Diese geistreiche, gottselige und heldenmütige Frau stammte aus dem uralten adeligen Geschlechte der Herren von Stauffen in Bayern, welches von dem Schwäbischen Geschlechte gleiches Namens zu unterscheiden ist. Ihr Großvater, der Stifter der Ehrenfelsischen Linie des Bayrischen Hauses von Stauffen, und Kanzler des Herzogtums Bayern, war einer von den drei großen Bayrischen Hansen. So nannte man nämlich die drei Herren Hans von Stauffen, Hans von Degenberg und Hans von Eichberg, weil sie in der innigsten Freundschaft miteinander lebten, von großen Verdiensten um das Land und alle drei zugleich sehr ansehnlichen Leibes waren. Argulas Vater hieß Bernhardin, und ihre Mutter Katharina von Thering (oder Dörring). Das Jahr ihrer Geburt ist unbekannt((genannt wird oft um 1492 AJ)). Ihr Vater muss ein frommer christlicher Mann gewesen sein, denn er schenkte seiner Tochter an ihrem zehnten Geburtstage eine schöne, neue, deutsche Bibel, und ermahnte sie mit ganzem Ernst, dieselbe ja recht fleißig zu lesen. Aber die Bettelmönche, damit sehr unzufrieden, prägten dem Mägdlein ein, die Bibel sei ein Verführbuch, und tauge am wenigsten für Kinder. Das fromme Kind wollte sich nicht selbst verführen, und folgte darum den verführerischen Pfaffen, ließ die Bibel ungelesen und lernte dafür Menschentand. Als sie zur Jungfrau herangewachsen war, kam sie an den Bayrischen Hof und erhielt dort nach alter deutscher Hofsitte weiteren Unterricht in allen den Künsten und Wissenschaften, in denen ein adeliges Fräulein damaliger Zeit wohlerfahren sein musste; vor allem rühmt sie die gute Zucht und die Gottesfurcht der Herzogin von Bayern, in deren Dienste sie war. Ihr Vater, der ebenfalls im Dienste des Herzogs von Bayern stand, erwarb sich dadurch wohl einen ehrenvollen Namen bei Hofe, aber desto weniger Vermögen, ja, er setzte noch das, was er besaß, dabei zu; ein Zeichen, dass er seinem Herzog durchaus treu und redlich gedient hat.
Gott wollte unsere Argula frühzeitig in die Schule der Trübsal führen, damit sie ihn suchen und finden möchte, und für die Zeit, wo sie um seines Namens willen leiden sollte, Geduld im Unglück lernen könnte. Sie war noch sehr jung, als ihr innerhalb fünf Tagen Vater und Mutter durch den Tod entrissen wurden. Ohne Eltern, ohne Vermögen, ohne den Trost des Wortes Gottes, fühlte die Waise sich ganz verlassen und weinte darüber Tag und Nacht. Der Herzog Wilhelm von Bayern, der Sohn der Herzogin, in deren Dienste Argula stand, und der ihr Obervormund war, sah sie einstmals so weinen, trat zu ihr, und tröstete sie mit den Worten, sie sollte nicht so weinen, er wolle nicht bloß ihr Landesfürst, sondern auch ihr Vater sein. Der edle Herr hat sein Wort gehalten, und wenn ihn die Pfaffen nicht betrogen hätten, so würde Argula nicht viel mehr von zeitlicher Not zu sagen gewusst haben.
An des Herzogs Hofe lernte sie der Fränkische Baron Friedrich von Grumbach (oder Grünbach) kennen, und verheiratete sich mit ihr; in welchem Jahre, ist ebenfalls ungewiss. Gott segnete diese Ehe mit vier Kindern. Argulas Gemahl war in Herzoglich Bayrischen Diensten, und einen ihrer Söhne nahm der Herzog ebenfalls an seinen Hof.
Um diese Zeit ging in Wittenberg das Licht des Evangeliums auf, und verbreitete seinen hellen Schein blitzesschnell durch alle Lande. Die Völker, die bisher so lange in Finsternis gesessen hatten, erschraken zuerst über den hellen, gewaltigen Glanz, wie die Hirten in der heiligen Weihnacht, und Vieler Augen konnten ihn lange nicht ertragen. Man war zwar des päpstlichen Joches herzlich müde, und die ernsteren Gemüter hatten es immer mit tiefem Schmerze gefühlt, dass ein Mensch durch seine eigenen Werke niemals zum wahren Frieden kommen kann; aber die Furcht vor dem päpstlichen Bann hielt alle in unwilligem Gehorsam. Um so mehr erstaunte man nun über den einzelnen, kühnen Mönch, der es im Namen Gottes wagte, dem Statthalter Gottes an die Krone zu greifen, und sich vor dem nicht fürchtete, der Kaisern und Königen auf den Nacken trat und sich rühmte, dass er die Schlüssel zu Himmel und Hölle allein in seinen Händen habe. Wie eine Heldengestalt, aus den Riesengräbern der Vorzeit wieder auferstanden, Vertrauen und Furcht zugleich erweckend, stand Luther da vor aller Augen, und sein Name war in aller Munde. Argula vernahm auch bald von der neuen Lehre, und suchte sich eine genaue Kenntnis derselben zu verschaffen. Der Bayrische Theologe von der Universität zu Ingolstadt, D. Eck, war Luthers gewandtester und heftigster Gegner; am Bayrischen Hofe war Luther arg verleumdet und nicht wohl gelitten; der Bayrische Adel teilte sich, wie überall, in zwei Parteien, der kleinste Teil desselben neigte sich Luthern zu; das Volk machte Anstalten, die christliche Freiheit in eine fleischliche Empörung zu verwandeln; Argulas Gemahl scheint selbst nicht zu Luthers Freunden gehört zu haben: wäre es unter solchen Umständen zu verwundern gewesen, wenn sie den Lügen über die Wittenberger Glauben geschenkt und sich auch hätte verblenden lassen? Leichtsinn war aber nicht ihr Sinn, ihr Seelenheil lag ihr wahrhaft am Herzen; auch kannte sie den Hof, die Klerisei und den meisten Adel viel zu gut, als dass sie sich danach hätte richten sollen, was diesen gefiel, was sie sagten und taten. Sie nahm also das edle Geschenk ihres Vaters, ihre lang vergessene Bibel wieder zur Hand, und so übel sie auch verdeutscht sein mochte, so verstand sie doch so viel daraus, dass sie einsah, dasjenige, was sie von Luthers Lehre gehört hatte, sei wirklich in der Schrift gegründet, und der Ruhm ihrer Pfaffen, als könnten sie Luthern überwinden, möge wohl grundlos sein. Um sich nun genau davon zu unterrichten, schrieb sie an den Kursächsischen Hofprediger Spalatinus, und bat ihn, ihr die Titel von Luthers Büchern aufzuzeichnen, damit sie sich dieselben verschaffen könnte, und nicht mit untergeschobenen betrogen würde. Spalatinus erfüllte ihren Wunsch; sie las, was Luther in deutscher Sprache geschrieben hatte, und daraus ging ihr bald das Licht auf über die ganze heilige Schrift. Gott senkte durch das Wort den heiligen Geist in ihr Herz, und bald war sie eine gläubige wahre Christin und erklärte Anhängerin der Reformatoren. Auch ihr Bruder Bernhard wurde von der Wahrheit des Evangeliums ergriffen, und bekannte sich schon im Jahre 1520 öffentlich zu der reinen Lehre des Wortes Gottes, wie es durch Luthern anfing in Wittenberg gepredigt zu werden. Er ließ auf seinem Gute Berezhausen das Evangelium predigen, und die Bürger von Nürnberg benutzten fleißig diese Gelegenheit, Gottes Wort zu hören. Späterhin, 1536 oder 1542, hielt er auch in seinem Hause zu Regensburg, dem sogenannten Stauffischen Hause((Vor hundert Jahren ist dieses Stauffische Haus der Gasthof zum grünen Strauß gewesen; wie es jetzt damit steht, weiß ich nicht. — Das ursprüngliche Haus ist im Jahr 1884 durch einen Brand zerstört worden. Es lag in der Obermünsterstr. 9 in Regensburg – und hier wurde 1542 auch das erste Abendmahl der Stadt gefeiert. Heute ist es die Gaststätte „Grüner Kranz“. Eine Tafel am Haus erinnert an Argula von Grumbach. AJ)), einen eigenen Prediger, der die päpstlichen Irrtümer abtun und den Seelen den Weg zu Christo, dem einzigen Heilande, zeigen sollte.
Wie fleißig Argula die heilige Schrift gelesen, wie gut sie sie verstanden und wie sorgfältig sie Luthers und Melanchthons Schriften damit verglichen hat, davon geben ihre herrlichen Briefe gültiges Zeugnis. Es blieb aber bei ihr nicht beim bloßen Lesen und Schwatzen darüber, sondern das Wort Gottes wurde in ihr zur Kraft und zur Tat. Sie konnte sich mit gutem Gewissen rühmen, dass sie durch Gottes Gnade ihre häuslichen Pflichten treulich und mit Freuden erfüllt, und ihrem Gemahle mit ihrem Wissen nie zu einer Klage Veranlassung gegeben habe. Ihr Gesinde und ihre Untertanen hielt sie ebenfalls in christlicher Zucht zu Gottesfurcht und Gottes Wort an, wie es christlicher Herrschaften Schuldigkeit ist. Ja, sie benutzte jede Gelegenheit, die ihr Gott gab, wo sie einen Sünder bekehren und einem Irrenden den rechten Weg zum ewigen Leben in Jesu Christo zeigen konnte. Leider haben wir weiter keine Nachrichten über ihr häusliches Leben; christliche Frauen werden sich aber leicht aus der heiligen Schrift und ihrer eigenen Erfahrung ein Bild davon entwerfen können.
Das für uns merkwürdigste Jahr ihres Lebens ist das Jahr 1523. Dieses gab ihr die Gelegenheit, der ganzen Welt ihren christlichen Heldenmut zu zeigen, dieses hat ihren Namen berühmt gemacht, ihr aber auch alle die schweren Leiden verursacht, die sie um Christi Willen erdulden musste, und heldenmütig durch Christum erduldet hat.
Es war zu Ingolstadt an der Donau ein junger Magister der freien Künste((Man zählte damals deren sieben: Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Musik, Arithmetik, Geometrie und Astronomie.)), Arsatius Seehofer, kaum: 18 Jahre alt, der Sohn ehrsamer und wohlhabender Eltern aus München. Dieser hatte aus Luthers und Melanchthons Schriften die christliche Wahrheit zu erkennen angefangen, und in Schriften und Vorträgen öffentlich bekannt gemacht. Die Professoren der Universität zu Ingolstadt zogen aus diesen Schriften Seehofers, wie sie sagen mit inbrünstigem, ernstlichem Fleiße, siebzehn Punkte heraus, welche sie für ketzerisch erklärten, ließen den Magister ins Gefängnis werfen, lange darin schmachten, und brachten es endlich, nachdem sie ihn auf Herzog Wilhelms Befehl aus dem Gefängnis unter der Bedingung, dass er widerrufen wolle, hatten entlassen müssen, durch Androhung des Feuertodes bei ihm dahin, dass er die 17 Artikel öffentlich und feierlich am 7. September 1523 widerrief. Die Artikel sind folgende:
– Der Mensch wird vor Gott allein durch den Glauben gerecht.
– Die Gerechtigkeit vor Gott besteht darin, dass uns Gott dieselbe zurechnet, ohne unsere Werke anzusehen.
– Der Mensch kann diese Rechtfertigung sich durch keinerlei Werk oder Verdienst erwerben.
– Gott allein macht uns gerecht dadurch, dass er uns seinen Geist eingießt, ohne alle unsere Werke.
– Wir sollen auf unsere guten Werke gar keine Hoffnung oder Zuversicht sehen.
– Es ist unmöglich, dass der Glaube nicht sollte gute Früchte oder Werke hervorbringen.
– Wenn die Schrift sagt, dass die guten Werke belohnt werden, so soll man das so verstehen, dass wir nichtsdestoweniger durch den Glauben selig werden.
– Diejenigen, welche es sich unterstehen, durch ihre guten Werke sich gerecht und gut zu machen, die bauen nicht auf einen Felsen, sondern auf Sand.
– Man soll in der Kirche Keinem etwas glauben, außer was er gewiss und klar beweist aus dem Worte Gottes.
– Es soll kein Mensch in der christlichen Kirche etwas tun oder lehren, was Gott nicht gewisslich angegeben, gelehrt oder geboten hat.
– Ein Bischof darf nichts anderes, als das Wort Gottes lehren.
– Ein Bischof ist der, der das Amt hat, Gottes Wort zu predigen.
– Wenn ein Mann rechtlich von seinem Weibe geschieden wird, so hat er Macht, eine andere zu nehmen, ebenso darf sich die Frau einem andern vermählen, ausgenommen, wenn man dem, der daran schuld ist, dass die erste Ehe geschieden ist, verbieten wollte, eine andere einzugehen.
– Man soll nicht schwören, ausgenommen zu Gottes Ehre und des Nächsten Nutzen; um zeitlicher Güter willen zu schwören, ziemt sich nicht. – Wer einen Eid von einem andern fordert, der muss notwendig ein argwöhnisches, untreues, boshaftiges und leichtfertiges Gemüt haben, auch wenig Ehrfurcht vor Gottes Wort.
– Das Gesetz Mosis fordert vom Menschen, was er nicht leisten kann.
– Dass das Evangelium Christi nicht Geist sei, sondern Buchstabe, ist falsch.
Wer nur ein wenig im wahren Christentum unterrichtet ist, wird sogleich erkennen, dass gegen diese Behauptungen Seehofers, die fünfzehnte ausgenommen, die man ihm zu gut halten darf, nichts Gründliches aus der heiligen Schrift vorgebracht werden kann, sondern dass sie vielmehr ganz mit der Bibel übereinstimmen. Aus welchen Gründen die Universität zu Ingolstadt diese siebzehn Artikel für ketzerisch erklärt hat, kann man aus Luthers Schrift dagegen, die hier mit abgedruckt ist, zur Genüge ersehen. Die Eidesformel, mit welcher Seehofer diese sogenannten Ketzereien abschwören musste, war folgende:
Ich, Arsatius Seehofer von München, der freien Künste Meister, schwöre auf das heilige Evangelium, das ich in meinen Händen habe, und bekenne hier mit dieser Schrift, die ich mit meiner eigenen Hand geschrieben habe, und mit meinem eigenen Munde vor Euch, Rektor und Räten und der ganzen hohen Schule der löblichen Universität zu Ingolstadt, hiermit lese und ausspreche: wiewohl ich vor dieser Zeit mit der frevelhaften, falschen, irrigen, lutherischen Ketzerei in Verdacht und mannigfaltig befleckt gewesen bin, so dass ich sie auf manche Weise durch lehren, schreiben und verteidigen ausgebreitet und nach meinen Kräften damit getäuscht habe; weshalb ich denn in der obengemeldeten, meines Herrn Rektors und der Räte der Universität, Gefängnis gekommen bin, und eine Strafe (wie denn eine solche nach allgemeinen Rechten den Verteidigern der Ketzereien aufgelegt werden soll) verschuldet hatte; so habe ich doch bei denselbigen aus besonderem Befehl und Verordnung der Durchlauchtigen, Hochgeborenen Fürsten und Herren, Herrn Wilhelm und Herrn Ludwig, Gebrüdern, Pfalzgrafen am Rhein usw. die Gnade erlangt, dass solche ernstliche Strafe gegen mich ab- und eingestellt worden ist, unter der Bedingung, dass ich’s jetzt soll demütig erkennen und widerrufen. Hierauf so bekenne ich hiermit, dass Alles, das in meinen Vorlesungen durch mich aus den Schriften Philippi Melanchthons gelesen, auch sonst durch mich geredet und geschrieben, und jetzt hiervor durch den Notarius der Universität verlesen ist, eine rechte Erzketzerei und Büberei sei, dass ich auch denselben ((Schriften Melanchthons)) allen, wie von Päpstlicher Heiligkeit, Kaiserlicher Majestät und obengenannten meinen gnädigen Herrn verboten ist, nimmermehr anhangen oder sie gebrauchen, sondern, wie einem frommen Christen gebührt, alles dasjenige, was die heilige, Römische, christliche Kirche, die heiligen Concilia geordnet und gesetzt haben, und was durch einen ehrbaren, geistlichen Brauch angenommen worden ist, halten wolle, und mich mit meinem eigenen Leibe in das Kloster Etztal stellen, daraus ohne besondern Befehl unseres gnädigen Herrn nicht kommen, endlich auch kein lutherisches Buch lesen noch herausgeben wolle. Das helfe mir Gott, der Allmächtige, usw.!
Als M. Seehofer auf diese Weise seinen Herrn Christum verleugnet hatte, stürzten ihm, wie Argula erzählt, die Tränen in Strömen über die bleichen. Wangen. Da trat ein Jurist zu ihm, und frug ihn, was er so weine? ob er noch ein Ketzer sei? Ich weiß nicht, kam die Frage aus Mitleid oder aus Verdacht; ob Arsatius geantwortet habe, wird uns nicht gemeldet, aber wohl, dass er bald darauf in ein Kloster zu hartem Gewahrsam abgeführt worden ist. Sein Gewissen ließ ihm aber keine Ruhe, und er suchte aus dem Kloster zu entkommen. Auf welche Weise ihm das gelungen sei, wissen wir nicht; es wird aber gemeldet, dass Arsatius Seehofer, nachdem er aus seinem Kloster geflohen war, sich nach Wittenberg zu D. Luther begeben, seinen Fall und seine Verleugnung Christi bekannt und Absolution darüber empfangen habe. Luther schickte ihn darauf nach Preußen zum Hochmeister des deutschen Ritterordens, Markgraf Albrecht von Brandenburg, wo er etwa anderthalb Jahr lang das Evangelium predigte. Weil er aber das dortige Klima nicht wohl vertragen konnte, ging er wieder nach Wittenberg. Im Jahre 1534 finden wir ihn zu Augsburg als Lehrer in der zweiten Klasse der St. Annenschule daselbst. Als Herzog Ulrich von Württemberg sein Land wiedererobert hatte, ging Arsatius 1536 nach Stuttgart, wurde von D. Erhard Schnepf examiniert, und darauf zum Pfarrer und Prediger des göttlichen Wortes nach Leonberg berufen, wo er der Kirche gegen drei Jahre treulich und fleißig gedient hat. Von dieser Stadt Leonberg wurde er zur Stadtpfarre Winnenden im Remstale befördert, wo er zur Verteidigung seiner Lehre gegen allerlei Lästerer und Feinde seine lateinische Postille oder Auslegung der sonntäglichen Evangelien im Jahre 1539 geschrieben hat. Dieser Postille sind einige Fragstücke angehängt, welche er allen evangelischen Predigern zu gut über die vornehmsten Hauptstücke der christlichen Religion aufgesetzt hatte; auch einige Sätze von der Messe, dem Fegfeuer und dem päpstlichen Ablass. Dieses beides soll, nach M. Riegers Nachrichten darüber, eine ziemlich vollständige und echt evangelische Unterweisung sein, welche wegen ihrer Gründlichkeit, Deutlichkeit und Erbaulichkeit nicht wenig Nutzen gestiftet haben wird. Nachdem Seehofer zu Winnenden sechs Jahre lang das Evangelium gepredigt hatte, ist er an einem Seitengeschwür in christlichem Bekenntnis selig entschlafen. In seiner vielfachen Bedrängnis hat er sich öfter an seine Eltern gewandt und um Unterstützung gebeten, aber allezeit abschlägliche Antwort erhalten. Er hat dies mit christlichem Herzen ertragen, und sich getrost Gott dem Allmächtigen befohlen, auch seine Eltern deswegen entschuldigt, als ob sie aus Furcht vor ihrem Landesfürsten solches hätten unterlassen müssen. – Ich habe diese Nachrichten über M. Seehofer hier deshalb mitgeteilt, damit man sieht, dass Argulas Hoffnung, die sie mehrmals über ihn ausgesprochen hat, in Erfüllung gegangen, und dass noch viel Gutes aus diesem Jüngling geworden ist.
Wir kehren nun zum Jahre 1523 zurück. Kaum war dieser Gräuel zu Ingolstadt geschehen, so meldete es ein Bürger von Nürnberg an unsere Argula, schickte ihr die siebzehn Artikel, die Widerrufsformel des Arsatius und eine ausführliche Erzählung des ganzen Vorfalls zu, und schrieb dabei ziemlich spöttisch über die Universität und den Herzog von Bayern. Argula schrieb demselben zurück, und entschuldigte den Herzog, so gut sie konnte, indem sie darauf hinwies, dass der Herzog es ja gewesen, durch den Arsatius aus dem Gefängnis befreit worden sei, und dass er gewiss über den Arsatius falsch berichtet worden sein müsse, sonst würde er nicht in dieses grausame und gottlose Verfahren der Universität gewilligt haben, dazu sei sein Gemüt zu christlich. Sie war aber über diese Misshandlung des „achtzehnjährigen Kindes“, wie sie sich ausdrückt, so empört, dass sie gleich willens war, der Universität zu schreiben, und ihr ihr Unrecht auseinanderzusetzen. Indessen ließ sie sich durch den Spruch des Apostels Paulus, dass die Weiber in der Kirche schweigen sollen, davon abhalten, obwohl es ihr, nach ihrem eigenen Geständnisse, schwer ward und viel Kummer machte. Sie hoffte täglich, es würden Männer auftreten, und diese Unbill öffentlich rügen, die dem armen Arsatius öffentlich angetan war. Es geschah aber nicht. Länger als acht Tage konnte nun Argula auch nicht warten, und so schrieb sie denn am Sonntag nach der Erhöhung des heiligen Kreuzes, den 15. September 1523, ihre gewaltige Strafepistel an die Universität zu Ingolstadt. In derselben erbot sie sich, nach Ingolstadt zu kommen, und mit den Professoren über die heilige Schrift zu disputieren, wenn dieselben den Mut und Willen dazu hätten, und zwar in Gegenwart der drei Fürsten von Bayern und des ganzen Volks; so gewiss war sie ihrer Sache. Sie hoffte zwar, die Herrn Professoren würden so klug sein und die Sache geheim halten; da es aber wohl möglich war, dass man sie beim Herzog Wilhelm verleumden würde, so schrieb sie noch denselben Sonntag Abend ihren vortrefflichen Entschuldigungs- und Ermahn-Brief an den Herzog, und übersandte ihm eine Abschrift ihres Fehdebriefes an die Universität. –
Herr D. Eck hielt es für zu schimpflich, mit einem Weibe zu disputieren, und schickte ihr Rocken und Spindel, „damit sie dabei in der Spinnstube mit ihresgleichen Wäscherinnen plaudern möchte, so lange sie wollte“; und die Sache wurde teils durch die Universität, teils durch den Hof bald überall bekannt. Man machte ein lustiges Histörchen daraus, spottete und lästerte über die edle Argula, was nur aus dem Munde wollte, und ehe ein Monat vergangen war, war sie das Liedlein aller Leute (Ezech. 33,32.). So gering aber die Universität die Sache zu nehmen schien, so bitter war ihnen doch die Arznei, die ihnen von Frau Argula eingeschenkt war, eingegangen, und sie dachten in ihren Herzen nur darauf, wie sie die heldenmütige Zeugin Christi bald von dieser Welt schaffen könnten; das war ihre beste Art, Recht zu behalten, und ihre Sache zu verteidigen. Argula erfuhr das, und schrieb daher Sonntag Abends, den 27. Oktober 1523, an den Rat der Stadt Ingolstadt, übersandte demselben auch eine Abschrift ihrer Epistel an die Universität und bat, dieselbe zu lesen, damit sie in der Sache wohl unterrichtet würden und sich nicht verführen ließen.
Argulas Verwandte hatten auch eben keinen Gefallen an ihrem Schritte, und ihr Zorn ging so weit, dass sie drohten, sie würden sie einmauern lassen, wenn ihr Gemahl nicht dazu täte. Deshalb schrieb sie an ihren Vetter Adam von Thering und übersendete demselben auch eine Abschrift ihres Briefs an die Universität. Es half ihr aber alles nichts. Die Gnade des Herzogs Wilhelm verwandelte sich in Ungnade, er vergaß seine Versprechungen, die er der Waise getan hatte, und der großen Verdienste des Stauffenschen Hauses, und verwies unsere Argula, die noch dazu gerade zu der Zeit Witwe geworden zu sein scheint, aus dem Lande, entließ auch ihren Sohn aus seinem Dienste und hinderte es nicht, dass sich die Pfaffen in Würzburg eines Gutes bemächtigten, das ihrem Gemahl gehört hatte. „Meine Kindlein wird der HErr schon versorgen, (schrieb sie dazumal) und sie speisen mit den Vöglein unter dem Himmel, auch bekleiden, wie die Blümlein des Feldes! Er hat’s gesagt! Er kann nicht lügen!“ – Ihr Glaube hat sie auch nicht betrogen! Er hat’s gesagt!
Wir haben aus dem Jahre 1523 noch zwei Briefe von ihr, einen an den Churfürst Friedrich den Weisen zu Sachsen, und einen an Johannes, Pfalzgrafen am Rhein, beide vom Zinstag (oder Dienstag?) nach Andreä, das wäre vom 3. Dezember ohne Angabe des Ortes datiert.
Im Jahre 1524 erschien das Karmen, welches ein Ingolstädter Student, Johannes, gebürtig aus Landshut, gegen Argula fabriziert hatte, und woraus man sieht, dass die Feinde der Wahrheit in ihrer Art zu streiten sich zu jeder Zeit gleich bleiben. Auf die Sprüche der Schrift und die Hauptsachen wird nicht geantwortet, sondern es werden einige Kleinigkeiten aufgestochen, hauptsächlich aber der Argula eine schlechte Gesinnung angedichtet, und das mit solcher Frechheit, dass der Verfasser es für gut gehalten hat, seine werte Person hinter den Schirm der Anonymität zu verstecken. Argula verteidigte sich wieder in Versen, und antwortete (nach Sprüchw. 26,5.) dem Narren nach seiner Narrheit.
Sie hat außer den hier wiederabgedruckten noch viele Briefe geschrieben, die uns aber leider nicht erhalten sind. Wir haben nur Nachrichten davon. Salig in seiner vollständigen Historia der Augsburgischen Konfession erwähnt noch einer Schrift Argulas von 1523, worin sie alle Stände und Obrigkeiten ermahnt, bei der Wahrheit und dem Worte Gottes zu bleiben; auch noch einen andern an den Pfalzgrafen Johann beim Rhein, als die hier abgedruckten. Luther schreibt schon 1522 an Paul Speratus nach Mähren((Ausgabe von Walch, Teil 21, Seite 792)): „Ich habe den Brief der Frau Argula von Stauffen erhalten, darinnen mir angenehm zu lesen gewesen ist, dass das Evangelium fruchtbar im Lande((Bayern)) sei.“ Ferner 1524 an Georg Spalatinus((ebendaselbst, S. 885)): „Ich schicke Euch, lieber Spalatin, den Brief der Argula, einer Jüngerin Christi, dass ihr seht und euch freut mit den Engeln über eine sündige Adamstochter, die bekehrt und eine Tochter Gottes geworden ist. Wenn ihr ihrer ansichtig werden könnt, so grüßt sie meinetwegen((d. h. von mir)) und tröstet sie im Namen Christi. Denn ich suche, auch zu ihr zu gelangen, und hätte schon geschrieben, wenn ich gewusst hätte, dass ich gewiss durch Euch an sie schreiben könnte.“ Ferner an ebendenselben((S. 929)): „Wenn ihr etwa unserer Argula antwortet, lieber Herr Spalatin, so schickt diesen meinen Brief zugleich an sie. Denn ihr könnt solches eher als ich.“ Man sieht hieraus, dass sie bald mit Luther in einen brieflichen Verkehr getreten war. Sie hatte ihn denn auch ermahnt, in den heiligen Ehestand zu treten, worüber Luther an Spalatin 1524 schreibt((S. 931)): „Was mir die Argula wegen der Heirat schreibt, dafür danke ich, und es wundert mich nicht, dass man so von mir schwatzt, da man wohl mehr dergleichen redet. Ihr könnt ihr aber meinetwegen danken, und sagen, dass ich zwar in der Hand des HErrn sei, als seine Kreatur, deren Herz er ändern und wieder umkehren, töten und lebendig machen kann alle Augenblick‘ und Stunden. Bei dem Herzen aber, so ich bisher gehabt und noch habe, wird es wohl nicht geschehen, dass ich heirate; nicht, dass ich mein Fleisch und Geschlecht nicht fühlte, da ich weder Holz noch Stein bin, sondern weil ich noch keine Lust dazu merke, und täglich den Tod und die verdiente Strafe eines Ketzers erwarte; darum will ich auch dem HErrn kein Ziel noch Maß seiner Wirkung in mir sehen, noch mich auf mein Herz verlassen. Ich hoffe aber, er werde mich nicht lange leben lassen.“ 1528 schreibt er wieder an Spalatin((S. 1136)): „Ich schicke die Briefe unserer Argula, dass Ihr sie lest statt der meinigen (denn ich habe nichts zu schreiben), und seht, was das gute Weib ausstehen und leiden muss.“ Diese paar Worte Luthers sind alles, was wir aus dieser Zeit von Argulas Lebensgeschichte wissen. Sie hat nachher auch Luthers persönliche Bekanntschaft gemacht, ist vielmals bei ihm gewesen, und namentlich hat sie ihn während des Reichstages zu Augsburg in Coburg öfter besucht, woselbst Luther, als einer, der sich noch in der Reichsacht befinde, vom Churfürsten von Sachsen vorsichtshalber zurückgelassen war. Luther gedenkt ihrer in einem Briefe an Melanchthon vom 2. Juni 1530, der so anfängt ((Teil 16, S. 2826)): „Gestern ist Hans Reynick von Mansfeld und Georg Römer, auch heute Argula von Stauffen bei mir gewesen. Ich aber, als ich sah, dass der Anlauf an diesem Orte gar zu stark war, habe mir vorgenommen, nach dem Exempel Eures Stromers, entweder mich zu stellen, als wäre ich nicht zu Hause, oder auf einen Tag anderswohin zu reisen, damit die Rede gehe, ich hielte mich gar nicht mehr allhier auf.“ Spalatinus hat uns in seinem auf dem Reichstage zu Augsburg geführten Tagebuche noch ein Bruchstück eines Briefes von Argula aufbewahrt, indem er schreibt ((Teil 21, S. 68)): „Donnerstags nach Margarethae habe ich auch neben andern Schriften einen fast ((sehr)) christlichen Brief von der von Stauffen gehabt, die schreibt unter anderem also: Fürchtet euch nicht, die Sache ist Gottes, der sie in uns ohn‘ uns angefangen hat, der weiß und wird uns wohl beschützen; er schläft nicht, der da behütet Israel, die Sache ist sein; wird den Streit wohl stillen, und hinausführen usw.“ Daselbst erzählt Spalatin auch von Herzog Wilhelm von Bayern ((S. 57)): „Man sagt nochmals ((Spalatin hatte es schon einmal erzählt)), auch etliche Bayern selbst, dass Herzog Wilhelm zu Bayern zu Doktor Ecken gesagt habe: Man hat mir viel anders von der lutherischen Lehre gesagt, denn ((als)) ich in ihrem Bekenntnis gehört habe. Ihr habt mich auch wohl vertröstet, dass ihre Lehre zu widerlegen sei!! Da habe D. Eck gesprochen: Mit den ((Kirchen-)) Vätern getraute ich’s zu widerlegen, aber nicht mit der Schrift. Da habe sich Herzog Wilhelm von ihm gewandt.“ Ob aber Argula hiervon je einen Nutzen gehabt habe, ist unbekannt. Sie starb acht Jahr nach Luthers Tode im Jahre 1554.
In einem Briefe an Spalatin vom Jahr 1524 schreibt Luther folgendes ((Teil 21, S. 898)): „Ich schicke Euch hier die in ihrer und einer fremden Gestalt gemalte Argulam, ingleichen die tollen Possen Emsers usw.“ Hieraus. hat D. Zeltner geschlossen, Argula habe Luthern ihr Portrait zugeschickt, und er hat sich viele Mühe gegeben, aber vergebens, es irgendwo aufzufinden. Ich glaube indes, dass sich Luthers Worte wenigstens ebenso gut auf die beiden Gedichte deuten lassen, nämlich das von Johannes von Landshut, welches die in einer fremden Gestalt gemalte Argula oder die Argula, wie sie nicht ist, wäre, und das von Argula selbst verfasste, wo sie sich in ihrer wahren Gestalt abgemalt hat. Beide sind vom Jahre 1524, und Luthers Worte haben so einen bessern Sinn, als wenn man sie von Portraits versteht, da es teils kaum glaublich ist, dass Argula Luthern ihr Bildnis zugeschickt habe, teils auch wunderlich wäre, wenn sie gleich zwei Exemplare übersendet hätte, und das endlich ein sonderbares Bildnis gewesen sein müsste, wo Argula in einer fremden Gestalt gemalt gewesen wäre.
Selbst nach ihrem Tode hat Argula vor den Papisten keine Ruhe gehabt, Der Jesuit Jacob Gretser schalt sie in seiner Verteidigung Bellarmin „seine lutherische Medea oder Furie, ein Weib, das vom wiedertäuferischen Gifte angesteckt gewesen sei“. Der Jesuit Maimburg zielte auch auf sie, indem er in seiner Geschichte des Luthertums schrieb: „Es war niemand in Deutschland, der nicht Luthers deutsche Bibelübersetzung hatte, oder doch dafür gelten wollte, als hätte er sie gelesen. Besonders Frauen hielten das für eine Ehre, und lasen sie beständig. Ja, einige Frauen von Stande waren auf das Lesen dieser lutherischen Bibel so erpicht, dass sie dasselbe so wie die lutherische Lehre nicht nur gegen andere Frauen, sondern auch gegen die katholische Geistlichkeit, Priester, Mönche und Doktoren zu verteidigen sich unterstanden, mit solcher Anmaßung und solchem Hochmut, dass sie jener als einfältiger und neidischer Menschen spotteten, und sich nicht scheuten ihnen vorzuwerfen, dass sie weder Hebräisch noch Griechisch und daher auch die Schrift nicht verständen, Luther allein habe den wahren Sinn getroffen.“.
Es hat sich aber keine Frau zu beklagen, welcher von ihren Feinden ein solches Ehrendenkmal nach ihrem Tode gesetzt wird. Von unserer Seite hat man ihr Gedächtnis ebenfalls immer in Ehren gehalten. Schon der alte Ulmische Theologe Ludwig Rabus setzte sie in sein Märtyrerbuch, weil sie, wie er sagt, nicht ohne Gefahr ihren Glauben öffentlich bekannt hat. Demselben verdanken wir auch die Erhaltung der Briefe, die wir noch von der Argula besitzen. Jacob Thomasius, Paschius und Johann Kaspar Ebert, welche von gelehrten Frauen geschrieben haben, rechnen auch unsere Argula mit darunter, und haben ihr Leben mitgeteilt. Seckendorf in seiner Geschichte des Luthertums und Salig in seiner Geschichte der Augsburgischen Konfession gedenken ihrer und ihrer Schriften mit großen Ehren. Im Jahre 1730 erneuerte ihr Andenken M. Johann David Schreber, Rektor zu Schulpforta, in einem besondern lateinischen Programm: Ehrengedächtnis der Argula von Grumbach, einer berühmten Zeugin der Wahrheit. Im Jahre 1737 gab M. Georg Konrad Rieger ihr Leben und ihre Schriften wieder heraus, als einer Bayrischen Debora, die seine Württembergische Tabea, d. h. das Leben der Jungfrau Beata Sturmin, begleiten sollte.
Die Worte des Rabus über sie mögen hier als ihr Grabstein stehen: „Sie widerlegte die Verfolger des Evangelii zu Ingolstadt mit unüberwindlichen Gründen der Schrift, mehr, als man glauben möchte, dergleichen man vormals vom weiblichen Geschlechte gar wenig, und bei unseren Zeiten gar nie gehört hat. Und was noch mehr ist, so erbot sie sich den Doktoren zu Ingolstadt, zum Verhör zu kommen, woraus man sehen kann, dass sie solches ihr Schreiben nicht durch Unterweisung anderer, sondern allein vom Geiste Gottes habe. Sie ließ sich auch durch die neuen Beispiele der grausamsten Strafen, die man wider einige Verteidiger des göttlichen Wortes angewendet hatte, in diesem ihrem christlichen Werke nicht hindern. Daher mögen wir wegen solcher ihrer Überwindung der hochmütigsten, größten Feinde Christi wohl sprechen aus Judith 9,12: Das wird deines Namens, o Gott, Ehre sein, dass sie ein Weib darniedergelegt hat!“
Pistorius, Hermann Alexander