Caspar Aquila

Caspar Aquila

Caspar Aquila wurde am 7. August 1488 zu Augsburg geboren. Sein Vater, der Stadtsyndicus Leonhard Aquila, und seine Mutter, Kunigunde, geb. Zeller, hatten vielen Sinn für das Heilige. Ihre fünf Söhne studirten sämmtlich Theologie. Caspar, der jüngste von ihnen, bezog erst 1514 die Universität zu Leipzig. Begeistert durch die erste Heldenthat Luther’s ging er 1517 nach Wittenberg. Hier reichlich gestärkt und gefördert wurde er bald darauf Franz von Sickingen’s Feldprediger. In dieser Stellung wahrte er unter den rauhen Kriegern standhaft die Würde der Kirche. Kaum entging er dem Tode, als er sich einst weigerte, eine feindliche Stückkugel zu taufen. Den Soldaten gegenüber, die in ihrem Aberglauben ihre Vestung für unüberwindlich hielten, sobald die hereingeschossene Kugel getauft würde, erklärte er, Gott habe ihn wohl berufen, Menschen zu taufen, nicht aber Stückkugeln und Kriegsrüstungen. Die Sage lässt ihn in einen mit Pulver gefüllten Mörser geladen werden, das Pulver nicht brennen und ihn auf die Vorstellung eines von Gottes Finger gerührten Soldaten bei den Beinen aus dem Mörser gezogen sein. „Da nun der gute Mann wiederum an’s Licht kam, blieb er noch immer bei seinem ersten Vorsatz, sagte auch dem Capitain ausdrücklich in’s Angesicht: Ich will sie dir dennoch nicht taufen.“

Noch vor 1520 übernahm Aquila eine Predigerstelle im Dorfe Ebernburg bei Augsburg. Er verheirathete sich hier und predigte das reine Wort mit so grosser Entschiedenheit und Freimüthigkeit, dass er den Bischof von Augsburg gegen sich aufbrachte. Dieser liess ihn verhaften, auf einen Karren laden und in ein tiefes Gefängniss werfen. Die Augsburger bewogen Carl’s des V. Schwester, Isabella, nachmalige Königinn von Dänemark, zu seiner Verwendung bei dem Bischofe, und in Folge derselben erlangte Aquila, nachdem er einen ganzen Winter lang im frostigen Kerker geschmachtet hatte, seine Freiheit.

Im J. 1521 begab sich Aquila abermals nach Wittenberg. Hier trieb und lehrte er hauptsächlich die hebräische Sprache. Luther nahm ihn in seinen vertrauten Freundeskreis auf und gewann an ihm einen gewichtigen Mitarbeiter an der Übersetzung des alten Testaments. Zur Auffindung des entsprechenden Ausdrucks zog Aquila Künstler, Handwerker und Ackerleute häufig und genau zu Rathe, und seine Stimme wurde dadurch oft unter der der Übersetzer entscheidend. Seine Bibelkenntniss war überhaupt so bedeutend, dass Luther erklärte, wenn die heilige Schrift verloren ginge, so könne sie aus Aquila’s Gedächtnisse wieder hergestellt werden.

Unter Luther’s Vermittelung wurde Aquila 1526 zum Pfarrer und Superintendenten nach Saalfeld berufen. Zwei aus der Stadt gebürtige Wittenbergsche Studenten hatten daselbst den ersten Samen des Evangeliums gestreut. Sie waren auf Betrieb der Mönche sofort nach Luther’s Angriff auf den Ablass von ihren Ältern zurückberufen worden, damit sie nicht von der Ketzerei angesteckt würden. Allein es war schon zu spät gewesen. Sie hatten die luthersche Lehre mitgebracht und mit grossem Beifall in ihrer Vaterstadt verkündet. In das Rathscollegium aufgenommen, waren sie besonders einflussreich geworden, und die reformatorische Vorarbeit schritt durch sie mächtig vorwärts. Dennoch fand Aquila eine grosse Unwissenheit unter dem Volke vor. „Denn als er demselben ankündigte, er wollte sie im Catechismo unterrichten, haben sie nicht einmal gewusst, was der Catechismus für ein Ding wäre.“ Aber von Jahr zu Jahr wuchs die Erkenntniss der Wahrheit unter Aquila’s treuer Pflege. Schonend und schrittweise verfahrend in der Reformation der kirchlichen Institutionen, gewaltig in der Predigt und herablassend vorzugsweise in der Kinderlehre entwickelte er das Saalfeldsche Kirchenwesen zu erfreulichster Blüthe.

Nach dem Tode seiner schon bejahrten Gattinn verheirathete er sich zum zweiten Male mit Scholastica, Tochter des Stadtschreibers Kühn zu Schleiz. Sie gebar ihm vier Söhne, deren Namen er nach den biblischen Schriftstellern wählte, mit deren Erklärung er sich zur Zeit ihrer Geburt beschäftigte. Den ältesten nannte er David, den zweiten Hosea, den dritten Zacharias und den vierten Johannes. Sie haben sämmtlich der lutherschen Kirche als Prediger gedient und das grosse Aquila’sche Pastorengeschlecht gemehrt. Seine Briefe an Aquila schloss Luther gewöhnlich in Anspielung auf die Namen der Kinder mit den Worten: „Grüsse die Mutter der Propheten,“ oder auch mit dem Wunsche: „Lebe wohl, mein lieber Aquila, mit deiner Priscilla.“

Arbeitsvoll, aber im Ganzen ruhig verfloss Aquila’s Leben bis zum Schmalkaldischen Kriege. Nach der unglücklichen Schlacht bei Mühlberg wurde Churfürst Johann Friedrich gefangen genommen. Aquila sandte ihm ein Trostschreiben, worin er auf die Worte des 119. Psalms „Herr, lass mir deine Gnade widerfahren, deine Hilfe nach deinem Worte; die Stolzen haben ihren Spott an mir; dennoch weiche ich nicht von deinem Gesetze“ (V. 41.51.) so wie auf die Befreiung Daniel’s, Jojakim’s und Petri hinwies und prophezeihete, dass der Churfürst zur rechten Zeit singen werde: Strick ist entzwei, und wir sind frei. Gegen das Interim protestirte er im folgenden Jahre so heftig, dass der Kaiser versprach, „wer Aquila’n todt oder lebendig zu ihm bringen würde, sollte fünf tausend Gulden zur Vergeltung erhalten.“ Zur Schonung seiner vom Zorn des Kaisers schwer bedroheten Mitbürger liess sich Aquila ein Asyl gefallen, das sie ihm auf dem Schlosse zu Rudolstadt von der frommen Herzogin Catharina, des Grafen Heinrich XXXVI. hinterlassener Wittwe, erwirkten. Er erklärte dem zur Flucht drängenden Stadtrathe: „Seiner bisher geführten Lehre halber dürfe er keinem Menschen um ein Haar weichen, und wäre er bereit, Leib und Leben für dieselbe einzusetzen; wo es aber allein um seine Person zu thun, auch durch seine Flucht der ganzen Stadt und Bürgerschaft gedient würde, sei er entschlossen, auf eine Zeit lang seinen Feinden aus dem Wege zu gehen.“ Er bestieg den von der Herzoginn gesandten Wagen und brachte in sein Asyl Nichts mit, als seinen hebräischen Psalter. Von seinem Aufenthalte auf dem Schlosse zu Rudolstadt wussten ausser seiner Beschützerinn nur wenige Getreue. Jene besuchte ihn oft, und wenn sie ihn fragte „wie steht’s? was macht ihr Gutes?“ erwiderte er: „Gnädige Frau, da sitze ich und lese in meinem Psalmbüchlein und lasse auf dasselbe ein Thränlein nach dem andern fallen.“ Cyriacus Spangenberg erzählt in der Hennebergischen Historie, sie habe ihn „also ob es eine Kindbetterinn wäre, auch ungewusst ihrem Hofgesinde, speisen lassen.“ „Hat die theure Herzoginn“ – berichtet Hillinger – „etwa über der Tafel etwas Köstliches gehabt, soll sie zu einem verschwiegenen Diener gesagt haben: Gehe und bringe mir Das dem kranken Manne.“

Gegen Ende des Jahres 1548 verliess Aquila Rudolstadt und erhielt durch Vermittelung der Herzoginn freien Aufenthalt und Versorgung zu Schmalkalden unter dem Schutze ihrer Brüder, der Grafen von Henneberg. Nach dem Tode des dortigen Stiftsdekans (vor 1550) wurde Aquila dessen Nachfolger. Seine Predigten machten gewaltigen Eindruck, und die Leute aus der unteren Stadt zogen schaarenweise in die obere zur Stiftskirche. Man hat von ihnen die Äusserung aufbewahrt: „Wenn sie unten in der Kirche die Predigt hören, wäre es ihnen, als sollten sie Rüben oder Kraut essen; hörten sie hingegen in der Stiftskirche dem Aquila zu, so schmeckte es ihnen wie lauter Gesottenes und Gebratenes.“

Nach der Befreiung des Churfürsten (1552) wurde Aquila in sein Amt zu Saalfeld, welches interimistisch vom Vicarius Jacob Sigel verwaltet war, zurückberufen. Innig verehrt und gelibt von seiner Gemeinde wirkte er noch acht Jahre lang in Frieden und Freude bis an seinen am 12. November 1560 erfolgten Tod.

Aquila’s Predigten gehören zu den feurigsten der alten lutherischen Kirche in Mahnung und Polemik. Der Zorn gegen das Papstthum, der in seiner Seele brannte, bricht in ihnen in hellen Flammen aus. Avenarius berichtet: „Absonderlich ist mir von einem alten Manne zu Schmalkalden, welcher es von seinen Vorältern gehört, erzählt worden, dass, wenn Aquila den Papst auf der Kanzel genannt, er allezeit mit dem Fusse gestampfet und einen Stoss gethan, dass man es überlaut in der Kirche hören können; so sehr habe er die falsche Lehre des abgöttischen Papstthum gehasset.“ Auf der anderen Seite sind Aquila’s Predigten reich an lieblichen Tröstungen, so dass sie eben so sehr locken, als drohen. Die Methode ist die analytische, die Sprache anschaulich.

Seine wichtigsten Schriften sind folgende: Vom Almosengeben, ein Sermon M. Caspar Adler’s, mit Dr. Martin Luther’s Vorrede. Wittenb. 1533. 4. Auslegung des 34. Psalms. Wittenb. 1533. Sendbrief zum guten glückseligen Neuen Jahr. Wittenb. 1534. 4. Kurze Fragstücke der ganzen christlichen Lehre. 1547. Neue Ausgabe hinter Hillinger’s Biographie Aquila’s. Jena 1721. 8. Eine sehr nöthige Ermahnung an das kleine Häuflein. 1548. 4. Apologia wider das Interim. 1548. 4. Wider den spöttischen Lügner und unverschämten Verleumder M. Islebium Agricolum, nöthige Verantwortung und ernstliche Warnung wider das Interim. 1548 (Agricola hatte gegen verschiedene Theologen geäussert: Aquila, qui alias austerus homo et stoicus, approbat interim). Eine fröhliche Trostpredigt für die sehr geängstigten Gewissen, sie muthig und erquickt zu machen, aus dem Propheten Zephania. Magdeb. 1550. 4. Ein gnadenreich und gottseliges neues Jahr – über das alte christliche Lied: Ein Kindelein so löbelich. Nürnberg 1550. 4.

Siehe M. J. Avenarius, kurze Lebensbeschreibung Herrn M. Casp. Aquilae. Meiningen 1718. in 4.

Vorzüglich: Joh. Gottl. Hillinger, Memoria Aquilina, das Leben des berühmten Theologi Casparis Aquilae, meistentheils aus Silvester Liebens Manuscript gesammelt und nebst dessen erbaulichem Catechismo dem Druck überlassen. Jena 1721. 8.

Die bedeutendsten Kanzelredner der lutherschen Kirche des Reformationszeitalters, in Biographien und einer Auswahl ihrer Predigten dargestellt von Wilhelm Beste, Pastor an der Hauptkirche zu Wolfenbüttel und ordentlichem Mitgliede der historisch-theologischen Gesellschaft zu Leipzig Leipzig, Verlag von Gustav Mayer. 1856

Die bedeutendsten Kanzelredner
der
lutherschen Kirche des Reformationszeitalters,
in Biographien und einer Auswahl ihrer Predigten
dargestellt
von
Wilhelm Beste,
Pastor an der Hauptkirche zu Wolfenbüttel und ordentlichem Mitgliede der
historisch-theologischen Gesellschaft zu Leipzig
Leipzig,
Verlag von Gustav Mayer.
1856