Hieronymus Mencel

Hieronymus Mencel wurde am 22. Februar 1517 zu Schweidnitz geboren. Sein Vater, Hans Mencel, war Tuchmacher und seine Mutter, Anna, die Tochter des Gastgebers Stentzel Schmidichen zu Schweidnitz. Als Letztere ihn unter ihrem Herzen trug, gerieth sie in ihrer Lectüre über die Geschichte des Kirchenlehrers Hieronymus, durch welche sie sich innigst erbauete und zu dem Gebete erweckt wurde: Gott wolle, wenn sie einen Sohn gebären würde, ihn zu einem frommen Diener der Kirche werden lassen. Als er am Tage seiner Geburt zur Taufe getragen werden sollte, entstand eine Berathung über seinen Namen. Einige wollten ihn nach seinem Vater Johannes, Andere nach seinem Geburtstage Petrus genannt wissen; die Mutter aber erinnerte sich ihrer Andacht und ihres Gebets und forderte den Namen Hieronymus. Früh unterwies sie ihn im Beten und mit dem siebenten Jahre übergab sie ihn der Schule. Als aber 1528 die halbe Stadt eingeäschert wurde und dadurch auch die Familie Mencel verarmte, überdies die Schule Jahre lang wüst lag, wurde Hieronymus zu Hause drei Jahre hindurch beim Handwerke gebraucht. Doch 1531 wurde Georgius Wilhelm, ein gelehrter Mann, zum Schulmeister nach Schweidnitz berufen und die Schule blühender, als zuvor wieder hergestellt. Da bewog der Bürgermeister Georg Mencel seinen Bruder Hans, den vierzehnjährigen Hieronymus wiederum auf die Schule zu schicken. Schon hatte es der lernbegierige Jüngling bis zur Abfassung lateinischer Episteln gebracht, als er in seinem achtzehnten Jahre von dem armen Vater abermals zum Handwerk herangezogen wurde. Seine Grossmutter, Hedwig Schmidichen, wünschte in ihrer Trauer über seine verkommenden Talente, er möchte, da er nicht studiren könne, wenigstens Schreiber werden, und gab den Rath, ihn einem seiner Vettern, der an König Ferdinand’s Hofe lebte, zur Einführung in die böhmische Kanzlei zu übergeben. „Aber es wendet Gott der Herr Beides ab und schickt’s also, dass ein feiner, junger Edelmann, der zu Goldbergen studiret, zu Schweidnitz durchreiset und bei gedachter seiner Grossmutter zur Herberge einzeucht. Der rühmt die Schule zu Goldbergen und sonderlich den Schulmeister, Herrn Valentinum Friedland von Trotzendorf, trefflich hoch, zeiget daneben auch an, dass junge Knaben um ein gering Geld daselbst untergebracht werden könnten. Das höret seine Mutter und fraget, ob sie nicht auch ihren Sohn allda unterbringen könnte, und was sie wohl ein Jahr lang auf ihn wenden müssten? Er fraget sie, was ihr Vermögen sei? Die Mutter berichtet, sie habe ihre zwo Töchter im Kloster zu Strigau gehabt, dass sie darin beten, lesen und nähen lernten, auf deren eine habe sie ein Jahr lang sieben Gülden gewendet; wenn sie nun diesen Sohn auch mit so viel Geld halten könnte, wollte sie sehen, wie sie ihm thäte; Mehr könnte sie auf ihn nicht wenden und aus ihrer Armuth entrathen. Der Edelmann sagt der Mutter zu, er wolle möglichen Fleiss anwenden, dass er ihn möge unterbringen, examinirt ihn und befiehlt, sie sollten ihn in Gottes Namen gen Goldbergen schicken. Das geschieht.“ (Tham). Trotzendorf nahm sich des strebenden Jünglings leiblich und geistig an, verschaffte ihm Privatschüler und übergab ihm zuletzt sogar den Schulunterricht in der Äneide und lateinischen Grammatik Melanchthon’s. Am 4. October 1539 konnte Mencel mit vier und zwanzig ungarischen Gulden wohlerworbenen Geldes die Universität zu Wittenberg beziehen. Zwei Jahre hindurch hörte er dort die berühmtesten Lehrer, vor allen Luther, Melanchthon, Jonas, Bugenhagen und Kreutziger. 1541 empfahl ihn Melanchthon nach Leipzig an Dr. Zigler, in dessen Hause er acht junge Edelleute unterrichtete. Zugleich setzte er eifrig seine Studien dort, vorzüglich unter Camerarius, der ihm im folgenden Jahre einen Ruf zum Schullehrer nach Eisleben verschaffte. Nach neunjähriger treuer Dienstzeit erlangte er (1551) zu Wittenberg mit grosser Auszeichnung die Magisterwürde und in Eisleben den Conrectorat. Von 1553 – 1560 war er Pfarrer an der Nicolaikirche daselbst und seit 1560 Generalsuperintendent der Grafschaft Mansfeld. Hier führte er einen langen Kampf mit den Flacianern, in’s Besondere mit Cyriacus Spangenberg. Anfangs zwar hatte er in dessen Lehre nichts Verfängliches gefunden, ja in Gemeinschaft mit den mansfeldischen Predigern den Satz unterschrieben: „Der Mensch, wie er von Vater und Mutter geboren ist, mit seiner ganzen Natur und Wesen, ist nicht allein ein Sünder, sondern die Sünde selbst.“ Aber das Buch Wigand’s von der Erbsünde hatte ihn sammt seinen Collegen gänzlich umgestimmt, und er focht nun mit dem Eifer der Wahrheitsliebe als Accidentianer gegen die Substantianer in zahlreichen, zum Theil speciell gegen Spangenberg gerichteten Schriften. Letzterer musste 1575 weichen, und der Flacianismus wurde in der Grafschaft gründlich ausgerottet. Überhaupt übte Mencel als Generalsuperintendent ein ebenso kräftiges, als besonnenes Regiment. „Er hat die ganze Grafschaft fünf Mal durch und durch visitirt, fünf Synodos, darin von hochwichtigen Religions- und der Kirchenzucht Sachen in Gottesfurcht gerathschlaget, gehalten und also feine Gottseligkeit, gute Ordnung, Fried und Ruhe in den Kirchen helfen pflanzen und erhalten“ (Tham).

Mencel war drei Mal verheirathet, ohne Kinder zu erzeugen. Er starb mild, wie er gelebt hatte, unter den Gebeten und biblischen Ansprachen seiner Amtsbrüder, am 25. Februar 1590. Bei seiner Bestattung in der St. Andreaskirche hielt der Pfarrer derselben, M. Augustinus Tham, die Leichenpredigt über Ps. 71, 17.18., dasselbe Bibelwort, das ihn noch sterbend erquickt hatte.

Mencel’s Predigten sind gründlich und erbaulich. Luther wird von ihm so stark benutzt, dass er von ihm zum Theil excerpirt ist. Doch hat M. viel weniger Feuer, als sein Vorbild, dagegen eine regelrechtere Verarbeitung des Stoffes. Seine Methode ist folgende: Zuerst giebt er die Summa des Textes; sodann weis’t er dem Hauptgedanken seine Stelle im Catechismus an und belegt ihn mit Bibelsprüchen. Hierauf theilt er die Predigt in Stücke ab, von denen übrigens das eine häufig die Auslegung, das andere die Application giebt. Nach summarischer Wiederholung der Hauptpunkte schliesst er mit einem kurzen Gebete.

Von M.’s Predigten ist besonders wichtig: Postilla, das ist Auslegung der Evangelien, so auf die Sonntage, Haupt- und andere Feste durch’s ganze Jahr in der christlichen Kirche gelesen werden, fürnehmlich aus Gottes Wort und Dr. Luther’s Schriften zusammengetragen. Leipz. 1596. fol. (Eine weitere Ausführung seines „kleinen Postillichen, darin ich eines jeden Evangelii kurze Summa und Anweisung, wohin dasselbe in unserm Katechismo gehöre, sammt den Sprüchen heiliger Schrift, so auf den Hauptpunkt desselben weisen, gesetzt“. Mencel in der Vorrede zur Postille.) Ausserdem: Predigt vom freien Willen des Menschen. Eisleben 1544. 8. Predigt über den Spruch St. Pauli Röm. 12: Unser Keiner lobt ihm selber. 1562. 8. Zwo Predigten von der Tabea. Halle 1578. 4. Catechismuspredigten. Görl. 1589. 4. Leichpredigt in fun. D. Sim. Musaei 1557. 4. 74 Hochzeitspredigten. Eisl. 1592. 4. 72 Leichenpredigten. Eisl. 1595. 4. Auslegung aller Psalmen. Leipzig 1594. fol. Vgl. Extract der Postill Mencelii durch Georg Regebrandum. Eisl. 1564. 4. Von andern Schriften, z.B. Catechismus, oder die fünf Hauptstücke erklärt. Leipz. 1605. 4. Widerlegung der neuen Spangenbergischen Bekenntniss von der Erbsünde. Eisl. 1575. 4. Lehre von der Erbsünde nebst Bericht, ob er von der Augsburg. Confess. abgefallen sei. 1595. 4.

Leichpredigt des Ehrwürdigen, Achtbaren und Hochgelahrten Herrn, M. Hieronymi Mencelii, gethan durch M. Augustinum Tham. Eisleben 1591. 4. Leuckfeld, historia Spangenbergensis. P. 45.

Die bedeutendsten Kanzelredner
der
lutherschen Kirche des Reformationszeitalters,
in Biographien und einer Auswahl ihrer Predigten
dargestellt
von
Wilhelm Beste,
Pastor an der Hauptkirche zu Wolfenbüttel und ordentlichem Mitgliede der
historisch-theologischen Gesellschaft zu Leipzig
Leipzig,
Verlag von Gustav Mayer.
1856