Caspar Olevian

Caspar Olevian

Kurtzer Bericht Vom leben und sterben Herrn D. Gasparis Oleviani, Dieners des worts Gottes.

Gestelt durch Johannem Piscatorem, Professorem der Schule zu Herborn.

An den Christlichen Leser.

Christlicher leser / Dieweil zu besorgen / daß nach dem tödlichen abgang des getrewen Dieners des worts Gottes / Doctoris Gasparis Oleviani, der Teuffel allerley lästerungen von desselben leben unnd sterben / seinen werckzeugen / den widersächern des Evangelions / eyngeben und durch dieselbe in die welt außgiessen werde / und sich also unterstehen wirdt / dieses fürtrefflichen Lehrer der Kirchen / Herrn Johann Calvino, allbereit gethan / von welches leben unnd todt vor wenig jahren ein lügenhaffte lästerliche histori in offenen truck außgestrewet worden / ja auch an Doctore Oleviano, als derselbe noch bey leben war / Da nemlich einer anno 1569. mit solchen worten in offener Predigt herauß gefahren / Die Calvinisten nehmen gewönlich ein böß end / wie dann an Doctore Oleviano zu sehen / als welcher sich im gefengnis erhengt habe. Diesen lästerungen nun bey zeiten zu begegnen / und fromme Christen darwider zu verwahren / Hat es etliche fürneme leut diser ort für gut angesehen / daß ich vom leben unnd sterben dieses thewren manns / unnd weiland unsers getrewen lehrers / einen kurtzen bericht in truck verfertigte. Welches ich dann frommen Christen zum besten / unnd zuforderst zur Ehre Gottes / dessen ewige warheit durch die widersächer solcher getrewer lehrer gelästert / unnd so viel an ihnen / undertruckt wirdt / ohnbeschwäret auff mich genommen / und mich von seinem leben in stücken die mir nit allerdings bewußt waren / bey glaubwürdigen zeugen erkündiget. Dann bey seinem Christlichen abscheid und sterben bin ich selber / neben andern fürnemen personen gewesen / also daß ich dasselbige nach notturfft fast mit allen worten / so damals gantz tröstlich geredt worden / verzeichnet hab. Diese meine arbeit / versihe ich mich / wirdt allen guthertzigen frommen Christen lieb unnd angenem seyn / unnd wünsche von Gott unserm himmlischen vatter / daß sie durch lesung dieser histori in liebe der Göttlichen warheit und gottseliger lehrer / durch wirckung des heiligen Geistes im namen unsers HERREN Jesu Christi gesterckt werden / zur ehre Gottes / und irem ewigen heil / Amen.

Iohan. Piscator, Professor der Schule zu Herborn.

Kurtzer Bericht Vom leben unnd sterben Herrn D. Gasparis Oleviani.

Doctor Gaspar Olevianus, Gottseliger gedächtnis / ist auff diese welt geboren auff Laurentii im jar nach Christi geburt 1536. zu Trier / Ist getaufft in S. Laurentii Pfarrkirchen. Sein vatter ist gewesen Gerhard Olevianus ein Becker / unnd nach der zeit der Becker zunfftmeister. Er ist von jugend auff erzogen bey seinem altvatter Antonio Sintzig der Metzler zunfftmeister. Ist in die schul gangen erstlich zu S. Laurentii, darnach zu S. Simeon, darnach in dem Thumbstifft / endlich zu S. German bey dem alten Pater / von welchem er pflegte zu erzehlen / daß derselbige zur Fastenzeit / wann er den Passion außlegte / habe er die propheceyungen des alten Testaments gegen die histori gehalten / zu lehren wie dieselbigen seyen erfüllet worden / unnd sonderlich habe er gemeldet / daß auch die kinder Gottes im alten Testament in den opffern einen vorgeschmack gehabt haben des einigen versöhnopfffers / welches unser HERR Christus am stammen des Creutzes vollbracht / Welche lehr dann als ein füncklein der rechten erkantnis des opffers Christi in seinem hertzen gebliben / biß ihm Gott hernacher zu seiner zeit dasselbige hat völliger zu erkennen gegeben.

Im dreyzehenden jar seines alters / ist er von seinen eltern gen Paris verschickt worden / auff daß er daselbsten die weltlichen Rechte studirte: Welches er auch gethan / zum theil in gemeldter statt Paris / zum theil in andern fürtrefflichen Juristenschulen in Franckreich / als nemlich zu Orlientz unnd Burgis / An welchen beyden orten er sich zur heimlichen Gemeynde Gottes gehalten.

Er hat auch endlich in Doctorem Juris promoviret zu Burgis / anno Domini 1557. wie auß folgendem zeugnis Francisci Duareni und seiner collegarum zu sehen.

DEI optimi maximi nomine invocaro, Franciscus Duarenus, Juris Civilis Doctor, & Decanus in clarissima Biturigum academia, omnibus harum literarum lectoribus falurem. Cum spectatissimus & consultissimus vir Gasparus Olevianus dioecesis Trevirensis strenuam, diligentem diuturnamque Juri Civili operam dederit: & suam nobis insignem eruditionem, innocentiam, castitatem, sobrietatem, modestiam, prudentiarm aliasque animi dotes multis gravissimisq; argumentis approbarit: Nos hominis virtutem & eruditionem, ut ae quum est, amplexi, cui nullus satis dignus honos a nobis tribui potest, Doctoriis insignibus eum ornandum esse decrevimus: eum que Juris civilis Doctorem in eadem Universitate & Juris Civilis Facultate creavimus. Ad cujus rei executionem secundum leges & statuta Universitatis nostrae duximus procedendum: nec quic quam eorum praetermisimus, quae ad solemnem ritum & usitatum necessariumque in schola morem pertinent. Horum omnium ut major certiorque sit fides: has literas ab ejusdem Universitatis scriba siignari, dupliciq, sigillo, nempe sigillo majore Universitatis, & altero quod nostrae Facultatis proprium est, obsignari jussimus. Acta gestaque haec omnia Biturig. suerunt, praesentibus DN. Joanne Rabyrio, Andrea Levescatio, Hugone Donello & Nicolao Bouguyerio Juris doctoribus, in eadem Universitate acto regentibus: M. Huberto Molinaeo, Joanne Vincentio scholasticis in eadem Universitate Bituriguan studentibus, & aliis quam plurimis testibus. Die sexta Junii, anno salutis millesimo quingentesimo quinquagesimo septimo.

Das ist:

Nach anruffung des allergütigsten und höhesten Gottes wünschet Fran. Duarenus, des weltichen Rechtens Doctor, unnd Dechan in der weitberühmten schul zu Burgis / allen die diesen brieff lesen werden / glück unnd heil. Nachdem der Ehrnhaffte und Hochweise Gaspar Olevianus auß dem Bistumb Trier / embsiglich / fleissiglich und ein geraume zeit im weltlichen Recht studieret / unnd uns seine fürtreffliche geschickligkeit / unschuld / keuschheit / nüchterkeit / bescheidenheit / fürsichtigkeit und andere gaben des gemütes / mit vilen und gantz wichtigen anzeigungen mit der that erwisen / Haben wir seine tugend unnd geschicklichkeit / wie billich / mit liebe umfangen / und haben derwegen geschlossen / daß er (dem wir doch keine gnugsam wirdige ehr anthun können) mit den freyheiten der Doctoren zu zieren seye / unnd haben ihn also zu einem Doctor des weltlichen Rechtens in gemeldter Universitet und des weltlciehn Rechten Facultet gemachet. Und zu vollziehung dieser sach haben wir nach den gesetzen unnd ordnungen unserer Universitet procedirt / und haben nichts von denen stücken unterlassen / welche zu der gewöhnlichen ceremoni unnd notwendigem gebrauch der Schulen gehören. Und damit dieses alles desto mehr unnd gewisser bekräfftiget würde / haben wir befohlen / daß dieser brieff von gemeldter Universitet schreiber geschriben / und mit zweyen sigeln / nemlich mit dem grössern sigel der Universitet / und mit dem andern welches unserer Facultet eigen ist / versigelt würde. Diß alles ist verhandelt worden zu Burgis / in beysein Herrn Joannis Rabyrii, Andreae Levescatii, Hugonis Donelli, und Nicolai Bouguyerii, welche allezumal des Rechten Doctores seind / und in gemeldter Universitet jetziger zeit das Schulregiment verwalten / Deßgleichen auch M. Huberti Molinaei unnd Joannis Vincentii, welche studenten damals in der Universitet zu Burgis studierten / und auch viler anderer zeugen. Am sechßten tag Junii, im jar des heyls tausent fünffhundert fünfftzig siben.

Es studirete zur selben zeit zu Burgis ein junger Herr / des Hochgebornen Fürsten und Herrn / Pfaltzg. Friderichen des dritten /welcher hernachmals Churfürst worden) sohn / Dessen praeceptor mit namen Nicolaus Judex, ihme dem Herrn Oleviano mit sonderlicher freundschafft zugethan war. Als sie nun sämptlich auff einen tag nach dem mittagessen mit einander für die statt spatzierten an das wasser welches nicht weit von der statt fleußt / Traffen sie allda etliche Studenten an / welche Teutsche vom Adel waren / Die waren in ein Schiff getretten / und wolten hinüber schiffen. Als nun dieselbe des hochermeldten jungen Herrn und seines praeceptoris ansichtig worden / vermaneten sie dieselben zu ihnen in das schiff zu tretten / und mit hinüber zu fahren. Als aber Olevianus sahe / daß dieselben studenten truncken waren / widerrieht er des jungen Herrn praeceptori sich sampt dem jungen Herrn in dasselbe schiff zu begeben: Dessen aber ungeachtet / hat gemeldter preceptor auff vilfältiges anhalten derselben studenten den jungen Herrn mit sich in das schiff geführet. Da haben dieselbe trunckene studenten / durch mutwillige leichtfertige bewegung das schifflin umbgestürtz / seind also ins wasser gefallen und ertruncken. Da hat der praeceptor, welcher wol schwimmen konte und nüchtern war / den jungen Herrn gefasset / und sich unterstanden mit ime ans ufer zu schwimmen / welches im doch unmöglich gewesen / und ist also sampt dem jungen Herrn ertruncken. Als nun Olevianus am ufer solche not sahe / ist er inen zu hülff zu kommen / ins wasser gesprungen / und in den schlam so tieff hinunder gefahren / daß ihm das wasser biß an den halß gangen ist. Da er nun in solcher not war / und meynet er müßte auch ertrincken / da hat er zu Gott geruffen / unnd daneben ein gelübd gethan / Wann in Gott auß diser not erretten würde / so wolte er seinem vatterland das Evangelium predigen / wann er darzu beruffen würde. Da hat es Gott geschickt / daß ein Lakey daher gelauffen ist / welcher seinen Junckern daselbst gesucht / Derselbe / als er Olevianum im wasser stehen sahe / und vermeynte es were sein Juncker / hat er im herauß geholffen. Als nu Olevianus auß solcher not unnd todsgefahr von Gott errettet worden / hat er neben seinem studio Juris angefangen die H. Schrifft / und darneben gute bücher / so zu außlegung derselben geschriben / als fürnemlich Herrn Johannis Calvini, zu lesen / und hat gleichwol nach der hand in Jure doctorirt, wie obgemelt.

Als er widerumb gen Trier zu seinen freunden kommen / und an ihn begert worden / in einem Rechtshandel raht zu geben / Er aber in solcher handlung gemercket / daß das Recht von etlichen wunderlich gedrähet und gebogen / ist er dardurch bewegt worden / seinem gelübd nachzusetzen / nemlich / sich ins Predigampt durch rechtmüssigen beruff zu begeben / unnd hat also sein ander fürhaben / nemlich die Practicam Juris zu erlernen / gen Speir zu ziehen / unterlassen.

Darnach ist er gen Genff gezogen / allda Theologiam zu studieren / und ist von dannen gen Zürich gezogen / allda Petrum Martyrem und Bullingerum zu hören / wie er dann auch bey Herrn Petro Martyre ist zu tisch gegangen / und sich im predigen vor Bullingero und anderen Kirchendienern geübet.

In der widerkehr von Zürich gen Genff / ist er zu Lausanna in ein schiff getretten / in welchem auch Farellus war / und als er mit demselben in ein gesprech kommen / und er / Farellus, in gefragt / Ob er noch nicht in seinem vatterland geprediget habe / welches er bekant noch nicht geschehen seyn / Hat ihn Farellus zum höchsten vermant / er wölle solches auffs ehest thun / welches er im auch mit gegebner hand verheissen hat.

Als er nun zu Genff die heilige Schrifft studieret / hat die Christliche Gemeinde Gottes zu Metz an das presbyterium zu Genff begeret einen diener des Worts / Auff welches begeren er Olevianus und Petrus Colonius zur wahl fürgeschlagen worden seind / Er aber hat sich entschuldiget / zum theil daß er ihm fürgenommen hette durch Gottes gnad in seinem vatterland das Evangelium zu predigen / wie er auch demselben für anderen zu dienen sich schuldig erkennet / zum theil auch daß er dem Herrn Farello solches zu thun verheissen hette. Darauff dann der Herr Caluinus in in seinen Christlichen vorhaben bestetigt.

Hernacher anno 1559. als er von Genff widerumb gen Trier kommen / ist er sampt seinem bruder Friderico Doctore Medicinae, welcher mit ihm ankommen war / von der freundschafft und auch von dem gantzen Raht freundlich empfangen worden. Und haben Burgermeister und Raht alsbald an ihn begeret / daß er der statt Trier / als seinem vatterland / mit lehren dienen wolte / unnd ihme darauff hundert Rädergülden jargeldt verordnet / daß er in der Bursch (welche Schul nun vil jar her nicht in ihrem gang gewesen war) Dialecticam Philippi und anders deßgleichen lesen solte. Als er nun in erklärung der Dialectica Philippi, da vil exempla Theologica eyngeführet werden / anlaß genommen die Christliche lehr in gemeldten exempeln zu erkleren / haben ihm die Capitelsherren das lesen verbotten / unnd endlich auch die Schul verschlossen.

Darauff haben im Burgermeister und Raht befohlen in S. Jacobs spital / welches der statt zugehörig / zu predigen / Da er dann auff S. Laurentii tag seine erste Predigt gethan. Als er nun etlich mal gepredigt hatte / haben seine widersacher einen Messpriester zugerichtet / welcher auff eine zeit unversehens vor ihme / Oleviano / in einem Chorrock (den er zuvor mit einem mantel bedeckt hatte) auff die Cantzel gestigen zu predigen. Als aber das gemeine volck denselben gesehen / haben sie mit lauter stimme geruffen / er solte wider herab gehen / dann sie wolten ihn nie hören. Doctor Olevianus aber hat sie vermanet / sie solten ihn hören / was er unrecht lehren würde / wolte er sie hernach berichten. Als er aber solches von dem volck nicht hat können erlangen / unnd dem Priester sehr angst gewesen / wie er ohne gefahr darvon kommen möche / hat Doctor Olevianus in geteröstet / mit vermeldung / es solte im kein leid geschehen / und hat also dem volck abgewehret / und den Priester bey der hand zur Kirchen hinauß geführet / unnd ist darauff auff die Cantzel gegangen / allda seine vorhabende Predigt zu thun. Von wegen aber des erregten tumults hat er zuvor die Gemeinde gefraget / ob sie auß forcht der gefahr ihne des predigens erlassen wöllen / oder aber ob sie noch wie zuvor / ihne zu hören begeren / und ine also in disem seinem beruff bestetigen. Darauff sie dann mit auffgereckten händen unnd lauter stimme geantwortet / ja / ja / wir bitten euch umb Gottes willen / daß ir fortfahren wollet.

Auff dise handlung seind die beyde Burgermeister und etliche andere Rahtsgenossen und bürger / durch des Churfürsten befelch / auff das Rahthauß in hafftung eyngemanet worden / unnd haben Doctorem Olevianum erbetten / daß er mit inen solche hafftung gegangen ist / sie allda zu lehren und zu trösten. Unnd seind also sie sämptlich auff dem Rahthauß gefangen gesessen zehen wochen und etliche tag.

Mitler weil seind sie einmal für Recht gestelt worden / und als sie nach geschehener anklag (welche vil artickel in sich hielte) viertzehen tag auffschub begeret / sich zu verantworten / Und aber inen nur zwen tag erlaubt worden / haben sie durch heimliche post den Churfürsten Friderich / Pfaltzgrafen bey Rhein / etc. unnd Hertzog Wolffgang zu Zweybrücken / und die Herrn der statt Straßburg umb hülff angeruffen / welche dann alsbald ire post und gesandten abgefertigt / durch dieselbe den angefangenen Gerichtsprocessz verhindert / und endlich erhalten / daß die gemeldte gefangenen seind entledigt worden.

Und hat zur selgen zeit der Churfürstliche gesandte / Herr Valentin Graf zu Erpach / Burggraf zu Altzen / Doctorem Olevianum, als derselbe noch im gefängnis war / im namen unnd von wegen des hochermeldten Churfürsten Friderichen Pfaltzgrafen / etc. zu dienst beruffen / und ihn auch alsbald mit sich nach Heydelberg geführet / welches geschehen Anno 1560.

Da hat in der Churfürst zum praeceptor in der Sapientz bestelt / welches ampt er dann ungefärlich anderthalb jar verrichtet.

Zur selben zeit hat er sich in den Ehestand begeben mit einer gottsförchtigen witwe Philippina von Metz / und hat bald darnach in Doctorem der heiligen Schrifft promoviret, und ist zum Professore Theologiae in der Universitet beruffen worden.

Unlangst darnach ist er durch vilfältig anhalten Churfürstlicher Rähte zum Predigampt beruffen worden / erstlich zu S. Peter / darnach zum heiligen Geist.

Welches dann gewähret biß zum tödtlichen abgang des hochermeldten Churfürsten hochlöblichster und gottseligster gedächtnis / Friderich des dritten / Pfaltzgrafen bey Rhein / etc. Welcher gottselig im Herrn verschiden Anno 1576. den 26. Octobris.

Wenig tag darnach ist er von dem Wolgebornen Herrn / Herrn Ludwig von Sain / Grafen zu Witgenstein / etc. gen Berleburg beruffen worden / Allda er ihrer Gnaden söhne in Christlicher lehr unnd guten künsten und sprachen underricht / und darneben auch geprediget.

Anno 1584. ist er von dem auch Wolgebornen Herrn / Herrn Johann dem Eltern / Grafen zu Nassaw Catzenelnbogen / etc. zum Pfarrer gen Herborn beruffen / Welches ampt er bey die drey jahr lang versehen / unnd darneben in der Schule gelehret hat: Welche Schule zwr wolermeldter Graf Johann auff sein / des Oleviani / raht und angeben / auffgerichtet und gestifftet hat.

Anno 1587. den 25. Februar ist er auß schwachheit ligen bliben / unnd von tag zu tag matter worden / biß in der HERR auß disen jammerthal zu sich beruffen. Und wiewol er etwas artzney gebraucht / so hat doch die kranckheit von tag zu tag uberhand genommen / und hat der Arzt darfür gehalten / es seye ein wassersucht gewesen.

Als er nun gemercket / daß er je lenger je matter würde / hat er den eylfte Martii sein Testament auffgericht / unn dieselbe gantze zeit uber sich zu einem Christlichen abschid gerüstet / wie dann auß gemeltem Testament zu sehen / welches also lautet:

Im Namen Gottes des Vatters / des Sohns / und des heiligen Geists / hab ich Gaspar Olevianus, Diener des worts Gottes / weil Gott er HERR mich bey gutem verstand gelassen / disen meinen letzten willen kürtzlich also eröffnen wollen. Und erstlich dancke ich meinem lieben Gott / dem Vatter / Sohn und H. Geist / daß er mich zu einer vernünfftigen creatur auff diese Welt geschaffen. Demnach insonderheit daß er mich kräfftiglich beruffen / unnd den glauben geschenckt / und unsern einigen Mitler und Heyland Jesum Christum / mich mit dem lebendig gemacht / da ich erstorben war in sünden / und mir in im geschencket die gerechtigkeit Gottes in dem heiligen opffer meines Heylands Jesu Christi / und zukünfftige herrligkeit / unnd mir offenbaret den reichthumb seiner genaden / daß er mich erwehlet hat zur kindschafft in Christo auß genaden / daher alle dise wolthaten fliessen / und mich der theilhafftig gemacht durch den geist der kindschafft / der da rufft Abba lieber Vatter / Und bitte ihn / daß er seiner gnedigen verheissung nach / seine allmächtige unnd gnedige hand uber mir halten wölle biß ans ende / wie er mir verheissen hat / Meine schäflein wirt mir niemand auß meiner hand reissen / Der mir sie gegeben hat / ist stercker dann sie alle / Ich und der Vatter seind eins. Item im Psalm / Rühret mir meine gesalbten nit an. Ich danck im auch auß grund meines hertzen / für alle andere wolthaten / die er mir unzehlich von muterleib biß auff dise stund geistlich unnd leiblich bewisen hat / ohn alle meine verdienst / als seinem kind / Mir auch weib unnd kind bescheret hat / die ich ihm auch hiemit (wie auch meine liebe muter) in seinem schutz und regierung seines guten Geistes von herzen will befohlen haben / unnd beruhe endlich in der kindschafft / die er auß genaden mir unnd den meinen hat versprochen.

Unnd wolte nun ferners Gottes genad unnd segen wünschen insonderheit der Pfaltz / den Gräflichen häusern / Witgenstein / Solms Braunfels / unnd Nassaw Catzenelnbogen / mit underthenigster bitt / daß sie das angefangene werck der Schulen und Druckerey nicht wollen ersitzen lassen / als eine grosse genad von Gott / die zu vieler Menschen trost dienet / unnd sonderlich zu Gottes ehren / das liecht der warheit zu erhalten unnd fortzupflantzen. Und bitt / daß sie sich bey einer guten sach / die Gottes sach ist / nicht schewen. Ferners / daß sie auch die synodos handhaben / und mit dem zimlichen nutz derselben zu friden seyen / wie auch die Visitationes zu gewissen zeiten. Daß man auch mit verkauffung der Kirchengüter mit grosser fürsichtigkeit handele. Dann sonst die arme Pfarrer allgemach sich nicht werden erhalten können. Man sol auch billich von den Pfarren die vil haben / etwas den andern mittheilen die wenig haben / unnd dasselbe wol vergwissern.

Was dann des Wolgebornen Herrn / Herrn Johann Grafen zu Nassaw Catzenelnbogen Gräfliche kinder anlangt / so mich in meiner kranckheit besucht / bitt ich Gott / daß die erinnerung / so ich inen durch Gottes gnad gethan / unn dargegen auch ihre versprechung / so sie vermittelst derselben gnaden mir auch gethan / Gottes ehr und ihre eigene wolfahrt betreffend / immer kräfftig seye durch Gottes Geist unnd regierung / so wirdt Gottes segen bey ihnen seyn.

Meine liebe Haußfraw Philippinam belangend / danck ich underthenigst dem Wolgebornen / etc. meinem gnedigen Herrn / daß ire Gnaden sie so gnediglich bedacht / wie auch unsere kinder. Insonderheit aber danck ich ir Gnaden / daß sie die wolthaten / so sie meinem sohn Paulo hat widerfahren lassen / freywillig gethan hat ohne verstrickung der obligation, wie ir Gnaden sich selbst gegen mir anfangs außtrücklich gnediglich erkläret: Diweil man durch solche obligationes auß liberalibus ingeniis mehr mancipia zu machen pflegt / dann auffrichtige leut zu ziehen. Wie ich auch gleichfalls solches künfftig von meinem sohn Ludwigen verstehe / Welche beyde meine söhne ich hiemit zur kindlichen danckbarkeit unnd allen trewen will ermanet haben / wie auch meine liebe Haußfraw keinen fleiß sparen wirdt durch Gottes gnad.

[Hie wirdt gemeldet / wie ers mit seiner verlassenschafft wil gehalten haben; darnach folget ferner also:]

Ich hab noch allerhand geschribene ding / welches alles mein Haußfraw fleissig auffheben sol / wil auch nicht daß etwas leichtfertig gedruckt werde. Insonderheit ist noch vorhanden was ich uber die erste Epistel an die Corinther in der Pfaltz geprediget habe.

Wil also hiemit meinem lieben Gott / Vatter / Son und heiligem Geist / durch den einigen unn ewigen Hohenpriester / mein leib und seel befohlen haben / auff seinen gnadenbund und zusag / daß er mein Gott unnd meines samens in ewigkeit seyn wil / und nimmermehr auß keinem zorn wider mich handlen / wie er dann mir deß ein eyd geschworen Esaie am vier unnd fünffzigsten / Es sol mir seyn wie das wasser Noah / da ich schwur / daß die wasser Noah sollten nicht mehr uber den erdboden gehen / Also hab ich geschworen / daß ich nicht uber dich zörnen / noch dich schelten wil. Denn es sollen wol berge weichen und hügel hinfallen / Aber meine gnade sol nicht von dir weichen / unnd der bund meines frides sol nicht hinfallen / spricht der HERR dein erbarmer / Amen.

Ego Gaspar Olevianus manu propria subscripti: & coram sancta Trinitate prositcor, me synceram fidem Christianam per Dei spiritum & gratiam docuisse voce & scriptis, & in ea fide at doctrina per Dei gratiam in salutem aeternam per obsignationem Spiritus sancti perstare, fretum ipsius gratia: qui mihi e verbo suo revelavit. Amen, per Iesum Christum.

Das ist:

Ich Caspar Olevianus hab mit eigener hand underschriben / und bezeuge offentlich für der heiligen Dreyfaltigkeit / daß ich den unverfelschten Christlichen Glauben durch den Geist unnd gnade Gottes / beyde mit stimme und schrifften gelehret habe / Unnd daß ich in demselben Glauben und lehr durch die gnade Gottes zur ewigen seligkeit / durch die versiglung des heiligen Geists / bestehe / mich auff seine gnade verlassende / welcher mir sie auß seinem wort hat offenbaret. Amen / durch Jesum Christum.

Nach auffrichtung dises Testaments hat er den andern tag darnach nemlich den zwelfften Martii einen brieff dictiert an seinen sohn Paulum / welcher damals zu Kirchloch im Bisthumb Speyer kranck gelegen / in welchem er im zu wissen thut / daß er sich nu mehr zu einem Christlichen abscheid schicke / und desselben alle stund erwarte / unnd in derwegen tröstet mit der vätterlichen gnaden Gottes / und auch vermahnet daß er sein studieren dahin richten wolle / damit er vilen leuten nutz seyn möge. Derselbe brieff lautet also:

Charissime fili Paule: Dico eu partiarcha Jacob, Expecto salutare tuum Domine. Eo enim loco sunt res meae, ut dicam cum Apostolo, Cupio dissolvi & esse cum Christo: Cui etiam te totum ut in sacro baptismate, ita etiam nunc in migratione mea ad Dominum, una cum suavissima marre, fratre & sorore commendo & trado, & verbo gratiae ipsius. Fuisset quidem mihi gratus tui conspectus: sed noluite conjicere in periculum, hoc frigore, & crure nondum satis consolidato. Disposuiantem de rebus omnibus ut pium parentem decet: & generosus noster Dominus Comes Joannes munificentiam erga vos cum libertate vestra conjunctam diplomate suo confirmavit. Ego in singulas horas migrationem ad Dominum expecto. Ne praecipitanter te desin in viam: videbimus nos mutuo in vita aeterna, secundum foedus Dei gratuitum. Commendo tibi piissimam matrem, quam scio te diligere: fratrem Ludovium tenerum suscipe ut mea viscera, & pro prudentia tibi a Deo condessa suaviter rege. Ne appetito resaltas, sed esto contentus mediocribus: & studiorum labores eo dirige, ut prosint multis. Benedictio Domini sit in egressit & ingressu tuo, amen: & in γοδεσία gratuita ecquiescat spiritus tuus, expectans mecum haereditatem caelestem, per & propter Dei filiem, Amen. Datae Herbornae, die 12. Martii intra quartam & quintam, dictatae exlecto. Anno 1587.

Tuus pater Caspar Olevianus Trevir, verbi Dei minister, manu propria subscripsi. Domine Iesu suscipe spiritum meum. Act. 7.

Das ist:

Hertzlieber sohn Paule / Ich sage mit dem Altvater Jacob / HERR / ich warte auff dein heil. Dann meine sachen stehen also / daß ich mit dem Apostel sage / Ich begere auffgelöset zu werden / und bey Christo zu seyn: Welchem ich auch dich gantz und gar gleich wie im heiligen Tauff / also auch jetzund in meiner hinfahrt zum HERREN / sampt deiner gantz freundlichen muter / bruder unnd schwester / befehle unnd ubergibe / unnd dem wort seiner gnaden. Es were mir zwar lieb gewesen / daß ich dich hette mögen sehen / aber ich hab dich bey dieser kelt nit wollen in gefahr setzen / unnd da dein schienbein noch nicht genugsam wider zusammen geewachsen unnd gestercket ist. Ich hab aber anordnung gethan von allen dingen / wie einem gottsförchtigen vatter gebüret / Und unser gnediger Herr Graf Johann hat seine milte freygebigkeit gegen euch / welche mit ewer freyheit verfüget ist / mit seiner Gnaden brieff unnd sigel bekrefftiget. Ich warte alle stund daß ich zum HERREN hinfahre. Begib dich nicht eitlends und vor der zeit auff den weg: Wir werden einander sehen im ewigen leben / vermög des Gnadenbunds Gottes. Ich befehle dir deine gottselige muter / welche ich weiß daß du sie lieb hast: Deinen zarten bruder Ludwig nim auff als mein eigen hertz / Unnd regire in freundlich nach der weißheit welche dir Gott verliehen hat. Strebe nit nach hohen dingen / sonder laß dich genügen an mittelmessigen dingen / Unn richte die arbeit deines studierens dahin / daß es vielen leuten nutz bringen. Der segen des HErrn seye in deinem außgang unn eyngang / Amen. Unn dein geist berufe in der gnadenreiche kindschafft Gottes / unn erwarte sampt mir das himlische erb / durch den sohn Gottes und umb seiner willen / Amen. Gegeben zu Herborn den 12. tag Martii zwischen 4. und 5. uhren / Dictieret auß dem bett. Anno. 1587.

Ich dein vatter Caspar Olevianus von Trier / Diener des worts Gottes / hab mit eigner hand underschriben.

HErr Jesu nim meinen geist auff. Act.7.

Es haben ihn in seiner kranckheit besucht die beyde Wolgeborne Herrn / Herr Ludwig von Sain / Graf zu Witgenstein / unnd Herr Johann der elter / Graf zu Nassaw Catzenelnbogen: Zu welchem er sagte / Er habe in dieser seiner schwachheit recht lernen erkennen / was sünd sey / unnd wie hoch die maiestet Gottes seye / und daß es gar nicht gelte / daß wir menschen Gott zu einem gesellen haben wollen. Welches er dann wider die erdichte kräffte und freyen willen des menschen geredt hat.

Es haben ihn auch am achten Martii besucht die beyde auch Wolgeborne junge Herren / des wolermeldten Graf Johannen söhne / nemlich Graf Johann der jünger / und Graf Georg / Dieselbe hat er vermahnet erstlich zu brüderlicher liebe unnd einigkeit / Darnach und zum andern zu erhaltung des angefangenen wercks der schule zu Herborn / Ferners und fürs dritte zu erbermde gegen die arme underthanen / Letstlich unnd zum vierdten / zum gehorsam gegen ihrem Herrn vatter. Auff solche vermahnung dann sie ihme die gemeldte stück versprochen. Und nachdem dieselbe von ihm gegangen / ist ihm etwas wunderbarlichs begegnet / welches er mir und einem studioso, Abelo Conders von Helpen / des folgenden tags erzehlet hat ohngefährlich mit disen worten: Gestern (sprach er) als die beyde junge Herrn von mir gegangen / hab ich uber die vier stunden lang eine unaußsprechliche freude gefühlet / Also daß michs wunder nam / daß mein weib unnd mutter nach der hand mich frageten / ob es besser mit mir worden were. Dann mich dauchte / es hette mir nicht besse seyn können / und ich wils euch erzehlen / ein wunderbar ding. Ich war auff einer sehr schönen wisen / und als ich da spatzieret / wurde ich begossen mit des himmels taw / und dasselbe nit tröpffels weis / sonder als mit schüsseln voll / und daher hab ich an leib unnd seel unaußsprechliche freude empfunden. Als ich darauff zu ihm sagte / Der gute hirt / unser HERR Christus / hat euch als sein schäflein auff seine waid geführet / antwortet er / Ja er hat mich geführet zu den brunnen des lebendigen wassers. Unn als ich an einem andern tag ihne dieser sach / trosts halben erinnerte / und sagte / Gott hette ihn ein vorbild des ewigen lebens sehen lassen / sprach er: Es ist nicht nur ein bild gewesen / sonder eine empfindung. Und diesen wunderbaren handel hat er nicht allein mir / sonder auch andern erzehlet. Er pflegte auch zu sagen / Quemadmodum desiderat cervus ad fontes aquarum, sic desidant anima mea ad te Deus. Das ist: Wie der hirsch ein verlangen hat nach dem wasserbrunnen / also hat meine seel ein verlangen nach dir o Gott. Item, Ego velim meum iter ad Dominum non diu disserri. Das ist: Ich wolte daß meine reise zum HERREN nicht lang auffgezogen würde. Item, Cupio dissolvi & esse cum Christo meo. Das ist: Ich begehre auffgelöset zu werden unnd bey meinem HERREN Christo zu seyn.

Am fünffzehnden Martii / da er zwischen neun unnd zehen uhren verschiden / als ich des morgens umb sechs uhren zu ihm kam / unnd ihn klagte / daß er so matt und schwach were / sprach er zu mir: Ego tendo ad Christum. Das ist: Ich bin auff dem weg zu Christo. Da sprich ich / Tu es in bono itinere: Dominus sua gratia te confirmet. Das ist: Ihr seyt auff gutem wege / Der HERR stercke euch mit seiner genad. Er antwortet / Hoc mihi promisit. Das hat er mir verheissen. Da sagt ich / Er wirts auch thun. Darauff sagt er / Amen. Und bald hernach / Cupio dissolvi & esse Christo meo. Das ist: Ich begere auffgelöset zu werden / unnd bey meinem Herrn Christo zu seyn. Item / Kompt her zu mir alle die ihr mühselig unnd beladen seyt / Ich wil euch erquicken. Item / Es stehet im Psalmen / Nolite tangere Christos meos. Das ist: Tastet meine gesalbten nicht an. Dieses (sprach er) ist fürnemlich von den lehrern zu verstehen. Und zwar diese außlegung bringt der Text selbs mit / Sintemal alsbald im selben versickel folgt / Und thut meinen Propheten kein leyd.

Er hat auch zur selben zeit von mir begeret / ich solte im fürlesen den spruch auß dem 9. capitel Esaie / welcher begriffen ist in dem 2.3.4.5.6.7. versickel. Da unter andern diese wort von Christo stehen: Uns ist ein kind geboren / ein sohn ist uns gegeben / welches herrschafft ist auff seiner schulter / Unnd er heißt Wunderbar / Rath / Krafft / Held / Vatter der ewigkeit / Fridfürst / etc. Darnach den spruch auß dem anfang des eilfften capitels / da von Christo gesagt wirdt / wie der geist des HERREN auff ihm ruhe. Darnach den hundert unnd dritten Psalm / Lobe den Herrn meine seele / unnd was in mir ist / seinen heiligen namen / etc. Letstlich den spruch im sechsten an die Hebreer / vom dreyzehenden versickel an biß ans ende des capitels / Da dann stehet / wie uns GOtt das ewige leben mit einem eyd verheissen hab durch den ewigen Hohenpriester Christum. Auß welchen sprüchen allen / nach verlesung eines jedern / ich ihn getröstet / unnd hat er solchen trost mit hertzen angenommen / wie er dann genugsam mit worten unnd geberden bezeuget. Letztlich hat ihm Iacobus Altstedius, der eine Helffer / fürgelesen das drey und fünffzigste capitel Esaie / vom leiden und sterben unnd aufferstehung Christi / unnd ihn gleichfals darauß getröstet. Ungefährlich dritthalb stund zuvor ehe er verschiden / fragte er mich / ob es nit rathsam were / daß er dem Herrn Bernhardo Textori (welcher der ander Helffer ist) befehle / die predigt etwas bälder anzufangen / und auch etwas kürtzer zu machen / damit die Gemeynde auffs aller beldest das gebett für ihn thun möchte / welches ich dann auff sein begeren bestellet. In währender predigt hat er mich erinnert seines letsten willens von seinen hinderlassenen schrifften / und gesagt / Er habe den Herrn Bernhardo Textori, seinen Helffer / befelch geben / wie wirs damit sollen halten. Und ist diß der befelch / daß wir in den truck verfertigen sollen seine Predigten uber die erste Epistel an die Corinther / und die Notas oder kurtze verzeichnissen seiner Predigten uber die Sontags Evangelia / item / uber die Epistel an die Epheser. Ferner sollen wir / wann man sein buch De foedere wider trucken wirt / hin unnd wider hineyn setzen / was er in seinen letsten dictatis darzu gethan hat. Bald darnach hat er uns die wir bey ihm waren / zum gebett vermahnet / unnd nachdem wir nidergeknyet / mit auffgereckten zusammen gefaltenen händen das gebett selber gesprochen zu Gott dem himlischen vatter / daß er ihn bald auß gegenwertiger noth erlösen wolte.

Aber ein weil darnach hat er an uns begeret / wir wolten mit halber stimm singen / Nu bitten wir den heiligen Geiste. Welches wir dann gethan / unnd hat er mit seiner damals schwachen stimm mitgestimmet.

Er hat auch kurtz zuvor sich zu seiner muter gewandt / unnd ihr erzehlet die summa der Christlichen lehr von unserer seligkeit / ohngefährlich mit diesen worten: Unser HERR Christus ist unser seligmacher auff zweyerley weiß / Erstlich mit seinem verdienst am creutz / da er uns verzeihung der sünden unnd ewiges leben mit seinem tode verdienet hat. Zum andern / dieweil wir von natur so verderbet waren / daß wir solches von uns selbst nicht kondten glauben / sonder solche gnad durch unglauben würden außgeschlagen haben / Gleich als wann man mir jetzund ein artzney eyngeben wolte / würde ich dieselbe von mir schlagen / So hat Christus durch seinen geist den Glauben in unsern hertzen gewircket / mit welchem wir seinen verdienst annemen / unnd also selig werden. Nach vollbrachter predigt als ihn den Oberamptmann / Juncker Bernhard Condertz von Helpen / sampt seinem sohn Abel / unnd auch darneben Dominus Lazarus Schoenerus Professor Mathematicus, und Ioannes Heupelius, ein Kirchendiener / besucht / hat er ihnen allen / einem nach dem andern / die hand gegebe / wie auch seinen collegis, Herrn Bernhardo unnd Altstedio, unnd hat einem jeglichen den segen Gottes gewünschet. Er hat auch als er nu mehr kaum reden kondte / Herrn Altstedium vermahnet / daß er zum Rath der statt gehen wolte / und die Herrn von seiner wegen vermahnen / Daß sie forthin das allmusen nicht so tenuiter, das ist so spärlich unnd genaw / sondern liberaliter, das ist freygeblich und reichliß außtheilen wolten / dann dieses sey der will Gottes / unnd auch unser gnedigen Herrn. Ein wenig darnach / als ihm gemeldter Altstedius ohngefährlich mit diesen worten zusprache / Lieber bruder / Ihr seyt ohn zweiffel ewerer seligkeit in Christo gewiß / gleich wie ir andere gelehret habt: Da antwortet er mit seiner schwachen stimme / Certissimus, das ist / Ich bin meiner seligkeit ganz gewiß / Unnd wise zugleich mit seiner hand auff sein hertz. Welches danan sein letstes wort gewesen. Dann bald darnach ist er in einen sanfften schlaff gefallen / welcher nicht eine halbe viertelstund gewäret / unnd als wir merckten daß er widerumb erwacht were / haben wir noch einmal mit einander gebetet / unnd ist under dem wir das Vatter unser gesprochen / sänfftiglich im HERRN verschiden. Den dritten tag hernach / nemlich den sibenzehenden Martii ist sein leichnam nach Christlicher gewonheit ehrlich zur erden bestattet unnd begraben worden in der Pfarrkirch zu Herborn / in wlcher er die drey letsten jar seines lebens auff diser welt / das wort Gottes rein und lauter und mit allen trewen geprediget hat.

APOCALYPS. XIIII. VERS. XIII.

Beati mortui qui in Domino moriuntur.
Selig seind die todten die im HERREN sterben.

 

Caspar Olevian

Während im Norden des deutschen Vaterlandes Luthers gewaltige Persönlichkeit Alles überragte, machte im Süden und Westen der Einfluß Melanchthons sich überwiegend geltend, die Einwirkung der schweizerischen Reformatoren in diesen Landstrichen erklärt sich theils aus der Nachbarschaft der Schweiz, theils aus dem herkömmlichen lebhaften geistigen Verkehre zwischen den gelehrten Theologen der schweizerischen Eidgenossenschaft und des südwestlichen Deutschlands. Doch gelangte auch in Württemberg und Baden der lutherische Lehrbegriff zur Herrschaft; nur die gottesdienstliche Ordnung ward der schweizerischen verwandt. Einen anderen Gang nahm die Entwicklung der kirchlichen Angelegenheiten in der kurfürstlichen Pfalz, insbesondere der Unterpfalz oder der Pfalzgrafschaft am oder bei Rhein, jenem gesegneten Landstriche, der, reich an Getreide und Wein, mit einer geistig beweglichen Bevölkerung, sich längs den Ufern des Rheinstromes gegen Süden und Westen ausstreckt, und in welchem die Residenz- und Universitätsstadt Heidelberg schon lange vor der Reformation einen Sammelplatz und Mittelpunkt des geistigen Lebens gebildet hatte. Zwar hatte die Universität anfänglich den reformatorischen Bestrebungen sich wenig günstig erwiesen. Luthers Auftreten auf dem Augustiner-Convente zu Heidelberg im April des Jahres 1518 hatte keine nachhaltige Wirkung zurückgelassen. Die reformatorisch gesinnten Lehrer Brenz und Billikan hatten 1522 ihren katholisch gesinnten Collegen weichen müssen, und erst nach dreißig Jahren unter dem trefflichen Kurfürsten Otto Heinrich brach das Licht des Evangeliums im Lande sich Bahn. Dieser hochbegabte fromme Fürst hatte sich allmälig von dem Standpunkte der lutherischen Abendmahlslehre zu der milderen Fassung Melanchthons hinübergewandt und in seiner pfälzischen Kirchenordnung vom Jahre 1556 jede Verletzung reformirter Anschauungen vermieden. Mehrere hervorragende Gelehrte schweizerischen Bekenntnisses hatte er an die Universität Heidelberg berufen; namentlich hatte er einem reformirten Flüchtling aus Frankreich, Peter Boquin von Bourges, einen theologischen Lehrstuhl eingeräumt (1557), und den späteren durchgreifenden Sieg der reformirten Richtung im Kurfürstenthum auf diesem Wege vorbereitet. Als daher der bisherige Herzog und Pfalzgraf zu Simmern, Friedrich III., am 12. Februar 1559 dem Kurfürsten Otto Heinrich in der Regierung des Kurfürstenthums folgte, so kostete es diesen entschieden reformirt gesinnten Fürsten wenig Mühe mehr, seinem Lande den Charakter reformirter Eigenthümlichkeit aufzudrücken, und dasselbe gewissermaßen zu einem Bollwerke reformirten Glaubens und Lebens im Südwesten Deutschlands zu erheben. Gleichwohl bedurfte Friedrich III. zur festen Begründung und Ausgestaltung der pfälzisch-reformirten Landeskirche gelehrter, weiser, frommer Männer; diese führte ihm die göttliche Vorsehung insbesondere in zwei hervorragenden Persönlichkeiten, in Zacharias Ursinus und Caspar Olevianus, zu. Es sei uns vergönnt, das Lebensbild des letzteren in kurzen Zügen vorzuführen.

Am Tage des h. Laurentius, den 10. August 1536, erblickte Caspar von der Olewig, oder nach der gelehrten Unsitte der Zeit die Namen zu latinisiren: Olevianus, in der Stadt Trier das Licht der Welt. Wie fast alle Reformatoren stammte auch er aus dem Bürgerstande. Sein Vater, Gerhard von der Olewig, war ein Bäckermeister und als Meister seiner Zunft Mitglied des Rathes, auch Rentmeister der Stadt; seine Mutter Anna Sinzig war eines wohlhäbigen Metzgermeisters Tochter. Im Collegium von Sanct German pflanzte ein alter würdiger Priester den Glauben an den Versöhnungstod Christi, als den einigen Trost im Leben und Sterben, in sein Herz. Doch ging sein Sinn ursprünglich nicht nach der Theologie; er wählte wie Calvin das Studium der Rechtswissenschaften. Nach Vollendung seiner humanistischen Studien auf der Universität Paris setzte er seine juristischen Fachstudien in Orleans und Bourges fort. In letzterer Stadt, nach dem mißglückten Versuche, den Prinzen Hermann Ludwig, einen Sohn des Pfalzgrafen Friedrich von Simmern, aus den Fluthen des Oron zu retten, wobei er selbst in Gefahr kam zu ertrinken, weihte er in inbrünstigem Gebete Gott sein Leben und begab sich nach einem kurzen Aufenthalte zu Trier im Anfang des Jahres 1558 nach Genf zu Calvin. Von dort besuchte er Zürich und war Tischgenosse Peter Martyrs; dann suchte er in Lausanne Beza auf und noch einmal in Genf Calvin; auch den greisen Farel lernte er noch kennen; so, tief ergriffen und erfüllt von den Ideen des Genfer Reformators, kehrte er, kaum 23 Jahre alt, nach Trier zurück, wo ihm zunächst in der sogenannten Burse, einer sehr in Verfall gekommenen lateinischen Schule, ein Schulamt verliehen wurde.

In Trier fand der junge Olevian einen zur Aufnahme der Reformation nicht unvorbereiteten Boden. Nicht nur bei einem großen Theile der Bürgerschaft, sondern auch unter den Mitgliedern des Rathes zählte die Kirchenverbesserung warme Freunde. Den Schöffen Otto Seel und Peter Sirk hatte Calvin den Olevian empfohlen und sie für die Sache des Evangeliums gewonnen. Auch der älteste Bürgermeister der Stadt, Johann Stuyß, begünstigte die evangelische Bewegung. Olevian war mit seiner Wirksamkeit allerdings zunächst auf die Schule beschränkt, in welcher jedoch das seinem Unterrichte zu Grunde gelegte Lehrbuch der Dialektik von Melanchthon passende Veranlassung darbot, die Saatkörner des evangelischen Glaubens in die Gemüther der Jugend auszustreuen. Da seine Schüler großentheils der lateinischen Sprache nicht mächtig genug waren, um den Unterricht mit Erfolg in dieser Sprache zu empfangen, so fing er an Deutsch zu lehren und an seinem 24. Geburtstage hielt er in der Schule sogar eine deutsche Predigt, in welcher er auf Grund des göttlichen Wortes die römischen Mißbräuche, namentlich die Messe, die Anbetung der Heiligen, das bei Bittgängen vorkommende Unwesen u. A. m., scharf und ohne Menschenfurcht tadelte. Da Olevian durch öffentlichen Anschlag am Rathhaus zu dieser Predigt eingeladen hatte, so war der Zudrang ein außerordentlicher gewesen, und die römischbischöfliche Parthei im ganzen Lande war um so erboster, als der Angriff in der altberühmten erzbischöflichen Stadt vorgekommen war. Gleich am folgenden Tage (11. Aug. 1559) setzten es die Gegner im Rathe durch, daß Olevian das Predigen in seiner Schule untersagt wurde, und der reformatorischen Wirksamkeit des jungen feurigen Predigers wäre sofort ein gründliches Ende gemacht worden, wenn nicht ein Theil der Zünfte, insbesondere die Weber, Schneider und Schmiede, sich zu seinen Gunsten erhoben hätten. Die Bewegung der Zünfte zwang den Rath vorläufig zum Einlenken; in der Schule sollte Olevian nur lateinisch predigen dürfen, in den Kirchen der Stadt sollte die deutsche Predigt ihm unverwehrt sein. Olevian predigte nun öfter in der städtischen Kirche des St. Jakobshospitals; dorthin strömte die Bürgerschaft; die Kirchen der Domherren standen verlassen.

Die kleine, aber mächtige Gegenparthei begriff, daß der römische Katholicismus in Trier durch Olevian aufs äußerste bedroht war. Der Erzbischof war gerade in Augsburg abwesend; von der Bewegung benachrichtigt sandte er in Eile einige Räthe, um die Reformation im Keime zu ersticken. Olevian wurde wegen unbefugten „aufrührerischen“ Predigens zur Verantwortung gezogen. Ein Herr von Winneburg untersagte als Delegirter des Erzbischofs dem Olevian kurzweg alles Predigen. Dieser setzte nunmehr die versammelte Gemeinde zu St. Jakob von dem Verbote in Kenntniß. „So ihr aber, sprach er, bei der erkannten Wahrheit beständig sein wollt, so will auch ich meinen Leib und mein Blut noch fürder in Gefahr setzen und euch das Wort Gottes predigen und Gott mehr gehorchen als den Menschen. Welche das von Herzen begehren, die mögen Amen sprechen.“ Bei der Ankündigung des Predigtverbotes war die Gemeinde in lautes Weinen ausgebrochen; nach der ergangenen Aufforderung Olevians rief die Versammlung einmüthig und mit heller Stimme: Amen. Dergestalt im Vertrauen der Gemeinde befestigt, fühlte Olevian sich stark genug, dem wachsenden Widerstand der Gegner die Stirne zu bieten. Auch der Rath entschied am 11. September für freie Gestattung der evangelischen Predigt. Bald ward die St. Jakobskirche für die gottesdienstlichen Versammlungen zu eng. Auf die Bitte der Gemeinde hatte Pfalzgraf Wolfgang von Zweibrücken den Prediger Kunemann Flinsbach zur Unterstützung Olevians abgeordnet. Seine Ankunft in Trier am 23. September wurde als ein neuer Sieg der Reformation von allen Gutgesinnten – und ihrer waren damals viele – mit inniger Freude gefeiert.

Wer die Freude war von kurzer Dauer. Mit dem Muthe und der Begeisterung der Evangelischen stieg auch die Erbitterung und der Haß der gegnerischen Parthei. Schon am 17. September hatte ein Priester, Namens Fae von Boppard, sich vor der Predigt mit List der Kanzel in der St. Jakobskirche bemächtigt; er hatte der Entrüstung der versammelten Gemeinde weichen müssen. Jetzt half nur noch die Gewalt. Der Erzbischof und Kurfürst von Trier, Johann V., kehrte mit großem Gepränge und einem Gefolge von 170 Reitern nach seiner Residenzstadt zurück. Seine erste Maßregel war, dem eben berufenen evangelischen Hülfsprediger Flinsbach (am 26. September) die Kanzel zu verbieten. Dabei fühlte der Erzbischof sich indessen noch so wenig sicher unter seinen Unterthanen, daß er die Stadt, deren Straßen von den Evangelischen gegen seine Soldaten durch Ketten abgesperrt worden waren, nach einigen Tagen wieder verließ und sein Standquartier in einer Entfernung von etwa drei viertel Stunden zu Pfalzel nahm. Seine Absicht war, die Stadt einzuschließen und durch Hunger zur Uebergabe zu zwingen. Schlau benutzte er die Spaltung der Trierer Bürgerschaft in eine politisch freisinnige, confessionell katholisch gebliebene, und eine eigentlich reformatorische Parthei. Indem er bald drohte, bald schmeichelte, bald die evangelisch Gesinnten als „Aufrührer“ bezeichnete und deren Verhaftung forderte, bald den Unterwürfigen Straflosigkeit und Huld zusicherte – schwächte er unter der Bürgerschaft die in diesem gefahrvollen Augenblicke so unentbehrliche Eintracht. Die Evangelischen trauten zum Theil ihren eigenen Mitbürgern nicht mehr, hielten sich ganze Nächte unter den Waffen, fürchteten Verrath. Die katholisch gesinnte Minderheit im Rathe gewann allmälig die Oberhand; die evangelischen Predigten wurden eingestellt; der Kurfürst verlangte, daß die Evangelischen eine Geldbuße von 20,000 Thalern erlegen und sofort das kurfürstliche Gebiet verlassen sollten. Die Bürger aus den untern Gewerben der Schiffleute und Faßbinder waren meist katholisch geblieben; sie lärmten jetzt in den Wirthsstuben und zechten auf erzbischöfliche Unkosten: das katholische Proletariat terrorisirte die Stadt.

Der entscheidende Schlag geschah, ohne daß die Evangelischen Widerstandskraft genug dagegen gezeigt hätten. Die Führer der evangelischen Parthei, der Bürgermeister Stuyß, die Rathsherrn Sirk, Seel u. A, die Prediger Olevianus und Flinsbach, wurden plötzlich auf Anordnung der katholischen Rathsparthei verhaftet. Von einer aus evangelischen und katholischen Bürgern der Stadt gemischten Abordnung, welche Vermittlungsanträge an den Erzbischof brachten, behielt dieser die Evangelischen als Geißeln zurück. Die nächste Umgebung der Stadt wurde auf’s schärfste eingeschlossen und bewacht. Wer die Einschließungslinie überschritt, wurde geplündert, mißhandelt, gefangen genommen. Jetzt nahm auch der letzte Rest von Widerstand bei der mürbe gewordenen Bürgerschaft ein Ende. Von Priestern und Soldaten, insonderheit Jesuiten umgeben, hielt der Erzbischof am 26. October triumphirend seinen Einzug in der darnieder geworfenen Stadt. Die Evangelischen wurden als „Rebellen“ behandelt; sie hatten die ganze Last der Einquartirung zu tragen. Ihnen blieb nichts übrig, als ein dringendes Hülfsgesuch an den Kurfürsten Friedrich III. von der Pfalz und den Pfalzgrafen Wolfgang von Zweibrücken, die Schirmherren des reformirten Bekenntnisses, zu richten; aber auch die lutherischen Fürsten, Herzog Christoph von Württemberg und Markgraf Karl von Baden, ließen sich nicht vergebens bitten, und Friedrich III. schrieb eigenhändig an den Bürgermeister Stuyß einen erquicklichen Trostbrief. In Folge der eingetretenen fürstlichen Verwendung wurde der Prediger Flinsbach als Unterthan des Pfalzgrafen Wolfgang schon am 1. November seiner Haft entlassen.

In um so größerer Gefahr schwebte dagegen Olevian, der ein Unterthan des erbitterten Erzbischofs von Trier war. Die Jesuiten hatten dem Erzbischof den Rath gegeben, den Olevian und seine Anhänger als „Calvinisten“ zu behandeln, auf welche die Bestimmungen des Allgemeinen Religionsfriedens nicht anwendbar seien. Es wurde daher gegen Olevian und seine Glaubensgenossen eine Criminaluntersuchung wegen „Landfriedensbruches“ eingeleitet. Die Gefangenen wurden in erschwerte Einzelhaft gesetzt; zahlreiche Einquartirung wurde auf so lange in die Häuser der evangelisch Gebliebenen gelegt, bis sie zum Abfall gebracht oder doch hinlänglich eingeschüchtert waren. Gleichwohl zählte man noch immer fünfhundert evangelische Bürger in Trier. „Denen hat man dann“, wie der Amtmann von Veldenz, Hans von Frankenstein, in einem Berichte vom 17. Nov. schreibt, „Landsknechte ins Haus gelegt.“ Die am schwersten Beschuldigten waren Peter Stuyß und unser Caspar Olevianus. Man machte dem letztern namentlich sein „eigenmächtiges“ Predigen zum Vorwurf; weder sei er an die St. Jakobs-Gemeinde ordentlich berufen, noch auch nur ordinirt gewesen. „Es ist männiglich bekannt, entgegnete Olevian, daß Niemand verboten ist, Gutes zu thun und aus der h. Schrift zu lehren.“ Ja, er drückte sein tiefes Bedauern aus, daß er nicht noch fleißiger falsche Lehre und Laster gestraft habe. „Ich weiß, sagte er, daß ich nichts geprediget, das dem Worte Gottes und der Augsburger Confession (er meinte die „Veränderte“ vom Jahr 1540) zuwider ist. Ich habe mich allezeit erboten und auch jetzt noch, dies darzuthun.“

Bei der leidenschaftlichen Stimmung des Erzbischofs und dem unausgesetzten Feueranblasen der Jesuiten hätte der Prozeß für die Evangelischen, und insbesondere für Olevian, einen blutigen Ausgang genommen, wenn nicht seit dem 23. Oct. die evangelischen Fürsten, Friedrich III. von der Pfalz, Pfalzgraf Wolfgang von Zweibrücken, Philipp von Hessen u. A. einen Congreß zur Unterstützung und Beschirmung der Trierer Angeklagten in Worms veranstaltet hätten. Am 27. November trafen ihre Abgeordneten zum Schutze der bedrängten Glaubensgenossen in Trier ein. Ihre Bemühungen, zur Geltung zu bringen, daß Trier als reichsfreie Stadt zur Annahme des Evangeliums auf Grund der Augsburger Confession berechtigt gewesen sei, scheiterten an der Zähigkeit des jesuitischen Widerstandes. Die Gefangenen mußten Urfehde schwören, was Olevian jedoch nur bedingt that, so fern der christlichen Religion, der Augsburger Confession und seinem Gewissen damit in keinem Punkte zu nahe getreten werde. Außerdem mußten die Evangelischen dem Erzbischof eine Geldstrafe von 3000 Gulden erlegen und binnen acht Tagen das Kurfürstenthum verlassen. Unter dem Vorwande, die Exemtion werde nicht wegen der „Religion“, sondern wegen der „Rebellion“ vollzogen, wurde in kurzer Zeit der letzte Rest evangelischen Sauerteiges im Erzbisthum Trier ausgerottet. Eine Gedächtnisfeier, die am Pfingstmontag abgehaltene Oleviansprozession, verherrlicht noch heutzutage in Trier diesen „Sieg“ über die Reformation. Trier blieb von nun an 248 Jahre lang eine ausschließlich katholische Stadt; aber ihre Blüthe war dahin, ihre frömmsten, fleißigsten, reichsten und geschicktesten Bürger waren vertrieben. Im Jahre 1817 wurde zum erstenmale wieder evangelischer Gottesdienst daselbst gehalten; gegenwärtig blüht in der Stadt Olevians eine gesegnete evangelische Gemeinde.

Gott hatte unsern Olevian für einen größeren Wirkungskreis als an der St. Jakobskirche in Trier bestimmt. Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz hatte seine Bedeutung seit längerer Zeit erkannt; er hatte im Kerker zu Trier seine Feuerprobe bestanden; Friedrich III. berief ihn im Jahre 1560 zunächst als Lehrer an das Sapienz-Collegium zu Heidelberg, bald darauf als Professor der Theologie an die Universität. Damit war der reformirten Richtung in der Pfalz das Uebergewicht gesichert. Im Geiste Calvins und nach einem aus dessen „christlichem Unterrichte“ gezogenen Leitfaden, lehrte Olevian an der Hochschule die christliche Dogmatik. Eine tüchtige Besetzung auch der übrigen theologischen Lehrstellen lag dem vierundzwanzigjährigen jungen Manne am Herzen. Peter Boquin, der einen Ruf nach Straßburg erhalten hatte, wurde durch seine Bemühung der theologischen Fakultät erhalten. Die Berufung des ihm befreundeten Peter Martyr von Zürich wurde durch ihn lebhaft betrieben, und als der greise Lehrer sich zu einer Uebersiedelung nach Heidelberg nicht mehr entschließen konnte, wurde dessen Schüler, Zacharias Ursinus, im Herbste 1561 zunächst an das Sapienz-Collegium berufen. Damals fand Olevian in der ehelichen Verbindung mit der frommen Wittwe Philippine von Metz auch ein häusliches Glück.

Die eigentliche Begabung Olevians lag übrigens mehr noch auf dem Gebiete der praktischen Kirchenleitung, als auf demjenigen der akademischen Lehrwirksamkeit. Seinem Blicke war der Beruf der pfälzischen Kirche, den zerstreuten Ablegern des reformirten Geistes in Deutschland als Sammel- und Mittelpunkt zu dienen, nicht entgangen. Schon im Jahre 1561 folgte ihm Ursinus in seinem theologischen Lehramte an der Universität; er selbst trat in die Stellung eines Hofpredigers an der St. Peterskirche und eines Kirchenrathes ein. Die Organisation der reformirten Kirche der Pfalz ist vorzüglich sein Werk. Die Berufung einer beträchtlichen Anzahl tüchtiger Lehrer und Prediger in die verwahrlosten Gemeinden, die Begründung einer trefflichen Kirchenordnung, die Einführung der Kirchenzucht nach dem Vorbilde der Genfer. Kirche ist namentlich seinem rastlosen Eifer zu verdanken. Allerdings trat er bei der Organisation des Gottesdienstes und dem Aufbau der Kirchenverfassung nicht mit der Schöpferkraft eines Luthers oder Calvins auf; er ist Schüler, nicht Meister. In den gottesdienstlichen Einrichtungen schloß er sich vornämlich an die Genfer Liturgie und die Ordnungen der Kreuzgemeinden von Joh. Lasky an; die Gebete entnahm er z. B. der Agende Calvins, die Formulare derjenigen Lasky’s. Alle Bilder wurden aus den Kirchen entfernt, Altäre und Taufsteine beseitigt, das Abendmahl als Gemeindefeier abgehalten, die Krankenkommunion nur noch gestattet, das Brod gebrochen. Im October 1563 ward die Agende vollendet. Das Jahr darauf folgte die Kirchenrathsordnung, die von dem Kanzler Ehem in Gemeinschaft mit Olevian ausgearbeitet war. Der theokratische Gedanke der Genfer Kirchenverfassung drang in der Pfalz nicht durch. Die Obrigkeit erscheint in der pfälzischen Kirchenrathsordnung als die Quelle auch der geistlichen Gewalt, deren „fürnehmstes Amt und Befehl ist die vertrauten Unterthanen nicht allein mit Gericht und Recht bei gutem züchtigen friedlichen und ruhigen Leben und Wesen zu erhalten, zu schützen und zu schirmen, sondern auch mit getreuen, gottesfürchtigen und tauglichen Seelsorgern, Kirchen- und Schuldienern zu versehen und also Beides: die äußerliche Zucht und Polizei und den wahren reinen Gottesdienst zu pflanzen und zu handhaben.“ Einer aus sechs Räthen (drei geistlichen und drei weltlichen) zusammengesetzten Kirchenbehörde, in welcher ein weltlicher Präsident den Vorsitz führte, wurde die Kirchenregierung, insbesondere die Besetzung aller Kirchen- und Schulstellen, die Aufsicht über die Kirchen- und Schulbeamten und die Verwaltung der Kirchenzucht übergeben. Jährliche Synoden, zu denen jedoch nur Geistliche und zwei Mitglieder des Kirchenrathes abgeordnet wurden, hatten die kirchlichen Angelegenheiten vorzuberathen und Censur über die Prediger auszuüben. War auch bei solchen Einrichtungen an eine freie Entfaltung christlicher Gemeindethätigkeit nicht zu denken, und blieb auch die Kirchenzucht der Gefahr der Verweltlichung und des Mißbrauchs von vorn herein ausgesetzt, so hat gleichwohl in Folge dieser Organisation die Pfälzer Kirche durch sittlichen Ernst und würdige Haltung lange sich vortheilhaft vor vielen anderen deutschen Landeskirchen ausgezeichnet; es lag ein dauernder Segen darin.

Das größte Verdienst hat sich Olevian mit seinem Amtsgenossen und Mitarbeiter Ursinus durch die Ausarbeitung und Einführung des Heidelberger Katechismus erworben, dieses reifsten und mustergültigsten katechetischen Werkes der reformirten Kirche, von unverwüstlicher Ursprünglichkeit und Frische des Geistes. Wenn der Katechismus seinem stofflichen Theile nach größtentheils von Ursinus bearbeitet ist, so ist dagegen Olevians organisatorischem Talente die lichtvolle und durchsichtige Eintheilung und Anordnung desselben zu verdanken. Die deutsche Ausarbeitung hat auch von Olevian ihren kernigen Ausdruck. Der Katechismus erschien am 15. Nov. 1563 zum erstenmale in einem amtlichen Abdrucke. Agende, Katechismus und Kirchenrathsordnung reihen sich wie die Schlußsteine der reformirten Pfälzer Kirche aneinander. Mit dem Jahre 1565 war das Organisationswerk im Ganzen vollendet. Jetzt wurden auf kurfürstlichen Befehl auch die letzten Reste, „die noch hin und wieder von der Abgötterei übrig geblieben, Altarien, Crucifix, Taufsteine und dergleichen Götzenwerk mehr“ beseitigt und statt des Altars in jeder Kirche „ein ehrlicher Tisch“, statt des Taufsteins ein „Becken“, statt des Kelchs ein „zierlich Trinkgeschirr in Form eines Kopflins“ verordnet.

Der Aufbau der pfälzischen Kirche war unerwartet rasch und glücklich vor sich gegangen. Aber die Zeit der Prüfung und Heimsuchung sollte nicht lange auf sich warten lassen. Als im Jahr 1566 die Pest Heidelberg und die Pfalz heimsuchte, verließ während dieser Schreckenszeit Olevian seinen Posten keinen Augenblick, und durch seine Trostschrift: „Erinnerung, weß sich ein Christ bei der Absterbung seiner Mitbürger trösten soll“, stärkte er viele bekümmerte Ueberlebende. Allein schon vorher hatte das Aufblühen einer mächtigen reformirten Landeskirche im Herzen Deutschlands die Eifersucht und das Mißtrauen der streng lutherisch gesinnten Parthei geweckt. Insbesondere der Herzog Christoph von Württemberg war, auch aus politischen Gründen, dem wachsenden Einflusse der reformirten Pfalz auf das südwestliche Deutschland keineswegs günstig. Ein Religionsgespräch, das vom 10. bis 15. April 1564 in dem Kloster Maulbronn zwischen den pfälzischen und schwäbischen Theologen abgehalten wurde und auf welchem Olevian den Kanzler Jakob Andreä mit überlegenen Waffen bekämpfte, trug nicht nur nichts zur Verständigung zwischen den streitigen Partheien bei, sondern steigerte, da sich beide schließlich den Sieg zuschrieben, die Erbitterung. Und nicht die Frage nach dem „einigen Troste im Leben und im Sterben“, worüber beide Theile vielmehr einig waren, sondern die Frage wegen der „Allenthalbenheit der menschlichen Natur Christi“ entzweite die streitenden Glaubensgenossen so tief! Die freie Religionsübung wurde in der reformirten Pfalz bald ernstlich bedroht. Zwei Jahre nach jenem Religionsgespräch wurde der Reichstag zu Augsburg abgehalten, (23. März 1566), auf welchen, der Kurfürst Friedrich III. reichsgesetzlich gezwungen werden sollte, die „Calvinistischen“ Neuerungen in Kirchen und Schulen abzustellen. Der Kaiser Maximilian II. konnte sich auf seinem katholischen Standpunkte nur freuen, daß die lutherischen Fürsten einen reformirten zu unterdrücken gedachten. Damals sprach Friedrich III. das unvergeßliche Wort: „Ich erkenne in Gewissens- und Glaubenssachen nicht mehr als einen Herrn, der ein Herr aller Herren und ein König aller Könige ist…. darum kann ich Eure kais. Majestät nicht zugestehen, daß Sie, sondern allein Gott darüber zu gebieten hat.“ Damals bekannte er sich auch heldenmüthig zu Olevians und Ursinus‘ Katechismus: „Was meinen Katechismus anbelangt, so bekenne ich mich zu demselben. Es ist auch derselbe am Rand mit Gründen der heil. Schrift dermaßen gewaffnet, daß er unumgestoßen bleiben soll, und wird meines Wissens unumgestoßen bleiben.“ Kurfürst August von Sachsen klopfte tief ergriffen Friedrich III. auf die Schulter mit den Worten: „Fritze, du bist frömmer denn wir Alle.“ Friedrich blieb nun auch in Folge seiner achtunggebietenden Festigkeit mit seinen Theologen von Seiten der Reichsfürsten unangefochten. Nach seiner Rückkehr von Augsburg empfing ihn die Gemeinde zu Heidelberg mit dem herzlichsten Ausdruck der Freude. Er selbst genoß tief bewegt am Pfingstfeste mit seinem ganzen Hofe das Abendmahl; bei dem Vorbereitungsgottesdienste drückte er Olevian vor der versammelten Gemeinde herzlich die Hand, zum Zeugniß, daß er von dem festen Grunde der erkannten Wahrheit nicht weichen werde. Doch zeigte er sich gegen abweichende Ueberzeugungen auch mild und duldsam; seine lutherischen Unterthanen in der Oberpfalz zwang er nicht vermöge des sogenannten Reformationsrechtes zum reformirten Bekenntniß, und den in jener Zeit sonst überall verfolgten und gemißhandelten Wiedertäufern öffnete er in seinem Lande – ohne Zweifel auf den Rath Olevians – eine Zufluchtsstätte.

Seit der Einführung des Heidelberger Katechismus hatte Olevian es als seine Hauptaufgabe betrachtet, denselben in Verbindung mit seinen Pfälzer Arbeitsgenossen gegen feindselige Angriffe zu vertheidigen. Zunächst war dies gegen den von Heidelberg wegen seiner Streitsucht entfernten theologischen Eiferer Tilemann Heßhus nöthig, der schon im Anfange des Jahres 1564 eine „treue Warnung“ vor dem „verführerischen“ Buche in den Druck hatte ergehen lassen. Auch gegen die Angriffe der schwäbischen Theologen Brenz und J. Andreä verfochten Olevian und Ursinus die Rechtgläubigkeit des Katechismus mit siegreichen Gründen. Außerdem hielt Olevian zu Gunsten des Katechismus eine Reihe von Schutzpredigten „von dem heiligen Abendmahl des Herrn“ in der Peterskirche zu Heidelberg, von welchen er nachher eine Auswahl in überarbeiteter Gestalt veröffentlichte. Sie waren auf die weiteren Kreise der Gebildeten berechnet, und der innerste Kern der Streitfrage war darin ins Licht gestellt, wie nämlich das Abendmahl kein anderes Ziel haben kann, als „unseres Herzens Vertrauen auf das einige Leiden und Sterben Jesu Christi am Stamme des Kreuzes hinzuweisen.“ Es war der wahrhaftige geschichtliche Christus, der sein theures Blut für die erlöste Gemeinde vergossen hat, für dessen Person Olevian in diesen Predigten kämpfte, den er um keinen Preis an die Scheingestalt eines „erdichteten Christus“, wie er sich ausdrückt, dahingehen wollte.

Zu diesen Kämpfen mit äußeren Gegnern trat ein Streit mit inneren hinzu, welcher Olevians Stellung an der Spitze der Kirchenleitung in den letzten Jahren seiner pfälzischen Wirksamkeit verbitterte. Unstreitig waren die Verhältnisse der Pfälzer Kirche nicht dazu angethan, um mit der Kirchenzucht nach dem Vorbilde der Genfer Kirche durchgreifenden Ernst zu machen. Die staatskirchliche Parthei, an deren Spitze der geistreiche Arzt Erast, widersetzte sich einer strengeren kirchlichen Disciplin, in der nicht grundlosen Befürchtung, daß dadurch der Gewissenszwang wieder in die Kirche eingeführt werden möchte. Der Gegensatz zwischen einer disciplin-freundlichen und einer disciplin-feindlichen Parthei war bereits seit der kirchlichen Organisation vorhanden; er kam aber erst im Jahre 1568 in Folge einer am 10. Juni eröffneten Disputation des Engländers Georg Wither zum Ausbruche, welcher die These vertheidigt hatte, „daß die Pfarrer in Gemeinschaft mit dem Presbyterium die Macht hätten, jeglichen Sünder, auch die Fürsten zu vermahnen, zu strafen, zu excommuniciren und alles zur Kirchendisciplin Gehörige zu üben.“

Gewiß hatte Olevian mit seinen Freunden nur aus den reinsten Beweggründen der These zugestimmt; theilte er doch mit allen hervorragenden Trägern des reformirten Bekenntnisses die Ueberzeugung, daß in der evangelischen Kirche nicht nur für reine Lehre, sondern auch für einen reinen, der christlichen Wahrheit gemäßen Lebenswandel, Sorge getragen werden müsse. Mit Unrecht erblickten die Gegner in seiner Haltung die Merkmale der Herrschsucht und eines pfäffischen Fanatismus. Ein heftiger Zwist entbrannte. Mit Erast hatten sich noch Silvanus und Neuser gegen Olevian und die einer strafferen Zucht günstige Parthei verbunden. Neuser, Olevians College an der Peterskirche, wurde wegen seiner leidenschaftlichen Streitführung an die Kirche zum heil. Geist versetzt. Gutachten auswärtiger reformirter Lehrer, wie z. B Bullingers und Bezas, wurden eingeholt; die Entscheidung war, da insonderheit die Zürcher der milderen Handhabung der Zucht das Wort redeten, sehr ungewiß, als plötzlich die Entdeckung gemacht wurde, daß Silvanus und Neuser Leugner der Dreieinigkeit wären und mit den Türken sich in verrätherische Unterhandlungen eingelassen hätten. Es wurde nun gegen dieselben ein Hochverraths- und Gottesleugnungsprozeß eingeleitet, der mit der Flucht Neusers nach Konstantinopel und der Hinrichtung des Silvanus durch das Schwert auf dem Marktplatze zu Heidelberg endigte. Dieser bedauerliche Zwischenfall gab der Streitfrage über die Kirchenzucht eine andere Wendung. Auf kurfürstlichen Befehl wurden in der pfälzischen Kirche jetzt überall Presbyterien eingerichtet, und diesen, nicht den Geistlichen, ward die Handhabung der Kirchenzucht nach Anleitung der heil. Schrift übergeben. Am 25. Nov. 1570 wurden die Namen der Mitglieder des ersten Aeltestengemeinderaths zu Heidelberg von Olevian der Gemeinde verkündigt. Olevian hatte als Frucht seines treuen Beharrens immerhin einen schönen Erfolg erreicht; aber im Ganzen war der einer lebendigen Entwicklung der Presbyterialverfassung günstige Zeitpunkt längst vorüber. Die theologischen Streitigkeiten verdrängten bereits jedes andere kirchliche Interesse. Die Zänkereien in der deutschen protestantischen Kirche wurden immer unerquicklicher; Friedrich III. fühlte, daß sein Ende nahe, und von seinem Sohne Ludwig war vorauszusehen, daß er in der reformirten Pfalz die Fahne des Lutherthums aufpflanzen werde. Der 26. October 1576 war der Todestag Friedrichs III. Der treffliche Fürst schied mit den Worten: „Herr, nun lässest Du Deinen Diener in Frieden fahren… ich habe der Kirche lange genug gelebt, jetzt werde ich zu einem besseren Leben berufen; ich habe der Kirche zum Besten gethan, was ich gekonnt, habe aber nicht viel vermocht; Gott der Allmächtige wird sie nicht verwaiset lassen.“ Von seinem Sohne Ludwig erwartete er selbst nichts Gutes. „Lutz wirds nicht thun“, hatte er auf seinem Sterbebett gesagt.

Kurfürst Ludwig zögerte vierzehn Tage mit seinem Einzuge in Heidelberg. Seine Gesinnung verbarg er nach seiner Ankunft nicht. Zur Abhaltung der Leichenfeierlichkeit seines verstorbenen Vaters hatte er einen heftigen lutherischen Streittheologen, Paul Schechsius, mitgebracht; den Buchhändlern wurde sofort verboten, reformirte Bücher zu verlegen oder zu verkaufen. Alle Gegenvorstellungen der Universität, der Geistlichkeit, des städtischen Rathes, blieben erfolglos. Olevian, der treue Zeuge, der Begründer der pfälzischen Kirche, der langjährige Lehrer und Prediger, wurde aus dem Kirchenrathe, von dem Lehrstuhle und der Kanzel gestoßen, ja mit Stadtarrest belegt! Das Schreiben wurde ihm gänzlich untersagt; stumm sollte er das ihm zugefügte Unrecht ertragen. Mit Mühe gelang es den Bemühungen des Oberhofmeisters am Hofe Friedrichs III., Ludwig von Sain, Grafen zu Wittgenstein, die Freilassung Olevians zu erwirken. Die reformirten Prediger wurden jetzt kurzweg vertrieben, den Gemeinden lutherische Pastoren aufgedrängt, die reformirten Universitätslehrer ohne Entschädigung entlassen. Um so mehr gebührt dem Grafen Wittgenstein, der in seinem Schlosse Berleburg Olevian als seinen „lieben Gast“ aufnahm, und ihm eine neue, wenn auch beschränkte Wirksamkeit eröffnete, ehrende Anerkennung. Die Forschung in der h. Schrift gewährte in dieser Verbannung dem Reformator reichlichen Trost. In Berleburg schrieb er seine Erklärung der Briefe des Apostels Paulus an die Galater, Römer, Philipper und Kolosser, welche Beza mit einer Vorrede begleitete. Ebendaselbst entwarf er auch seine Lehrschrift: „von dem Wesen des Gnadenbundes.“ Aber nicht lange sollte ihm diese ruhige Thätigkeit vergönnt sein. Bald erbaten sich die Grafen von Nassau-Siegen, Hadamar und Dillenburg, Solms und Wied seinen Rath bei der Einrichtung ihrer Landeskirchen. Vom Jahre 1584 an siedelte er gänzlich nach Herborn über und ward dort der erste Begründer einer reformirten Hochschule und der berühmten Corvin- oder Raabschen Buchdruckerei. Noch erlebte er die Freude am 13. Juni 1586 in Herborn einer Synode aus Abgeordneten der Grafschaften Nassau, Wittgenstein, Solms und Wied vorzusitzen, welche die reformirte Presbyterial- und Synodalverfassung nach dem Vorbilde der Genfer Kirche in jenen Landschaften einführte. Aber jetzt waren auch die Tage des unermüdlichen Arbeiters gezählt. Schon längere Zeit durch Ueberarbeitung erschöpft hatte er seit dem 25. Februar 1587 seine Berufsgeschäfte einstellen müssen; am II. März verfaßte er im Vorgefühle des herannahenden Todes sein Testament, Gott darin preisend, „daß er ihn erwählet habe zur Kindschaft in Christo aus Gnade.“ Am 12. März schrieb er seinem Sohne Paulus zu Kirchbach im Bisthum Speier einen rührenden Abschiedsbrief: „Ich habe Lust, sagt er darin, abzuscheiden und bei Christo zu sein, dem ich auch Dich ganz und gar, gleichwie in der heil. Taufe, also auch jetzt bei meiner Heimfahrt zum Herrn… befehle und übergebe, wie auch dem Worte seiner Gnaden.“ Liebliche Gesichte umschwebten ihn in seinen letzten Tagen. Es kam ihm vor, als spaziere er auf einer schönen Wiese und werde fortwährend vom Thau des Himmels begossen. Der 15. März des Jahres 1587 war sein Todestag. Aus vorgelesenen Schriftabschnitten, besonders aus dem 53. Kapitel des Propheten Jesaja, schöpfte er Trost im Sterben. Noch in seinen letzten Stunden empfahl er die Armen der Stadt Herborn dringend der Fürsorge des Rathes. Die Umstehenden beteten auf seinen Wunsch und stimmten das Lied an: „Nun bitten wir den heiligen Geist.“ Dann richtete sein College Alsted die Frage an den Sterbenden: „Lieber Bruder! Ihr seid ohne Zweifel Eurer Seligkeit in Christo gewiß, gleichwie Ihr die Anderen gelehrt habt?“ „Vollkommen gewiß!“ Das waren die letzten Worte, welche Olevian, seine Hand auf das Herz gelegt, aussprach. Seine sterbliche Hülle liegt in der Pfarrkirche zu Herborn begraben. Das Werk seines Geistes lebt in den Unionskirchen Südwest-Deutschlands fort.

Schenkel in Heidelberg.

Evangelisches Jahrbuch für 1856


Herausgegeben von Ferdinand Piper
Siebenter Jahrgang
Berlin,
Verlag von Wiegandt und Grieben
1862