seiner Regierung die Wahrnehmung, daß der katechetische Jugend- und Volksunterricht in seinen Landen nicht bloß überhaupt sehr vernachlässiget, sondern auch, wo dieses nicht der Fall war, nach eines jeden Predigers Willkür ertheilt werde. Er erachtete daher eine zuverlässige und übereinstimmende Unterweisung im christlichen Glauben für durchaus nothwendig, einen Katechismus, welcher die Hauptpunkte der Religion aus Gottes Wort klar und gründlich erklärte, damit nicht allein für die Jugend und die Einfältigen besser gesorgt werde, sondern auch Prediger und Schullehrer eine sichere Richtschnur und Form hätten, wonach sie in Kirchen und Schulen die Hörer unterweisen, anstatt nach ihrem Wohlgefallen Neues, oder was der heil. Schrift weniger angemessen vorzutragen. Mit der Abfassung dieses Katechismus beauftragte der Churfürst Ursinus und Olevianus und beide gingen mit all‘ der Liebe an das Werk, welche die Wichtigkeit der Sache von ihnen forderte. Zunächst wurde von den Beauftragten der reiche Schatz trefflicher Katechismen, welchen die reformirte Kirche bereits besaß, besonders die Katechismen Calvin’s und Lasky’s, gewissenhaft zu Rath gezogen. Auf Grundlage des gemeinsam gesammelten Materials arbeitete dann aber Ursinus zwei Entwürfe zu einem Katechismus aus, einen längern und einen kürzern, beide in lateinischer Sprache. Dies zeigt, daß sie nur als Vorarbeiten für das Pfälzische Volksbuch dienen und vor allem die Lehre desselben feststellen sollten. Und so war es. Die Ursinischen Entwürfe wurden alsdann wiederum von beiden Theologen gemeinsam in deutscher Sprache verarbeitet und nach mannigfachen Veränderungen in die Form gebracht, in welcher der Heidelberger Katechismus nachher an’s Licht getreten ist. Daß an der ebenso klaren, als körnigen deutschen Stvlisirung des Buches Olevian einen Hauptantheil hat, und daß von ihm die viel bewunderte Anlage desselben, die charakteristische Dreitheilung des gesamten Stoffes, so wie der einfache, durchsichtige biblische Bau des Katechismus herrührt, darf wohl mit Sicherheit angenommen werden, und es bleibt daher jedem der beiden Männer an der Abfassung des Ganzen sein eigenthümliches Verdienst.
Betrachtet man nun den Katechismus als Ganzes, so ist wohl darauf zu achten, daß er seiner Zweckbestimmung nach ebensowohl ein kurz gefaßter Ausdruck der Glaubenslehre, eine Art von Bekenntnißschrift für die ganze Pfälzische Kirche, als ein Unterweisungsbuch für die Jugend sein sollte. Hieraus folgt, daß er in manchen Stücken etwas ausführlicher ist, als andere bloß für die Jugend bestimmte Katechismen des Reformationszeitalters. Auch geht er nicht allein in Einzelnem über das Bedürfniß der Jugend hinaus, sondern leiht auch in manchen sonst in den Kreis der Unterweisung des Kindesalters allerdings gehörigen Lehrstücken der Heilswahrheit einen Ausdruck, dessen Verständniß sich erst der tieferen, gereifteren Seelenerfahrung des Erwachsenen in vollem Umfang erschließt. Gleichwohl thut diese Eigenthümlichkeit dem Werth des Katechismus für die Jugend im Ganzen keinen Eintrag. Denn dieser Werth beruht außer dem bereits Angeführten vorzüglich einmal auf der Einfachheit und Natürlichkeit seiner dreitheiligen Anlage: 1) von des Menschen Elend; 2) von des Menschen Erlösung; 3) von der Dankbarkeit; dann auf deren meisterhafter Entwicklung im Einzelnen. Im ersten Theil wird nicht in der Weise des Lutherschen Katechismus die ganze Reihe der einzelnen Gebote Gottes vorgeführt, sondern nur die Summe des Gesetzes nach dem Worte Christi bei Matth. 22, 37-40. Gegenüber diesem Bild des gottgefälligen Dichtens, Trachtens und Lebens, zu welchem der Mensch an sich die Bestimmung hatte, kommt nun die ganze Tiefe des sündlichen Verderbens der wirklichen Menschheit seit und durch Adam zur sachlich gewaltigsten Aussprache in Fr. 5. vom Haß gegen Gott und den Nächsten und Fr. 8. von der Untüchtigkeit zu einigem Guten und der Geneigtheit des natürlichen Menschen zu allem Bösen. Nachdem in der erschütterndsten Weise dadurch das Gefühl des Sündenelends und des Zornes Gottes geweckt worden ist, knüpft der zweite Theil die Lehre von des Menschen Erlösung durch den gottmenschlichen Mittler an eine eingehende Erläuterung des apostolischen Bekenntnisses. Unter vielem andern ist hier besonders hervorzuheben die unvergleichliche Beschreibung des wahren Glaubens Fr. 21. und der Rechtfertigung Fr. 60. Hierauf folgt von Fr. 65 an die Erörterung der Sakramente als heiliger Wahrzeichen und Siegel der Verheißungen Gottes im Evangelium und in gleichem, ächt Calvinischem Ausdruck die Ausführung über das Amt der Schlüssel. Der dritte Theil bringt zunächst die Erklärung der 10 Gebote. Während im ersten Theil das Gesetz dem Menschen den Spiegel seiner Sünde und seines Elends vorhielt, so kehrt es im dritten Theil wieder, nur in anderer Bedeutung, nemlich als Richtschnur für das christliche Leben. Der Katechismus hält hier die Eigenthümlichkeit des ganzen reformirten Lehrsystems fest, daß das Gesetz in seiner Bedeutung für das dankbare Leben des Erlösten zu seiner vollen Anwendung kommt. Auf’s Strengste wird jedoch der Gedanke durchgeführt, daß die guten Werke, welche in der Gesetzeserfüllung erzeugt werden, nicht etwa in katholischer Weise als Verdienste erscheinen, sondern als Früchte des neuen, in der Wiedergeburt uns geschenkten Geistes, als Erweisungen der Dankbarkeit für die in uns erfahrene Erlösung. Zum dritten Theil gehört endlich die Auslegung des Unser Vater als des hauptsächlichsten Theiles des geistigen Gottesdienstes und der Dankbarkeit. So sind die drei allen christlichen Katechismen gemeinsamen Hauptstücke auch dem Heidelberger eingeordnet, aber in einer der reformirten Eigenthümlichkeit entsprechenden Folge und Auffassungsweise. Von einzelnen Stücken des Heidelberger Katechismus aber sind noch besonders berühmt geworden die ergreifende Antwort auf die Fr. 1., mit welcher der Katechismus beginnt: was ist dein einiger Trost im Leben und Sterben? sowie die Fr. 80. mit ihrer scharfen Aussprache gegen die römische Messe als „eine vermaledeite Abgötterei.“ Die erste Auflage des Katechismus hatte diesen Ausdruck nicht. Da aber in jenen Tagen die Beschlüsse des Conciliums von Trient veröffentlicht wurden, so fühlte sich der Churfürst bewogen diese Auflage soviel als möglich zurückzuziehen und in der darauf folgenden die obige Verschärfung anzubringen, welche auf römischer Seite sehr übel genommen wurde und in der späteren Pfälzischen Kirchengeschichte eine bedeutende Rolle spielt. So ging 1563 dieser Katechismus aus mit der Weisung des Kirchenraths, daß in den Sonntag-Nachmittagsgottesdiensten regelmäßig über dessen Fragstücke auch vor den Erwachsenen gepredigt werde. Der amtliche Text wurde zu diesem Ende in 52 Sonntage abgetheilt und außerdem in 10 Lektionen oder Abschnitte, welche jeden Sonntag vor der Predigt sollten vorgelesen werden. Bald wurde der Katechismus nicht nur in’s Lateinische, sondern selbst in’s Griechische und Hebräische, sowie in alle lebende europäische Sprachen übersetzt. Denn in der gesamten reformirten Kirche gewann der „Heidelberger“ ungetheilten Beifall und das volle Ansehn eines Bekenntnißbuches. Auch die regelmäßigen Katechismuspredigten wurden außerhalb der Pfalz, z. B. in Holland bleibende Kirchensitte. Und in der That erklärt sich diese Verbreitung leicht aus dem Gehalt des Katechismus. Mit Recht sagt ein neuerer reformirter Theolog: Eine eigenthümliche Kraft und Salbung ist über das ganze Werk ausgegossen. Eigenthümlich frisch und erweckend spricht das Buch gerade darum zur Seele, weil es als zuversichtliches, freudiges Bekenntniß des heilsgewissen Christenherzens auftritt. Es wird in ihm ebenso sehr zum Gemüthe und Willen, als zum Kopfe geredet. Scharfe und volksthümliche Entwicklung der Begriffe ist hier auf das Schönste verbunden mit dem tiefen Gefühl der Frömmigkeit, wie mit dem ernsten Geist der Erweckung und fröhlich glaubenden Zuversicht. Und wer, der nur einmal diesen Katechismus gelesen hat, könnte verkennen, wie unauflöslich mit diesen hohen Vorzügen der kräftige, würdige und doch so einfache Styl verbunden sei. Welch‘ eine treuherzige, verständliche und doch so erhabene Beredsamkeit spricht z. B. aus der ersten Frage: was ist dein einiger Trost im Leben und Sterben? „Daß ich mit Leib und Seele, beide im Leben und Sterben nicht mein, sondern meines getreuen Heilands Jesu Christi eigen bin, der mit seinem theuern Blut für alle meine Sünden vollkommlich bezahlet und mich aus aller Gewalt des Teufels erlöset hat und also bewahret, daß ohne den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupte fallen kann, ja auch mir Alles zu meiner Seligkeit dienen muß. Darum er mich auch durch seinen heil. Geist des ewigen Lebens versichert und ihm forthin zu leben von Herzen willig und bereit macht.“
Ueber diesen Sorgen für den innern Ausbau der Pfälzischen Kirche, mangelte es nicht an Gelegenheit zu Kämpfen nach Außen, denen sich Ursinus nicht entziehn konnte. Die Aufrichtung des Calvinischen Kirchenthums in der Churpfalz erregte in und außerhalb Deutschlands ein großes Aufsehn. Der Churfürst Friedrich erntete von der einen Seite hohes Lob, von der andern erfuhr er bittern Tadel und heftige Angriffe. Im besondern ließen die lutherisch gesinnten Nachbarfürsten Herzog Christoph von Württemberg, Markgraf Karl von Baden und Pfalzgraf Wolfgang von Zweibrücken nicht nach in Bemühungen den Churfürsten von seinen Reformen zurückzubringen. Bei diesem Anlaß kam immer von Neuem die Abendmahlslehre zur Sprache. Um die Angriffe auf die von den Gegnern sehr entstellte reformirte Abendmahlslehre zu widerlegen arbeitete Ursinus im Auftrage des Churfürsten eine seiner berühmtesten Schriften aus, welche 1564 unter dem Titel: „Gründlicher Bericht vom heil. Abendmahl unseres Herrn Jesu Christi, gestellt durch der Universität Heidelberg Theologen“ im Namen der ganzen Fakultät veröffentlicht wurde. Im gleichen Jahre wurde in Gegenwart der beiderseitigen Fürsten von Pfälzischen und Württembergischen Theologen in dem Württembergischen Kloster Maulbronn von 10-15 April ein berühmt gewordenes Religionsgespräch gehalten. Bei dieser ebensowenig erquicklichen, als erfolgreichen Verhandlung war unter den zahlreich anwesenden Pfälzern Ursinus der Hauptwortführer gegen den Tübinger Kanzler Jak. Andreä. Als im Jahre 1573 von demselben Andreä den Pfälzischen Theologen der Vorwurf entgegengeschleudert wurde: sie verträten in ihrer Glaubenslehre die Gräuel des Muhammedanismus und die Dogmen des Alkoran, so wurde 1574 das „Bekenntniß der Theologen und Kirchendiener zu Heidelberg von dem einigen wahren Gott in drei Personen, den zwei Naturen in der einigen Person Christi und dem heiligen Abendmahl unseres Herrn Jesu Christi“ veröffentlicht. In meisterhafter Klarheit und Schärfe werden die hier genannten Lehrpunkte entwickelt und begründet und am Schluß ein kurzer Inbegriff der reformirten Abendmahlslehre hinzugefügt. Auch an dieser Arbeit war Ursinus‘ Antheil jedenfalls ein sehr beträchtlicher, ja sie wird ihm wohl ganz zugeschrieben.
Zu diesen Kämpfen nach Außen kamen innere Kämpfe in der Pfälzischen Kirche selbst.
Der Heidelberger Katechismus charakterisiert sich als treuer Ausdruck der Calvinischen Reformation auch durch die in Fr. 82-85 niedergelegten Grundsätze über die Notwendigkeit einer von Gemeinde-Presbyterien zu übenden Kirchenzucht und speciell der Ausschließung Unwürdiger vom heil. Abendmahl. Schon frühzeitig hatte sich Olevian über diese wichtige Einrichtung Calvins Rath erbeten und ihn erhalten. Nicht minder war es dem Churfürsten voller Ernst mit der Einführung dahin zielender presbyterialer Einrichtungen in der Kirche seines Landes. Nur war die praktische Verwirklichung dieses Gedankens bei der engen Verbindung zwischen Staat und Kirche in der Pfalz nicht ohne große Schwierigkeiten. Die unter Schutz und Pflege des Staates gegründeten reformirten Kirchen in der deutschen Schweiz hatten unter dem Einfluß dieser Thatsachen, ähnlich wie die lutherischen Kirchen Deutschlands, in Betreff des Verhältnisses zum Staat andere Grundsätze angenommen und in andere Gewöhnungen sich hineingelebt, als die Kirchen in Frankreich und den Niederlanden, welche unter Druck und Verfolgung von Seiten der Staatsgewalt entstanden waren. Letztere waren nicht gewöhnt von der Staatsgewalt Förderungen zu begehren, aber eben so wenig Einwirkungen auf ihr inneres Leben zu dulden. Sie suchten vielmehr eifrig ihre körperschaftliche Unabhängigkeit in kirchlichen Dingen sich zu wahren, und empfanden deshalb nichts so lebhaft, als das Bedürfniß einer ernsten, nicht von der Staatspolizei, sondern von den eignen Organen der Kirche zu übenden Zucht über ihre Glieder. Diese Zucht galt ihnen als einzig feste Grundlage ihrer innern Einheit und diese als unerläßliche Grundbedingung ihrer Gemeindefreiheit und Selbstregierung. Die Wirkungen dieser Verschiedenheit, schon in der Schweiz hervorgetreten, zeigten sich auch in der Pfalz. Olevian und mit ihm vornehmlich die in der Pfalz angesiedelten ausländischen Calvinisten drangen auf Einrichtungen im Einklang mit dem Katechismus; eine andere Partei, an ihrer Spitze Thom. Erastus, Professor der Medicin, ein geborener Schweizer, erklärten sich heftig gegen die Zuchtübung der Kirche und verfochten die in der Schweiz und Deutschland einheimische Gewöhnung. Die Einzelheiten des heftigen Streites, welcher darüber seit 1568 zum Ausbruch kam, können hier nicht erzählt werden. Genug: der Sache lag zu Grund jener tiefere Gegensatz zwischen einem Staatskirchenthum und einem Freikirchenthum, der später noch öfters im Schoß der reformirten Gemeinschaft hervorgetreten ist. Erastus hatte gehofft, Ursinus als einen gebornen Deutschen in diesem Streit auf seine Seite herüberzuziehn. Allein vergeblich; denn Ursinus verfocht standhaft die Grundsätze seines Katechismus. Es war nicht die Art des Mannes, der einst als Jüngling eine ehrenvolle Laufbahn in Breslau willig seinen Ueberzeugungen zum Opfer gebracht hatte, in reiferem Alter zuerst in Büchern von einer Sache große Worte zu machen und dann dennoch dieselbe tatsächlich zu verleugnen. Er bekannte freimüthig: „wenn kein Dorf, keine Stadt ohne Disciplin, Gesetze und Strafen bestehn kann, so bedarf gewiß auch die Kirche, welche das Haus des lebendigen Gottes ist, ihrer eigenthümlichen geistlichen Verfassung und Disciplin, wenn dieselbe gleich von der staatlichen sehr verschieden ist.“ An dieser Ueberzeugung machte ihn weder das Geschrei gegen den „Hierarchen“ Olevian, noch die spitzen Reden gegen die „Fremden“, noch die Ungunst irre, in welche er mit Olevian und den Fremden bei der der Disciplin abgeneigten Heidelberger Bürgerschaft so wie bei vielen Gelehrten, Hofleuten und Beamten gerieth, zumal unter den Personen, welche Erasts Partei nahmen, der Natur der Sache nach viele Leute von zweideutigem und – wie sich später erwies – lockerem Charakter sich befanden. Erastus aber wußte Ursins Ueberzeugungstreue und Charakterfestigkeit so wenig zu würdigen, daß er denselben geradezu eines „wahnsinnigen“ Verhaltens in dieser Sache beschuldigte.
Indessen war Ursinus von Natur schüchtern, ängstlich und weichen Gemüths. Deßhalb hatten die unablässigen theologischen Fehden je länger desto mehr für ihn etwas tief Verletzendes. Besonders das Maulbronner Gespräch hatte einen überaus schmerzlichen Eindruck in seiner Seele zurückgelassen. Daher zog er sich von dergleichen so viel nur immer möglich zurück und lebte seinen ‚ akademischen Beschäftigungen. Aber auch hier war er bei kärglichem Einkommen über die Maßen überbürdet, besonders dadurch, daß ihm neben Lehre und Disciplin auch die Geschäfte der äußern Verwaltung des Instituts oblagen. Er fühlte daher bald seine Kräfte abnehmen. Körperleiden und Schlaflosigkeit singen an sich einzustellen; mehr und mehr lagerte sich eine düstere Hypochondrie über das edle Gemüth. Er sehnte sich danach von dem Sapienzkollegium, das er mitunter seine „Tretmühle“ oder „Marterkammer“ nennt, an eine ruhigere Stelle versetzt zu werden. Ein Ruf von Bern an die theologische Schule zu Lausanne schien ihm 1571 die ersehnte Erleichterung zu bringen; allein zweimal lehnte der Churfürst Ursins Entlassungsgesuch ab und wider den Willen des Fürsten wollte er nicht scheiden. Er fügte sich also gottergeben in die Lage der Dinge, in welcher ihm jedoch seitdem Erleichterungen, auch Verbesserung seines spärlichen Einkommens, wenigstens versprochen wurden. Noch war Ursinus nicht in die Ehe getreten, besonders aus Gründen seiner Kränklichkeit. Erst im Sommer 1574 verband ihn eine glückliche Wahl mit Margaretha Trautwein, an welcher er eine treue Ehegenossin und liebevolle Pflegerin fand und von der ihm ein Sohn geboren wurde.
Aber noch brachen über den treuen Zeugen der Wahrheit schwere Stürme herein, wie er sie längst ahnend vorausgesehen hatte.
Am 26. October 1576 starb Churfürst Friedrich III. und ihm folgte in der Churwürde sein Sohn Ludwig VI. Der neue Regent war ein eifriger Lutheraner und keineswegs gesonnen die ihm widerwärtigen Schöpfungen seines Vaters zu achten, ja auch nur zu dulden. Vielmehr ging sein ganzer Sinn auf eine Umwälzung der bestehenden reformirten Ordnung zu Gunsten des Lutherthums. Mit der größten Schonungslosigkeit und Härte setzte er sofort sein Vorhaben in’s Werk. Alle Gesuche der Geistlichkeit, der Universität, so wie des Rathes und der Zünfte in Heidelberg, sie bei freier Ausübung ihres Glaubens zu belassen, blieben vergeblich. Die Gotteshäuser wurden den Reformirten entzogen, der reformirte Kirchenrath aufgelöst und ein lutherischer an dessen Stelle gesetzt, die theologische Facultät aus einander gesprengt und gemäß diesen Maßregeln auch gegen Prediger und Lehrer im ganzen Lande verfahren, sofern sie nicht zum lutherischen Bekenntniß übertreten wollten. In Folge dessen wurden in Kurzem über 600 Prediger und Schullehrer um ihres Glaubens willen von ihren Stellen vertrieben. Mit tiefer Betrübniß richtete sich Ursins Blick auf den Schauplatz der Zerstörung jener Schöpfungen, für die er bisher mit so vieler Liebe und Hingebung gearbeitet hatte. Nur einen Beschützer fand das reformirte Bekenntniß innerhalb der Pfälzischen Lande um jene Zeit noch in Friedrichs zweitem Sohne Johann Casimir. Ihm war in der linksrheinischen Pfalz ein kleiner Territorialbesitz mit der Stadt Neustadt zugefallen. Hier sammelte der hochherzige Fürst, soviel es die Mittel erlaubten, einem beträchtlichen Theil der wissenschaftlichen Kräfte, welche durch seinen Bruder von Heidelberg vertrieben worden waren, an einer neugegründeten Lehranstalt. Auch Ursinus gehörte zu denjenigen, welche in Neustadt eine Zufluchtsstätte und seit dem Mai 1578 an dem sogenannten Casimirianum einen neuen Wirkungskreis fanden. Aber auch sein körperliches Leiden und dessen Gefährten Hypochondrie und Melancholie begleiteten ihn nach Neustadt hinüber. Gleichwohl arbeitete Ursinus hier noch fleißig an einer umfassenden Auslegung des Propheten Jesaias und an einer gelehrten Erläuterung des Heidelberger Katechismus. Selbst den Boden confessionellen Streits mußte er hier noch einmal betreten. Auf lutherischer Seite war die sogenannte Concordienformel und damit der letzte Scheidebrief gegen die Reformirten aufgestellt worden. Ursinus wurde die leidige Arbeit übertragen, in der „Christlichen Erinnerung vom Concordienbuch“ den reformirten Lehrbegriff noch ein letztes Mal gegen die Anfechtungen und Entstellungen der Lutheraner zu vertheidigen. Die Abfassung dieser Schrift war der letzte bedeutende Akt der öffentlichen Wirksamkeit Ursins. Ausgangs 1582 waren alle seine Krankheiten mit erneuerter Heftigkeit wieder aufgetreten. Die sorgfältigste Behandlung, die treueste Pflege zeigten sich nicht mehr vermögend ihn zu erhalten. Er brach unter seiner Arbeitslast, die er fast bis zur letzten Stunde trug, recht eigentlich zusammen. Am 6. März 1583 Abends sechs Uhr rief ihn der Herr aus der streitenden Kirche in die triumphierende hinüber. Franz Junius, sein College und Tröster auf dem Krankenlager, kann die Glaubensfreudigkeit, womit er aus der Welt schied, nicht herrlich genug schildern. In dem Gotteshause zu Neustadt haben seine Gebeine ihre Ruhestätte gefunden. Die dankbare reformirte Kirche nennt ihn in der Grabschrift mit sehr einfachen, aber wahren Worten „einen großen Theologen, einen Besieger der Irrlehren von der Person und dem Abendmahl Christi, begabt mit kräftigem Wort und Feder, einen scharfsinnigen Philosophen, einen weisen Mann und strengen Lehrer der Jugend.“
Hundeshagen in Heidelberg, später in Bonn
Die Zeugen der Wahrheit
Dritter Band
Piper, Ferdinand (Herausgeber)
Verlag von Bernhard Tauchnitz
Leipzig 1874