Wie Maria, die Mutter des Herrn, die schmerzensreiche Zeugin des Kreuzestodes ihres geliebten Sohnes sein mußte, und damit in vollem Maße das weissagende Wort des alten Simeon an ihr erfüllt wurde: „Es wird ein Schwert durch deine Seele dringen“, so mußten von Anfang an auch die Frauen der Diener Jesu es erfahren, daß auch sie treffe Sein Wort: „der Jünger ist nicht über den Meister, haben sie Mich verfolget, so werden sie auch Euch verfolgen.“ „Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir!“ Unter den neutestamentlichen Priesterfrauen soll nach der Erzählung des Kirchenvaters Clemens Alexandrinus die Gattin des Apostels Petrus eine Tochter des Aristobulus, des Bruders Barnabä, eine der ersten gewesen sein, welche den Märtyrertod starb. Denn da sie den Apostel auf seinen Missionsreisen begleitet (1 Kor. 9,5.) hatte, so ward sie noch vor ihm gefangen, eingezogen und zum Tode geführt; Petrus selbst aber soll sie auf diesem Gange getröstet und ihr zugerufen haben: Gedenke des HErrn, vergiß Seiner nimmermehr.“
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Die Gattin des Bartholomäus Bertlin.
Bartholomäus Bertlin, Reformator in dem Gebiet der schwäbischen Reichsstadt Memmingen, hatte, nachdem Kaiser Karl V. auf dem Reichstage zu Regensburg das sogenannte Interim (eine die katholischen und lutherischen Religionsgebräuche vermischende Kirchenordnung) erlassen hatte, welches so lange gelten sollte, bis eine allgemeine Kirchenversammlung über die Reformation entschieden haben würde, seine Landpfarrei verlassen und sich in die Stadt zurückziehen müssen, wo er unter viel Gefahr und Noth noch drei Jahre lang fortfuhr, das lautere Evangelium zu verkündigen. Endlich aber kam der Kaiser 1551 auf den Reichstag nach Augsburg, und berief die Geistlichen der Umgegend, welche sich dem Interim nicht hatten fügen wollen, vor sich. Da hatten sie denn das Aeußerste zu gewarten, wofern sie bei ihrem Glauben standhaft blieben, und in den Herzen der Wankelmüthigen konnte leicht der Gedanke aufsteigen: sollte man nicht, um sich selbst Ruhe zu verschaffen, und um Weib und Kind zu erhalten, der Nothwendigkeit sich fügen, in der Hoffnung, vielleicht dürfe man bald wieder mit mehr Freiheit seines Glaubens leben? Wie nun, wenn Weib und Kind dem Gatten und Vater das Herz schwer gemacht, und durch Bitten und Thränen den wankenden Glauben noch mehr erschüttert hätten? Doch nicht also die edelmüthige Ehefrau des Bartholomäus Bertlin, welche die dreijährige Noth um des Evangeliums willen keineswegs zaghaft gemacht hatte. Denn als Bertlin von ihr sich verabschiedete, um nach Augsburg zu ziehen, wohin er berufen war, rief sie ihm noch nach: „Lebe wohl, herzlich geliebter Mann! und hüte dich, daß du nicht um meiner und um unserer Kinder willen der Wahrheit, für die du zum Zeugen berufen bist, das mindeste vergibst“ und Bertlin blieb vor dem Kaiser dieses Wortes eingedenk.
Ein ganzes Jahr irrte er unstät und flüchtig umher, unter Sonnenschein und Regen, bei Hitze und Kälte, und ertrug gelassen jedes Ungemach eines Heimathlosen. Sein Trost aber war die Verheißung Christi: „Selig seid ihr, so euch die Menschen hassen und euch absondern und schelten euch und verwerfen euren Namen als einen boshaftigen um des Menschensohnes willen. Freuet euch alsdann und hüpfet, euer Lohn ist groß im Himmel,“ und das Wort Cyprians: „der ist kein Verbannter, der Christum in sich hat; denn des HErrn ist die Erde und alles was darinnen ist.“ Früher als man erwartete, nahm seine Prüfung ein Ende, er fand etwa nach Jahresfrist eine Anstellung in einem Spitale zu Augsburg und erlangte es hier nach einiger Zeit, daß er, seines Eides wieder entbunden, zu den Seinigen nach Memmingen zurückehren durfte. Hier ward er mit dem freudigsten Jubel empfangen, und setzte von nun an ungestört sein evangelisches Predigtamt mit erneuertem Eifer fort.