Flavia Domitilla

Der heidnische Kaiser Domitianus hat durch seine entsetzliche Grausamkeit gegen die Christen aller Orten einen bösen Namen auf Erden zurückgelassen. Gegen ihn war Kaiser Nero, so schreibt ein Heide, wie ein Mädchen, das die Harfe spielt: ein andrer heidnischer Schriftsteller seiner Zeit nennt ihn das allergreulichste Thier, womit wir Christen noch heut zu Tage an das Thier, das aus dem Meere aufsteigt, und an das andere Thier, das von der Erde aufsteigt, unwillkürlich erinnert werden, wie davon St. Johannes im 13. Capitel der Offenbarung schreibt. Domitianus nannte sich nicht anders als Herr und Gott: je mehr er sich in seinen blutdürstig despotischen Eigenwillen verstrickte, desto hartnäckiger behauptete er seine Gottheit. Ein Kaiser von Gott verordnet zu sein, war ihm zu gering, er wollte als Gott selbst verehrt werden. Darum ließ er auch sein Bildnis überall in goldenen und silbernen Bildsäulen zur Anbetung aufrichten. Auch davon finden wir die Vorzeichen in der Offenbarung Johannis 13, 12. 15. Die meisten Unterthanen fügten sich dem kaiserlichen Gebote, und beteten das Thier an, um nicht getödtet zu werden, wie ebenfalls geschrieben steht. Aber die Christen, die wirklich Christen waren, konnten dem Kaiser nur geben, was des Kaisers ist: sie mußten Gott mehr gehorchen als den Menschen. Die nun standhaft blieben und dem Kaiser die Anbetung verweigerten, welche Gott allein gebührt, wurden theils gefangen genommen und auf wüste Inseln ausgesetzt, theils ertödtet. Damit sind wir wieder an das Wort erinnert, welches Johannes hörte und niederschrieb Offenb. 13, 10: „So Jemand in das Gefängnis wegführet, der wird in das Gefängnis gehen; so Jemand mit dem Schwerdte tödtet, der muß mit dem Schwerdte getödtet werden.“ Das ist dem Verfolger gesagt und zu allererst an dem Domitianus im J. 96 der christlichen Zeitrechnung wirklich in Erfüllung gegangen. Aber den verfolgten Christen ist gesagt: „Hie ist Geduld und Glaube der Heiligen.“

Ehe indessen Domitianus zu seinem Ende kam, hat er noch fürchterlich gewüthet. Alle, die ihn als Gott nicht anbeteten, wurden der Gottlosigkeit beschuldigt und auf diese Anklage verdammt. So verkehrt war der Welt-Sinn, daß die Christen, welche von der Gnade Gottes in Christo zeugten, von den Heiden, die ohne Gott waren, der Gottlosigkeit, der Gottesläugnung beschuldigt wurden. Abgötterei galt für Frömmigkeit, Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit für Gottesverläugnung.

Selbst seinen Schwestersohn, den Consul Flavius Clemens ließ Domitianus hinrichten um des christlichen Zeugnisses willen, welches als sträfliche Gleichgültigkeit gegen die Staatswürde ausgelegt ward. Auch die Frau des Consuls Flavia Domitilla wurde auf die Insel Pandateira verbannt: sie war ebenfalls eine Blutsverwandte des Kaisers. Wir wissen nicht, was weiter aus ihr geworden: aber der Herr weiß es. Wir erinnern nur daran, daß auch den Apostel und Evangelisten Johannes – entweder gleichzeitig, oder schon früher dieselbe Strafe getroffen hatte, als er auf die Insel Pathmos verbannt wurde, und zwar, wie er selbst schreibt (Off. 1, 9), „um des Wortes willen, und des Zeugnisses Jesu Christi.“ Aber das Elend wurde ihm reichlich vergolten durch die göttlichen Offenbarungen, deren er daselbst gewürdigt worden ist, an welchen wir nicht auslernen, an welche wir auch durch diese wenigen Mittheilungen erinnert worden sind. Den Apostel Johannes war übrigens noch hienieden die Freiheit und die Rückkehr beschieden.

Unter der grausamen Regierung des Kaisers Domitianus begegnet uns auch die Jungfrau Flavia Domitilla, die Nichte des Consul Flavius Clemens. Auch sie wurde um das Jahr 95 verbannt, und zwar weil sie eine Christin war, und Christum, ihren Herrn, nicht verläugnen wollte. Spuren ihrer Hütte in Pontus sollen noch lange hernach entdeckt und besucht worden sein. Es wird berichtet, daß sie später, und zwar im J. 102, von Pontus nach Terracina geschleppt, und daselbst, nachdem sie abermals den Namen des Herrn Jesu Christi standhaft und festiglich bekannt, mit ihren beiden Schwestern Euphrosyne und Theodora öffentlich verbrannt worden sei. Aber das ist nur eine unzuverlässige Sage, woran sich noch viele andere Zusätze angeschlossen haben: denn die Menschen können es nicht lassen, was Gott weislich verborgen hat, schon hienieden voreilig aufzuklären, was der schweigenden Stille befohlen ist, zu verlautbaren, und was von der Geschichte nur schlicht und einfach, kurz und enthaltsam erzählt wird, durch die Legende weiter auszuschmücken. Es geschieht oft aus guter Meinung und lebendiger Theilnahme, aber in Unverstand und Ungeduld.

Domitilla’s Geschichte ist besonders dadurch lehrreich und beredt, daß sie uns so gar wenig von ihr sagt. Sie bekannte, und ward verbannt: das ist alles was wir wissen: und solches geschah wo nicht zur Zeit der Offenbarung St. Johannis, doch einige Zeit hernach, noch vor dem Ende des ersten christlichen Jahrhunderts. – Domitilla die Jungfrau (20. April) gehört wie Domitilla die Frau (7. Mai) recht eigentlich zu den vielen Verborgenen, welche von der Geschichte eben nur genannt, oder auch nicht einmal genannt werden, aber in dem Buche des Lebens angeschrieben stehen, das einst wird aufgethan werden: durch sie sind wir an alle Verborgene aller Zeiten, an alle Stillen im Lande erinnert zur Mahnung. Johannes (Off. 14, 1-4) sah solcher Seelen vor dem Stuhle des Lammes hundert vier und vierzig Tausend, die den Namen Gottes des Vaters an ihrer Stirn geschrieben hatten, und ein neues Lied sangen, wie zu Harfentönen. Diese sind es, die unbefleckt und jungfräulichen Sinnes sind und folgen dem Lamm nach, wo es hingebet. Hier ist Geduld der Heiligen: hier sind, die da halten die Gebote Gottes und den Glauben an Jesum. – Selig sind die Todten, die in dem Herrn sterben, von nun an. Ja der Geist spricht, daß sie ruhen von ihrer Arbeit, denn ihre Werke folgen ihnen nach.

  1. F. Göschel in Berlin.