Ulrich Zasius

Er wurde 1521 geboren und war der Sohn des berühmten Juristen, der in der Geschichte der Einführung des römischen Rechts in Deutschland eine so bedeutende Stelle einnimmt. Auch er studirte anfangs die Rechte und erwarb sich darin die Würde eines Doktors, welche damals so viel galt, als wenn einer aus ritterbürtigem Geschlecht sich den wirklichen Ritterschlag verdiente. Der junge Zasius aber wollte sich der diplomatischen Laufbahn widmen. Diese wurde ihm durch das hohe Ansehen erleichtert, in welchem sein Vater bei Fürsten und Staatsmännern stand. Er selbst aber unterstützte den Vortheil seiner Geburt durch ungemeine Talente, rasches Wesen, und grosse persönliche Liebenswürdigkeit. Er stieg rasch von Stufe zu Stufe. In jener Zeit finden wir am grössten wie am kleinsten Hofe eine löbliche Gewohnheit: die Fürsten suchten ihre Minister und Räthe nicht bloss unter dem Adel, sondern unter den tüchtigen Leuten; der Adelstitel folgte nach, wenn er begehrt wurde. Dies kam Zasius zu Statten, und er schwang sich zuletzt auf die Höhe eines Reichskanzlers.

In dieser Eigenschaft entwickelte er eine reiche und nicht unfruchtbare Thätigkeit. Er kannte alle Höfe in Deutschland, wusste sich mit den leitenden Persönlichkeiten auf guten Fuss zu stellen, und hatte eine wahre Lust, zu vermitteln und zu versöhnen oder wenigstens zu vertuschen. Er erschien bald hier bald da, und man war gewiss, ihn zu treffen, wo irgend ein Zwiespalt auszuheilen oder ein öffentliches Unglück zu verhüten war. Lesen wir seine zahlreiche Correspondenz, die zum allergrössten Theile noch ungedruckt in den Archiven liegt, so müssen wir uns wundern, wie hoch ihn auch protestantische Fürsten, – wie Landgraf Philipp von Hessen und Herzog Christoph von Württemberg, schätzten und in’s Vertrauen zogen. Bei seinem Kaiser, und namentlich bei den bayerischen Herzogen hatte er allezeit einen hohen Stand. Dies verdankte er seinem anmuthigen und lebhaften Wesen, seinem persönlichen Geschick und dem Vertrauen, welches sein redliches Wollen einflösste. Er starb im Jahre 1570.

Historische und biographische Erläuterungen zu
Wilhelm von Kaulbach's
Zeitalter der Reformation
von Franz Löher
Stuttgart
Verlag von Friedrich Bruckmann
1863