Margarethe Baxter.

Die Gattin des ausgezeichneten englischen Predigers Richard Baxter, dessen Gedächtnis in unsern Tagen durch mehrfältige Herausgabe seiner trefflichen Erbauungsschriften z. B. „Ruhe der Heiligen,“, „Der evangelische Geistliche,“ „Zuruf an Unbekehrte,“ u. dgl. erneuert worden ist, war eine Tochter des Friedensrichter Franz Charleton Ritter, welcher starb, als seine drei Kinder, ein Sohn und zwei Töchter, noch sehr jung waren. Nach seinem Tode begab sich die Mutter nach Kedermünster, wo damals Richard Baxter in großem Segen wirkte; denn ihr durch manche schmerzliche Erfahrung niedergedrücktes Gemüth sehnte sich nach Stille und nach dem Trost des Evangeliums. Ihre jüngere Tochter Margarethe, damals zwischen 17-18 Jahre, zog ihr nach, indem sie mit kindlicher Zärtlichkeit an der guten Mutter hing, obwohl sie deren religiöse Gesinnung keineswege theilte; denn eine allzu strenge Hofmeisterin, die man über sie gesetzt, hatte einen sehr nachtheiligen Einfluß auf ihr Gemüth ausgeübt. Statt daß sie ihr Liebe zum Guten hätte einflößen sollen, hatte sie in ihrem Herzen durch ihre Herbigkeit nur Widerwillen gegen das Christenthum erzeugt. Stolz und Eitelkeit waren die Götzen, denen sie fröhnte, Romane und leichtsinnige Gesellschaft die Nahrung, an der ihre verblendete Seele sich zu erlaben suchte. Doch hatte sie bei dem Allen einen Stachel in sich, der sie bei allen Zerstreuungen der Welt keine rechte Ruhe finden ließ, und ihr je länger je lebhafter die Ueberzeugung aufdrang, sie sei nicht wie sie sein sollte, habe und besitze nicht, was ihr Ruhe und Frieden geben könnte. Und bei allen Einwendungen, die sie gegen den und jenen Prediger der Wahrheit zu machen wußte, konnte sie doch einigen wenigen durch ihre Frömmigkeit und Erkenntnis ausgezeichneten Männern ihre Hochachtung nicht versagen, namentlich stand Ambrosius Wright bei ihr in gutem Andenken, und sie wünschte sich die Gelegenheit, einmal einem Manne der Art nahe zu kommen, um ihm die Sehnsucht ihres Herzens nach göttlichem Frieden mittheilen zu können. In dieser Fassung des Gemüthe kam sie nach Kedermünster. – Ihr Aeußeres zeigte in Schmuck und Kleidung das eitelste Weltkind, und die Romane, mit denen man sie einen großen Theil ihrer Zeit vertändeln sah, ließen nicht ahnen, daß sich bereits unauflöslich-feste Bande der ewigen Liebe um ihre Seele zu schlingen begannen, ja auch die harten und spöttischen Aeußerungen, die man sie zuweilen über die arme und strenge Lebensweise der Einwohner von Kedermünster, die sich meist sehr dürftig von Weberei nährten, ausstoßen hörte, konnten nur dem tieferen Menschenkenner es verrathen, wie sehr sie sich innerlich abmühte, ihre Freiheit Dem gegenüber zu behaupten, der allein rechte Freiheit zu geben vermag. Wäre ihre Liebe zu ihrer Mutter nicht so gar groß gewesen, so hätte sie den Ort wohl schon nach wenigen Tagen wieder verlassen, aber diese Liebe machte sie bleiben, und groß war der Lohn dieser kindlichen Hingebung.

Einst machte sie einen Besuch bei ihrer Schwester in Oxford und hörte bei dieser Gelegenheit eine Predigt von Hickman über die Worte: „Es ist ein unverständig Volk, darum wird sich auch nicht über sie erbarmen, der sie gemacht hat.“ Jes. 27, 11. Diese Predigt machte auf ihr Herz einen tiefen Eindruck, den Baxters Predigten noch verstärkten; denn er handelte gerade damals das Thema von der Bekehrung auf die Weise ab, wie er es nachher in einem besondern Traktate drucken ließ. Je aufmerksamer sie seinen Worten zuhörte, je genauer sie dieselben mit ihren innern Bewegungen und Erfahrungen verglich, desto ernster wurde sie, desto strenger nahm sie es mit ihrem ganzen Lebenswandel, desto fleißiger las sie in Gottes Wort, desto brünstiger wurden ihre Gebete. Die Veränderung, welche in ihrem Innern vorging, konnte am wenigsten der gottesfürchtigen Magd verborgen bleiben, welche sie bediente; denn wenn sie auch nach einer auf dieser Stufe der Bekehrung sehr häufigen Erfahrung auf sorgfältigste ihre innern Bewegungen vor allen Menschen zu verbergen suchte, die Magd sah eben doch zuweilen die Thräne im Auge, die sie eben noch abtrocknen wollte, das Bibelbuch, das sie eben erst zugeschlagen, hörte vor der Thüre lauschend manchen Seufzer, der um Licht und Gnade zum Himmel rief. Und das war der guten, treuen Seele eine so freudige Entdeckung, daß sie dieselbe nicht verschweigen konnte, sondern der Hausmutter mittheilen mußte, von der sie wußte, wie oft sie schon um Bekehrung der heißgeliebten Tochter zum HErrn gefleht. Mit Freuden hörte die Mutter, mit Freuden ihre vertrauten Freundinnen alle die gute Kunde; aber sie ließen Margarethe ruhig ihren Gang gehen und warteten, bis ihr der HErr selbst den Mund öffnen würde zu unumwundenem Bekenntnis.

Um diese Zeit predigte Baxter über Röm. 8, 9. „Ihr seid nicht fleischlich, sondern geistlich, so anders der Geist Gottes in euch wohnet,“ und gab dabei einige Kennzeichen an die Hand, woran man erkennen könne, ob man den Geist Christi habe oder nicht? – Margarethe hörte diese Predigt mit der Aufmerksamkeit eines Menschen, der vor Gericht steht und der Entscheidung eines schweren Prozesses mit gespannter Erwartung entgegen sieht. Sie schrieb sich die Hauptpunkte auf, prüfte sich darnach auf’s Strengste und kam endlich zu dem Schlusse: „Nun weiß ich gewiß, daß ich unter die Zahl der Gottlosen gehöre; denn ob man gleich bei keinem Menschen Vollkommenes erwarten darf, so folgt doch aus dieser Predigt, daß derjenige, bei welchem sich wie bei mir von allen Stücken das Gegentheil findet von dem, was man von einem Christen erwarten sollte, dem HErrn Christo nicht angehören kann. Und wie deutlich zeigt dieses auch mein jetziger Wandel, da ich mit einem harten Herzen, mit einem trockenen Auge, und mit einer unbewegten Hand, mich gegenwärtig für eine Erbin der ewigen Verdammnis erkennen kann? Aber der letzte Tag wird gewiß bald kommen, ob ich mich gleich bemühe, denselben weit von mir wegzuschieben.“

Solche und ähnliche Aeußerungen bietet ihr Tagebuch von jener Zeit mehrere dar, und diese Eindrücke waren keine leicht vorübergehenden, sondern sie faßten ihre Seele mit unwiderstehlicher Gewalt. Es schien Anfangs als ob sie das durch an den Rand der Verzweiflung getrieben würde, aber ihr Lehrer Baxter vereinte mit seinem erschütternden Ernste so viele evangelische Freundlichkeit, daß sie bald anfing, ihr Auge zutraulich zu Dem zu erheben, der ihr von seinem Kreuze herab Gnade und Vergebung zusicherte. So lernte sie denn bald darauf jenen goldenen Mittelweg richtig treffen, der Demuth und Glaube in der Anhänglichkeit an Christum auf’s Innigste verbindet. Gleich entfernt von pharisäischer Selbstgerechtigkeit wie von träger Sicherheit freute sie sich mit getrostem Muthe der unverdienten Gnade ihres Heilandes, und wandte allen möglichen Fleiß an, Alles zu verleugnen und zu überwinden, was ihrem HErrn mißfällig sein könnte, und sich in allen Stücken als seine gehorsame, treue, eifrige Dienerin zu erzeigen. Doch kaum war sie eine Zeitlang auf diesem guten Wege fortgegangen, so traf sie eine neue schwere Heimsuchung. Sie bekam nämlich einen heftigen Husten, der eine schnelle Auszehrung befürchten ließ. Schon war sie von ihrem gewöhnlichen Arzte aufgegeben, und auch die Arzneien, welche die beiden berühmten Aerzte Dr. Priscau und Bates, einstimmig als die einzigen Rettungsmittel vorschlugen, erzeigten sich erfolglos. Da beschlossen die frommen Weber zu Kedermünster, die im Hause ihrer Mutter wohl bekannt waren, sie wollten einen besondern Tag festlegen, an welchem sie unter Fasten und Gebet sich bei Gott für Margarethe verwenden, und im Rückblick auf höchst aufmunternde frühere Erfahrungen durch gemeinschaftliche Fürbitte ihre Wiederherstellung bezwecken wollten. Hatten sie doch gesehen, wie ein für besessen gehaltener Mensch sogleich auf ihr Gebet von seiner Plage befreit worden war, wie ein Prediger, der lange eine goldene Kugel in seinen Eingeweiden trug und durch keinerlei Mittel ihrer los werden konnte, an eben dem Morgen Hülfe fand, da sie sich vereinten, für ihn zu fasten und zu beten; war doch ein mit der fallenden Sucht behafteter Jüngling, der lange vergeblich da und dort Hülfe gesucht, den Tag, nachdem sie gemeinschaftlich in seiner Gegenwart für ihn zum HErrn gerufen, gründlich von seinem Uebel geheilt worden, – wie hätten sie nicht hoffen sollen, der HErr werde auch diesmal in Gnaden ihr Flehen erhören? Baxter selbst vereinigte sich mit ihnen, und das innige Mitleid von dem Alle gegen die Leidende durchdrungen waren, steigerte die Andacht ihres Gebets zu einer außerordentlichen Inbrunst – und siehe, auch diesmal ward ihre Hoffnung nicht zu Schanden, Margarethe wurde schnell durch ein einfaches Mittel von ihrer Schwindsucht befreit. Ohne daß sie sich entsinnen konnte, wer es ihr gerathen hätte, kam sie nämlich darauf, eine ziemliche Quantität Violensyrup zu trinken, sie bekam davon ein Nasenbluten, ihre Lunge wurde gereinigt, ihr Puls fing an besser zu schlagen, der Husten verlor sich, und bald war ihre Gesundheit wieder völlig hergestellt.

Nicht lange nach ihrer Genesung lud ihre Mutter alle die Freunde zu sich ein, welche sich zur Fürbitte für sie vereinigt hatten, um nun nach unleugbar erfolgter Erhörung dem HErrn auch für seine Gnade zu danken. Margarethe wurde zu dem Ende befragt: Wofür sie vor Allem Gott wollte ihrethalben gedankt wissen? – Sie machte einen Aufsatz, in welchem sie unter Anderm sagte: Da heute der Tag angebrochen ist, der besonders dafür ausgesetzt wurde, daß an demselben Gott gedankt würde für meine wunderbare Errettung, mit welcher er auf die anhaltende Fürbitte treuer Freunde geantwortet hat, so erneuere ich an demselben meinen Bund mit dem allmächtigen Gott und fasse durch seine Gnade den Vorsatz, mich ernstlich zu bestreben, daß die Gnade, die Er meiner Seele erwiesen, mir bewahrt bleibe, und ich meine Sünde und seine Barmherzigkeit immer besser erkennen lerne. Ich fasse den Entschluß, mich mit aller Macht jeder Sünde, welchen Namen sie auch haben möge, zu widersetzen, und nie auch nur einen Augenblick den Einflüsterungen Gehör zu geben, welche mir eine Sünde als unbedeutend darstellen wollten. Nie will ich künftig mehr dem Rathe des Teufels folgen, und meinen Gott durch Befleckung meiner theuer erkauften Seele mit Sünde beleidigen. Ich fasse mit Gottes Hülfe den Vorsatz, alle meine Pflichten künftig auf’s Sorgfältigste zu beobachten, nie will ich mehr Ausflüchte oder Entschuldigungen suchen, um mich der Erfüllung solcher Pflichten zu entziehen, die mir mühsam oder unangenehm wären, nie will ich durch Menschenfurcht oder Menschengefälligkeit mich bestimmen lassen, anders zu beten oder zu handeln, als mein Gewissen mich thun heißt.

Gegen Mitternacht schloß sie diesen Aufsatz mit den Worten: den 10. April Donnerstag um 12 Uhr des Nachts. Einen Tag, eine Nacht, welche ich nimmermehr vergessen will!

Obgleich sie jetzt die in Jesu erschienene Gnade kannte, und sich ihrer freute, so war es doch mehr ein Freuen mit Furcht und Zittern, als mit fester Gewißheit. Namentlich quälte sie oft und viel der Gedanke, sie habe den Grad heiliger Empfindungen, wornach ihre Seele verlangte, noch nicht erfahren, und ihre Freunde hatten große Mühe, sie darüber zu belehren, daß die Gewißheit des Gnadenstandes nicht von dem Maß heiliger Empfindungen abhänge, die man erfahre. Wir blicken in den damaligen Zustand ihres nach Gnade dürstenden Herzens, wenn wir folgende Worte ihres Tagebuchs lesen: „Je elender der Zustand ist, in dem ich mich befinde, desto höher habe ich die Wohlthat zu achten, daß ich noch am Leben bin. Warum sollte ich denn Gott nicht das für danken und Ihn bitten, daß Er mir auch das Uebrige, das noch fehlt, schenken möge? Und wie wohl mir mein Leben eine Last zu sein scheint, so weiß ich doch, daß ich sehr irren würde, wollte ich es wirklich dafür ansehen. Denn das größte Erdenleiden ist ja wie nichts gegen die Strafen der Hölle. Mag daher auch mein Leiden noch so groß sein, so tröste ich mich dessen: ich lebe doch noch in der Gnadenzeit, es bleibt mir doch noch ein Schimmer von Hoffnung auf die ewige Seligkeit. Fährt Gott noch immer fort, mir Wohlthaten zu erweisen, so kann ich daran erkennen, daß Er mir noch gnädig sein muß, und mir auf das Gebet der Seinigen darum das Leben gefristet hat, um meiner Seele noch ferner Gnade zu erzeigen. Denn sie baten ja nur deswegen um Verlängerung meines Lebens, damit ich Gelegenheit haben möchte, Ihm noch besser dienen zu lernen, und auch ich habe mein Gebet nur in derselben Absicht mit dem ihrigen vereinigt. Es ist mein ernstlicher Wunsch: o daß ich nur Ihm allein leben möchte! Warum sollte ich auch den Einflüsterungen des Satans Glauben schenken, welcher mich gerne bereden möchte, daß mir Gott wohl das Leben, aber nicht Seine Gnade schenken wolle. Ist es nicht viel besser, ich ermuntere mich, in Geduld auf Seine fernere Hilfe zu warten. Es ist ja schon das eine unschätzbare Wohlthat, daß ich die große Gefahr, in der meine Seele schwebt, einsehen lernte und von dem Verlangen erfüllt ward: fromm und heilig zu werden. Der das gute Werk in mir angefangen, sollte Er es nicht auch vollenden? – Darum will ich meine Seele zur Dankbarkeit gegen Ihn erwecken und mich vor Ihm demüthigen, daß mein Gemüth immer noch nicht dankbar genug gegen ihn gesinnet ist. Ich will die Wohlthaten, die ich bis dahin genossen, mit kindlichem Danke erkennen und mich dadurch zum Vertrauen erwecken lassen, daß er mich auch künftig nicht verlassen noch versäumen werde. Und hieran soll mich durch Gottes Beistand der Teufel nimmermehr hindern.“

Nachdem sie auf diese Weise eine Zeit lang ihren Kampf treulich allein gekämpft, fügte es Gott, daß sie einen Mitstreiter bekam, der ihr den Kampf wesentlich erleichterte, und ihr friedesuchendes Gemüth vollends zu der ersehnten Ruhe brachte. Richard Baxter warb um ihre Hand und sie trug kein Bedenken, ihm das Jawort zu geben. Merkwürdig sind die Bedingungen des Ehekontrakts, welche Baxter vor der Verheirathung aufsetzen ließ:

  1. Baxter, dem es nicht an den zu seiner Unterhaltung nöthigen Mitteln fehlt, wünscht durch diese eheliche Verbindung nichts zu bekommen, was er nicht vorher gehabt; denn er hält es für seine Pflicht, auch sogar den Schein zu meiden, als habe er diese Heirath um des Geldes willen geschlossen.
  2. Margarethe soll vor ihrer Verheirathung ihre ökonomischen Angelegenheiten so in Richtigkeit bringen lassen, daß jeder Anlaß zu Rechtshändeln möglichst abgeschnitten wird.
  3. Darf sie durchaus nicht verlangen, daß er irgend einige Zeit auf sie verwende, deren er zur Erfüllung seines heiligen Berufes bedarf.

Die Trauung fand am 20. Dezember 1662 zu London statt, und war der Anfang einer Ehe, welche neunzehn Jahre in ungestörter Liebe und Einigkeit fortdauerte. Margarethe verlor bald darauf die frühere Anwandlung von Betrübnis und Schwermuth. Der Umgang mit Baxter und seinen gottesfürchtigen Freunden, so wie die Verrichtung häuslicher Geschäfte, übte auf ihr Gemüth den wohlthätigsten Einfluß aus. Nachdem auf diese Weise der Frieden ihres Gemüthes sich befestigt hatte, war sie auch im Stande, mancherlei neue Prüfungen glücklich zu bestehen. Sie erlitt von Zeit zu Zeit bedeutende Verluste durch üble Schuldner, aber nie nahm man wahr, daß dies sie in Unruhe versetzt oder den Frieden ihrer Seele gestört hätte. Baxter, um ihr mehr äußerliche Ruhe zu verschaffen, überredete sie, ein Mehreres von ihrem Kapitalvermögen wegzugeben, als sie meinte, daß zweckmäßig wäre, und beraubte sie dadurch des Vergnügens, den Armen im Einzelnen so viel geben zu können, als sie gewünscht hätte, aber nie konnte man bemerken, daß sich die Zärtlichkeit ihrer Liebe gegen ihn dadurch vermindert hätte. Oft lagen ihr ihre Verwandte in den Ohren, sie habe sich für ihren Stand zu sehr erniedrigt, indem sie einen einfachen Prediger geheirathet; nun bot der Lordkanzler Baxter eine Bischofsstelle an, und sie wußte, daß ihre Anverwandten zufrieden gestellt worden wären, wenn sie ihn mit der bischöflichen Würde bekleidet gesehen hätten, weil auch sie dadurch mehr Ehre und eine größere Einnahme, somit nach weltlicher Ansicht bessere Tage bekommen hätte: dennoch war sie so weit entfernt, auch nur mit einem Worte ihn aufzumuntern, das Anerbieten des Lordkanzlers anzunehmen, daß sie im Gegentheil ihn um so lieber hatte, als sie sah, daß er nicht darauf eingehe: denn nichts war ihr so sehr zuwider, als bei einem Diener des Evangeliums Habsucht und Ehrgeiz wahrnehmen zu müssen. Noch auf eine schwerere Probe wurde sie gestellt, als Baxter in Folge politisch-kirchlicher Verhältnisse mit vielen hundert andern gottesfürchtigen, gelehrten und fleißigen Predigern seines Amtes entsetzt und jeder Hoffnung auf Wiederanstellung beraubt wurde. Aber obgleich hievon vielfältige Schmach und die äußerste Dürftigkeit zu besorgen war, so blieb sie doch in einer unveränderten Stille ihres Herzens, und war mit den Schicksalen ihres Mannes wohl zufrieden.

Eine eigenthümliche und nicht unbedeutende Beschwerde, die aus ihrer Verbindung mit Baxter hervorging, war die, daß sie so oft ihren Wohnort verändern mußte, und zu Zeiten nirgends eine bleibende Stätte hatte. Zuerst miethete sie ein Haus in Morefields, dann zu Acton, dann wieder an einem andern Orte, und endlich lebten sie gleichsam immer auf der Reise. Aber wo die edle, liebevolle Margarethe hin kam, überall hatte sie in Kurzem die Herzen der Hausgenossen und Nachbarn gewonnen. Und zwar war dieses nicht bloss so lange der Fall, als sie Mittel genug besaß, um reichliche Geschenke auszutheilen, sondern es dauerte auch fort, als sie in Dürftigkeit sich befand und sich selbst kümmerlich behelfen mußte: jetzt ward es erst recht einleuchtend, daß es nicht sowohl ihre Freigebigkeit als ihr liebreiches Benehmen und ihr rechtschaffener Lebenswandel war, was ihr allgemeine Achtung und Liebe erwarb. Allzeit sah man sie freundlich, höflich und liebreich gegen Alle, mit denen sie umging, und die Macht, welche sie durch ihr liebevolles Wesen über alle ihre Umgebungen ausübte, war so groß, daß Jedermann sich gerne von ihr zurechtweisen ließ und ihr folgte, wenn sie nach ihrer Gewohnheit darauf drang, daß man aller bittern und unbedachtsamen Worte sich im Umgang mit seinen Nebenmenschen enthalte. Unverkennbar war es, daß ihre Freundlichkeit nicht bloss auf die Befriedigung der leiblichen Bedürfnisse ihrer Mitmenschen abzweckte, sondern stets zugleich etwas Höheres im Auge hatte. Vor gefährlichen Versuchungen zu bewahren, von schändlicher Sorgenlast zu befreien, zur Bemühung um das Eine Nothwendige anzureizen, – das war es, was ihr stets im Sinne lag, wenn sie mit Andern umging oder leibliche Wohlthaten spendete. Sie hatte die Gabe, mit großer Herzlichkeit und Freudigkeit Leute aller Art zur Anhörung des göttlichen Wortes aufzufordern, und sie wendete diese Gabe nicht nur dann an, wenn das Wort von Leuten verkündigt wurde, die zu ihrer eigenen kirchlichen Partei gehörten, sondern sie hatte die Weitherzigkeit, zu denken, wenn die Leute nur Christum verkündigen hören, wenn sie nur im Glauben und in der Gottseligkeit gefördert werden, so sei ja die Hauptsache geschehen.

So weit immer ihre Mittel reichten, war sie bemüht gute Erbauungsbücher unter die Leute zu bringen, und war auch in dieser Hinsicht eine treffliche Gehülfin ihres Mannes. Während sie zu Acton wohnte, ließ sie ihr Haus so zurichten, daß diejenigen, welche zwischen dein öffentlichen Morgen- und Abendgottesdienst, oder auch nach demselben sich von ihrem Manne wollten noch besonders unterrichten lassen, einen hiezu bequemen Raum haben möchten. Dieses wurde von den früher sehr weltlich gesinnten und unwissenden Einwohnern des Orts mit großem Dank angenommen, und mit dem günstigsten Erfolge benützt. Viele ließen Baxter mit aller Willigkeit an ihren Herzen arbeiten, und gaben sich, als er sich von ihnen entfernen mußte, alle ersinnliche Mühe, ihn wieder zu bekommen.

Als Baxter von Acton abgeholt und in das öffentliche Gefängnis gebracht wurde, zeigte seine Frau nicht die geringste Bestürzung; mit aller Ruhe und Besonnenheit traf sie die nöthigen Anordnungen, um ihn selbst in’s Gefängnis zu begleiten, und ihm dort jede mögliche Erleichterung seiner unangenehmen Lage zu verschaffen. Sie rühmte nachher, nie habe sie glücklichere Tage vollbracht als diejenigen, die sie mit ihrem Manne im Gefängnisse verlebte. Während sich Alles beeiferte, den edlen Duldern durch Geschenke Theilnahme zu zeigen und ihre Lage zu erleichtern, so nahm sie doch nur so viel an, als die Noth erforderte. Nachdem sie von drei Personen so viel erhalten hatte, um den Advokaten bezahlen und die Gefängniskosten bestreiten zu können, wies sie jedes weitere Geschenk ab, obwohl sie noch manche andere bedeutende Ausgabe hatte.

Endlich ward durch die geschärften Gesetze des Parlaments, welche alle diejenigen trafen, die sich wie er der Gewalt der Bischöfe gewissenshalber nicht unterwerfen wollten, Baxter genöthigt, in eine andere Grafschaft zu ziehen. Margarethe bezahlte, was sie noch schuldig war, und ließ alle ihre bewegliche Habe nach Tolteridge bringen: hier mußten sie sich in der engen Wohnung eines armen Pächters kümmerlich behelfen, und noch oben drein die für ihre schwache Lunge höchst beschwerliche Ausdünstung eines chemischen Laboratorium sich gefallen lassen: allein bei dem Allem bewahrte sie eine solche Liebe zu ihrer armen Hauswirthin, daß sie den Sohn derselben ein Handwerk lernen ließ und damit sein Glück begründete.

Nach einiger Zeit fand sie zwar Gelegenheit ein anderes Haus zu miethen, allein hier mußte sie erst vielerlei mühevolle und zeitraubende Aenderungen und Ausbesserungen vornehmen, bis sie mit einiger Bequemlichkeit darin wohnen konnten, dessen ungeachtet sah man sie stets heiter und zufrieden, und herzlich dankte sie dem HErrn, als Corbet und seine Frau zu ihnen zogen und sie nun doch einigen aufmunternden Umgang hatten. Nach einiger Zeit gab der König den Nonconformisten (den die bischöfliche Kirchengewalt Verwerfenden) wieder die Erlaubnis zu predigen und Versammlungshäuser zu erbauen, und dringende Aufforderungen luden Baxter nach London ein. Hier bewährte sich wieder der Edelmuth Margarethens in dem Rath, den sie ihrem Gatten gab: dieser Aufforderung nicht eher zu folgen, als bis seine ältern Kollegen ihm vorangegangen wären, auf daß er nicht ihnen zuvorkäme, und ihre Beichtkinder an sich zöge. Erst als jene sich in London festgesetzt hatten, ließ sie es sich gefallen, daß auch Baxter dorthin zöge, und sein Predigtamt daselbst fortsetzte. In der Besorgnis, die dumpfe ungesunde Luft der Hauptstadt möchte ihm Schaden bringen, wählte sie für ihn ein angenehmes und wohlgelegenes Haus zu Southhampton Square, das er denn auch bis an ihren Tod bewohnte: dann war sie aber auch darauf bedacht, ihm einen Wirkungskreis zu verschaffen, der seinen Gaben und seiner Thätigkeit angemessen wäre; denn sie wußte wohl, daß er nach seiner Demuth und Ergebung ihn sich selbst nicht verschaffen, sondern erwarten würde, was ihm etwa angewiesen werde. Sie suchte es daher von ihm herauszubringen, welcher Wirkungskreis ihm wohl der willkommenste sein würde, und nachdem sie von ihm gehört, daß es ihm am liebsten sein würde, wenn er in der St. Martins Kirchspiel Arbeit bekäme, weil er höre, daß daselbst 40.000 Leute mehr seien, als in der Kirche Platz finden, und namentlich in der Nähe der neuen Gebäude von St. James eine Menge Einwohner fast so verlassen seien wie die Indianer in Amerika, dieweil sie in vielen Jahren keine Predigt gehört; so war sie darauf bedacht, ohne sein Vorwissen einen großen und geräumigen Platz ausfindig zu machen, wo er predigen könnte. Das Ergebnis ihrer Nachforschung war: es gebe keinen einzelnen Platz, der geräumig genug wäre, aber oberhalb des Markthauses seien neben einander mehrere Plätze, die zusammen genommen, den erforderlichen Raum darboten. Da ruhte sie nicht eher, als bis sie Jemand aufgetrieben, der für diesen Zweck diese Plätze um des HErrn willen zusammen miethete, und sich mit ihr vereinigte, ihren Mann zu bewegen, daß er hier predigen, und für den Nachmittag einen der geschicktesten Prediger Londons zu seinem Gehülfen bestellen möchte. Um ihren Zweck noch vollständiger zu erreichen, schickte sie nach einem hundert englische Meilen entfernten Prediger und ließ ihn bitten, herbeizukommen, und der Gehülfe ihres Mannes zu werden. Neben andern Beiträgen, die sie in die Gemeindekasse niederlegte, gab sie von ihrem eigenen Einkommen jährlich 480 fl. zur Besoldung dieses Gehülfen.

Allein ihre Freude, die Sache auf diese Weise ganz nach Wunsch eingerichtet zu haben, wurde bald durch ein unerwartetes Ereignis gestört. Eines Tages nämlich, da Baxter eben anfangen wollte, vor einer äußerst zahlreichen Versammlung zu predigen, hörte man ein furchtbares Krachen; denn der ganze große Versammlungssaal samt seinem schweren Dache ruhte auf einem einzigen ist der Mitte durchgezogenen Balken. Dieses Krachen setzte die Versammlung in die äußerste Bestürzung, bereits liefen einige zu den Fenstern und riefen: man möchte doch Leitern herbeibringen: vergebens bemühte sich Baxter zur Ruhe zu ermahnen. Indes war seine Frau, sobald sie den ersten Knall gehört, die Treppe hinunter gegangen, hatte sich durch die Volksmenge hindurchgedrängt, und den ersten besten Mann, der ihr begegnete, gefragt: von welcher Profession er sei? und da sie hörte, ein Zimmermann, ihn sogleich veranlaßt, dem Balken eine Stütze unterzustellen. Dies war, da der Mann in der Nähe wohnte, so eilig geschehen, daß die ganze Versammlung auseinander gehen konnte, ohne daß ein weiterer Unfall geschah. Den andern Tag wurde durch einen geschickten Werkmeister das Gebäude sorgfältig untersucht, und es ergab sich, daß es als ein eigentliches Wunder Gottes anzusehen sei, daß nicht das ganze Gebäude zusammengebrochen und das größte Unglück geschehen sei. Margarethe sah sich hiedurch veranlaßt, das jährliche Andenken an diese Errettung durch eine feierliche Danksagung bis an’s Ende ihres Lebens zu begehen und einen großen Versammlungssaal zu bauen, wo sie ohne Gefahr den Gottesdienst halten könnten. Sie bezahlte die bedungene Miethe für das bisherige Lokal und ließ sogleich ein anderes aufsuchen, wo man eine Kapelle von der erforderlichen Größe bauen könnte. Man fand dasselbe in Oxendonstreet, aber sie mußte eine jährliche Miethe von 360 fl. geben und dabei alle zum Bau erforderlichen Kosten tragen. Sie ließ sich aber dadurch nicht abhalten, sondern bestellte einen Freund, der das Lokal für sie in Besitz nahm und veranstaltete eine Kollekte, um die Kosten desto eher decken zu können. Allein kaum war der Bau vollendet, so wurde ihre Geduld und ihr Glaube auf eine neue schwere Probe gestellt. Nur ein einziges Mal hatte Baxter in der Kapelle gepredigt und war gleich den andern Tag auf’s Land verreist, da hörte sie, der Sekretär Coventry, welcher hart hinter der Kapelle wohnte, habe sich fest vorgenommen, Allem aufzubieten, um zu verhindern, daß nicht Baxter in der Nähe seiner Wohnung Versammlungen halte. Sie bestellte nun für den nächsten Sonntag, da ihr Mann von seiner Reise noch nicht zurück war, einen demüthigen frommen Mann, Namens Siddon, der unter Cromwell wegen seiner Anhänglichkeit an den König im Gefängnis gesessen hatte, um in der Kapelle zu predigen.

Aber Coventry, in der Meinung, Baxter würde wieder predigen, bestellte drei Richter mit obrigkeitlicher Gewalt, um ihn zu greifen und in’s Gefängnis zu führen. Statt Baxter wurde Siddon gefangen gesetzt, jedoch durch Vermittlung des Oberrichters Hall und einiger Andern nach einiger Zeit wieder freigelassen, weil die Verhaftungsurkunde nicht auf ihn, sondern auf Baxter gelautet. Indes musste nun Frau Baxter sämtliche Kosten für den armen Prediger bezahlen, auch ging es ihr sehr zu Herzen, daß er durch ihre Veranlassung in diese Ungelegenheit gekommen war. Mittlerweile mußte sie sich auch überzeugen, daß sie es nicht würde durchsetzen können, daß ihrem Manne gestattet würde, in der Kapelle zu predigen, und begnügte sich damit, dieselbe dem Dr. Cloyd und seinen Pfarrkindern zur Haltung ihrer öffentlichen Gottesdienste gegen einen Zins zu überlassen, der nicht mehr betrug als sie für Grund und Boden hatte bezahlen müssen: auf einen Ertrag von den ausgelegten Baukosten mußte sie dabei verzichten.

Hundert Andere würden sich nun zur Ruhe begeben und es dem Wechsel der Zeitumstände oder der Thätigkeit fremder Personen überlassen haben, dafür zu sorgen, daß dem armen unwissenden Volk, das um St. James herum wohnte, geholfen würde, nicht so die unermüdete Margarethe. Sie versuchte es zunächst mit Errichtung einer Schule, in welcher sie die verwahrlosten Kinder dieses Kirchspiels im Lesen und in der Religion unterrichten lassen wollte durch einen armen redlichen Mann, der eine Frau und viele Kinder hatte und der hiedurch Beschäftigung und Unterhalt finden sollte. Da sie aber das nöthige Geld nicht selbst hatte, so entlehnte sie es bei guten Freunden, denen sie bis an’s Ende ihres Lebens die Zinsen daraus bezahlte.

Für ihren Mann miethete sie eine Kapelle in der Swallowstraße, ließ sie bequem ausbauen und einrichten, und freute sich, als sie die armen Leute der Umgegend zu seinem Gottesdienste so zahlreich herbeieilen sah. Doch abermals dauerte ihre Freude nicht lange; ihr Mann war den Feinden des lebendigen Christenthums zu sehr ein Dorn in den Augen, als daß sie ihn hätten längere Zeit ungestört fortwirken lassen können. Es wurden Offiziere mit obrigkeitlicher Vollmacht vor die Kirchenthüre gestellt, welche ihm den Eintritt verwehren mußten, und dies wurde so lange fortgesetzt, bis sie sich überzeugte, er müsse auch diese Kapelle aufgeben. Sie sorgte daher dafür, daß ein treuer und arbeitsamer Prediger erwählt wurde, dem man die Kapelle mit gutem Vertrauen überlassen konnte, und auf dem der Haß der Welt nicht in dem Grade lastete wie auf ihrem Manne; da hierauf die Stelle Dr. Montons in Coventgarden erledigt wurde, so veranlaßte sie ihren Mann, täglich einmal daselbst zu predigen, in der durch den Erfolg bestätigten Voraussetzung, daß die Bewohner von St. James, welche dem Coventgarden nahe wohnten, diese Gelegenheit, Gottes Wort zu hören, zahlreich benützen würden. Außerdem veranlaßte sie die Erbauung einiger weiteren Kapellen in den verwahrlostesten Theilen der Stadt, indem sie bei ihren Freunden das erforderliche Geld zusammenbrachte. Nichts that ihr weher, als wenn armen Leuten zur Unterhaltung der Kapellen und Prediger Steuern aufgelegt werden mußten, weil sie fürchtete, die Liebe zum Wort Gottes und zum Gottesdienst überhaupt möchte darunter Noth leiden, wenn die Leute mißmuthig würden über die ihnen schwerfallende Kirchensteuer. Sie that daher ihr Möglichstes, um diese Steuern überflüssig zu machen, sie gab so viel sie immer konnte von ihrem eigenen Vermögen, und war unermüdet im Aufsuchen christlicher Menschenfreunde, welche im Stande waren, von ihrem Ueberflusse etwas abzugeben.

In den ersten 9-10 Jahren nach seiner Vertreibung nahm Baxter keine Gaben zur Bestreitung seiner eigenen Bedürfnisse an, außer einem Jahrgehalt von 120 fl., welchen ihm ein gewisser Herr Fountain auf eine Weise aufdrang, daß es unbescheiden gewesen sein würde, hätte er die Gabe beharrlich abweisen wollen. Seine Frau aber war so weit entfernt, seine Enthaltsamkeit zu tadeln, daß sie im Gegentheil sich darüber freute in dem Gedanken, es werde das, was er verweigere, andern Bedürftigen zu gut kommen.

Als endlich sogar von einem Friedensrichter ein Befehl ausgefertigt wurde, Baxters Güter zur Strafe für sein fortgesetztes Predigen mit Beschlag zu belegen, so war es wieder die treue Margarethe, welche ihn aufmunterte, diesen Verlust willig und ohne Murren, so weit es sein müsse, über sich ergehen zu lassen; daneben hatte sie aber Besonnenheit genug, ihm dasjenige zu retten, was für ihn das Unentbehrlichste war, seine Bibliothek. Sie selbst übernahm die Mühe, seine Bücher fortzuschaffen und an einem Ort zu verbergen, wo man sie nicht wohl finden konnte. Und als sie erkannte, daß am Ende doch alle ihre Mühe vergeblich sein würde, so übergab sie die Bücher, welche sie nicht in die Hände der Feinde kommen lassen wollte, theils einer Lehranstalt in Neuengland, theils einzelnen Personen, von denen sie hoffen konnte, daß sie einen guten Gebrauch davon machen würden.

Am Ende ward Baxter nicht nur mit Gefängnis, sondern auch mit einer Strafe von 480 fl. für jede einzelne Predigt bedroht, die er noch halten würde, dessen ungeachtet gehörte Margarethe so wenig unter diejenigen, welche ihn ermahnten, das Predigen aufzugeben, daß sie im Gegentheil nie unruhiger war, als wenn sie zu bemerken glaubte, es wolle ihn Bedenklichkeit oder Zaghaftigkeit beschleichen.

Das Wohlthun und Hilfeleisten ward ihr nach und nach so sehr zur andern Natur, daß sie meinte, alle Menschen, zum mindesten Alle, welche den HErrn kennen und lieben, sollten von dem gleichen Triebe beseelt sein: aber sie verrechnete sich hierin nicht selten, und mußte dann in der Verlegenheit über ihre Kräfte thun. Wo sie irgend von einem frommen Menschen hörte, der mit Schulden behaftet war, oder gefangen saß und dergleichen, da versprach sie sogleich, sie wolle dafür sorgen, daß Hilfe geschafft werde. Allein mehr als einmal war sie außer Stand, bei ihren Freunden die nöthige Summe aufzubringen und mußte das Fehlende von ihrem Eigenen zusetzen. Ein solcher Fall trug sich nicht lange vor ihrem Tode zu. Sie hatte sich anheischig gemacht, zur Befreiung einer würdigen wohlbekannten Person 240 fl. aufzubringen, konnte aber mit aller Mühe nur 96 fl. zusammenbringen, und mußte daher 144 fl. selbst beilegen.

So viel sie aber auch für Fremde that, so vernachlässigte sie doch keineswegs ihre Pflichten gegen ihre eigenen und ihres Mannes Anverwandte, und freute sich jederzeit, wenn sie das leibliche oder geistliche Wohl derselben auf irgend eine Weise fördern konnte.

War sie in ihrer Jugend viel mit Zweifeln wegen des künftigen Lebens und der Wahrheit der heiligen Schrift angefochten gewesen, so war sie in reiferen Jahren so fest in ihrem Glauben, und ihrer künftigen Seligkeit so gewiß, daß Baxter versicherte, er habe in 19 Jahren nie ein Wort der Ungewißheit über ihren Gnadenstand von ihr gehört, vielmehr habe sie oft mit ihm von der gewissen Hoffnung gesprochen, die sie habe, mit ihm dereinst im Himmel wieder zusammen zu treffen.

Ihr früher geäußertes Verlangen, sie möchte nur dahin kommen, daß ihr der Dienst Gottes über Alles theuer und lieb wäre, indem sie daran erkennen wollte, ob sie es wahrhaft aufrichtig mit dem HErrn meine, wurde jetzt vollkommen erfüllt.

So reizbar sie von Natur war, so hatte sie es doch durch die Gnade dahin gebracht, daß sie den Zorn völlig überwand und man nur äußerst selten ein hartes Wort aus ihrem Munde hörte; auch war es ihr ganz unerträglich, wenn Jemand in ihrer Gegenwart hitzig, scharf und zornig redete, und wenn es auch gegen solche gewesen wäre, die es wohl verdient hätten.

Sie mißbilligte es zwar im höchsten Grade, daß den nonconformistischen Predigern, unter denen so viele wackere, fromme Männer sich befanden, das Predigen untersagt war; aber sie hörte nicht gerne darüber klagen; und es war ihr ganz zuwider, wenn man gegen die Conformisten als gegen eine Partei redete, und ihre Fehler auf eine heftige und parteiische Weise aufsuchte und vergrößerte.

Nach dem Heil und der Bekehrung ihres Gesindes trug sie das ernstlichste Verlangen, und es schmerzte sie gar sehr, daß mancher ihrer Dienstboten, mit dessen Arbeit sie zufrieden sein konnte, so ganz unwissend und entfremdet von der wahren Gottseligkeit aus ihrem Hause ging: diejenigen aber, die wahrhaft bekehrt waren, liebte sie als ihre Kinder. Sie pflegte zu sagen: Gott habe einen so lebhaften Haß gegen die Heuchelei in ihr Herz gedrückt, daß sie dadurch manchmal von der vollständigen äußerlichen Erfüllung ihrer Pflichten abgehalten und gehindert werde, über Herzensangelegenheiten so zu reden, wie sie es eigentlich thun sollte. Dessen ungeachtet bezeugen Andere, sie habe eine ungewöhnliche Gabe besessen, im Zusammenhang und mit den passendsten Worten ohne alle ermüdende Wiederholungen über Religionswahrheiten zu sprechen. Allein sie machte von dieser Gabe äußerst selten Gebrauch, damit man sie nicht des Hochmuths beschuldigen möchte. In guter Gesellschaft redete sie wenig von dem, was ihr das Liebste war, und hörte lieber Andern zu, nur wo es galt, Unwissende zu belehren, oder Bekümmerte zu trösten, öffnete sie den reichen Schatz ihres Herzens. War ihr Mann von Hause abwesend, so erwarteten Manche, sie würde nun an seiner Statt den Hausgottesdienst leiten, aber ihre Bescheidenheit und Furcht vor Heuchelei ließ es ihr nicht zu. Nur wenn sie mit einzelnen Personen von ihrem Gesinde zusammen war, besprach sie sich mit ihnen über Angelegenheiten des Heils, oder las ihnen nützliche Bücher vor.

Oefters äußerte sie, es sei eine große Wohlthat Gottes, daß wir nicht zum Voraus wissen, was uns in dieser Welt begegnen werbe, z. B. wann wir krank werden oder sterben müssen; denn wir würden uns sonst allzusehr bekümmern.

Ihre Mutter ehrte und liebte sie sehr aufrichtig, und war fest davon überzeugt, daß nach der Schrift Segen ober Fluch die Kinder zuverlässig treffe, je nachdem sie an ihren Eltern es verdient. Nachdem dieselbe gestorben war, ließ sie ihr 1661 ein schönes marmornes Denkmal setzen, in welches ihr Mann die Worte eingraben ließ.

So muß ein schwaches Fleisch zu Staub und Moder werden,
Denn es vergeht die eitle Lust der Erden.
Wohl dir, beglückter Geist! Doch weh den armen Seelen,
Die statt der Himmelslust der Erde Güter wählen,
Steh‘, Sünder! höre doch, was dieses Grabmal spricht,
Komm, glaube, änd’re dich und wirke, weil es Licht.

Zwanzig Jahre darauf ruhten auch ihre Gebeine unter diesem Stein.

Von Jugend an war Margarethe mit einem alle vierzehn Tage wiederkehrenden Kopfweh behaftet, das gewöhnlich zwei bis drei Tage andauerte und auch ihre Brust so sehr beklemmte, daß sie zu aller anstrengenden Arbeit untüchtig war; gegen Ende ihres Lebens gesellte sich dann dazu noch manche andere Beschwerde. Etwa zehn Wochen vor ihrer letzten Krankheit verlor sich der Schmerz aus ihrer Brust, zog sich aber in die Nieren und bereitete ihr sehr schmerzliche Leiden. Die Aerzte wollten Hilfe leisten, aber nun litt ihr Gehirn so heftig, daß sie am 3. Juni 1681 völlig erkrankte und am zwölften Tage starb. Auf ihrem Krankenlager ließ sie sich öfters Stellen der heiligen Schrift, insbesondere der Psalmen, vorlesen, bat ihren Mann, mit ihr zu beten, und schied endlich mit den Worten: „Mein Gott, hilf mir! HErr, erbarme Dich über mich.“