Johannes a Lasco

Johannes a Lasco

1. Die Bildungszeit. 1499 – 1543

Vielleicht kein einziger unter den reformatorischen Lehrern hat um der Wahrheit willen so viel Vorzüge der Geburt, so glänzende Aussichten für dieses Leben geopfert wie a Lasco. Er stammte aus einem angesehen, reich begüterten Freiherrngeschlechte in Polen; die Eltern kennen wir nicht, sein Oheim Johannes a Lasco, war Erzbischof von Gnesen, Primas des polnischen Reichs, seine Brüder wurden mit den wichtigsten Staatsgeschäften betraut und griffen in bedeutsamster Weise in die Geschicke ganzer Völker ein; der eine Bruder, Stanislaus, war polnischer Gesandter am Hofe Franz I. von Frankreich und daselbst hoch geachtet, ein anderer, Ladislaus, war Gesandter am Wiener Hof, ein dritter, Hieronymus, ein von den Gelehrten und Staatsmännern seiner Zeit gepriesener Mann, hat in die Geschichte Ungarns und Deutschlands mächtig eingegriffen, wie wir unten sehen werden.

Unser Johann a Lasco wurde 1499 zu Warschau geboren. Der Gang seiner Erziehung ist uns nicht näher bekannt; es lässt sich erwarten, dass sein Oheim auf dieselbe den größten Einfluss gehabt habe. Derselbe war, wie gesagt, Erzbischof von Gnesen, (seit 1510), am Hofe angesehen, ein edler Character, ein Freund der Wissenschaften und seines Volkes, um dessen Gesetzgebung er sich sehr verdient machte – übrigens ein eifriger Gegner der reformatorischen Lehre. Wahrscheinlich trafen die Sitte der Zeit, des Oheims Wunsch und die eigene Neigung zusammen, den jungen a Lasco für den geistlichen Stand zu bestimmen. Nachdem seine Bildung so weit vollendet, wie die Bildungsmittel seines Vaterlandes sie vollenden konnten, begab er sich, 25 Jahr alt, auf Reisen, um einige auswärtige Universitäten und Höfe kennen zu lernen.

War es wohl seine Absicht, zugleich einen tieferen Blick zu tun in die reformatorische Bewegung, die damals ganz Europa ergriffen hatte, hatte sie vielleicht gar manches, was ihn anzog? Es wäre durchaus nicht unmöglich. Polen wurde von allen Bewegungen, die im 14. und 15. Jahrhundert sich gegen den allgemeinen Verfall der Kirche erhoben, berührt; Waldenser, Hussiten und böhmische Brüder, Wiclif und die großen Konzilien des 15. Jahrhunderts hatten sowohl den Adel als auch das Volk auf die Kirchenverbesserung vorbereitet. Schon ehe Luther auftrat, hatten polnische Gottesgelehrte sich gegen die gezwungene Ehelosigkeit der Geistlichen geäußert und gegenüber aller Menschensatzung das Wort Gottes als alleinige Richtschnur des Glaubens hingestellt; Luthers Schriften wurden auf der Universität Krakau ungehindert verkauft und viel gelesen, man begann mehr und mehr in dem alten Glauben wankend zu werden, ohne noch von der Richtigkeit der reformatorischen Lehre fest überzeugt zu sein. Das mag ungefähr der Standpunkt unseres a Lasco auch gewesen sein, als er seine Reise antrat; dass die römische Kirche noch die stärkere Anziehungskraft auf ihn ausübte, werden wir aus dem Umstand schließen dürfen, dass er sich nicht nach Wittenberg zu Luther und Melanchthon begab; alles spricht dafür, dass gleich von Anfang an sein Hauptaugenmerk war, den berühmten Erasmus von Rotterdam in Basel zu besuchen, dessen Stellung zu den kirchlichen Fragen ganz die der besseren und aufgeklärteren Polen war. Die genaue Bekanntschaft mit der Universität Löwen in Brabant, welche Briefe von Erasmus bei unserem a Lasco voraussetzen, legt die Vermutung nahe, dass derselbe schon im Jahre 1524 auf seiner Reise diese Universität besuchte, und das konnte ihn nur noch mehr von dem tiefen Verfall der Kirche und der Notwendigkeit einer Reformation überzeugen. Denn die Männer, die zu Löwen das Wort führten, sonderlich Hoogstraten, repräsentierten den Katholizismus in seiner traurigsten Gestalt, unwissend, aller Wissenschaft, allem Ernste Feind, von tödlichem nur durch Blut zu stillendem Hass beseelt gegen alles, was nach Besserung seufzte; die Löwenschen Theologen waren die ersten gewesen, welche Anhänger der evangelischen Lehre auf den Scheiterhaufen lieferten (Juli 1523). Die Versunkenheit der Löwener, der im Gegensatz zu ihnen allgemein verbreitete evangelische Sinn konnte a Lasco nur um so entschiedener zu Erasmus weisen, auf den sich tausend Augen in den Niederlanden damals richteten, aller derer, die Besserung wünschten und sich noch zu keinem Bruch mit der römischen Kirche verstehen konnten. Doch kam er nicht sofort zu Erasmus, er nahm seinen Weg über Zürich, wo er Zwingli kennen lernte (Herbst 1524), nach Frankreich. Am französischen Hofe scheint er sich große Achtung erworben zu haben, denn man findet, dass er mit der Schwester des Königs Franz, der Königin Margarethe von Navarra, in Briefwechsel stand; von dort aus kam er dann nach Basel zu Erasmus (Sommer 1525).

Erasmus stand schon seit geraumer Zeit mit Polen in Verbindung und rühmte sich des allgemeinen Wohlwollens, das die polnischen Großen für ihn hegten; so nahm er denn a Lasco zuvorkommend auf und beide wohnten geraume Zeit beisammen in einem Hause; a Lasco bestritt mit polnischer Freigebigkeit die Kosten des Haushalts. Erasmus kann die Trefflichkeit seines neuen vornehmen Freundes nicht genug rühmen: „ruhmvolle Ahnen,“ schreibt er, „glänzender Rang, noch glänzendere Aussichten, wunderbarer Reichtum des Geistes, verbunden mit ganz ungewöhnlicher Gelehrsamkeit, haben auch nicht den leisesten Hauch von Stolz bei ihm zu Wege zu bringen vermocht,“ „die Milde seines Charakters macht es ihm möglich, mit allen zu harmonieren,“ „sein Character ist dabei fest, sein Urteil verständig, wie das eines alten Mannes,“ „eine fleckenlose Seele, köstlicher als Gold und Edelstein,“ kurz: „ich alter, unter Krankheit, Arbeit und Anfeindung hinwelkender Mann, bin durch seinen lieblichen Umgang schier wieder jung geworden.“ Erasmus sah es kommen, dass der treffliche junge Mann nicht lange bei ihm weilen dürfe, sondern zum Dienste des Vaterlandes werde aufgerufen werden. Schon im Oktober des Jahres 1525 traf Befehl zum Aufbruch von Hause ein; es scheint, dass a Lasco mit Aufträgen seines Königs nach Frankreich und Spanien gehen sollte. Indes muss er auch Italien noch gesehen haben, da Beatus Rhenanus, welcher ihm seine Ausgabe des Plinius dedizierte, die Zuschrift (Februar 1526) nach Padua richtete, wo er a Lasco in ungestörter wissenschaftlicher Arbeit sich denkt. Doch schon im Februar 1526 befand er sich auf der Heimreise nach Polen, das er auch vorläufig nicht wieder auf längere Zeit verließ, obgleich er manchmal für diplomatische Sendungen ausersehen wurde; seine schwächliche Gesundheit und seine Vorliebe für die stillen Studien entzogen ihn der unruhigen staatsmännischen Laufbahn.

In Basel behielt man a Lasco in freundlichem Angedenken, und Erasmus und seine Freunde konnten sich in die Trennung von ihm gar nicht finden: „es hat mir einige Monate gekostet“, schreibt ihm scherzend Erasmus, „mein durch deine Freigebigkeit verwöhntes Haus auf den ehemaligen kargen Fuß zurückzubringen, den ganzen Herbst und Winter habe ich mich mit Rechnereien abquälen müssen.“ Glareanus, der zu Basel die alten Griechen und Römer auslegte, erhielt von und durch a Lasco freigebige Unterstützung, hielt auch unter ganz ungewöhnlichem Zulauf Vorlesungen über ein Buch, das nach Erasmus Ausdrücken der junge a Lasco geschrieben haben könnte; es ist uns aber nicht sicher bekannt. Erasmus trat auch mit allen Angehörigen a Lascos, den meisten Würdenträgern des Reichs und dem Könige von Polen in brieflichen Verkehr, durch welchen er einen heilsamen Einfluss auf die öffentlichen Angelegenheiten auszuüben versuchte. Reiche Geschenke, die dem Erasmus von Polen aus zugingen, beweisen, dass man sein Wort wenigstens wohlgefällig anhörte. – Aber welchen Einfluss übte nun diese Berührung mit den großen Männern des Auslandes aus auf a Lascos eigene innere Entwickelung? Sie musste ihn auf jeden Fall einen großen Schritt weiter führen. Erasmus, der kühne Bestreiter des unwissenden verfolgungssüchtigen Mönchstums, der eifrige Förderer der Wissenschaften, sonderlich des Studiums des neuen Testaments, welches er nicht bloß den Gelehrten sondern namentlich auch dein Volke zugänglich gemacht wissen wollte, hatte alle Besseren zu großen Erwartungen berechtigt. Auch a Lasco gesteht ausdrücklich, Erasmus habe ihn entschieden an die Theologie gefesselt und ihn zuerst tiefer in dieselbe eingeleitet. Aber Erasmus war kein in die Tiefe dringender Geist; so wenig hatte er das innerste Wesen des Christentums durchdrungen, dass er, von Bewunderung hingerissen für die Weisheit der Griechen und Römer, sagte: „kaum kann ich mich enthalten zu sprechen: heiliger Socrates, bitte für uns;“ mit den Reformatoren war er anfangs befreundet gewesen, aber gerade zu der Zeit, als a Lasco bei ihm in Basel weilte, vollzog sich ein unheilbarer Bruch zwischen Erasmus und der Reformation; mit Luther geriet er in heftigen Streit, indem er Luthers Lehre von der Knechtung des Willens durch die Sünde bekämpfte, mit den Schweizern zerfiel er über das Abendmahl. Obgleich nicht überzeugt von der Richtigkeit der römischen Lehre, obgleich außer Stande, dem Gewicht der Gründe zu widerstehen, die Oecolampad für die reformierte Lehre geltend machte, getraute er sichs nicht, mit der Überlieferung zu brechen, denn, sagte er, nichts kann gottselig sein, was mit der Lehre der Kirche in Widerspruch steht; dazu schreckte ihn der Streit der evangelischen Lehrer unter einander: Erasmus hatte den Glaubensmut nicht, mit der Schrift in der Hand sich hineinzustürzen in das Wogen der Geisterschlacht. Andre Männer, die a Lasco in Basel kennen lernte, Pellicanus, welcher ihn in das alte Testament einführte, Oecolampad, der besonnene aber entschiedene Reformator Basels, Camerarius, der vertraute Freund Melanchthons, waren geeigneter, ihn der Reformation näher zu bringen.

Aber, wir haben bereits im Vorbeigehen erwähnt, dass a Lasco, schon ehe er in Erasmus Haus kam, etwa im Herbst 1524, Zürich berührte und daselbst Zwingli kennen lernte; a Lasco selbst bekannte noch in seinen letzten Lebensjahren, wo in Deutschland der Name Zwinglis fast gehasster war als der Name Judas Ischariots, dass er grade von diesem Mann durch Gottes gnädige Führung den ersten kräftigen Antrieb zum Forschen in der Schrift erhalten habe. Auch manche eigentümliche Punkte der Lehre, die a Lasco später entwickelte, führt er selbst auf Zwinglis Anregung zurück. Wenn übrigens auch irgend etwas geeignet war, a Lasco über den Unterschied zwischen dem wirklichen Zwingli und dem von den Hadergeistern erdichteten, dem Vater aller Schwärmerei, für immer aufzuklären, so war es eine persönliche Bekanntschaft mit Zwingli grade zur Zeit seines Kampfs mit den Schwärmern – Herbst 1524.

Mit dem Stachel der Frage nach dem Wort der Wahrheit im Herzen, kehrte a Lasco also in sein Vaterland zurück: die ersten Samenkörner waren in sein Herz gefallen, sie gingen auf, langsam, unmerklich aber sicher, denn sie hatten einen guten Boden gefunden (Marc. 4:26-28.). Zwar erzählt er, anfänglich sei ihm ebenso bange gewesen wie dem Erasmus, mit dem Alten zu brechen, wenn es auch nicht mehr befriedige; denn woher solle man so bald etwas sicheres wieder nehmen? auch haben Kriegsunruhen und das Geräusch des Hofes ihn um die schöne Zeit betrogen, die er so viel lieber und fruchtbarer seinen Studien gewidmet hätte: „ich war im Pharisäertum befangen,“ klagt er, „und hasste in Unwissenheit die Kirche Christi;“ das Herz war nicht dabei, er betrachtet die Zeit als eine solche, in der er sich selber verloren hatte. Dennoch machte er es möglich, sich tiefer in die Fragen hineinzuarbeiten, die ihn im Innersten ergriffen hatten. Schon in dieser Zeit, vor 1530, lernte er Melanchthon aus dessen Schriften kennen und einige Jahre später steht er mit ihm in Briefwechsel; junge Leute aus Polen waren, wie es scheint auf a Lascos Antrieb, nach Wittenberg gesendet, um unter Melanchthon sich auszubilden. Charakteristisch ist, dass der Streit zwischen Erasmus und Luther über die Willensfreiheit oder Willensknechtschaft des Sünders a Lascos Aufmerksamkeit mächtig anzog. Der älteste Brief, den wir von ihm besitzen, ist noch im Jahr seiner Heimkehr nach Breslau geschrieben, um von dorther alle Schriften zu erlangen, die seit seinem Abzug von Basel von beiden Seiten über die Frage erschienen sein möchten. Grade ein so zartes Gemüt, wie das a Lascos war, konnte sich am wenigsten den Abstand verhehlen zwischen dem vollkommenen Gotteswillen und der menschlich tadellosesten eignen Gerechtigkeit, konnte sich am wenigsten die Unmöglichkeit verbergen, aus eigner Macht Frieden zu stiften, ja auch nur der erlösenden Gnade Gottes in Christo entgegenzukommen. Erasmus Erörterungen waren eher geeignet, seinen Augen die gähnende Kluft so recht offen zu legen, als eine Brücke darüber zu bauen, ihn inne werden zu lassen, was er später einmal sagte, wenn er sich auch vor Menschen keines Dinges bewusst sei: „allein Gottes Gnade hat mich bewahrt, sonst wäre ich in alle Bosheit verfallen, und keine Weltweisheit hätte mich davor beschützt; ich wäre der beklagenswerteste aller Menschen gewesen, wenn nicht Gottes Erbarmen mich schirmte.“ War a Lasco im Pharisäertum verloren, so glich er darin dem großen Schüler Gamaliels, der, ein Pharisäer und eines Pharisäers Sohn, vor Menschen unsträflich, ein untadeliger Eiferer um das Gesetz, mit allem guten Gewissen vor Gott sich hielt zu der Bürgerschaft Israels und doch innewerden musste, wie ein knechtendes Gesetz in seinen Gliedern ihn beugte zu tun, was sein inwendiger Mensch nicht wollte, ihm gleich einem unter die Räuber Gefallenen den Hilferuf entpresste: ich elender Mensch, wer wird mich erlösen! Erasmus Beschwerden, „dass das Evangelium in Deutschland und der Schweiz auf schlechten Stützen ruhe,“ konnten auf die Dauer keinen a Lasco irre machen, und obgleich kein Zeichen einer zwischen beiden eingetretenen Spannung vorliegt, obgleich Erasmus noch im Jahr 1527 in alter Weise a Lasco preist in einer Zuschrift an den Erzbischof von Gnesen: die Briefe an a Lasco, die Erwähnung seines Namens in den sonst häufig nach Polen gerichteten Briefen des Erasmus werden doch selten. Noch in seinem Testament (Februar 1536) vermachte Erasmus einer in Basel getroffenen Verabredung gemäß unsrem a Lasco seine Bibliothek für 200 Gulden; aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Ton, in welchem er von seinem Freunde redet, viel von der früheren Innigkeit verloren hat. – Im Jahr 1531 starb a Lascos Oheim und darf man annehmen, dass damit ein Band mehr aufgelöst wurde, welches ihn noch in der römischen Kirche fest hielt. Die immer angeseheneren Ämter, die er in der polnischen Kirche bekleidete, entfremdeten ihn derselben innerlich um so mehr, je klarer die allmähliche Verbesserung der Kirche, die Erasmus und seine Gesinnungsgenossen von Königen und Prälaten erwarteten, sich als eine vergebliche Hoffnung herausstellte, je schroffer die Obliegenheiten seines Amtes mit seiner stets tiefer in die Schrift wurzelnden Überzeugung in Widerspruch traten. „Heißt das nicht – so dürfen wir uns seine Gedanken herauslesen, aus dem was er seinem zu ähnlicher Lage beunruhigten Freunde Hardenberg später vorhielt – heißt das nicht lästern, wenn man die Missbräuche durchschaut, durch welche Christi Name und Verdienst entweiht wird, und sie dennoch mitmacht? Was frommts, in der Predigt das Unrechte zu strafen mit allgemeinem Tadel, der über die Köpfe dahinfährt und nicht den Einzelnen trifft? Hier gilts, mit dem Hammer, der Felsen zerschmeißt, auf jeden Stein zu schlagen; das ist des Hirten- und Lehramts Beruf, jeden an seine Pflicht zu mahnen, will man das nicht vertragen, will man uns das Mitmachen und Durchdiefingersehen zur Pflicht machen: ist da Nachgiebigkeit nicht Untreue gegen Gott? Soll man da noch erst einen besonderen Zug des Geistes abwarten? Redet das Wort des Geistes nicht deutlich genug: gehet aus von ihnen, rühret nichts unreines an, so will ich euch annehmen (2. Kor. 6)? Oder kann man im Geiste sich von dannen heben und doch mit dem Leibe bleiben mitten in dem Unwesen? Wahrlich, wer im Geiste nur einmal mit Ernst hinausgegangen ist, der kann nicht länger unter denen weilen, die der Gerechtigkeit und dem Verdienst Christi täglich die gebührende Ehre rauben.“ In der Stille reifte a Lascos Entschluss; kein Zeugnis ist irgendwie zu finden, dass er etwa bei einem der Schweizer Freunde sich Raths erholte, dass er sich irgend mit Fleisch und Blut, beriet. Im Jahre 1536 schlug seine Stunde; der König hatte ihn zum Bischof von Cujavien ernannt: er war an den Scheideweg gestellt, und „von dannen!“ lautete sein Entschluss. Er begab sich zum König, eröffnete ihm freimütig seine Überzeugung, die ihm verbot, die Stelle anzunehmen, und ihn drängte auswärts eine Stätte zu suchen, wo er seines Glaubens leben könne. „Ich war,“ so schrieb er später, „ein rechter Pharisäer mit Titeln und Pfründen von meinen Knabenjahren her reichlich ausstaffiert; durch Gottes Gnade habe ich das alles verlassen, verlassen mein Vaterland und meine Freunde, unter denen ich nicht leben konnte als Christi Knecht, nun will ich in der Fremde meines armen für mich gekreuzigten Herrn Christi armer Knecht sein.“ „Gott sei Dank, der mich mir selber wiedergegeben,“ „er wird das Scherflein nicht verschmähen, das ich nach dem Vorbild der Witwe im Evangelio zum Aufbau seiner Gemeinde beizutragen begehre.“ Mit Empfehlungsbriefen seines Königs versehen, verließ er die Heimat ohne Erbitterung. Seinem polnischen Vaterlande blieb a Lasco stets mit ganzer Seele zugetan; um der Wahrheit willen wusste er sich davon loszureißen, aber immer blieb er sich bewusst, zu allererst dem Volke seine Dienste schuldig zu sein, dessen Glied er von Gottes wegen war, wenn er nur in Gottes Namen ihm dienen könne. Darum trat er nie ein Amt an, nie auch nur über ein Amt in Unterhandlung, ohne die ausdrückliche Bedingung: er wolle jederzeit sofort frei sein, wenn ihn sein Vaterland aufriefe zum Dienst des Evangeliums. Aber gerufen wollte er werden. Es war ihm nicht genug, für seine Person seines Glaubens leben zu dürfen durch der Menschen Gunst, und noch minder wollte er sich dazu hergeben, unter einer Bischofsmütze die evangelische Wahrheit in Polen einzuschwärzen; er wusste, dass Christus ein König der Wahrheit ist, wollte sein Volk der Wahrheit nicht als einer königlichen huldigen, so war es ihrer nicht wert; die Wahrheit bietet sich an und lässt sich finden von dem, der sie redlich sucht, aber erbetteln und einschleichen kann sie sich nie. Auch des Erasmus Andenken blieb ihm teuer. „Ich zweifle nicht,“ schreibt er, „dass Erasmus, wenn er jetzt noch lebte, viel billiger urteilen würde; jeder hat seiner Gaben Maß und keiner kann alles: uns bleibt immer noch viel zu lernen übrig. Es geziemt uns, uns dessen zu freuen, was uns Gott nach seinem Wohlgefallen spendet je nach dem Maße unsres Glaubens. So haben wir uns auch der Gaben des Erasmus zu freuen, deren Größe und Menge niemand bestreiten kann, und Gottes Güte darin zu erkennen, und, haben wir je mehr erlangt, so lasst es uns hinnehmen als von Gott gegeben.“

a Lasco nahm seinen Weg zunächst nach den Niederlanden. Hatte er etwa geglaubt, es sei dort besser geworden seit der Zeit, wo die Versunkenheit der Löwenschen Theologen ihm und Erasmus wie allen Besseren viel zu klagen gab, so hatte er sich getäuscht. Zwar war der Same des Evangeliums über das ganze niederländische Volk gestreut und wurzelte tiefer und tiefer, aber zu Löwen hatte man noch immer keine bessere Antwort darauf als Kerker und Scheiterhaufen. Am brabantischen Hof hätte er ohne Mühe eine Stätte finden können; die Empfehlung seines Königs, die einflussreiche Stellung seines Bruders Hieronymus am Hofe des Königs Ferdinand hätte ihm zu Brüssel alle Thüren aufgetan. In der Tat suchten ihn zu Antwerpen die angesehensten Männer auf, der Kanzler des Königs Ferdinand und der Markgraf von Brandenburg machten ihm die glänzendsten Anerbietungen, wenn er in des Kaisers oder in des Königs Dienste treten wolle – sie bewogen ihn dadurch nur, noch entschiedener allem Glanz den Rücken zu kehren. Seine Trennung von der römischen Kirche vollendete er auch äußerlich dadurch, dass er sich zu Löwen mit einem bürgerlichen Mädchen ohne Vermögen verheiratete. Nach einem kurzen Zusammensein mit Albert Hardenberg, den er schon länger kannte und schätzte, mit dem ihn fortan die innigste Freundschaft verband, zog er sich zurück fast in die verschollenste, aber eben dadurch auch von dem allgemeinen Kriegslärm entfernteste Ecke Deutschlands – nach Emden.

Weich hatte er sich da nicht gebettet; denn wenn auch die Evangelischen in Ostfriesland mehr als irgendwo sonst Freiheit des Gewissens genossen, so konnte das kirchliche Leben in keiner Weise als ein blühendes bezeichnet werden, und im Übrigen war seine Lage eine recht gedrückte. Abgesehen von dem großen Abstand zwischen dem Leben am polnischen Hofe oder in hohen Würden der Kirche und einer kleinen dumpfen Stadt – Emden war damals noch sehr unbedeutend – bedrohte ihn Mangel auf die Dauer: man sieht aus seinen Briefen, dass er auch kleine Ausgaben scheute und einen Theil seiner Bibliothek zu verkaufen suchte. Auch konnte er das Klima nicht vertragen; die an der Nordseeküste einheimischen Wechselfieber griffen seine Gesundheit so sehr an, dass er schon bald wieder an Weiterreisen dachte, dazu er, wie auch später noch oft, an einem alten Hämorrhoidalleiden litt. Dennoch äußerte er keinen Unmut und trug die Lage ein paar Jahre in Geduld, ja mit Dank gegen Gott, „der sich ihm als Herrn über Gesundheit und Krankheit, über Tod und Leben recht nachdrücklich fühlbar mache und ihn alles in die rechte Hand stellen lehre, ihm auch nur so viel auferlege wie ihm zu tragen heilsam sei“; aus allem Druck heraus ruft er seinem schwankenden Hardenberg noch zu: „reiß dich nur los aus der Knechtschaft des Pharisäertums, wage es nur mit dem Herrn, dir wird nichts mangeln und ich habe noch genug mit dir zu teilen.“ Hätte ihn ja in dieser Prüfung der Sorgengeist versuchen wollen, wieder wankend zu werden und den Rückweg nach Polen – der stand ja noch immer offen – anzutreten, so war die Geschichte seines eigenen Hauses zu dieser Zeit ganz geeignet, ihm seine Lage im wahren Licht zu zeigen und sein Herz fest zu machen.

a Lasco hatte, wie bereits gesagt, einen Bruder Namens Hieronymus, welcher auf dem … spielte. Als das ungarische Königshaus durch den Fall König Ludwigs II. in der unglücklichen Schlacht bei Mohacz gegen die Türken (1526) erlosch, traten zwei Bewerber auf um die erledigte Krone. Die nächsten Ansprüche hatte Ferdinand von Österreich, der nachmalige römische König, aber eine andre Partei, die den Woiwoden Johann Zapolya von Siebenbürgen erwählte, drang vorläufig durch. Doch bald erhielt Ferdinand das Übergewicht, und Zapolya musste alles verlassend nach Polen flüchten. Er fand Aufnahme am polnischen Hofe und schloss sich an Hieronymus a Lasco an, der ihm den Rath erteilte, ein Bündnis mit den Türken zu schließen und durch türkische Waffen die Österreicher aus Ungarn zu vertreiben; er selbst wolle versuchen, das Bündnis zu Stande zu bringen. Zapolya ging hierauf ein und versprach ihm Siebenbürgen, wenn das Werk gelänge. Und es gelang. Ohne andre Hilfsmittel als seine Gewandtheit brachte er in kurzer Zeit ein Bündnis zu Stande: eine furchtbare türkische Heeresmacht brach auf und rückte unaufhaltsam bis vor das fast wehrlose Wien. Die abendländische Christenheit zitterte, zum ersten Mal hallte der Schlachtruf der Muslim über deutsches Land. Zwar missglückte der Angriff auf Wien, und Soliman zog ab, aber aus seinen Händen empfing Zapolya die ungarische Krone. Und Hieronymus? Erhielt der Welt Lohn. Zapolya sah den Mann ungern, dem er alles verdankte; Siebenbürgen gab er ihm nicht, schuldigte ihn vielmehr hochverräterischer Pläne an und setzte ihn gefangen. Bald musste freilich der völlig unschuldige a Lasco ehrenvoll freigelassen werden, aber tiefgekränkt verließ er Zapolya und beschloss, das Werk zu zerstören, das er hatte bauen helfen: er ging zu Ferdinand von Österreich und wurde mit offenen Armen aufgenommen. In dessen Dienst wohnte er mehreren Schlachten gegen Zapolya bei und ging dann nach Konstantinopel, um dort gegen denselben zu arbeiten. Hier wurde er in lange Haft geworfen und mit genauer Noth entlassen. Grade zur Zeit als unser Johannes a Lasco zu Emden in trüber Lage ermessen konnte, wie viel er verlassen hatte, ward er nach Hause gerufen: sein Bruder Hieronymus sei zum Tode krank. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte er zu Konstantinopel Gift erhalten; Johannes sah ihn sterben. Das also war die Herrlichkeit Ägyptens, die er verlassen hatte, um die Schmach Christi zu erwählen? Kein Wunder, dass er gestärkt nach Emden heimkehrte, wo nun seiner eine Berufung wartete, „um sein Scherflein zum Aufbau der Gemeinde Christi beizutragen, die er weiland in Unwissenheit gehasst hatte!“

2. Die Arbeit in der heimatlichen Fremde.

1. Ostfriesland 1543-49.

Die ersten drei Jahre lebte a Lasco in Emden als Privatmann. Es konnte nicht ausbleiben, dass seine hohe Herkunft, der Ruf seiner Gelehrsamkeit und sein gottseliger Wandel aller Augen auf sich zogen und bei vielen den Wunsch rege machten, einen solchen Mann für die ostfriesische Kirche zu gewinnen. Diese befand sich damals in einem ziemlich traurigen Zustande. Nach einem raschen Aufschwung zu Gunsten der Reformation war in den dreißiger Jahren teils durch den Sakramentstreit teils durch den siegreichen feindlichen Einfall des katholischen Herzogs von Geldern ein Stillstand eingetreten, der nur zu bald in Rückschritt überging. Die Anhänger des Papsttums fassten wieder festen Fuß, ein ganzer Schwarm von allerhand Sektierern nistete sich ein und die Nichtsnutzigkeit einer großen Anzahl von Pastoren machten den Gegnern der Evangelischen ihre Zerstörungsarbeit leicht. Graf Enno war nicht der Mann, der Noth der Kirche aufzuhelfen. Angesehene und ernste Männer aus dem Adel, wie aus dem Emder Magistrat wiesen den Grafen auf a Lasco hin, den er zum Pastoren in Emden und zum Superintendenten des Landes zu gewinnen suchen möge, a Lasco musste damals den Antrag ablehnen, weil er der Landessprache noch nicht mächtig genug, und durch unablässige Kränklichkeit arbeitsunfähig war; dazu hatte sein Bruder Hieronymus in der Hoffnung baldiger Heimberufung Johanns nach Polen ihm das Versprechen abgenommen, so lange er lebe, nirgends im Auslande in feste Dienste treten zu wollen. So empfahl a Lasco seinen Freund Hardenberg; da aber Hardenberg Bedenken trug, auch Leute, die wir bald näher kennen werden, das Ihrige bei der Sache einzuwenden hatten, so mochte Graf Enno sich keine Mühe weiter geben.- die Sache schlief ein. Aber gleich nach Ennos Tode, als die Gräfin Anna die vormundschaftliche Regierung in die Hand nahm, wurde Ernst gemacht, und a Lasco, mittlerweile mehr an Klima und Sprache gewöhnt und durch den Tod seines Bruders von seinem Versprechen entbunden, ging auf die Unterhandlungen ein. Hardenberg wollte noch immer nicht zusagen und so nahm a Lasco die ihm angetragene Stellung an unter der zwiefachen Bedingung, sofort zurücktreten zu können, wenn er zum Dienst des Evangeliums nach Polen gerufen werde, und – wenn je Miene gemacht werden sollte, ihn in seinem Amt an irgend etwas andres zu binden als an Gottes Wort und Willen. Alle die in und für Ostfriesland das Beste wollten und erkannten, wünschten sich Glück zu der Wahl der Gräfin; aber im Auslande machte die Sache einen andern Eindruck, a Lasco berichtete sofort nach Polen, wie er jederzeit zum Dienst am Evangelio dem König zur Verfügung bleiben wolle. Man bot ihm freie Rückkehr an und trotz seiner Verheiratung wurde ihm Aussicht auf ein Bistum gemacht; aber a Lasco antwortete: „ein Hund fresse wieder was er ausgespien habe, mit keiner Apostelschaft in Bischofsmütze oder Kapuze wolle er zu schaffen haben; wünsche man seine Rückkehr, so möge man ihn zu einem rechtschaffenen Dienst am Evangelio berufen.“ Die Folge dieser Antwort war vollständige Aufkündigung aller Freundschaft, worüber er sich mit dem Gedanken tröstete: „so bleibt mir doch zum Vater Gott, der mich erwählet hat, und der wird mir bleiben, wenn auch alle die Meinigen mich verlassen, er hat mir ja so viel gelassen, dass ich über Mangel nicht zu klagen habe“. Es zeigte sich auch bald, da Locken und Drohen sich fruchtlos erwiesen, dass der Riss zwischen a Lasco und seinen Verwandten sich allmählich wieder zuzog, und schon nach wenigen Jahren war er wieder mit seinen Brüdern in brüderlichem Briefwechsel. Einen gefährlicheren Feind weckte ihm seine Anstellung in der Nähe: den brabantischen Hof; so freundlich man ihm allerhand Anerbietungen gemacht hatte, wenn er in kaiserliche oder in Ferdinands Dienste treten wolle, so ergrimmt sah man nun den Mann an, da er an die Spitze der evangelischen Kirche in Ostfriesland trat. Man sah es deutlich kommen, was nur zu bald geschah, dass der neue Aufschwung des Protestantismus in Ostfriesland den Evangelisch gesinnten in den Niederlanden Muth, Stütze und Zuflucht bieten werde. Dazu kam, dass der Bruder des verstorbenen Grafen Enno, Johann, später genannt von Falkenberg, nachdem er erst ein eifriger Förderer der Reformation gewesen, zu Brüssel sich mit der natürlichen Tochter Maximilians I., Dorothea von Österreich, vermählt und der römischen Kirche wieder zugewandt hatte, nun von Brüssel aus Gelegenheit suchte, seinem Unmut gegen die Protestanten und gegen die ganze Ordnung der Dinge in Ostfriesland Luft zu machen; er hätte gar zu gern das Ruder des kleinen Staats in seine Hand genommen, a Lasco ließ er seinen Einfluss oft genug fühlen, doch dieser legte uneingeschüchtert die Hand ans Werk.

Zunächst wendete er sich gegen die Überreste der römischen Zeit: die Mönche im Franziskanerkloster zu Emden und die Bilder in den Kirchen. Die Oberhand hatten freilich zur Zeit der Anstellung a Lascos die Protestanten weit genug, aber es fehlte viel daran, dass das römische Wesen schon ganz aus dem Lande entfernt gewesen wäre; noch viele von solchen waren übrig, die frei aussprachen und fest meinten, mit den Bildern und der römischen Gottesdienstordnung werde alles stehen oder fallen, und weit mehr noch schwankten zwischen dem Alten und Neuen unsicher hin und her. An diese machten sich die Mönche, die zwar keine Messe mehr halten durften, aber doch noch immer predigten, Taufe und letzte Ölung erteilten, Kranken- und Hausbesuch ausübten, Testamente schrieben und keine der so sich darbietenden Gelegenheiten unbenutzt ließen, an sich zu ziehen, was sich irgend ziehen ließ. Den Mönchen wurde von der Gräfin auf a Lascos Antrag befohlen, fortan die Abfassung von Testamenten und die Austeilung von Sakramentern zu unterlassen, auch keinen aus ihrer Mitte zum Predigen zuzulassen, er sei denn zuvor vom Superintendenten geprüft und tauglich befunden. Die Mönche schützten ältere Rechte vor, sie hätten mit keinem Superintendenten zu schaffen, und am allerwenigsten ginge sie dieser Ausländer an mit seinem langen Barte. Von einem Religionsgespräch mit a Lasco wollten sie natürlich noch viel weniger etwas wissen; sie wussten nichts besseres zu tun als Unzufriedenheit gegen ihn auszustreuen, alle, die ihnen das Ohr liehen, gegen diese Neuerungen einzunehmen, Gefahren vorzuspiegeln und namentlich auf Graf Johanns und des Kaisers Zorn hinzuweisen. Dieser letzte Punkt war allerdings die Stärke dieser Mönche, und da die Gräfin und ihre Räte fühlten, dass a Lascos Verfahren ihnen Unannehmlichkeiten bereiten könne von Seiten Graf Johanns, so betrieben sie die Sache lässig und äußerten sogar Unwillen gegen den lästigen Reformator. Dieser aber wusste wohl, dass es gelte, sofort das erste mal Ernst zu machen, wenn überhaupt jemals Ernst werden solle, und richtete in diesem Sinne ein sehr dringendes Schreiben an die Gräfin: „sie möge doch um keinen Preis durch bloße menschlich kluge Berechnung sich leiten lassen in solcher Sache, es handle sich hier einfach darum, ob Gottes Wille gelten solle oder der Menschen Eigenweisheit; das Treiben der Mönche und die Verehrung der Bilder streiten gegen das klare Schriftwort, darum gebe es hier nichts zu akkordieren und durch die Finger zu sehen, die Gräfin möge um Menschen unbekümmert ihres Amtes warten, das Gott in ihre Hand gegeben, und abstellen, was Gott missfällig sei, als ihren obersten Grundsatz, der überall durchschlage und anwendbar sei, möge sie das Wort der Schrift gelten lassen: „werdet klug ihr Könige und lasset euch züchtigen ihr Richter auf Erden, dienet dem Herrn mit Furcht und freuet euch mit Zittern, auf dass er nicht zürne.“ Damit werde sie sicher gehen, denn nicht Menschenklugheit sondern das Wort der Wahrheit in Christo werde uns richten am jüngsten Tage. Er für seinen Theil wisse auch recht gut, wie angenehm es sei, den Menschen zu gefallen und wie viel Leid es ihm bringen könne, wenn er andre gegen sich einnehme; er sei ein Fremdling und habe eine unversorgte Familie, allein ihm sei nur eine Wahl gelassen: entweder müsse er Menschengefallen obenan stellen oder Christi Knechtschaft, gleichviel ob es die Leute haben wollen oder nicht, er habe gewählt: lieber wolle er den Bettelstab in die Hand nehmen als den Unwillen des Herrn auf sich laden, er wolle es auf den ankommen lassen, der auch den jungen Raben Speise gibt. Der Gräfin hohen Sinn kenne er zu gut, um nicht offen zu ihr zu reden, anders zu sprechen würde er sich für Niederträchtigkeit anrechnen müssen; wolle die Gräfin Gott mehr dienen als den Menschen, so diene er ihr gern; wo nicht, so möge sie ihn ziehen lassen.“ – Gräfin Anna verstand den wahrhaft freien Mann, antwortete ihm sehr wohlwollend und erteilte Befehl, die Bilder, aber allmählich, zu beseitigen; nur ohne Aufsehen müsse es geschehen durch Leute, denen das zukomme, durch die Kirchenvorsteher nämlich, denen sie gleichzeitig Anweisung zugehen ließ; auf alle Weise habe man den „düllen Pöpel“ aus dem Spiel zu halten. Die Mönche spannen die Sache hin, bis im November des Jahres 1543 Graf Johann nach Ostfriesland kam. Dieser, mit seinen Prätensionen auf dem politischen Gebiet zum Schweigen gebracht, wollte auf dem kirchlichen wenigstens sich geltend machen, und trat mit allerhand Anschuldigungen gegen a Lasco hervor, ja wollte ihn weggejagt sehen. Dieser aber verteidigte sich so, dass er scheinbar ganz umgestimmt wurde und sich bei der entschlossenen Antwort der Gräfin beruhigte: sie könne a Lasco nicht entbehren und wolle ihn behalten. Den Mönchen wurde der öffentliche Gottesdienst nicht fürder gestattet und aller Einfluss auf die Gemeinde entzogen; übrigens blieben sie ungestört im Kloster, bis endlich – aber erst 1561 – die letzten sieben sich abfanden mit der Gräfin und von dieser beschenkt freiwillig abzogen. Ebenso kamen langsam aber sicher die Bilder fort, und als nun erst das rechte Prinzip anerkannt war, geduldete sich a Lasco auch; er wusste, dass der Diener am Wort seine Stärke haben muss nicht allein in der Entschiedenheit, sondern ebenso sehr und noch mehr in der Geduld.

Mittlerweile musste a Lasco auch bereits an ein zweites nicht minder saures Stück Arbeit die Hand legen: er hatte einen Kampf mit den Sektierern zu beginnen. Die Wiedertäufer in allen Arten, Unterarten und Spielarten, in Sachsen und in den Niederlanden blutig verfolgt, fanden in Ostfriesland nachsichtige Aufnahme; gute Meinung, schlaffes Regiment, kirchliche Notstände gewährten ihnen ergiebigen Boden und gutes Klima. Oft genug schon hatten Kirche und Obrigkeit Ostfriesland gegen solche Freunde in Schutz nehmen müssen, aber jenem englischen Prinzen gleich, der Frankreich so liebte, dass er kein einziges Dorf darin unerobert lassen wollte, kamen sie immer wieder, um das Füllhorn ihrer Geistesgaben über Ostfriesland auszuschütten. Der brabantische Hof, aus dessen Landen eben die meisten in Ostfriesland sich bergenden Flüchtlinge um des Glaubens willen entronnen waren, drang nun darauf, diese Flüchtlinge müssten des Landes verwiesen werden, und Graf Johann wird nicht verfehlt haben, die Sache zur Sprache zu bringen. Die Räte der Gräfin verstanden sich leicht dazu, die Fremdlinge dem Groll der Brabanter zu opfern, und a Lasco musste sofort wieder entgegentreten. Es sei eine leichte Sache, sagte er, erst ein Uebel gemächlich hinschleppen zu lassen, und dann endlich, um Menschen gefällig zu sein, die Ausländer sämtlich als Ketzer zu verjagen; das könne mit der Wahrheit nicht bestehen, man müsse erst prüfen, was diese Leute wollten und meinten und danach sie dulden oder vertreiben, ähnlich wie man es in Sachsen auch mache; nicht der Irrtum mache strafbar, sondern die verschmähte Zurechtweisung und die verbrecherische Absicht. Die Gräfin gab ihm Recht, und nun musste sich a Lasco einer Arbeit unterziehen, die große Besonnenheit und außerordentliche Selbstverleugnung erheischte. Die der Irrlehre bezichtigten Fremden mussten weichen, wenn sie nicht von ihm sich prüfen ließen und ein Zeugnis erlangten, dass sie ungefährlich seien. Da versteckten sich nun manche hinter guten Worten, andere heuchelten Zustimmung, noch andere ermangelten nicht, a Lasco ihre Erhabenheit fühlen zu lassen, ihm ihre Schätze anzupreisen und dann hinter seinem Rücken sich großer Siege zu rühmen, ihn allenfalls auch als einen Nikodemus darzustellen, der bald vielleicht der ihrige sein werde, wenige nur gewann er durch seine Weisheit und Sanftmut. Auf diese Weise kam denn a Lasco in Berührung mit zwei hervorragenden Sektenhäuptern, Menno Simons und David Joris.

In Menno Simons erkannte a Lasco bald den ernsten Willen auf ein gottgefälliges Ziel loszusteuern, und so fiel es ihm nicht ein, auf Mennos Ausweisung zu dringen; er entschloss sich zu dem Versuch, den Mann durch ruhige Unterredung zurechtzubringen. Nach eingeholter Erlaubnis der Gräfin wurde Menno zu einem Religionsgespräch mit a Lasco und dessen Kollegen aufgefordert; das Gespräch drehte sich um die Frage, wer berechtigt sei den Dienst am Wort in der Gemeinde aufzunehmen, um die Lehre von der Taufe und die Menschwerdung Christi. Besonders ausführlich wurde dieser letzte Punkt besprochen, aber ohne befriedigendes Resultat, da Menno für Gegengründe schwer zugänglich war, und auch a Lascos Lehre wohl nicht alle hier einschlagenden schwierigen Fragen befriedigend löste; haben wir ja doch bis auf diesen Tag hier noch mehr zu fragen als zu antworten. Aber Mennos Benehmen bei der ganzen Sache war noch weniger befriedigend; als nämlich a Lasco ihm gegenüber fleißig auf den Grundtext zurückging, ihm auch eine bessere wissenschaftliche Legitimation abforderte, wenn er über die schwierigsten Fragen der Theologie eine entscheidende Stimme führen wolle; als er vollends sich erdreistete, dem Menno bemerklich zu machen, die Armut und Einfalt des Geistes sei doch wohl zu unterscheiden von Unwissenheit und Dummdreistigkeit: da hatte Menno Wasser für seine Mühle, sonderlich wenn a Lasco nicht dabei war. Natürlich hatte er glänzend gesiegt, a Lasco und seine Kollegen waren nur Philosophen, er in aller Einfalt Meister der Schrift. Die Emder Kirche wurde nun noch mehr verachtet, und Mennos Anhänger wussten sich und andern zu erzählen, man fühle sich in Ostfriesland durch Mennos Beweisführungen so gerichtet, dass man ihm volle Lehrfreiheit habe zugestehen müssen. So lange Mennos Plaudereien bloß ihn selbst verunglimpften, ließ a Lasco ihn plaudern, als aber der Ruf der Kirche, des Landes und seiner Kollegen angetastet wurde, als Menno, statt die von ihm geforderte schriftliche Erklärung seiner Lehre a Lasco einzureichen, denselben in öffentlicher Streitschrift angriff, da begann er die im Gespräch verhandelten Punkte schriftlich zu erörtern, und gab zunächst eine eingehende Schrift über die Menschwerdung Christi gegen Menno heraus (1545). Die andern Fragen über die Taufe und den Predigtdienst sollten folgen, aber im Drange der Arbeit fand a Lasco zu ihrer Ausarbeitung keine Zeit, und da Menno nur zu bald seine alten Waffen in Bewegung setzte, ja zu alten Irrtümern sich der neue hinzugesellte: wir könnten und müssten selber das Gesetz Gottes vollkommen erfüllen – wo dann kein Priester im Himmel mehr nötig blieb – so sah a Lasco deutlich, der Mann wolle sich nicht überzeugen lassen, und ließ ihn laufen, ohne jedoch auf seine Ausweisung zu dringen. Calvin würde schwerlich so milde Behandlung empfohlen haben, wie Menno und seine Freunde auf a Lascos Rath in Ostfriesland erhielten; dem riss bei Mennos Erörterungen über die Menschwerdung Christi die Geduld, er schließt einen Brief an a Lascos Freund Micronius über Mennos Lehre mit den Worten: „es ist ein dreister Esel und ein übermütiger Hund, der seines Gleichen sucht“. Dem ernsten Sinn Mennos zollte a Lasco alle Anerkennung, hielt ihn nur in seinen Grenzen und auf gebührendem Abstande; ein Abbild Jacobi des Gerechten würde er schwerlich mit einem neueren allzumilden Beurteiler in Menno erkannt haben; dazu hätte derselbe Jacobi 3 besser studieren müssen.

Eine ungleich andere Gestalt trat dem a Lasco entgegen in David Joris: keine Spur von der ernsten Frömmigkeit eines Menno und dem wohlmeinenden Streben, nach Gotteswort zu lehren und zu wandeln, statt dessen die widerlichste Aufgeblasenheit, die mit ihrem Taumelgeist über Gottes Wort und Gebot sich erhob und lästernd mit Worten voll Klang und Schimmer des heiligen Geistes sich selber vergötterte. Nicht was Gott von Alters her durch seine Propheten geoffenbart – so lehrte David Joris – nicht was er durch Christum seinen Sohn geredet und getan, sei schon das Vollkommene; das sei nur Stückwerk, das seien die Knaben und Jünglingszeiten gewesen; auch nicht der Geist von Pfingsten werde alles zur Vollendung bringen: ein anderer Geist der Wahrheit werde noch kommen und das vergängliche Stückwerk in die volle Manneszeit, in das geisterfüllte offenbare Gottesreich verklären; das Vollkommene werde offenbar erst durch einen Jünger und Geborenen Gottes vom Himmel, durch einen Christus David, der das ewige Leben gefunden, das Morgenlicht des ewigen Tages gesehen. Und dieser Christus David war? – David Joris, man hörte das aus seinen Worten heraus. Aber eigentlich wollte ers nicht gesagt haben, sondern mit göttlicher Ehre gefeiert sein, ohne durch die ausdrückliche Forderung, sich bloßzugeben. Man musste in seine Schule eintreten, um in verschiedenen Stufen der Wiedergeburt zur Vollendung zu kommen, man musste vor allen Dingen als ersten Glaubensartikel David Joris unantastbar hohe und einzige Mission – nicht erkennen, bloß demütig sonder Zweifel anstaunen; so durch zweifellosen Gehorsam und strenge Zucht hindurch, verhieß David, werde man zu Wachstum an Verstand und Glaubenskraft reifen und endlich zur vollkommenen Freiheit gelangen; da solle der Geist allein herrschen und der Sohn der Ewigkeit, der Herr Christus David ein Hirte und König sein ewiglich, da werde man frei sein von Geboten und Satzungen, bürgerlichen wie kirchlichen, menschlichen wie göttlichen, frei von Begierde und Sünde, nämlich erhoben über die fleischliche Scham und den Zwang des Ehestandes! „Der Flug in schwindelnde Geisteshöhen endigte mit einem jähen Sturz in die Tiefen des Fleisches und der Lust.“ In der unantastbaren Zuversicht zu der einzigen Hoheit seiner Person, welche David von seinen Anhängern forderte, ging er selber mit einem unübertrefflichen Beispiel voran, das muss man ihm lassen; Fürsten und Reichstage machte er durch Sendboten und Zuschriften aufmerksam, dass sie doch ja sich sollten bestrahlen lassen von dem Licht, das nun der Welt in David Joris aufgegangen sei. Es half nur so viel, dass man auf ihn als auf ein gefährliches Individuum fahnden ließ. Er floh nach Ostfriesland, und auch hier ließen sich einige in seine Netze locken, was begreiflich wird, wenn man bedenkt, dass es immer Menschen gegeben hat, die hinter orakelhaften geistlich klingenden Worten hohe Wahrheit verborgen glauben, wenn man sie ihnen nur mit standhafter Unverschämtheit und süßen Mienen vorsagt, und ferner, dass David sehr behutsam seine Weisheit tropfenweise austeilte und niemand hinter den Vorhang blicken ließ, bevor er sich darauf totschlagen ließ, die Brille Davids gebe allein das rechte Licht. Manche scheint er auch nicht in alles eingeführt zu haben, er ließ sie bei der evangelischen Wahrheit, wenn sie ihn nur als deren himmlischen Gipfelpunkt anstaunten; übrigens bezeugen alle, die dem Menschen nahe kamen, dass er wie mit Zaubermacht alle beherrschte, welche sich nur ein wenig mit ihm einließen, a Lasco ließ einige Jünger dieses David vor sich kommen, sie stimmten ihm in allen Stücken bei, und erkannten die Lehre der Emder Kirche an – ob ehrlich, ob scheinbar, ob instruktionsmäßig, man weiß es nicht – nur Davids Sendung und einzige Hoheit hielten sie fest. Es scheint, dass a Lasco sie für wohlmeinende Betrogene erkannt hat, er duldete sie und wendete sich brieflich an David Joris selbst, welcher sich in der Gegend von Norden aufhielt. Mit einer bis an die äußerste Grenze des Erlaubten gehenden Milde und Bescheidenheit verlangte er von ihm Auskunft über seine Lehre und Sendung. David antwortete ihm im Ton eines hoch überlegenen Lehrers, bei dem ein Irrtum die unmöglichste Unmöglichkeit sei, und deutete ihm gnädig an, wie a Lasco hoffen dürfe, noch einmal einer der Seinigen zu sein; von seiner Lehre sprach er hinreichend versteckt, um nachher Ausflüchte machen zu können, deutete aber genug an, um a Lasco mit Grauen zu erfüllen; auf bestimmte Fragen ging er natürlich nicht ein. Es war Zeit für a Lasco, diesem Irrgeist gegenüber die Weisung der Schrift zur Geltung kommen zu lassen: tue dich von solchen (1. Tim. 6: 3-5). David verließ Emden und ging nach Basel, wo er unter fremdem Namen ein raffiniertes Wohlleben führte von dem Gelde, welches ihm seine in Holland blutenden Anhänger opferten. Zugehörigkeit zur reformierten Kirche heuchelnd stellte er sich mit dem Schein großer Mildtätigkeit und Ehrbarkeit allgemein achtbar, wälzte sich aber hinter dieser Decke in den Gräueln, denen seine Lehre Thür und Thor öffnete. Emmius hat durch gerichtliche Akten bewiesen, dass mehrere im Ehebruch erzeugte Kinder dieses David existierten; die Mutter derselben, welche er nachher an einen andern weggab, hat die Tatsache durch ein reumütiges Geständnis konstatiert. Die grauenvolle Sophistik, mit welcher David die unerhörtesten Liederlichkeiten erfand und zurechtlegte, ist auch dem brandmarkenden Wort der Geschichte zu niederträchtig. Als nach seinem Tode herauskam, wer und was er gewesen, wurden seine Gebeine ausgegraben und mit allgemeinem Abscheu verbrannt.

Es ist wohl nicht zufällig, dass a Lasco in Briefen aus dieser Zeit mit großem Nachdruck die Gnade Gottes preist, die in dem Worte der Schrift das allein untrügliche Licht gegeben, dass er mit Angst aller Menschenweisheit und Geistlichtuerei den Rücken kehrt, um mit freudiger Entschiedenheit nichts zu sehen und zu wissen als Gottes Wort und Willen. „In geistlichen Dingen,“ sagt er einmal, „will ich gegen alles andre vollständig blind sein außer gegen das bestimmte Zeugnis des Wortes Gottes; auf menschliche Klugheit und Scharfsinn gebe ich nicht so viel, dass ich mich ohne das Wort darauf verlassen möchte. Ich weiß, dass ich dermaleinst soll gerichtet werden nicht von Menschen, auch von den klügsten und geistvollsten nicht, sondern von dem reinen ewigen Gotteswort, das uns von Christo unserem Herrn durch seine Apostel überliefert ist. Dem allein will ich mich ganz hingeben, so gut ich es vermag, und den Herrn bitte ich, dass er Mit diesem seinem wahrhaftigen Königszepter mich leiten wolle zu seines Namens Ehre und zum Aufbau seiner Gemeinde.“ Da haben wir sogleich den Maßstab für a Lascos Wirksamkeit in der Gemeinde im Kleinen und im Großen, a Lascos Tätigkeit in der Gemeinde Emden beschränkte sich keineswegs auf ihre mündliche und schriftliche Verteidigung gegen Irrlehrer und auf die Entwicklung der leitenden Grundsätze für Kirchenzucht und Kirchenverfassung; er wirkte ebenfalls als Prediger. Man hat gemeint, am Predigen habe ihn die Unbekanntheit mit der Landessprache gehindert; das war im Anfange auch allerdings der Grund, weshalb er die Anfrage Graf Ennos ablehnte und lieber Hardenberg angestellt wissen wollte; in hochdeutscher Sprache konnte er auch später noch nicht predigen. Aber in Emden wurde damals, wie im ganzen Lande, plattdeutsch gepredigt, und das hätte allerdings wunderlich zugehen müssen, wenn a Lasco in seinem häufigen Verkehr mit Holländern und nach mehrjährigem Aufenthalt in Ostfriesland des Plattdeutschen nicht vollständig mächtig geworden wäre, zumal seine Frau gewiss weder latein noch polnisch sprach. Es steht ganz fest, dass er Pastor war und auch als Pastor wirkte; seine Predigtweise lässt sich freilich nicht näher beschreiben, da keine Predigten von ihm erhalten sind, doch dürfen wir aus manchen Andeutungen mit Sicherheit schließen, dass er in seinen Predigten, den Schweizern ähnlich, ganze biblische Bücher der Reihe nach durchnahm, und dass seine Predigten überwiegend auslegender Natur waren. In seinen Studien berücksichtigte er mit besonderer Aufmerksamkeit die Kommentare seiner schweizerischen Freunde, der Kirchenväter und der hervorragenden Theologen des späteren Mittelalters. In der Gottesdienstordnung hatten sich seine Grundsätze damals noch nicht vollständig ausgebildet, fest stand ihm nur, was wir bereits oben sahen, dass mit dem Bilderverbot Ernst zu machen sei; ohne Aufsehen wurden sie allmählich entfernt. In demselben Maße, wie die Predigt einer besseren Erkenntnis Raum schaffte, gedachte a Lasco auch den Cultus nach biblischen Grundsätzen zu gestalten. Nichts war ihm mehr zuwider, als wenn man diese äußeren Anordnungen zu etwas Wesentlichem und Hauptsächlichem machen wollte; damit ja keine neue Päpstelei daraus entstehe, hielt er fürs erste die größtmögliche Ungebundenheit, ja von Zeit zu Zeit Änderung für wünschenswert, auf dass die Hauptsache, die Predigt des Worts, nur erst als Hauptsache erkannt, und niemand durch gehäuftes Zeremonienwesen von der Hauptsache abgezogen werde, a Lasco wusste wohl, wie tief die alte Unart im Blute sitzt, Augenweide zu suchen, um sich dem rechten Hören mit Anstand zu entziehen. (Vgl. Matth. 11: 7,8, 9 dag. V. 15.) Besonders richtete er sein Augenmerk von Anfang an auf die Kirchenzucht. Er wies darauf hin, dass man niemals mit Erfolg und gutem Gewissen den Sekten entgegen treten könne, wenn man deren Makel strenge rüge und ahnde, aber im eigenen Hause alles laufen lasse, wie es wolle, als wäre mit der nominellen Zugehörigkeit zur Gemeinde alles abgemacht. So gut wie man die Irrlehre rüge, die Leitsamen zurechtbringe, die Halsstarrigen entferne, so gut müsse man die Irrwege der eigenen Hausgenossen bekämpfen und alle die, die heilsame Zucht verschmähen, ausweisen aus der kirchlichen Gemeinschaft. Die Sache fand von Anfang an Widerstand; wir werden sehen, dass diese Kirchenzucht für a Lasco eine Quelle unablässiger Anfeindungen wurde. Dennoch drang er durch und erreichte anfänglich so viel, dass vier Älteste ernannt wurden, welche im Namen der ganzen Gemeinde auf den Wandel ihrer Mitbürger ein wachsames Auge haben und einen jeden an seine Pflicht erinnern müssten, auch das Recht hatten, die Verächter aller Ermahnungen in Gemeinschaft mit den Pastoren von der Gemeinde auszuschließen, a Lasco arbeitete schon an einer Kirchenordnung nach dem Muster der des Erzbischofs von Köln, an dessen Reformbestrebungen er und sein Freund Hardenberg lebhaften Antheil nahmen. Aber diese Arbeit kam nicht zum Abschluss. Die spätere Emder Kirchenordnung ist von andern gearbeitet, und es ist vergebliche Mühe, aus ihr a Lascos kirchenpolitische Grundsätze herauslesen zu wollen. Dass er nicht alles fertig bringen konnte, was er gerne wollte, darf uns nicht Wunder nehmen; es kam eben alles auf ihn an, nicht bloß die inneren Angelegenheiten der Gemeinde, die nicht ohne viel Mühe und Kampf geordnet werden konnten, auch ihre Vermögensverhältnisse hatte er aus ziemlicher Verwirrung herauszuarbeiten und dabei seinen Blick beständig über das Ganze gehen zu lassen.

Da war natürlich das Erste, dass er sich mit dem Stand der Dinge in Ostfriesland genauer bekannt machte, und das versuchte er durch Visitationen, die er in Gemeinschaft mit seinen Kollegen unternahm. Wahre Ungeheuerlichkeiten, wie er selber sagt, fand er sofort vor; er erkannte, dass nichts notwendiger sei, als alle Kräfte auf innere Hebung der Geistlichen zu richten, und dazu diente die Errichtung des Cötus. Tüchtige wissenschaftliche Weiterbildung der Pastoren, Einheit in der Lehre, Harmonie des Wandels mit der Lehre, das waren die Hauptsachen, auf welche dies Institut zunächst hinwirken sollte; durch brüderliche Besprechungen über die Hauptpunkte der Lehre, ernste gegenseitige Zensur, Erwägung aller Notstände, über welche auch die Gemeinden beim Cötus Vorstellungen machten, sorgfältige Prüfung der Kandidaten über ihre äußere und innere Befähigung zum Dienste am Wort – das waren die Hauptmittel, mit denen man dem Ziele zusteuerte. Eine ganz unbegreifliche und unverzeihliche Fahrlässigkeit – wenn nicht gar böswillige Absicht – ist schuld daran, dass die Akten des Cötus aus der alten Zeit vollständig verloren gegangen sind, und wir uns in der Unmöglichkeit befinden, einen genaueren Blick in den inneren Entwicklungsgang und den Zustand der Gemeinden in damaliger Zeit zu tun, und zu erkennen, wie die anfänglichen Rechtsverhältnisse genauer sich gestalteten. Das Ansehen in welchem der Cötus in und außer Landes stand, das Zeugnis mancher Mitglieder, sie hätten im Cötus mehr gelernt als auf der Universität, liefert den Beweis, dass a Lasco keinen unfruchtbaren Baum gepflanzt hatte, und dass unsere Alten wohl wussten, was sie taten, wenn sie mit allem Eifer für den Cötus in die Schranken traten.

Mit der Ausarbeitung einer Kirchenordnung kam a Lasco, wie schon gesagt, nicht zu Stande; er schrieb aber nach dem Muster des Genfer Katechismus – dessen Abfassung vom Cötus zu Emden veranlasst, der deshalb diesem von Calvin gewidmet war – und dem des Zürcher Katechismus von Leo Judä einen ziemlich ausführlichen Katechismus, nach welchem die christliche Lehre im Zusammenhang alljährlich in den Nachmittagsgottesdiensten vorgetragen werden sollte. Gedruckt wurde der Katechismus erst später in London, in Ostfriesland fürerst nur handschriftlich gebraucht. Besonders verdient aber die Gerichts- und Polizeiordnung hervorgehoben zu werden, welche Gräfin Anna auf Antrieb und unter Mitwirkung a Lascos im Februar 1545 ausgehen ließ. Die Missstände im Volksleben, gegen welche darin gekämpft wird, die Klage der Gräfin, dass das Evangelium hier vieler Orten auf einen harten Fels gefallen sei, beweisen, wie sehr a Lasco im Rechte war, wenn er überall auf durchgreifende Maßregeln drang. Sehr strenge trat die Gräfin aller Wüstheit und Unordnung im Volk entgegen: Völlerei und alle Anlässe dazu bei Verkäufen, Verlöbnissen, Kindtaufen, Beerdigungen wurden verboten und mit Geldbußen belegt zum Besten der Armen, d. h. solcher, die sich des Bettelns schämten; Geistliche, Kirchgeschworne und Amtsälterleute wurden angewiesen, auf Sabbatsschänder, Flucher und Lästerer ein wachsames Auge zu haben, zu strafen, mit Geldbußen zum Besten der Armen zu belegen und, wenn alles nichts fruchte, der Obrigkeit Anzeige zu machen, die dann mit Gefängnis bestrafte; die Eltern sollten an ihrer Kinder Statt bestraft werden, „darumb dat se de Roede an öhren Kindern gespart hebben.“ In ähnlicher Weise wurde dem Wucher, der Prellerei, der Warenverfälschung, dem Bettel entgegengetreten und nicht minder der Prunksucht; auf das häusliche Leben und das Schulwesen richtete die Gräfin vorzugsweise ihr Augenmerk; darum wurden Ehebrecher und solche, die in wilder Ehe lebten, Verächter ihrer Eltern, Haustyrannen mit schweren Strafen bedroht bis zur Todesstrafe; Kinder sollen schlechterdings nicht betteln, vom fünften oder sechsten Jahre an sollen reich und arm, Knaben und Mädchen auf dem Lande so gut wie in den Städten zur Schule gehalten werden und die Glaubensartikel, die 10 Gebote und das Gebet des Herrn lernen; fänden sich unter armen Kindern einzelne oder mehrere von besonderer Begabung, so solle man mit Hülfe der Gemeinde sie so lange an der Schule halten, bis sie für auswärtige höhere Anstalten reif seien, wo denn die Obrigkeit weiter für sie sorgen werde. Hinsichtlich der Fremdlinge und Sekten schärfte die Gräfin nochmals ein, dass sie sich müssten beim Superintendenten prüfen lassen, aufrührerische Schwärmer, halsstarrige Davidianer und Anabaptisten wolle sie nicht dulden, lediglich um des Glaubens willen Verfolgte sollen aber nicht ausgewiesen werden, selbst dann nicht, wenn sie in unwesentlichen, ungefährlichen Dingen sich mit dem Superintendenten nicht vereinbaren können.

Mit günstigem Winde segelte a Lasco bei allen diesen Dingen nicht; Widerstand trat ihm überall entgegen, namentlich im Emder Magistrat und am Hofe; so ernst die Gräfin und ihr Bruder Christoph dachten, so entschieden arbeiteten einige von den Räten entgegen. Ein Brief, zu welchem a Lasco ein Rückblick auf seine Arbeit nach drittehalbjähriger Tätigkeit veranlasste, kann uns am deutlichsten alles vor die Augen stellen. „Ich fürchte“ so schrieb erden 6. September 1545 an Hermann Lenthius, den Sekretär der Gräfin, seinen Freund, „ich fürchte, dass Widerwille gegen mich die Ursache ist, weshalb ich hier auf kirchlichem Gebiet nichts weiter kommen kann. Was in aller Welt habe ich denn nun in der ganzen Zeit meiner Amtsführung hier zu Lande ausgerichtet, außer dass etwas mehr Einheit in die Lehre gekommen ist, und nun höre ich, dass doch schon wieder einige darauf aus sind, Verwirrung anzurichten. Wenn die Gräfin, der Magistrat oder sonst wer meint, ich sei nicht recht tauglich oder nicht recht treu in meinem Amte, warum sagt man mir kein Wort davon? Liegt der Gräfin nichts daran, oder meint sie, es sei nicht ihres Amts, den wahren Gottesdienst zu fördern, wozu bedarf sie meiner Dienste? der Magistrat hier ist aller Gottesfurcht bar, dem will ich nicht dienen; ich hatte meine Hoffnung auf die Gräfin gesetzt, die mich auch bisher festgehalten hat, aber die scheint nun auch lasch zu werden; gibt sie keine besseren Beweise ihres Eifers um den Glauben, so muss ich denken, was ich nicht gern möchte. Mein werter Herr, Diener am Wort zum Spott sein will ich nicht. Wollen andre in ihrem Amte sichs gefallen lassen, dass die Würde des Wortes Gottes verachtet wird, so muss ich das tragen, aber dass ans Hass gegen mich das Wort Gottes in meinem Amt verachtet werden soll, das dulde ich durchaus nicht. Ist es nicht eine Schande, dass ichs nicht dahin bringen kann, dass ordentlich für die Armen gesorgt werde? dass die Bilder weggetan werden, deren Anbetung wir mit eignen Augen sehen müssen wie zum Spott auf all unser Predigen? Da sagen die Herren, wir hätten zu predigen, ich sage aber nein, ich predige nicht für Säue und Hunde, welche mit der unverdauten Speise Gott weiß was anfangen. Es ist hier nun so viel Jahre gepredigt: was für Früchte unsres Predigens kann man nun aufzeigen? Da sehn wir die abgöttischen Gräuel der Mönche offen vor Augen und sollen ja mit keinem Finger dranrühren; da sehn wir alle kirchliche Zucht abgeschafft und unterdrückt; da sehn wir fast alles, was zur Erhaltung der Diener am Wort und zur Pflege der Studien dienen sollte, geplündert und verschleudert; da sehn wir, dass die Stadt ein Sektennest wird, die Mücken haben wir verfolgen müssen, dass sich Gott erbarm, Wespen und Hornissen sollen wir füttern und die Raben nach Herzenslust drauf loshacken lassen; dabei sehn wir solche Zügellosigkeit, dass, wer ein mäßiges Leben führen will, alsbald Gefahr läuft, für einen Sektierer angesehen zu werden. Das sind die Erfolge unsres langjährigen Predigens, und nun heißt es, wir sollen nur immer predigen! da sagt man uns, wir sollen lehren, die Bilder seien keine Götzen; so? das soll man wohl denen beibringen, die da sagen, das Heil des Vaterlandes hänge daran, ob man die Bilder behalte oder nicht? Kann man sich größere Bilderverehrung denken? Kann man unter solchen Umständen die Bilder stehen lassen? Ist das nicht offenbares Lästerwesen? Und da heißt es noch, hier gebe es keinen Bilderdienst! Was soll denn Bilderdienst sein, wenn das keiner ist? Doch ich will aufhören, vor Kummer kann ich nicht mehr, und ich bin leidend. Ich bitte Euch, Herr Bürgermeister, Ihr wollt die Gräfin unter vier Augen in meinem Namen recht ernstlich erinnern; wenn ich bei der Gräfin keine andern Beweise der Gottesfurcht sehe, so ists aus; dann hat man mich die längste Zeit hier gehabt.“ Das war auch keineswegs eine leere Drohung; wie wenig auch a Lasco ohne Amt leben konnte, doch war er fest entschlossen, um des Brotes und der Menschen Freundschaft willen seine Überzeugung nicht zu opfern. Er legte in der Tat die Superintendentur nieder und behielt nur sein Pfarramt in Emden, erst geraume Zeit nachher trat er wieder ein, als ihm die Gräfin gewährte, was er verlangte: entschiedenere Durchführung der Kirchenzucht, Sicherstellung gegen die Eingriffe des Magistrats in die inneren Angelegenheiten der Kirche und gegen diejenigen Pastoren, welche die Einheit in der Lehre störten. Und es scheint mehrmals nahe an die Niederlegung, nie zur kräftigen ungehemmten Durchführung der Superintendentur gekommen zu sein.

Alsbald nachdem a Lasco seine Superintendentur wieder angenommen hatte, geriet er von neuem in Streit mit dem Pastor Lemsius in Norden über die Abendmahlsfrage, deren Erörterung ihm wie seinem Freunde Melanchthon das Leben vielfach verbitterte, a Lasco hatte es nämlich kein Hehl, dass er glaube, wie Luther mit seiner Lehre von der Allgegenwart des Leibes Christi und der verborgenen Gegenwart des verklärten Leibes Christi in und unter dem Abendmahlsbrot und -Wein entschieden im Irrtum sich befinde, und der verketzerte Zwingli in der Tat schriftgemäßer lehre als Luther. Viele, die Mehrzahl, standen hier auf a Lascos Seite, einige hielten es dahingegen mit Luther, nicht wenige schwankten unschlüssig zwischen beiden, a Lascos entschiedener und erfolgreicher Widerspruch gegen Luthers Doktrin ist die Ursache gewesen, dass er von der einen Seite als Erretter der reformierten Lehre gepriesen, von der andern als Neuerer, als Verfolger der eigentlich in Ostfriesland allein berechtigten lutherischen Lehre gehasst und verklagt worden ist. Wir müssen in der Kürze darauf näher eingehen. Ob die Evangelischen in Ostfriesland vor oder zu a Lascos Zeit ausdrücklich lutherisch genannt worden – es sei denn von Erasmus – bezweifle ich; es bewiese auch gar nichts. Lutheraner und lutherisch waren dazumal von den Päpstlichen, sonderlich Erasmus, aufgebrachte tadelnde Benennungen, mit welchen übrigens auch Zwingli, Oecolampad und Ochino belegt wurden. Die Evangelischen nannten sich selbst evangelisch, protestantisch, am häufigsten aber reformiert, während sie die Benennungen lutherisch, zwinglisch, calvinisch, von der Hand wiesen. Die Lutheraner nannten sich sogar noch nach dem Abschluss der Konkordienformel reformiert; beide Benennungen in dem uns geläufigen Sinn stehen erst seit 1648 fest. Es ist mithin genauer zuzusehen, wie etwa aus der Zeit vor a Lasco noch vorhandene Dokumente der Lehre sich stellen zu den zwischen Lutheranern und Reformierten streitigen Punkten. Solche Dokumente sind nun allerdings vorhanden und beweisen, wie, sobald der Zwiespalt innerhalb des Protestantismus zu Tage trat, die namhaftesten Geistlichen in Ostfriesland, Aportanus voran, in der Lehre von den Sakramentern und der Wirksamkeit der Gnade Ansichten vertraten, wie sie später in der reformierten Kirche im Unterschied von der lutherischen herrschend wurden. Allein diese Dokumente gehören mit ihren Urhebern und Vertretern nur der westlichen Hälfte des Ländchens an; dass nun die östliche Hälfte über die betreffenden Punkte „lutherisch“ gedacht habe, ist urkundlich, so viel ich sehe, nicht zu beweisen; der Zwiespalt der Meinungen ist in Ostfriesland vielmehr von außen hineingeworfen, aber während die Ausländer mit ihren „antisakramentiererischen“ Dingen in Emden und Umgegend überall durchfielen, fanden sie, scheint es, in den östlichen Landstrichen hin und wieder Eingang. Vieles spricht für die Annahme, dass die westliche, damals zum Bistum Münster gehörige und eng mit Holland verbundene Hälfte Ostfrieslands für die „reformierte“ Lehre prädisponiert gewesen und durch dieselbe reformiert worden, während die östliche, damals zu Bremen gehörige Hälfte, in demselben Verhältnis zur „lutherischen“ Lehre stand. Gewiss ist, dass Unterschiede, – den Eigentümlichkeiten von zwei Zweigen einer und derselben Familie vergleichbar – schon vor der Reformation die rechtlichen und die kirchlichen Verhältnisse durchziehen. Wie gesagt, stießen die Hauptartikel der „Lutherischen,“ Gnadenmittellehre und zeremoniöser Cultus, sonderlich in Emden, damals dem Stern des Landes, und in der ganzen Umgegend auf unüberwindliche Antipathie, und zwar noch weit mehr seitens des Volks als der Pastoren; wichtig ist, dass die reformierte Partei am Adel jederzeit eine starke Stütze hatte; aber wie stand es mit dem Hofe? Edzard der Große war der Reform entschieden und in der Wahrheit zugetan; dass er Luthers Schriften las, beweist nicht, dass er im Sakramentstreit auch mit Luther ging, seine zuwartende Stellung, als der Lärm auch nach Ostfriesland kam, sein inniges Verhältnis zu Aportanus spricht entschieden dagegen. Anders war es mit seinem Sohne Graf Enno. Ob er wirklich eine selbstständige Meinung hatte, ist sehr die Frage, er suchte überall zunächst seinen eigenen Vorteil und da war seine Lage schwierig, weil seine Grafenkrone noch nicht eben fest saß. Sollte ers wagen, sich der reformierten Richtung anzuschließen, da er auf die Weise Kaiser und Reich gegen sich einnehmen musste? Handelte er dagegen den Sachsen zu Willen, so hatte ers mit Emden und dem Adel zu tun, und wusste, was das bedeute. Der geldrische Vertrag band ihm vollends die Hände; kein Wunder, wenn der Graf jeden Einigungsversuch begierig ergriff, an Hessen sich anzuschließen versuchte, und die Marburger Artikel von ihm freundlicher als vielleicht irgendwo aufgenommen wurden! Gräfin Annas und ihres Bruders Christophs Stellung ist abgesehen von ihrem Verhalten gegen a Lasco hinreichend bezeichnet durch den Schutz, den sie dem verfolgten Hardenberg angedeihen ließen zu einer Zeit, als es Gefahr brachte. So war a Lasco mit seiner Hinneigung zur schweizerischen Sakramentlehre in Ostfriesland nichts weniger als ein Eindringling. Auch war grade damals in dieser Frage ein Ruhepunkt und vorläufiger Abschluss erreicht. Der Versuch der Lüneburger Pastoren (1535), ihre Lehre und ihren Cultus in Ostfriesland durch Einführung der vielbesprochenen Lüneburgischen Kirchenordnung durchzusetzen, war aufgegeben, der geldrische Vergleich in Vergessenheit geraten, dazu der Sakramentstreit in Deutschland vorläufig beigelegt durch die Wittenberger Concordia von 1536, nicht zu gedenken der Augsburgische Konfession in der neuen Ausgabe von 1540, welche bekanntlich damals und noch lange nachher die offiziell gültige war. Luther begann in dem Jahre 1543, bald nachdem a Lasco in Ostfriesland sein Amt angetreten, den Sakramentstreit von neuem mit furchtbarer Heftigkeit; wir werden uns nicht irren, wenn wir in diesem neuen Aufbrausen Luthers den Ausgangspunkt für den Streit erkennen, den Lemsius gegen a Lasco begann, a Lasco war nicht geneigt, den Sakramentstreit von neuem aufkommen zu lassen; er wünschte, man möge in der zu Wittenberg eingeschlagenen Richtung fortfahren, Streit und Bissigkeit fahren lassen und in Frieden weiter forschen: so müsse man am Ende jedenfalls so weit zusammentreffen, dass etwa noch bleibende Unterschiede dem Frieden in der Gemeinschaft nichts in den Weg legen könnten. Luthers zorniges Wesen und absprechender Ton, gerade bei Verhandlungen über das Abendmahl, wo es gilt, des Herrn Tod zu verkündigen, schmerzten a Lasco tief und vermochten ihn doch nicht zu erbittern. Nicht ein einziges mal ließ er es seinen Zürcher Freunden ungerügt hingehen, wenn sie sich verleiten ließen, hart gegen hart zu schreiben. „Es ist wunderbar“, so schrieb er bald nach Luthers Tode, „dass dieser ehrwürdige in der Kirche Christi ewig preiswürdige Mann in dieser Sakramentsfrage so seltsamen Phantasien anhing. Nun, es soll uns das ein deutliches Beispiel sein, dass wir alle Menschen sind, d. h. so viel an uns ist, Lügner, damit wir uns ja nicht auf das Ansehen eines Menschen auf Erden stützen. Inzwischen sollen wir wissen, dass Holz, Heu und Stoppeln unsres menschlichen Irrtums allerdings durch das Feuer des göttlichen Wortes müssen verzehrt werden, wir selber aber sollen ohne Zweifel bewahrt bleiben, so lange wir uns auf das rechte Fundament stützen; und dass Luther mit ganzem Herzen sich darauf stützte, das kann niemand leugnen. Um von allem Gold, Edelgestein und Silber in seiner Lehre nicht weiter zu reden, so hat er die Lehre von unsrer Rechtfertigung durch Christum zu allermeist in unsrem Jahrhundert mit wunderbarem Erfolg ins Licht gestellt und die Geheimnisse der Ungerechtigkeit des Antichrists so enthüllt, dass auch Kinder es wissen, während man sie früher beinahe in der ganzen Welt fast wie Gott selber anbetete; er hat nach der ihm zuerteilten Gabe unzählige Kirchen wiederhergestellt und den Gegnern des Evangeliums Christi mit solchem Geist und solcher Festigkeit widerstanden, dass dieser Ruhm ihm vor allen andern zuerteilt werden muss. Und in diesem allen war er dennoch ein Mensch, was auch wir, durch sein Beispiel erinnert, für uns selber zu Herzen zu nehmen haben.“ So entschieden sich übrigens daher a Lasco den Einigungsbestrebungen Melanchthons, Bucers, Bullingers anschloss, so war es ihm nicht gleichgültig, um welchen Preis die Einigung erkauft werde; nicht selten nahm man seine Zuflucht zu allgemeinen dunklen Ausdrücken, die beide streitende Parteien sich aneignen konnten, um sie dann auf ihre Weise auszulegen: a Lasco erkannte darin nur eine Quelle ewig neuen Haders; es charakterisiert ihn, dass er überall darauf drang, man möge sich doch stets des bestimmtesten und unzweideutigsten Ausdrucks befleißigen, weshalb er bei allem (durchaus selbständigen) Zusammentreffen mit Melanchthon wie mit den Schweizern im Ausdruck wie in der Begründung seiner Lehre mancherlei Eigentümliches hatte. Er wollte die Axt tiefer an die Wurzel des Haderbaumes gelegt wissen: er erkannte wohl das Vorhandensein und die Unvermeidlichkeit von Gegensätzen in der Lehre und deren Erörterung, sprach ihnen aber die Bedeutung ab, dass man sich ihretwegen die kirchliche Gemeinschaft aufkündigen dürfe. „Ich achte“, schreibt er unter anderem, „den Streit über die sichtbaren Dinge bei den Sakramentern, nachdem man über das Mysterium einig ist, nicht so bedeutend, dass ich um der sichtbaren Elemente willen die christliche Liebe und Gemeinschaft aufgelöst sehen möchte. Für das höchste Geheimnis im Abendmahl halte ich die Gemeinschaft des Leibes und Blutes Christi, und hier sehe ich so zu sagen keinen Unterschied. Denn wir bekennen doch alle rund und offen, dass wir im Abendmahl wirklich in Gemeinschaft treten mit dem wirklichen Leib und Blute Christi, so viele wir seinem Worte glauben. Über die Art und Weise, wie das geschieht, mögen Andre neugierige und ängstliche Untersuchungen anstellen, um damit unnötige Unruhen in der von ihren Feinden schon genug beunruhigten, darniederliegenden Kirche anzurichten; ich will dabei keine gemeinsame Sache mit ihnen machen. Mir ist das Essen des Leibes und Blutes Christi genug, welches der Herr selber für genugsam zu unserm Seelenheil erklärt hat, indem er die Verheißung des ewigen Lebens daran knüpft, ohne noch von einem anderweitigen Essen seines Leibes und Blutes zu reden. Ich bin gewiss, dass Christus mir da nicht gelogen hat. Das ist mir genug; die mehr haben wollen, mögen es meinethalben tun, ich aber habe Frieden mit allen, die nur das eben bezeichnete Essen anerkennen, mögen sie für sich noch etwas hinzutun oder nicht, sie müssen mich bleiben lassen bei dem, was Christo genug ist. So viel also die Würde des Nachtmahls anbelangt, habe ich, so viel an mir ist, Frieden mit allen, da wir alle dasselbe Geheimnis anerkennen, nämlich die Gemeinschaft des Leibes und Blutes Christi; die damit noch nicht zufrieden sind, mögen urteilen was sie wollen, ich halte sie für Brüder, wenn sies nur leiden wollen; wenigstens gebe ich mir alle Mühe, ihnen auf keine Weise zu nahe zu treten.“ Lemsius war mit den Anschauungen und Anordnungen a Lascos nicht zufrieden, von Anfang an wollte er sich dem Cötus nicht anschließen und, wie Luther den Streit aufs neue begann, schärfte auch er seine Waffen gegen a Lasco und begann, eine Gegenpartei zu bilden. Als aber a Lasco unter keiner andern Bedingung sein Amt behalten wollte, als wenn alle Pastoren sich zum Cötus hielten, gemeinsam und friedsam die Einheit in der Lehre anstrebten, wurde Lemsius genötigt nachzugeben; in der Stille suchte er nun freilich auswärtige Theologen gegen a Lasco in Harnisch zubringen, doch scheint es ihm nicht gelungen zu sein; einstweilen wurde die Ruhe wiederhergestellt.

a Lascos häusliches Leben in dieser Zeit gleicht ganz seinem amtlichen Wirken: Mühe und Trübsal fehlten nicht, aber auch der Friede nicht, der alles überwindet. Die Gottesfürchtigen haben kein Vaterland auf Erden, sagte er, sie suchen den Himmel. Seine polnische Heimat hatte er verlassen; dass er Ostfriesland bald wieder werde verlassen müssen, war ein Gedanke, mit dem er sich von Anfang an vertraut machte. Der brabantische Hof ruhte nicht, auf seinen Sturz hinzuarbeiten; ein Anhänger des David Joris, hatte auf der Folter Anhänger jenes Irrlehrers namhaft gemacht, die sich sämtlich in Ostfriesland aufhielten, um die in Holland befindlichen zu schonen, und das gab nun Anlass, unablässig a Lasco bei der Gräfin als einen Beschützer gefährlicher Sekten anzuklagen, der vertrieben werden müsse. Dazu die Ungunst, in welcher a Lasco bei vielen am Hofe stand wegen seines ernsten Wesens und seines Dringens auf Zucht und gute Ordnung, Graf Johanns Eifer, alle solche Umstände sich zu Nutze zu machen: das alles legte den Gedanken nahe, man werde ihn bald aus Emden fortjagen. Ein anderer würde da jede sich darbietende Gelegenheit ergriffen haben, anderswo ein Unterkommen zu finden, aber a Lasco wollte so lange auf seinem Posten bleiben, bis er vertrieben würde. Lediglich die Treue in seinem Dienst bewog ihn zu diesem Entschluss, denn weder glänzende Erfolge seines Wirkens, noch äußeres Wohlergehen verschönerten seine Tage. Er kränkelte beständig; gerade zu der Zeit als er den oben mitgeteilten Klagebrief an Hermann Lenthius richtete und sein Amt niederlegen wollte, plagte ihn sein altes Uebel mit ungewohnter Heftigkeit, und eine Augenkrankheit drohte ihm vollständig das Gesicht zu nehmen; der Tod seines Söhnchens Paulus, gerade damals, schmerzte ihn um so tiefer: „das alles winkt mir, schreibt er, dass diese Hütte bald wird abgebrochen werden, und dass wir bald – ich hoffe es – bei Christo daheim sein werden; unser Kindlein wird unser Vorläufer sein, und wir werden ihm folgen, wann der Herr will.“ Das hinderte ihn aber nicht, trieb ihn vielmehr, sorgfältig hauszuhalten und nach Kräften für die Seinigen zu sorgen; er kaufte ein Landgut, Abbingwehr bei Loppersum, und nahm alle seine finanzielle Geschicklichkeit – von der er übrigens keine große Meinung hatte – zusammen, um sein Eigentum von Schulden zu befreien. Fahrlässigkeit im Haushalte kann man a Lasco nicht schuld geben. Über den theologischen Problemen und dem Gemeindehaushalt vergaß er nicht, was 1 Tim. 3:4 ff. geschrieben steht; seine Frau musste tüchtig wirtschaften, Butter und Käse machen, und ebenso sorgfältig wie er die Irrlehrer und Epikureer ausklopfte aus der Gemeinde, sorgte er, dass die Motten aus den ihm anvertrauten Kleidern Hardenbergs ausgeklopft würden; grade seine Sorgfalt im Kleinen gab ihm Freudigkeit, was er hatte, nicht in Worten sondern in der Tat mit Hardenberg zu teilen, und es leicht zu verschmerzen, als er um eine ihm zur Unterstützung von Polen zugesandte ansehnliche Summe durch Schelmerei betrogen wurde. Alle Trübsal und alle Machinationen des brabantischen Hofes und der inländischen Gegner lieferten ihm nur den deutlichen Beweis, dass er Christi Diener sei: „ich danke Gott durch Christum Jesum, meinen Befreier, dass er mich auf diese Weise in der Übung hält.“ Als das wesentlichste Erfordernis, um in seinem persönlichen und amtlichen Leben weiter zu kommen, erkannte a Lasco ein fleißiges Studium der Schrift, daher findet man in seinen Briefen die Beweise, wie er sorgfältig sich alles zu nutze zu machen suchte, was andre reformatorische Männer zur Förderung des Schriftverständnisses an den Tag brachten, und wie er mit den bedeutendsten unter ihnen in direkte Beziehung trat. Besonders zogen ihn Melanchthon und noch mehr H. Bullinger an, deren Rath er über die wichtigsten Fragen einholte, denen er auch mit musterhaftester Bescheidenheit und Offenheit zur Prüfung vorlegte, was er etwa anders auffasste, als allgemein geschah; nichts scheute er mehr als eigene Einfälle für geprüfte Wahrheit zu verkaufen oder ungeprüft etwas auf andrer Menschen Ansehen anzunehmen. Calvins Schriften hielt er sehr hoch, in lebhaftem brieflichem Verkehr aber scheint er von Emden aus nicht mit ihm gestanden zu haben.

Dies führt uns aber dazu, a Lascos Beziehungen zum Auslande ins Auge zu fassen, welche ihn zuletzt aus Ostfriesland wegzogen. Der brabantische Hof hatte sich nicht verrechnet, wenn er aus a Lascos Anstellung in Ostfriesland für seine Absichten mit Holland Gefahr witterte. Die aufblühende ostfriesische Kirche wurde ein Zufluchtsort für bedrängte Evangelische aus den Niederlanden, und je besser sie in Ostfriesland fanden, was sie daheim entbehrten, desto mehr wuchs die Zahl ihrer Auswanderer. Besonders erzählt a Lasco, dass von den besseren Geistlichen viele herüberkamen, in Ostfriesland in Dienst traten und von da in ihre alte Heimat zurückwirkten. Es wird erzählt, dass er auch in Westfriesland tätig gewesen sei, namentlich zu Franeker das Kirchenwesen geordnet habe. Ich lasse das dahinstehen, Beweise dafür finde ich nicht. Sicher ist, dass er, ehe er in Emden ein Amt antrat, öfter die nördlichen Niederlande, namentlich Kloster Aouard besuchte; folgenreich war aber sein dortiger Aufenthalt nicht. Ebenso ist zu urteilen über die Nachricht, dass er in Oldenburg – vermutlich durch Graf Christoph, Annas Bruder, veranlasst – in kirchlichen Angelegenheiten tätig gewesen sei. Lebhaften Antheil nahm a Lasco in Gemeinschaft mit seinem Freunde Hardenberg an dem Reformationsversuch des Erzbischofs von Köln; das Maß seiner Beteiligung lässt sich aber nicht näher bestimmen. Schon bald nachdem a Lasco in Emden sein Amt angetreten, erhielt er einen Ruf nach Preußen; vermutlich sollte er an die neu errichtete Universität Königsberg kommen. Die Aussicht, von hier aus auf sein polnisches Vaterland wirken zu können, sprach für die Sache. Die Unterhandlungen währten lange, und es scheint nahe daran gewesen zu sein, dass er dem Rufe folgte, doch scheiterte die Sache an zwei Umständen: einmal wollte a Lasco Ostfriesland nicht verlassen, es sei denn, dass man ihn hinausdrängte, und sodann wollte er bestimmt wissen, dass ihm wegen der Abendmahlslehre keine Händel bereitet würden. Melanchthon, in die Unterhandlungen hineingezogen, fand a Lascos Ton etwas zu fest, „er scheine ihm ein entschlossener aber auch etwas eigensinniger Mann zu sein;“ aber wir wissen, warum a Lasco wissen wollte, woran er war. Desto wichtiger wurden a Lascos Beziehungen zu England.

Zur Zeit König Heinrichs VIII. von England hatte der berühmte Arzt William Turner um des Glaubens willen England verlassen und bei der Gräfin Anna Aufnahme gefunden. Als nun nach Heinrichs VIII. Tode unter Eduard VI. ernste Anstalten gemacht wurden, die Reformation durchzuführen, und man die bedeutendsten Theologen des Festlandes nach England zu ziehen versuchte, machten der von Straßburg hinberufene Petrus Martyr und William Turner, mittlerweile Leibarzt des Königs von England geworden, den Herzog von Somerset und den Erzbischof Cranmer auf a Lasco, den sie beide persönlich kennen und schätzen gelernt hatten, aufmerksam, und diese sparten keine Mühe bei a Lasco und der Gräfin, um ersteren für England zu gewinnen. Die Gräfin schwankte lange, willigte aber endlich ein: a Lasco möge hingehen, sobald aber die Sache erledigt, für welche man in England seine Beihilfe in Anspruch nehme – es wird sich um die Feststellung der Reformprinzipien gehandelt haben – sollte er schleunigst nach Emden zurückkehren. Verkleidet eilte a Lasco durch die Niederlande und schiffte sich Anfangs September 1548 zu Calais ein. Sechs Monate weilte er zu St. Lambeth im Hause des Erzbischofs Cranmer; was die Erfolge seines damaligen Aufenthaltes in England waren, ist nicht bekannt, gewiss ist, dass er bei allen maßgebenden Persönlichkeiten einen äußerst günstigen Eindruck hinterließ, als er um die Mitte März 1549 nach Emden zurückeilte.

Hier tat seine Gegenwart dringend not. Die Bemühungen, a Lasco für England zu gewinnen, fielen in dieselbe Zeit mit Kaiser Karls V. Experimenten, durch sein berüchtigtes Interim die Zügel der kirchlichen Bewegung in die Hände zu bekommen. Drei Tage nachdem der kaiserliche Bote mit dem Interim nach Emden gekommen war, brach a Lasco nach England auf. Es wurde ihm doppelt schwer, den Engländern Wort zu halten; er wusste, welch einen schweren Stand die Gräfin und die evangelische Kirche dem Kaiser, dem brabantischen Hofe und den vielen Akkordierungslustigen gegenüber haben werde, und sah deutlich, wie dies Interim alles zunichte machen müsse, was mit so viel Blut und Schweiß bisher errungen worden. Da er persönlich nicht sofort eingreifen konnte, so unterließ er nicht, noch auf der Reise von Antwerpen und sofort nach seiner Ankunft in England von Windsor aus brieflich seine Kollegen und Hermann Lenthius zur Treue zu ermahnen, damit sie sich lieber Gottes als Menschen Händen anvertrauten. Der Kanzler ter Westen war anderer Meinung; ihm wird es zuzuschreiben sein, dass das kaiserliche Interim mit älteren behufs Vermittlung der „Reformirten“ mit den lüneburgischen Theologen erlassenen Edikten in ein „ostfriesisches Interim“ zusammengearbeitet wurde, welches von der Strenge der evangelischen Wahrheit und der des Kaisers so anständig wie möglich etwas abzudingen suchte. Lemsius und sein Anhang fielen dem zu. Da erschien a Lasco, mit Gewalt aus England sich losreißend, wieder auf dem Kampfplatz und sammelte sofort alle zum Widerstand gegen das Interim entschlossenen um sich: es war weitaus die Mehrzahl der Geistlichen und Gemeinden. „Hütet euch vorm Interim, denn der Schalk sitzt hinter ihm“ sang anderwärts der deutsche Volkswitz; die Ostfriesen dachten ebenso und allen Vermittlungsversuchen wurde der Grundsatz entgegengehalten: was an sich auch nicht geradezu sündlich sei, werde sündlich, sobald ein Gewissenszwang und Glaubenssatz daraus gemacht werde. Die Gräfin gab der Noth und dem Drängen des Kanzlers ter Westen nach und setzte die Einführung ihres Interims durch; die Geistlichen und Gemeinden gaben aber nicht nach. So wurden in den wichtigsten Gemeinden die Kirchen geschlossen um des Kaisers willen, in den kleineren Landgemeinden sah man durch die Finger, auch ließ die Gräfin es geschehen, dass der Gottesdienst statt in der Kirche auf den Friedhöfen gehalten wurde, und die Pastoren, wenn sie sich dabei nur ruhig verhielten, wurden nicht aus ihrem Amte entfernt. Natürlich richtete sich aller Groll gegen a Lasco; ihm allein wurde aller Widerstand gegen das Interim von Brüssel aus zur Last gelegt, ja er sollte sogar ein Bündnis zwischen Polen und England gegen den Kaiser betrieben haben. Es wurde a Lasco nicht schwer, diese Anklage zu widerlegen – es glaubte sie ohnehin niemand – und obendrein schriftliche Zeugnisse seiner Unschuld von den Königen von England und Polen beizubringen; nichtsdestoweniger riet ter Westen, man solle a Lasco dem Grimm des Kaisers opfern, und a Lasco erklärte der Gräfin: er wolle zum Besten des Landes weichen, nur müsse ihn seine Gemeinde entlassen. Die Gemeinde wollte aber davon nichts wissen: er möge einstweilen „dem Wüten Antiochi“ aus dem Wege gehen, aber sie wolle das Recht behalten, ihn zurückzuberufen, sobald sie seiner bedürfe. Mit den besten Empfehlungsbriefen von der Gräfin versehen verabschiedete er sich den 7. Oktober 1549 von der Gemeinde, die ihm zu Ehren ein Abschiedsmahl veranstaltete. Zuerst ging er nach Bremen zu seinem Freunde Hardenberg und blieb den Winter über bei ihm, ohne Zweifel schon in der bestimmten Absicht, nach England zu gehen, wo er sicher wusste, dass er willkommen war. Die bestimmte Einladung nach England traf ihn im Frühjahr zu Hamburg, wo er bei seinem Freunde Aepinus sich aufhielt, dem eifrigen Vorkämpfer der niederdeutschen Städte gegen das Interim. Etwa im Mai 1550 erreichte er England.

Doch waren damit weder die Interimsleiden noch auch die gegenseitigen Beziehungen zwischen a Lasco und Ostfriesland zu Ende; a Lasco fuhr nicht bloß fort, alle ihm befreundeten in Ostfriesland zur Treue zu ermahnen, er wollte es auch nicht zugeben, dass seine Stelle als eine erledigte behandelt werde. Ein gewisser Nicolaus Buscoducensis, – vermutlich auf Betreiben der Gegenpartei am Hofe – machte Miene, sich an a Lascos Stelle setzen zu lassen, aber a Lascos energischer, von seinen Freunden in Emden, Bremen, Hamburg und England unterstützter Protest vermochte Nicolaus, von diesem Beginnen abzustehen. Die Gräfin stimmte a Lasco stillschweigend bei, hielt ihm vor der Hand seine Stelle offen und blieb fortwährend mit ihm in Verkehr; er sandte ihr die oben erwähnten Rechtfertigungsschreiben vom König von Polen zu, und sie bediente sich seiner Vermittlung, wenn sie am englischen Hofe Geschäfte zu verrichten hatte. Noch kein Jahr hatte a Lasco Ostfriesland verlassen, so begann der Interimssturm von neuem. Graf Johann ersah die Gelegenheit, noch einmal sich in die Angelegenheiten Ostfrieslands zu mischen, unerwartet wurden die Stände nach Leer zusammenberufen, und Johann erschien mit einem kaiserlichen Schreiben, welches schonungslose Durchführung des kaiserlichen Interims verlangte. Die Vertreter des Landes eilten nach Hause, die Stimmung ihrer Gemeinden zu erkunden, und mit überraschender Übereinstimmung erklärte sich das Volk dahin: „wenn es denn gar nicht anders gehe, so wolle man es lieber mit dem Kaiser als mit Gott verderben, man werde es darauf ankommen lassen, was Menschen denen zufügen könnten, die sich dem Hüter Israels anvertrauten, der nicht schläft noch schlummert; es solle bei der Lehre bleiben, der sie nun 30 Jahre angehangen hätten.“ Die Antwort überbrachten die Stände dem Grafen Johann nach Leer, sie blieben bei allem Drohen ruhig und fest: Johann zog unverrichteter Sache ab. a Lascos Gemeinden hatten ihre Probe bestanden, Graf Johann hatte wider Willen zu a Lascos Genugtuung den Beweis geliefert, dass dessen Arbeit in Ostfriesland nicht vergebens gewesen war.

2. England 1550-53.

Der Umschwung zu Gunsten des Protestantismus, welcher in England mit der Thronbesteigung Eduards VI. unter dem Protektorat des Herzogs von Somerset eintrat, zog alsbald eine Menge von Fremden nach London, welche daheim ihres Glaubens nicht leben durften: Franzosen, Italiener und Niederländer; die letzteren bildeten die größte Zahl, und die Interimswirren brachten alsbald viele Flüchtlinge aus ganz Niederdeutschland hinzu. Der König beschloss, sich dieser Fremden mit wahrhaft königlicher Gastfreiheit anzunehmen und ihnen freien Gottesdienst in ihrer Muttersprache zu verschaffen. Durch ein königliches Dekret vom 24. Juli 1550 wurde den Fremdlingen die Augustinerkirche zu London eingeräumt und den 12. Dezember übergeben an die Niederländer; der Verschiedenheit der Sprache halber erhielten die Franzosen ihr besonderes Gotteshaus, desgleichen im folgenden Jahr die Italiener, doch bildeten diese Gemeinden ein Ganzes durch regelmäßige Zusammenkünfte der Ältesten und Pastoren der verschiedenen Gemeinden zu gemeinsamer Beratung und Handhabung der Zucht, a Lasco war als Superintendent an ihre Spitze gestellt, und das genannte Dekret gestattete ihnen ausdrücklich und vollständig ihre eigentümliche Gottesdienstordnung und Kirchenzucht, trotzdem sie darin von der englischen Kirche sich unterschieden, nur reservierte sich der König als Oberhaupt der Kirche nächst Christo, dass die von der Gemeinde frei gewählten Diener am Wort ihm zu präsentieren und von ihm zu bestätigen seien.

Diese Selbstständigkeit namentlich im Cultus zu erwerben, hatte a Lasco beträchtliche Mühe aufwenden müssen. Denn der Erzbischof Cranmer, der die Reformbewegung hauptsächlich leitete, verfolgte darin eine andere Richtung. Wie überhaupt Cranmer zum Kompromissmachen wie geschaffen war und in der Lehre wie in der Verfassung alle streitigen Ansichten durch Akkordieren zu versöhnen trachtete, so konnte er sich namentlich nicht zu dem entschiedenen Bruch mit dem alten Cultus verstehen, dem a Lasco das Wort redete. Cranmer machte Einwendungen gegen a Lascos Verfahren; während Cranmer prächtige Priestergewänder beibehalten wissen wollte, wünschte a Lasco lieber gar keine besondere Tracht für die Geistlichen, insonderheit legte er Gewicht darauf, dass das Abendmahl an einem Tische sitzend gehalten werde, a Lasco ging überall von dem Grundsatz aus: „wir dürfen nichts tun, am wenigsten in Sachen des Gottesdienstes, wobei wir nicht mit festem und ruhigem Gewissen versichert sein dürfen, dass wir es dem Worte Gottes gemäß tun können“, das Wort Gottes sage uns, wie Gott von uns wolle geehrt sein, da solle man sich ja hüten, in eigner Klugheit und guter Meinung etwas davon oder dazuzutun; Gehorsam sei besser denn Opfer, und wer die Gesichte seines eignen Herzens predige (Jer. 23: 16, 28 ff.), sie mögen so gottesdienstlich scheinen wie sie wollen, der stehle andern das Wort des Herrn (V. 36) und gebe ihnen Spreu statt Weizen in die Hand. Es stehe nicht vergebens geschrieben, was der Herr an Nadab und Abihu tat, da sie fremdes Feuer vor den Herrn brachten, das er ihnen nicht geboten hatte (Lev. 10: 1 ff.), und was den Aberwitzigen widerfuhr, die bessere Speise begehrten als das Manna, das ihnen der Herr gegeben (Num. 11). Darum könne er sich nicht gestatten alles einzuführen, was nur nicht ausdrücklich verboten sei vom Herrn, müsse sich vielmehr alles für unerlaubt anrechnen, was nicht vom Herrn zum gottesdienstlichen Gebrauch angeordnet sei.“ Von hier aus lehnte er denn einerseits die Einführung der englischen Priestergewänder in seine Fremdengemeinde ab, während er andrerseits der sitzenden Abendmahlsfeier dringend das Wort redete, a Lasco fasste nämlich auf Grund des Worts „dieses tut zu meinem Gedächtnis“ das Abendmahl als eine Handlung auf, in der der Herr uns nahe trete, der Art, dass das Mittel seiner Selbstmittheilung keineswegs bloß das Brot und der Wein seien, sondern eben die ganze Handlung und das sie belebende Wort; habe aber Christus geboten zu seinem Gedächtnis so zu tun, wie er tat, so verstehe sich gewiss von selber, dass der Herr, dessen Thun nie bedeutungslos war, bei Einsetzung dieser hochheiligen Gedächtnishandlung alle seine Anordnungen wohl erwogen und gewählt habe; und sei denn nicht dies Ansitzen ein bedeutungsvolles Pfand und Gelöbnis der Sabbatsruhe unsrer Seelen in dem Herrn? – Wer nun aber meinen wollte, a Lasco habe aus diesen Dingen, die ihm selber Gewissenssachen waren, auch ein Joch für andrer Leute Gewissen gemacht, der verstände ihn nicht; so gut er wusste, dass seine Anschauungen Hand und Fuß hatten, so wenig vermaß er sich zu glauben, er habe sie nach allen Seiten hin abgeschlossen. Größeres Gewicht auf den Cultus zu legen musste ihn natürlich der Interimshandel gelehrt haben, aber es kam ihm nicht in den Sinn, Cranmer es übel zu deuten, als derselbe auf seinem Sinn bestand; wir finden vielmehr, dass zwischen beiden Männern nach wie vor ein herzliches Verhältnis bestehen blieb, und als einer der Pastoren der Fremdengemeinde sich einmal beigehen ließ, jede andre als die sitzende Abendmahlsfeier für götzendienerische Verstümmelung der Einsetzung des Herrn zu erklären, zog er sich von a Lasco und dem gesamten Ältestenkollegio eine strenge Rüge zu. Auch nahm a Lasco keinen Anstand, das Abendmahl in einer fremden Gemeinde nach andrem Ritus mitzufeiern, das tat er z. B. in Wittenberg bei Melanchthon.

Die eben mitgeteilten Erörterungen zwischen a Lasco und Cranmer trugen denn die Frucht, dass, wie gesagt, durch ein königliches Patent ihm vollkommen freie Hand gegeben wurde, seine Fremdengemeinde lediglich nach Gottes Wort zu konstituieren und zu leiten; rührig wurde sofort die Hand ans Werk gelegt. Noch in demselben Jahre, 1550, erschien in holländischer Sprache ein Glaubensbekenntnis, in welchem das Wesen und die Kennzeichen einer rechten Gemeinde Christi auseinandergesetzt wurden, zunächst zur Zurechtweisung für die, welche sich zur Gemeinde der Fremden in London gesellen wollten. Das war die älteste niederländische Konfession, sie ist später auch in Holland zwar nicht in kirchenrechtlicher Geltung aber doch weit verbreitet gewesen; wie sie wirkte, sehen wir daraus, dass Alba und die Inquisitoren sie auf den Index brachten und mit solchem Eifer verfolgten, dass sie vollständig verloren und fast vergessen war, bis vor etwa 18 Jahren ein Exemplar einer späteren Auflage zu Utrecht entdeckt wurde. Schon 1551 folgte eine kurze Darstellung des reformierten Lehrbegriffs, wie er in diesen Gemeinden vorgetragen wurde in Gestalt eines Katechismus; es ist derselbe, den a Lasco schon in Emden ausgearbeitet aber noch nicht dem Druck übergeben hatte. Desgleichen wurden auch liturgische Formulare ausgearbeitet und poetische Bearbeitungen der Psalmen Davids und anderer biblischer Hymnen versucht, vor allem eine Kirchenordnung entworfen. Bei diesen Arbeiten standen a Lasco zwei junge Niederländer zur Seite, deren Name hier mit Auszeichnung genannt werden muss: Martinus Micronius, einer der Pastoren, den a Lasco seinen Theseus nennt, und Johann Utenhove, einer der Presbyter der niederländischen Gemeinde. Alle beide waren aus Gent gebürtig und von sehr ansehnlicher Herkunft. Micronius soll eigentlich anfänglich Arzt gewesen sein, ja selbst medizinische Schriften geschrieben haben; beide hatten eine ganz ähnliche Entwickelung durchlaufen, wie a Lasco, waren durch die schweizerischen Reformatoren angeregt und eng mit ihnen befreundet – die Utenhoves standen auch mit Erasmus in Verbindung – und hatten sich um die Zeit der Thronbesteigung Eduards VI. von den Niederlanden nach England begeben: alles traf zusammen, um sie so innig wie möglich mit a Lasco zu verbinden. Utenhove übersetzte die Konfession und den Katechismus ins Holländische und begann die Bearbeitung der Psalmen Davids für den Kirchengesang; allmählich erschienen kleinere Abtheilungen, eine vollständige Sammlung erst 1566. Micronius war in ähnlicher Weise tätig um die Liturgie und die Kirchenordnung, welche a Lasco lateinisch entworfen zu haben scheint, in holländischer Sprache zu bearbeiten; wie er später in der Katechismusangelegenheit gewirkt, werden wir unten hören. Vor allen Dingen, man wird das von vornherein erwarten, richtete a Lasco sein Augenmerk auf die Kirchenordnung und die Kirchenzucht. Der wallonische Theil der Fremdengemeinde hatte die Genfer Kirchenordnung angenommen, für die niederländische Abtheilung arbeitete a Lasco eine selbstständige Ordnung aus, wahrscheinlich unter Zugrundlegung der in Emden begonnenen aber nicht zu Ende gebrachten Kirchenordnung. Schlechterdings nur nach Gottes Wort soll die Gemeinde geordnet und geleitet werden, verlangt a Lasco; so sollen auch keine andern Diener angestellt werden, als die das Wort Gottes vorschreibt. Das sind aber dreierlei Diener, nämlich Älteste, Diakonen und Doktoren. Die Ältesten aber zerfallen in zwei unter sich ganz gleiche Klassen, die einen verwalten den Dienst am Wort und die Sakramente, das tun die andern nicht, sind aber mit jenen zugleich Hüter und Bewahrer der ganzen Gemeinde durch Handhabung der Zucht. Unter Aufsicht dieser Ältesten haben denn die Diakonen die Almosen zu sammeln und zu spenden, nur in schwierigen Fällen treten die Kollegien der Ältesten und der Diakonen zu gemeinsamer Beratung zusammen. Die Doktoren haben die christliche Erkenntnis und Wissenschaft zu fördern und zu vertreten; sie unmittelbar der Gemeinde ersprießlich zu machen, diente die sogenannte Prophezei oder Collatie, d. i. gemeinsame Schriftuntersuchung und Besprechung der Predigten durch sämtliche Älteste und Lehrer. Von diesen Ämtern waren das Ältesten- und Doktorenamt lebenslänglich, das Diakonenamt einjährig. Sollte eine Wahl zu irgend einem Amt vorgenommen werden, so bereitete sich die ganze Gemeinde dazu vor durch einen allgemeinen Buß- und Bettag, dann wurde das Wesen des Dienstes, der besetzt werden sollte, der Gemeinde auseinandergesetzt und dieselbe zu gewissenhafter Wahl ermahnt. Die Wahl geschah alsdann durch schriftliche Abstimmung, worauf die Ältesten die Stimmen prüften und den nach ihrer Überzeugung Tüchtigsten beriefen. Die Ältesten hatten also die Entscheidung in Händen und die Wahl der Gemeinde war nur ein Vorschlag; nur hatte die Gemeinde das Recht, in einer feststehenden Frist ihre Bedenken vorzubringen und erst nachdem die Frist verstrichen und die etwaigen Einsprachen erledigt worden, wurde der Gewählte in fein Amt eingeführt. Das Hauptgewicht fällt überall in a Lascos Kirchenordnung auf die Disziplin. Dieselbe wird von ihm nicht bloß als Schutzwaffe der Gemeinde gegen falsche Brüder betrachtet; sie ist ihm ein wesentliches Erziehungsmittel der Gemeinde; neben reiner Predigt und schriftgemäßer Sakramentsverwaltung steht ihm die Kirchenzucht als drittes äußeres Kennzeichen der Gemeinde Christi. Jedes Mitglied der Gemeinde ist ihr unterworfen und gegen die Diener der Gemeinde, weil ihr Fall größeres Verderben bringt, als jedes andern Fall, soll sie am gewissenhaftesten gehandhabt werden; ebenso ist jeder zur Ausübung der kirchlichen Zucht verpflichtet, d. h. zur Ausübung im Stillen; jeder soll sich seines Bruders annehmen, dass er keinen Schaden nehme, und erst wo die stille brüderliche Zucht verschmäht oder die ganze Gemeinde geärgert wurde, trat öffentliche Strafe ein: zunächst Ermahnung und Bestrafung vor dem Collegio aller Gemeindediener und dann je nach dem Erfolge öffentliche Buße oder öffentliche Abschneidung und nach geschehener Buße und Besserung Wiederaufnahme in die Gemeinde. Calvinisch, wie man gemeint hat, war demnach a Lascos Kirchenverfassung nicht. Calvin kennt nicht die Gleichstellung aller Ältesten und statuiert keine Mitbeteiligung der Gemeinde bei Wahlen, auch ist ihm die Gemeinde nicht Inhaberin und Verwalterin aller Kirchengewalt; man war sich zu London des Unterschiedes von Genf auch wohl bewusst.

Niemand wird erwarten, dass es a Lasco auf den ersten Griff gelang, ein in allen Zügen richtiges Bild apostolischer Gemeindeverfassung aus der Schrift zusammenzustellen und auf feine Gemeinde anzuwenden; es ist hier nicht Raum, genauere Prüfungen anzustellen; es sei aber denen, die so gern mit bequemen Stichwörtern gegen die reformierten Väter ins Feld rücken und klagen, dass dieselben in „abstrakter“ Weise die Kirche nach apostolischer Schrift gestalten wollten – denen sei geantwortet, dass ja sie bei solcher Klage ganz abstrahieren von den konkreten Verhältnissen, unter welchen a Lasco wirkte. War es wirklich so abstrakt, eine Gemeinde von Leuten, die sämtlich um des Glaubens willen Vaterland, Freundschaft und Erbe verlassen hatten und nun im fremden Lande durch das Band gemeinsamen Glaubens und Bekenntnisses zu einer mit dem Staat nur lose zusammenhängenden Gemeinschaft vereinigt lebten, regieren zu wollen nach apostolischem Vorbild? Es würde nicht so viel böses Blut unsere kirchliche Gegenwart aufregen, wenn stets so den konkreten Verhältnissen gemäß in und mit der Kirche gehandelt wäre, wie a Lasco tat. Aber das wäre freilich ein heilloses Experiment, wollte man Ordnungen, die eine solche Gemeinde wie die Londoner tragen und kaum tragen konnte, ohne weiteres und in ihrem vollen Umfange übertragen auf Massen, deren Zusammenhang mit der Gemeinde Christi vor der Hand und größtenteils lediglich auf Blutsverwandtschaft und nicht auf Wahlverwandtschaft beruht. – Es ist hier aber der Ort zu erzählen, wie wichtig die Londoner Gemeinde und a Lascos Wirken in ihr für die gesamte reformierte Kirche germanischer Zunge geworden ist. Der Londoner Katechismus ist durch eine Verkettung von unten näher auseinanderzusetzenden Umständen, dass ich so sage, ein Ahnherr des Heidelberger Katechismus geworden. Utenhoves Psalmbearbeitung bezeichnete auch für die geistliche Dichtung und den Kirchengesang der deutschen reformierten Kirche den Weg, den die französische bereits hinsichtlich des Kirchengesangs eingeschlagen hatte. Der Kirchengesang wurde wesentlich Psalmgesang, freilich nicht in der exklusiven Weise, die bald nachher durch Dathen und besonders den Herrn von St. Aldegonde zur Geltung kam, wonach man im Kirchengesang nur in Reim gebrachte Schriftworte gelten ließ. Utenhove hatte auch andere Lieder angehängt; in bleibendem Gebrauch blieben seine Psalmen aber nicht, die Bearbeitung Dathens trat an ihre Stelle, in welche nur Utenhoves Bearbeitung der Glaubensartikel und ein Lied vor der Predigt aufgenommen wurden. Mutmaßlich lag die Ursache darin, dass Dathen durchaus nach den französischen Psalmen sich gerichtet hatte, bei Utenhove stimmten nicht alle Psalmen in Strophenbau und Melodie mit den französischen überein; welchen Einfluss überhaupt die letzteren, deren erste vollständige Ausgabe Ende 1552 erschien, auf Utenhoves Arbeit ausübten, wüsste ich nicht näher zu sagen. Die liturgischen Formulare a Lascos sind zum Theil noch heute in der reformierten Kirche in Gebrauch, die meisten Stücke der niederländischen und der pfälzischen Agende gehen zurück auf a Lasco. Ebenso waren a Lascos Anschauungen über Verfassung und Cultus von Einfluss auf die Gestaltungen, welche späterhin die reformierte Kirche in Holland und den benachbarten Gegenden, wie auch in der Pfalz einging. Besonders wichtig wurde die Londoner Fremdengemeinde für die englische Kirche selbst. Es ist schon gesagt, dass dieselbe ihr Gepräge erhielt durch den überall vermittelnden Erzbischof Cranmer. Die Mehrzahl der Bischöfe und der wirklich protestantischen Gemeindeglieder war der Richtung Cranmers abhold, keineswegs einzelne, sondern sehr viele und grade die gemäßigteren Bischöfe wünschten die Kirche von Zürich zum Vorbild genommen zu sehn; wäre es nach ihrem Sinn gegangen, so wäre man nicht stehen geblieben, wo Cranmer stehen blieb. Was sie nun selber zu erreichen wünschten und nicht vermochten, sahen sie in a Lascos Gemeinde deutlich vor Augen, und schon damals wurden nicht selten Stimmen laut, die den Bruch zwischen Episkopalen und Puritanern ahnen ließen, welcher sich später vollzog. Ein Vorspiel jenes großen Kampfes werden wir unten sich vollziehen sehen grade in einem zersprengten Theil der Londoner Fremdengemeinde – zu Frankfurt.

Nach diesem allen bedarf es nicht mehr ausdrücklicher Betonung, welch eine rege Tätigkeit a Lasco in England entfaltete; die Gemeinde und die damals in England tätigen eminenten Persönlichkeiten boten ihm die reichste Anregung. Unter den Engländern stand er Cranmer und Bischof Hooper besonders nahe, von den auswärtigen nach England gezogenen Gelehrten zog ihn vor allen Petrus Martyr an, welchen hinwiederum a Lascos wissenschaftliche und praktische Tüchtigkeit, wie religiöse Innigkeit mit Achtung und Liebe erfüllte. Schwieriger wurde es a Lasco, sich in Bucer zu finden, dessen rastlose Unterhändlerbetriebsamkeit ihm geeignet schien, die Sachen eher zu verwickeln, als zu lösen. Zu seinem Schmerz starb B u c er, ehe sie sich so vollständig geeinigt hatten, wie sie beide hofften. Am lebhaftesten war der wissenschaftliche Verkehr zwischen England und Zürich. Gar zu gern hätte a Lasco Bullinger selbst nebst Bibliander, Musculus und Castalio nach England kommen sehen; da das nicht ging, waren sie durch Briefe und Schriften in desto lebhafterem Verkehr, a Lasco gab auch Bullingers Schrift von den Sakramentern mit einer Vorrede in England heraus. Mit besonderer Freude erfüllte ihn der Abschluss des Zürcher Consensus, in welchem die Zürcher und Calvin ihre Einhelligkeit in der Abendmahlslehre dokumentierten; a Lasco unterschrieb denselben und setzte seine eigene Sakramentlehre in einer ausführlicheren Schrift in eigentümlicher Weise aber ganz in demselben Sinn auseinander. Auch für ein friedsames Verhältnis zu den lutherischen Theologen in Deutschland versprach er sich durch den Zürcher Consens viel. Denn den Entwicklungsgang der Kirche und Theologie in Deutschland verlor er nie aus den Augen und folgte auch selbst den Streitigkeiten, die Osiander über die Lehre von der Rechtfertigung und sein Freund Aepinus über den Artikel von der Höllenfahrt zu bestehen hatten, mit lebhaftem Interesse. Man findet auch, dass durch a Lascos Vermittlung die politischen Bewegungen von England aus unterstützt wurden, welche den Bruch zwischen Moritz von Sachsen und dem Kaiser herbeiführten und dem Interimsjammer ein Ende machten.

Häusliche Trübsale brachten in dieses rege Leben eine lange bange Störung. Im Jahr 1551 wurde a Lascos Frau von einer damals grassierenden Seuche, dem englischen Schweiß, ergriffen, und den folgenden Tag erkrankte er selber auch. Kaum wurden beide gerettet; aber die Frau musste bei einem Besuch im Hause des Erzbischofs Cranmer einen zweiten Anfall der Krankheit erfahren und dauerndes Siechtum trat ein, dem sie im Sommer 1552 erlag. Ungewohnte Sorgen um das verödete Haus, eigne unaufhörliche Kränklichkeit machten ihn auch für die notwendigsten Berufsarbeiten untüchtig; erst nach Jahresfrist begann er langsam sich zu erholen, und nachdem er die Sorgen um das Hauswesen einer zweiten, wie es scheint eben so glücklich gewählten, Gattin abgetreten, legte er langsam wieder die Hand ans Werk.

Die Arbeit wurde sauer; a Lasco ahnte nicht, wie bald ein erschütternder Schlag sie abbrechen sollte. Nicht alle Glieder der Londoner Fremdengemeinde konnten die guten Tage tragen, die sie zu genießen hatten, die strenge Disziplin missfiel manchen; selber gerügt, wollten sie durchaus auch andre unter gleiche Strafe bringen. Die Geistlichen selbst gaben Anlass zu Klagen und Rügen. Einer nahm sich heraus, den Artikel von der Höllenfahrt Christi eine Pflanze zu nennen, die der himmlische Vater nicht gepflanzt habe, und die deshalb auszurotten sei, eiferte gegen die Zulassung von Taufzeugen, die bei der Gemeinde üblich waren – sie hießen Mitsorgen, – schalt jede Kniebeugung beim Abendmahl Teufelsdienst und jede andre als die sitzende Abendmahlsfeier eine Verstümmelung der Einsetzung Christi. Ein andrer der wegen Ärgernisses von der Obrigkeit aus seinem Dienst entlassen war, fasste den Plan, Calvin und a Lasco nebst seinen Kollegen aufeinanderzuhetzen wegen der Prädestinationslehre, über welche in London anders gelehrt wurde als in Genf. Wir können diesen Streit nicht verstehen, ohne a Lascos Lehre ein wenig genauer auseinanderzusetzen, und wir tun das um so lieber, da hier die eigentümlichsten Seiten der Lehre a Lascos – von deren vollständiger und zusammenhängender Darstellung wir leider absehen müssen – um einen Mittelpunkt geordnet hervortreten. a Lasco leugnet nicht, dass die ganze Welt- und Heilsgeschichte nach einem vollkommenen von Ewigkeit her entworfenen Rath und Plan Gottes verläuft, aber er fasst Gottes Ratschluss als einen bedingten auf: Gott will sich zu uns so stellen, wie wir uns zu seinem Heilswillen stellen. Gottes Heilswille dreht sich aber um die zwei unverrücklichen Angelpunkte: 1) es ist kein Heil außer in Christo, der als zweiter Adam der ganzen Menschheit zum Haupt verordnet ist; 2) verdammt wird, wer dem nicht glaubt, der gewiss, aber auch nur der. Hieraus ergibt sich alles weitere. „Gott erbarmt sich unser aller in unfern Sünden, ebenso gewiss, wie er uns alle unter die Sünde beschlossen hat, d. h. so, dass er von seiner Erbarmung keinen ausschließt, soviel an ihm ist, sondern sie allen anträgt in Christo, der ja durch seine Menschwerdung sich dem ganzen Menschengeschlechte angeschlossen und die Sünde der ganzen Welt durch seinen unschuldigen Tod gesühnt hat.“ Demgemäß „lässt Gott seine Sonne aufgehen über alle ohne Ausnahme, um allen gleich zu leuchten, lässt regnen über alle ohne Ausnahme und den heilbringenden Samen seines Gotteswortes über jederlei Acker streuen; seine Schuld ist es nicht, wenn der allenthalben hin gestreute Same des ewigen Lebens hier erstickt, da zertreten wird und dort verdorrt.“ „Das Evangelium wird allen Menschen verkündigt und beschließt alle in sich, außer die es mutwillig verachten, verspotten und lästern; es beweiset aber seine Kraft in den Armen am Geiste, die mit Sünden beladen treulich arbeiten, dieselben los zu werden;“ es sind freilich alle durch Adams Fall des freien Willens verlustig, in Sünden tot, d. i. unfähig etwas göttlich gutes hervorzubringen, unfähig aus sich selber zum Glauben zu kommen, nichts ist geblieben als die Möglichkeit ein äußerlich ehrbares Leben zu führen. Hieran knüpft dann aber auch sofort die Arbeit des Geistes Gottes an durch das Wort. „Der Glaube kommt schlechterdings allein aus dem Worte Gottes durch die Kraft des heiligen Geistes, und das Wort ist nimmer leer, sondern bringt immer seine Frucht im Menschen, nachdem das Gesetz vorgearbeitet hat, wo wir nur nach unsrem schwachen Vermögen dem Gehorsam gegen das Gesetz und den Werken des Geistes immer nachjagen und nicht wider unser Gewissen sündigen.“ a Lasco will demgemäß keinem gestatten, über die Seligkeit der Kinder und aller derer, die ohne Kunde von Christo sterben, ein absprechendes Urteil zu wagen. Wer werde denn die Kinder denen gleichstellen, die Gottes Wort verachten? wer könne denn alle Heiden mit gleichem Maße messen? sei denn mit der ererbten Erstorbenheit für das Reich Gottes sofort die definitive Verdammnis gegeben? Vielmehr „wie der Fluch über Adams Sünde alsbald zu wirken begann, so begann auch alsbald die Zertretung des Schlangenhaupts durch die Verheißung; wie wir geboren werden als Kinder des Todes Und Zorns von Natur, sofern wir Kinder Adams des Übertreters sind, so werden wir um des kommen sollenden Christus willen andrerseits, nachdem Adam der Verheißung geglaubt hat, zurechnungsweise für Gläubige angesehen, obgleich wir in Sünden geboren werden, – wo wir nur die Verheißung nicht verachten.“ Erst mit dem Hören des Worts, aber dann auch gewiss, hört alle Entschuldigung auf, die Wahrheit weicht von denen, die ihrer nicht wert waren, um den Zornesoffenbarungen Gottes Platz zu machen; die sie aber aufnehmen, zu denen geht sie mit Freuden ein. In dem Sinne rief a Lasco seinem polnischen Könige und Volke zu: „mochten die Vorfahren immerhin ihre Unkunde zur Entschuldigung haben: du nicht; so hüte dich, dass du nicht vor dem Richterstuhl Christi überführt werdest, du habest die Finsternis lieber gehabt als das Licht, denn das hat der göttliche Mund Christi als den einzigen Grund unserer Verdammnis hingestellt;“ „schrecklich ist, was der Herr unter Tränen Jerusalem und allen angekündigt hat, die die Zeit ihrer Heimsuchung verwahrlosen: fortan müsse vor ihren Augen verborgen werden, was zu ihrem Frieden dient.“ Also „der ungläubige Haufe wird von Gott verdammt mit gerechtem Gericht, nicht als wären sie von Gott zu ewiger Qual erschaffen, der will vielmehr niemand von seiner Gnade ausschließen und hat das ganze Menschengeschlecht in Adam zur Seligkeit gegründet, aber selbstgewollte Verachtung der Gnade Gottes in Christo wird verdammt; wer die wissentlich und geflissentlich verachtet, so sie ihm dargeboten wird, der hat an ihr keinen Theil mehr, der muss nun durch seine ewige Qual Gott verherrlichen wider Willen und den Beweis liefern, dass der Gott, der ihm in Christo die Seligkeit darbot, und den er für seinen gnädigen Vater nicht erkennen wollte, dennoch sein Herr sei.“ Die praktischen Konsequenzen ergeben sich hieraus ebenso einfach wie sicher; denn hat sich Gott in seinem Sohn geoffenbart (nicht verhüllt, ohne Hinterhalt) so ist offenbar, dass er uns damit an sein Wort und dessen Predigt will gebunden haben; „die wir denn nun ihn erkennen für den wahren Gott, der sich durch sein Wort und durch die Sendung seines Sohnes geoffenbart hat, sollen uns halten an die Predigt seines Worts, sollen uns und die Unsrigen einpflanzen lassen in die Kirche durch den Dienst, welchen er der Kirche verordnet hat,“ aber die eignen Gedanken (über die Seligkeit der Heiden u. dgl.) „denen wir so gern folgen, um feine Systeme zu bauen!“ müssen wir zügeln, und auf sich beruhen lassen, was wir nicht wissen sollen. Andrerseits ist hierin auch dem Diener am Wort sein Verfahren klar und scharf vorgezeichnet. Einem Freunde, der missmutig seinen Predigtdienst am polnischen Hof aufgeben wollte, schreibt a Lasco: „du musst Stand halten, strafen nach dem Vorbild des Herrn, der unsre Laster züchtigt, uns aber liebt und für seine Kinder ansieht, so lange wir nicht wissentlich und geflissentlich seine Gnade in Christo von der Hand weisen; so musst du strafen und den Weg zur Besserung zeigen, bis sie dich fortjagen. Die Propheten haben auch nicht durch die Finger gesehen und doch auch bei offenbar gottlosen Königen ihren Posten nicht verlassen; darum musst du auch Stand halten und den Muth nicht fallen lassen; so lange sie noch nicht allzumal Hunde und Säue geworden sind, darfst du ihnen das Heilige nicht entziehen. Du weißt doch, dass der Herr uns durch einen heiligen Eidschwur zugesichert hat, sein Wort werde nie ohne Frucht zu ihm zurückkehren, wo es nur ordnungsmäßig gesät werde; die Hand des Herrn ist nicht verkürzt, wenn wir nur auf unsrem Posten nicht lass werden; ist der Geist aus dem Abgrund mächtig, der Geist Gottes ist noch viel mächtiger.“ Diese allerdings von Calvins Lehre sich entschieden günstig unterscheidende Lehre a Lascos war keineswegs seine Privatmeinung: die entscheidendsten der mitgeteilten Stellen gehörten dem Katechismus und der Liturgie der Gemeinde an. – Der rachsüchtige Mann, der oben erwähnt ist, suchte nun diese von einem Kollegen a Lascos, vermutlich Micronius, (wie von diesem selbst) vorgetragene Lehre so zudrehen, als ob Adams Sünde überhaupt nach a Lasco uns nicht schuldig stelle vor Gott, als ob er die Erkenntnis Christi nicht für unumgänglich zur Seligkeit gelten lasse; endlich klagte er über Verunglimpfung Calvins. Die beiden ersten Klagpunkte widerlegten sich leicht, auf den letzten Punkt lautete die Antwort rund und klar: man wisse sehr gut, was man an Calvin habe, feine Prädestinationslehre aber billige man nicht, feine harten Ausdrücke seien vielen zum Anstoß, Adams Sünde und Christi Verdienst feien genauer zu würdigen. Damit hatte diese „Tragödie“ ein Ende, ohne dass die freundschaftlichen Beziehungen zu Calvin im mindesten gestört wurden. Aber a Lasco und andre klagten, dass man nicht dankbarer die guten Tage aus der Hand des Herrn hinnehme; so werde die züchtigende Hand Gottes herausgefordert, und werde nicht ausbleiben. Sie schwebte schon über den Häuptern.

In demselben Briefe, in welchem a Lasco feinem Bullinger über diese Dinge schrieb, den 7. Juni 1553, meldete er die Kränklichkeit des jungen Königs und die Hoffnung auf Genesung. Er täuschte sich; einen Monat später, den 6. Juli, wurde derselbe, „der Josias des Jahrhunderts,“ aus dem Leben abgerufen. Eine dumpfe Gewitterschwüle folgte. Nach wenig Tagen stieg die katholische Maria auf den Thron, und das Ungewitter entlud sich in vernichtenden Schlägen. Unverkennbar gab sich die Absicht der Königin und ihres Rates kund, die Protestanten unter dem Vorwand des Hochverrats dem Henker zu überliefern; so gut wie diese Versuche gegen Cranmer und Petrus Martyr gemacht wurden, mussten die Häupter der Fremdengemeinde ein Gleiches erwarten. Die Geschichte hat diese Befürchtungen grässlich gerechtfertigt; man weiß, dass während Marias fünfjähriger Regierung 288 protestantische Märtyrer in England verbrannt, dass selbst die Gebeine Bucers und der Frau Petrus Martyrs aus dem Grabe geholt und auf den Scheiterhaufen gebracht wurden. Solche Verfolgungen richtig vorher sehend rief a Lasco die Ältesten und Diakonen zu einer Beratung zusammen; man beschloss, ein Theil der Gemeinde solle ausgehen und anderwärts eine Zufluchtsstätte suchen, wohin der Rest nachfolgen könne. Einmütig richteten alle die Augen nicht nach dem von Brabant her und durch die Unruhen Albrechts des Kulmbachers bedrohten Ostfriesland, sondern nach Dänemark, dessen König, dem Ruf seiner Frömmigkeit nach, ein Ebenbild des verstorbenen Eduard sein musste. Zwei auf der Themse segelfertig liegende dänische Schisse waren bereit, sie hinzubringen; an der Spitze der Zurückbleibenden hinterließ man den einen Geistlichen der Niederländer, Petrus Deloenus, und einen der Wallonen, Franz Niverius, welche nach einigen Monaten voll Sorgen und Lebensgefahr den Übrigen auf die Flucht folgen mussten. Die Reifefertigen, meist Niederländer, denen sich auch Wallonen, einige Schotten und Engländer angeschlossen hatten, zusammen etwa 170 Seelen, gingen den 17. September unter Segel zu Gravesand, wohin eine große Zahl der zurückbleibenden Männer und Frauen ihnen das Geleit gaben. Als die Anker gelichtet wurden, und sie unter Tränen und Segenswünschen sich verabschiedet hatten, klommen diese einen nahen Hügel hinan, von welchem aus sie den Flüchtenden noch lange nachsehen konnten; als die Gestalten der Enteilenden zu verschwimmen begannen, stimmten sie einen Psalm an, der als letzter Gruß den Fliehenden über die Wogen nachklang. Dann entfernten sie sich, Almosen für ihre Armen zusammenlegend auf die hereinbrechenden Tage der Trübsal.

3. Dänemark. 1553.

Zuversichtlich rechneten die Flüchtlinge auf eine gastliche Aufnahme in Dänemark; und nicht allein sie, auch in Straßburg teilte man ihre Erwartungen. Johann Sturm hoffte durch a Lasco eine Professur in Kopenhagen für den gleichfalls vertriebenen Petrus Martyr auszuwirken. Desto bitterer war die Täuschung, die sie erfuhren. Nach einer stürmischen Seereise, in welcher ein Sturm beide Schiffe trennte, fanden sich erst gegen Ende Oktober die Flüchtlinge wieder zusammen in Helsingör, wo sie vernahmen, dass der König in Jütland zu Kolding sei. Dort beschloss a Lasco mit Micronius und Utenhove ihn aufzusuchen, während die Übrigen nach Kopenhagen gingen. Einige waren schon vorher an der norwegischen Küste ausgestiegen und wollten zu Fuß im Winter durch Norwegen nach Dänemark ziehen: ein einziger von ihnen kam nach einem halben Jahr zu einem Gerippe abgezehrt nach Kopenhagen – alle andern scheinen den Strapazen erlegen zu sein, a Lasco gelangte den 8. November mit seinen Begleitern nach Kolding, wo er sich an den Hofprediger des Königs, Paulus Noviomagus, wendete, welcher ihnen seine Fürsprache beim Könige zusagte. Es währte ein paar Tage, ehe sie bei diesem vorgelassen wurden, doch vorher, so wünschte man, möchten sie eine Predigt des Noviomagus mit anhören; die Sorge, welche sie bereits beschlich, zeigte sich hier nur zu begründet. In seiner Predigt fuhr Noviomagus gegen die reformierte Abendmahlslehre heraus: die Anhänger derselben seien gräuliche Ketzer, „welcher Ende sei die Verdammnis“, „man müsse mit Fingern auf sie zeigen, damit jeder sie meide“. Seinen ganzen Text, Phil. 3:1? ff. richtete er gegen sie! So vorbereitet erschienen die Schutzflehenden vor dem König, welcher ihnen die Hand reichte und von a Lasco sich ihre Bittschrift überreichen ließ, in welcher sie ihre Lage auseinander setzten, um die Gewährung freier Religionsübung in Dänemark baten, und sich erboten, über ihre Lehre und Gottesdienstordnung jede begehrte Auskunft zu geben. Der König sprach ihnen seine Teilnahme aus; es freue ihn, dass sie so voll Zutrauen auf ihn nach Dänemark gekommen seien, er werde die Sache in Erwägung ziehen. Nach mehreren Tagen erhielten sie die Antwort, der König bedaure ihr Schicksal, freue sich, dass sie in der Trübsal nicht wieder zum Papsttum übergegangen seien, könne ihnen aber nur indem Falle eine gastliche Aufnahme in seinem Lande bieten, dass sie in allen Stücken die Lehre und den Cultus der Dänen annähmen. Wollten sie das nicht, so müssten sie fort, aber an Empfehlungen seitens des Königs solle es ihnen dann nicht fehlen. Noch einmal wagten sie, ihre Bitte zu wiederholen, doch mit der Entgegnung, es sei ihnen Gewissenssache, Lehrstücke und Gottesdienstordnungen, die sie mit der Schrift streitig erkennten, nicht anzunehmen; hätten sie nur die Wahl zwischen Gewissenszwang und Leiden, so würden sie in Gottes Namen über sich ergehen lassen, was der über sie kommen lassen wolle. Ehe hierauf Antwort einlief, kam es dann zu Verhandlungen mit dem Hofprediger Noviomagus und dessen Kollegen Henricus Buscoducensis über die erwähnte Predigt des erstgenannten, über die Abendmahlslehre, die Gottesdienstordnung, die Autorität Luthers. Natürlich half alles nichts. Vergebens waren alle Gegengründe, vergebens wurde darauf hingewiesen, wie man trotz des Unterschiedes in der Lehre die um des Interims willen verfolgten schwäbischen Prädikanten in Zürich aufgenommen habe, vergebens gesagt, wenn der König die Mönche im Lande dulde, so könne er doch sie noch viel eher dulden. Die Antwort war: „ihr tut uns leid, aber ihr müsst fort, Ketzer seid ihr doch, der König kann eher die Papisten im Lande haben, als euch“ – man hatte ihnen Glück gewünscht, dass sie nicht wieder Papisten geworden! Endlich versuchte a Lasco noch für sich und die Seinen wenigstens während des Winters ruhigen Aufenthalt in Dänemark auszuwirken und die Hofprediger versprachen, sich dahin zu verwenden. Wie sie es taten, erhellt unter anderem daraus, dass Buscoducensis den folgenden Tag kam, sie schlagend ihrer Ketzerei zu überführen, indem er a Lasco und seinen Gefährten Luthers Travestie des ersten Psalms vorlas: „wohl dem, der nicht wandelt im Rath der Sakramentierer, noch tritt auf den Weg der Zwinglianer, noch sitzet, da die Zürcher sitzen.“ Den 17. Novbr. kam entschiedene Antwort vom Könige: entweder ganz zu seinen Ansichten müssten sie übertreten oder das Land räumen; gleicher Befehl solle nach Kopenhagen abgehen, und auch Alten, Kranken, Wöchnerinnen kein Aufenthalt vergönnt sein; nur zwei Söhne a Lascos mit ihrem Hofmeister wurden ausgenommen und ihm selber eine Unterstützung von 100 Thalern geschenkt, von der er sofort einen Theil nach Kopenhagen beförderte. Aber selber durfte er seine Gemeinde nicht wiedersehn und nur mit genauer Noth erhielt er Erlaubnis, an sie zu schreiben. Er schlug den geraden Landweg nach Deutschland ein und wendete sich jetzt natürlich nach Emden, wo er den 4. Dez. ankam.

Wie ein Blitzschlag trafen diese Nachrichten die in Kopenhagen auf besseren Bescheid rechnenden übrigen Flüchtlinge, deren erster Empfang in dieser Stadt das Beste hoffen ließ. Sobald sie nur dargetan, dass sie mit keiner Wiedertäufern zu schaffen hatten und lediglich um des evangelischen Bekenntnisses willen vertrieben waren, hieß sie der Magistrat gutes Muths sein und gestattete ihnen, sich einzumieten, Wintervorräte einzukaufen und vorläufig von Lasten und Abgaben frei alle nicht besonders privilegierten Handwerke zu treiben; nur solle Hermes Backerel, Presbyter und Schullehrer der Gemeinde, der einstwellen an ihre Spitze gestellt war, Gottesdienst und Schule anstehen lassen, bis Bescheid vom Könige käme. So hatten sie drei Wochen Ruhe in Kopenhagen. Aber als der Bescheid von Kolding eintraf, wurden am ersten Dezember Backerel und David Simpson, ein englischer Prediger, der mitgeflohen war, vor den Magistrat und die Geistlichkeit beschieden, um dort von Palladius, dem Superintendenten von Kopenhagen, wegen ihres Glaubens befragt zu werden. Natürlich wurde besonders vom Abendmahl geredet und das Ende war, dass Palladius offen erklärte, es stehe trotz der Unterschiede in der Lehre nichts im Wege, diese Flüchtlinge für Brüder zu erkennen und zu behandeln; dieselbe Erklärung gab er am Ende eines Gesprächs mit sieben Andern von den Flüchtlingen ab; mit um so größerem Schmerz teilte er dann den Brief des Königs mit, der ihre sofortige Entfernung befahl, und gab ihnen anheim zu überlegen, ob sie nicht in allem sich dem Könige anschließen könnten, so hätten sie das Beste zu erwarten. Sie antworteten ganz dasselbe, was a Lasco dem Könige in Kolding erklärt hatte, und baten, man möge sie doch nicht mitten im Winter in Sturm, Frost und Schneegestöber hinausjagen, jedenfalls den Alten, Schwachen und Schwangeren während des Winters den Aufenthalt vergönnen. Der Magistrat versprach mitleidig sich für sie zu verwenden. Aber der König, oder seine Hofprediger, kannten kein Erbarmen; die Antwort lautete: unverzüglich hinaus, ohne Ausnahme, ohne Frist! Auch das den Söhnen a Lascos gegebene Versprechen wurde gebrochen.

Die Lage der Flüchtlinge war grässlich. Es war um die Mitte des Dezembers und Sturm, Frost und Schneegestöber wechselten miteinander ab, so dass sich Niemand ohne Lebensgefahr auf See wagen konnte und Alte, Kranke, Kinder und mehrere der Entbindung nahe Frauen ihren sichern Tod erwarten mussten. Dazu gesellte sich der Mangel. Die Geldvorräts waren erschöpft und das für den Winter Eingekaufte musste teilweise noch zurückgelassen werden; überdies war der Hauptwohltäter der Armen, ein wallonischer Presbyter, Martin Commelinus, kurz zuvor in Helsingör gestorben, sein Vermögen mit Beschlag belegt, – es wurde erst im folgenden Jahr, gehörig beschnitten, den Erben ausgeliefert – die Armenkasse erschöpft. Gerade zur rechten Zeit erschien ein von London ihnen nachgeschickter Diakon mit einer Geldunterstützung. Und wo sollten sie endlich Aufnahme finden? Allein der Umstand, dass in Kopenhagen die Pest wütete, konnte ihnen alle Häfen schließen. Den 12. Dezember wurden sie auf mehrere endlich aufgetriebene Schiffe gebracht, die sie nach verschiedenen Ostseehäfen führen sollten; sie nahmen eben ein gemeinsames Frühstück ein, als ihnen Befehl zuging, unverzüglich aufzustehen und sich an das Gestade zu verfügen. Der einzige Segenswunsch, den sie mitnahmen, waren die Tränen des Mitleids von vielen Zuschauern, die verheißene Empfehlung des Königs bestand in der Weisung: bei Todesstrafe nicht an der dänischen Küste zu landen, es möge sie treffen was da wolle. Die See ging hoch, als sie die Kähne bestiegen, um zum Schiff zu fahren, und alle Umstehenden fragten sich bange, ob wohl einer lebendig zum Schisse gelangen werde. Da huben die Kinder in einem Boot den zweiten Psalm zu singen an:

Hoe rasen so die Heydenen te hoop
End de volcken betrachten ijdel dinghen,

die Alten in den andern Böten stimmten ein: mit den letzten Klängen des Liedes waren alle wohlbehalten an Bord. Bis zum 18. Dezember mussten die drei Schiffe auf der Kopenhagener Rhede contrairer Winde halber liegen bleiben, vor sich das Grab in den Wellen und den Tod durch Frost und Mangel, hinter sich die Barmherzigkeit eines christlichen Königs mit dem erhobenen Henkerschwert, über sich den, der auch das Schreien der jungen Raben hört., Von der Pestilenz, die in Kopenhagen während der letzten Zeit mehrere tausende Opfer gefordert, waren die Flüchtlinge, obgleich viele von ihnen in den angesteckten Häusern gewohnt, vollständig verschont geblieben; bei Menschen hatten sie vergebens angeklopft, von Fürsten und Geistlichen umsonst Schutz erfleht, ihr Muth wuchs, je mehr sie allein Gottes Hand sich preisgegeben sahen. Wind und Wellen haben Erbarmen, Frost, Hunger und Pestilenz kennen Verschonung, aber wehe wer in Menschenhände fällt, bei Menschen ist keine Gnade! Am 18. stellte sich günstiger Wind ein, und die Schiffe gingen unter Segel. Alle Gefahren dieser Fahrt wurden überstanden, nicht einer scheint das Leben eingebüßt zu haben. Vor Weihnacht 1553 betraten die Flüchtlinge an drei verschiedenen Stellen unfern Rostock, Wismar und Lübeck das Land.

Hier lassen wir vorläufig die Flüchtlinge, um uns nach a Lasco umzusehen, der schon vierzehn Tage vorher Emden erreicht hatte. Doch werden wir schon hier die Frage beantworten müssen, wie sich eine so barbarische Gastfreundschaft in einem angeblich evangelischen von einem wegen seiner Gottseligkeit berühmten Könige regierten Lande eigentlich erkläre. Als die den Flüchtlingen gewordene Aufnahme aller Orten einen Schrei des Unwillens erweckte, hat man in Dänemark geschwiegen, später ist eine Schrift herausgegeben, welche den guten Namen des Königs rechtfertigen sollte. Ich kenne diese Schrift nicht; vielleicht mochte es ihr nicht schwer werden zu beweisen, dass solche Misshandlung nicht allererst vom Könige ausgegangen sei, dem die Flüchtlinge dies selbst nicht zutrauten. Auch das Volk und den Magistrat kann man nicht beschuldigen, da es an Beweisen einer besseren Gesinnung von ihrer Seite nicht gefehlt hat. Die Hauptschuld gaben a Lasco und seine Genossen jenen beiden Hofpredigern; die späteren Ereignisse bestätigen das. Wenn es richtig ist, dass der eine, Henricus Buscoducensis, ein Bruder des früher genannten Nicolaus Buscoducensis war, welcher a Lascos Stelle in Emden hatte einnehmen wollen, so erklärt sich daraus eine gewisse Animosität gegen den letzteren, nicht aber die auffallende Erscheinung, dass außer Palladius alle lutherischen Prediger in Dänemark und, wie wir sehen werden, auch in den angrenzenden deutschen Ländern mit solchem Grimm die Flüchtlinge verfolgten. Es ist vielmehr an den Umschwung auf kirchlichem Gebiet zu erinnern, der während a Lascos Aufenthalt in England in Deutschland Platz gegriffen hatte. Luther hatte in seinen letzten Lebensjahren die Wittenberger Concordia durchbrochen und den Sakramentsstreit erneuert gegen die Zürcher; kurz vor seinem Tode äußerte er gegen Melanchthon, es sei in dieser Sache zu viel geschehen, und die ihn überlebenden möchten das Ihrige tun, damit Friede werde. Man weiß, dass Melanchthon es an Bemühungen in dieser Richtung nicht hat fehlen lassen, dass seine, nicht Luthers, Auffassung in den im Reich geltenden Lehrdokumenten unbestritten ausgesprochen stand. Aber die schwache, nachgiebige Stellung, die Melanchthon dem Interim gegenüber einnahm, hatte ihm viele entfremdet, ja allmählich zu Feinden gemacht, die immer entschiedener zu der Absicht kamen, Melanchthons Ansehen zu untergraben und im Gegensatz zu ihm Luthers Sakramentlehre in aller Schroffheit zur Geltung zu bringen. Dazu erhielten sie einen Sporn, oder, wie Melanchthon meinte, einen Vorwand durch den Zürcher Consensus. Joachim Westphal, Pastor in Hamburg, schrieb mit zügelloser Erbitterung dagegen (1552) und behauptete, Calvin und die Zürcher hätten nur den alten Zwinglianismus, unter welchem er sich eine Zusammensetzung aller möglichen und unmöglichen Ketzereien vorgaukelte, wieder ans Licht gebracht. Es erwachte ein erbitterter Hadergeist, dem nichts heilig war als die eigne Meinung und die Vertilgung jedes Widersprechet; es begann der Zwiespalt, der lange Jahre die deutsche Kirche zerfleischte und endlich zwei innerhalb des deutschen Protestantismus vorhandene verschiedene Richtungen in zwei verschanzte Heerlager auseinanderriss. Das war die Quelle der eben erzählten und weiter zu erzählenden Erlebnisse a Lascos und der übrigen Flüchtlinge.

4. Abermals Ostfriesland. 1553-55.

Von der Gräfin Anna und ihrem Bruder Christoph wie von den Bürgern in Emden und noch mehr von dem ostfriesischen Adel wurden a Lasco und seine Leidensgefährten, so viele ihrer allmählich nach Ostfriesland kamen, aufgenommen, nicht anders, „als wenn sie zu ihren nächsten Blutsverwandten gekommen wären“, wie a Lasco schreibt. Seine eigene frühere Stelle war noch unbesetzt, und obwohl er anfangs nicht erwartet zu haben scheint, dass er wieder in dieselbe eintreten werde, so steht doch fest, dass er mit Wissen und Willen der Gräfin, die ihn ja auch nur aus Noth und zum Schein entlassen hatte, wieder ganz in der früheren Weise tätig war, wenngleich seine Gönnerin aus Klugheit eine aufsehenerregende feierliche Wiedereinsetzung unterlassen haben mag. Denn die politische Lage hatte sich mittlerweile sehr geändert und der Gräfin freie Hand verschafft. Es ist bekannt, dass Moritz von Sachsen sich mit glücklichem Erfolge erhob, um die „viehische Knechtschaft,“ die der Kaiser und seine Spaniolen den Deutschen bereiteten, zu brechen; als a Lasco Emden wieder betrat, hatte der Passauer Vertrag vom Juli 1552 die Sache des Protestantismus bereits gesichert und das Interim über den Haufen gestoßen. Mochte Kaiser Karl V., dem überhaupt nie eine Ader deutsch geschlagen hatte, an seinem politischen und religiösen Despotismus festhalten, die deutschen Reichsfürsten, katholische so gut wie protestantische, wollten keinen Religionskrieg weiter. Die spanische Redlichkeit des Kaisers und die Nähe des unverbesserlichen brabantischen Hofes predigten freilich Vorsicht, aber banden der Gräfin die Hände nicht, denn ein Einfall der Franzosen in die Niederlande hatte den Brabantern ihre böswilligen Hände gebunden. Auch die Kriegsgefahr, die von den beutelustigen Scharen Albrechts des Kulmbachers Ostfriesland drohte, war vor einem halben Jahr durch die Schlacht bei Sievershausen (9. Juli 1553) so gut wie beseitigt worden, schon ließ sich voraussehen, dass Albrechts neue Anschläge auf Niederdeutschland fehlschlagen würden.

Nicht so gut war die Lage, in der a Lasco die kirchlichen Verhältnisse antraf. In den durch das Interim veranlassten Wirren hatte die Sektiererei wiederum das Haupt erhoben und um so größere Verheerungen angerichtet, je mehr der neuerwachte theologische Hader sich auch nach Ostfriesland hinzog. Wir haben bereits des Pastors zu Norden, Wilhelm Lemsius, gedacht als eines Gegners von a Lasco in der Abendmahlslehre und der Gottesdienstordnung. Derselbe geriet in a Lascos Abwesenheit, unterstützt von seinem gleichgesinnten Kollegen Forstius, über besagte Punkte in Streit mit dem dritten Pastoren Fusipedius, welcher der Lehre a Lascos zugetan war. Während sich die Gräfin vergebens bemühte, den Streit zu beschwichtigen, brachten die Emder Pastoren, besonders Gellius Faber, auf einem Religionsgespräch zu Wirdum im Mai 1552 eine Eintrachtsformel zu Stande, welche die Abendmahlslehre in der Ausdruckweise Bucers und der Wittenberger Concordia von 1536 auf eine beiden Parteien annehmbare, aber den Streitpunkt verhüllende, nicht lösende, Weise darstellte. Natürlich brach der Streit wieder aus und nahm eine so ärgerliche Gestalt an, dass die Gräfin kurz vor oder bald nach a Lascos Rückkehr (ich finde kein genaues Datum) alle drei Pastoren entließ. Aber die zu Wirdum eingeschlagene Richtung kehrte ihre Schärfe direkt gegen a Lasco noch vor seiner Rückkehr. Es fehlte nicht an solchen, namentlich am Hofe, die wohl einsahen, wie mancherlei Unannehmlichkeiten erspart würden, wenn Ostfriesland im Abendmahlsstreit ganz mit der Lehre der benachbarten deutschen Territorien übereinstimmte; das Verfahren des zu Konzessionen geneigten und überhaupt Bucers Manier nachfolgenden Gellius Faber versprach eher zum Ziel zu führen, als das des a Lasco. So begann man über a Lasco zu klagen, er sei ein Querkopf, er habe in England seine Lehre verändert; man suchte durch Wortklaubereien zu beweisen, wie sein Standpunkt ein ganz absonderlicher, seine Lehre ganz verschieden sei von der Melanchthons, Martyrs und des Zürcher Consenses. Ohne a Lasco, den der Cötus noch immer als Genossen und Mitarbeiter betrachtete, zu fragen, streute man dergleichen Klagen aus, und namentlich Gellius Faber ließ sich dazu gebrauchen. Nicht, dass Gellius einen weit verschiedenen Standpunkt eingenommen hätte; auch er war sehr eingenommen für presbyteriale Gemeindeordnung, und in der Abendmahlslehre spricht er die Spendung des Leibes und Blutes nur für die „Bußfertigen“ aus, ja die von a Lasco gebrauchte und so oft ihm übel ausgelegte Ausdrucksweise von der Erhebung zum Herrn beim Abendmahl findet sich bei Gellius wieder – es ist ganz dasselbe Verhältnis, wie zwischen a Lasco und Bucer. Auch bot er dem Lemsius entschieden die Spitze. Aber unter dem Vorwand, der bisher gebrauchte von a Lasco zu Emden entworfene und mittlerweile zu London gedruckte Katechismus bedürfe einer verkürzenden Revision, stellte Gellius unvermerkt a Lascos Sakramentlehre auf seine eigene Weise zurecht. Jetzt fand er Widerspruch; man verlangte, der revidierte Katechismus solle a Lasco vorgelegt und nicht eher gedruckt werden, bis er von demselben approbiert sei, man wolle keine Lehrneuerung. Die Weitläufigkeit solcher Verhandlungen, besonders a Lascos Flucht aus England, brachten zu Wege, dass er nichts von dieser Revision zu sehen bekam, und der Druck des Gelliusschen Katechismus zu Bremen unter Hardenbergs Vermittlung begann, ehe a Lasco nach Emden zurückkam.

Unterwegs schon, wahrscheinlich in Bremen, vernahm a Lasco, man habe ihn in Ostfriesland mit seiner Sakramentlehre in ein schiefes Licht zu stellen gesucht, und die offenherzigen besorgten Fragen seiner Freunde gleich nach seiner Rückkehr, ob er in England seine Ansichten geändert habe, zeigten ihm, dass Agitationen gegen ihn im Werk sein müssten. Er wendete sich sofort an seinen Kollegen Gellius und ließ sich den revidierten schon unter der Presse befindlichen Katechismus zeigen; es kam zu einer Erörterung zwischen beiden im Cötus, welche damit endete, dass sie sich über den Zürcher Consensus verständigten und dessen Fassung der Abendmahlslehre akzeptierten. Eine kleine Schrift, die a Lasco herausgab, um den über ihn ausgesprengten ungünstigen Meinungen zu begegnen – sie scheint verloren zu fein -, führte zu neuen Erörterungen zwischen ihm und Gellius, die damit endigten, dass der Cötus ihm vollständig beipflichtete, und auch Gellius sich zufrieden gab.

Inzwischen hatte sich das Bedürfnis einer Verkürzung des Katechismus einmal herausgestellt in London so gut wie in Emden, und a Lasco unterzog sich nun in Gemeinschaft mit den Emder Kollegen der Arbeit, den Lehrbegriff des bisherigen Katechismus in eine kürzere Form zu bringen. Anfänglich sollte der alte Katechismus samt der Revision des Gellius und der des a Lasco herausgegeben werden, damit jeder nach seinem Wunsch für seinen Gebrauch wählen könne; nachdem man sich jedoch von der Unzweckmäßigkeit einer solchen Einrichtung überzeugt, erschien a Lascos kleiner Katechismus, bekannt unter dem Namen des Emder Katechismus, allein, im Dezember 1554. Gleichzeitig schrieb auch Micronius, der mittlerweile in Norden Pastor geworden war, in noch kürzerer Fassung einen Katechismus zur Vorbereitung derer, die zum Abendmahl zugelassen werden wollten – erschien den 8. Dez. 1554 -; wichtiger ist ein Auszug aus dem Londoner Katechismus, den er zum Gebrauch der zerstreuten Reste der Fremdengemeinde, weiterhin der niederländischen Kirchen, vornahm, – erschien 1555 im Druck – und den man zur Unterscheidung von dem älteren, größeren: den kleinen Londoner Katechismus zu nennen pflegt. Er ist noch ziemlich ausführlich, und augenscheinlich hat Micronius in ihm mit besonderem Eifer es auf Widerlegung des Menno Simons abgesehen, den der Emder Katechismus so gut wie gar nicht berücksichtigt; in Holland und in der unter Königin Elisabeth wieder aufgerichteten Londoner Fremdengemeinde ist dieser Katechismus lange in Gebrauch gewesen, allmählich aber dem Heidelberger gewichen, während eine (zweite) kurze Summa der Katechismuslehre für die, welche Zulass zum Abendmahl begehrten, auch nach Einführung des Heidelberger Katechismus in Holland noch gebraucht wurde. Desgleichen arbeitete Micronius die liturgischen Formulare, welche zu London gebraucht waren, in kürzerer Fassung holländisch aus. Sie erschienen schon 1554 zu Emden. Über diese Katechismusliteratur haben wir uns genauer auslassen müssen, weil die Angaben darüber in älteren und neueren Büchern sehr mangelhaft und verwirrt sind, und doch eine richtige Einsicht wegen des Zusammenhangs zwischen a Lasco und dem Heidelberger Katechismus Interesse hat. Nachdem nämlich schon Meiners die Vermutung ausgesprochen aber nicht weiter verfolgt hatte, dass der Heidelberger Katechismus mit Hinblick auf den Emder geschrieben sein möge, ist in neuerer Zeit diese Verwandtschaft erkannt und etwas deutlicher ans Licht gestellt; aber den Katechismus des Micronius hat man entweder übersehen oder mit dem Emder verwechselt. Es sind beide Katechismen bei Abfassung des Heidelberger mit Umsicht benutzt. Genauer liegt die Sache so: auf den Katechismus Micronii bezieht sich unverkennbar der Heidelberger in Fr. 20, 21, 26, 29, 33, 34, 36, 45, 49, 55, 56, 81, 82, 101 und 102, die hier dem Heidelberger und Micronius gemeinsamen Punkte sind entweder im Emder gar nicht vorhanden oder in abweichender Fassung; dahingegen liegen eben so unverkennbare Beziehungen auf den Emder Katechismus vor in Fr. 1 (Schluss), 53, 54, 66, 69, 70, 74, 108, 124, wo Micronius die zwischen dem Emder und Heidelberger gemeinsamen Punkte entweder gar nicht hat oder in anderer Fassung. Die Art und Weise der Benutzung dieser a Lascoschen Katechismen böte manchen Blick in den Entwicklungsgang des reformierten Lehrbegriffs, auf den näher einzugehen wir uns jedoch versagen müssen. Fragt man aber noch, wie die Berührung des Wirkungskreises a Lascos mit Heidelberg zu Stande gekommen, und seine Schriften dort bekannt geworden, so ist, abgesehen von allem andern, daran zu erinnern, dass a Lasco und Micronius in der Pfalz wohl bekannt waren, und auch Ursin mit Londoner Flüchtlingen persönlich in Berührung kam, wahrscheinlich mit a Lasco selbst in Melanchthons Hause; sonderlich ist hinzuweisen auf die Gemeinde der Flüchtlinge in Frankenthal und die in der Pfalz grade bei der Katechismus-Angelegenheit tätigen Holländer Petrus Dathenus und Lambert Pithopöus.

Ehe aber diese Sache zum Abschluss kam, hatte a Lasco alle Hände voll zu tun bekommen durch die weiteren Geschicke der Londoner Flüchtlinge und die Bewegung, welche dadurch hervorgerufen wurde. Wir sahen die Flüchtlinge gegen Weihnacht 1553 unfern Rostock, Wismar und Lübeck das Land erreichen. Sie durften nicht erwarten, mit den Empfehlungsbriefen, die sie aus Dänemark mitbrachten, brüderliche Aufnahme zu erwirken; in allen drei Städten wiederholte sich dasselbe Spiel: Magistrat und Bürgerschaft hatten mit den Flüchtlingen Erbarmen, bis die unermüdliche Geistlichkeit den Arm der bürgerlichen Gerechtigkeit in ihre Gewalt bekam, um diese Ketzer in den harten Winter hinauszustoßen. Es seien Ketzer und Sakramentierer, hieß es, es sei wiedertäuferisches Gesindel, „ihre Ketzerei sei schuld, dass nun in England so viel evangelisches Blut vergossen werde“, „jetzt habe der Teufel diese Taugenichtse in die ruhigen deutschen Städte gebracht, um auch dort Unheil anzurichten“; im glücklichsten Fall versuchte man Samariterdienste zu tun, indem man sich mit Bekehrungsversuchen an einzelne niederländische Frauen machte. Wie sehr die geistlichen Herren Bescheid wussten, erhellt unter anderem daraus, dass sie den Fremdlingen ein Buch entgegenhielten als gegen sie gerichtet, welches der langjährige Mitarbeiter a Lascos, Gellius Faber, gegen ihren gemeinsamen Gegner Menno Simons geschrieben hatte! Man kann Menno, – der sich damals in Wismar aufhielt, um unter den Seinigen herrschende Streitigkeiten über die Bußzucht zu schlichten – nicht beschuldigen, dass er dazu etwa durch hervorstechend herzliche Behandlung der Flüchtlinge Veranlassung gegeben habe. Er selber erzählt, wie brüderlich er sich der Flüchtlinge angenommen; aber, gereizt über das zurückhaltende Benehmen, das Hermes Backerel und Micronius ihm als Anabaptisten gegenüber beobachteten, kam er alsbald mit ihnen ins Disputieren über die Menschwerdung Christi, und die Art und Weise, wie er Aug in Auge und noch mehr durch hinter ihrem Rücken hingeworfene Winke den Fremdlingen entgegentrat, wurde für Micronius eine Weisung, fortan dem Mennonitismus nur in den Waffen zu begegnen. An Micronius, der zur Leitung der Flüchtlinge von Emden entsendet war, hatten sie einen mutigen Führer, der zugleich gegen die Gegner eine scharfe Klinge führte, und die Seinigen unablässig vor Erbitterung warnte – es mag freilich schwer gehalten haben. Alles umsonst; das Urteil über die Flüchtlinge stand fest, und die Geistlichkeit verstand es, den Arm der weltlichen Obrigkeiten den Beweis führen zu lassen: aus Wismar, Rostock und Lübeck wurden die Flüchtlinge vertrieben. Menno scheint in diesen Gegenden noch lange geblieben zu sein.

Zu Anfang des Monats März 1534 kamen die Flüchtlinge nach, Hamburg, wo ihrer ihr Hauptgegner harrte: Joachim Westphal. Fünf oder sechs Jahre früher, als a Lasco auf seinen Reisen nach England Hamburg öfter berührte, war er mit Westphal im Hause des Aepinus öfter zusammengetroffen und Westphal hatte im mindesten keinen Argwohn noch weniger feindseligen Sinn gegen ihn merken lassen, aber in seinen Streitschriften gegen Calvin und den Zürcher Consens war er auch über a Lascos Schrift von den Sakramentern in der erbittertsten Weise hergefallen. Nichts desto weniger waren Flüchtlinge aus England, die sich direkt nach Hamburg begeben hatten, vorläufig in Ruhe gelassen, ja von den Bürgern mit Wohlwollen behandelt worden; auch als die Nachricht von der Vertreibung der Flüchtlinge aus Dänemark und den Ostseestädten nach Hamburg kam, und die Hamburger Kanzeln bereits wiederhallten von Schimpfreden wider die Schwärmer, die mit den Holländischen und Münsterschen Wiedertäufern ein Gesindel seien, hatte noch Westphal gegen einen der Flüchtlinge geäußert: wenn Micronius nach Hamburg käme, möge er doch ja bei ihm vorsprechen. Als das aber geschah, zeigte es sich bald, wie Westphal dachte; da legte er es als eine Unverschämtheit aus, wenn man wage, nein zu sagen zu einer Abendmahlslehre, zu der doch die Mehrzahl der deutschen Länder ja sagten; Micronius Gegengründe schmetterte er zu Boden mit dem Bedeuten, Micronius sei jünger als er und müsse vor ihm schweigen – Micronius war erst 31 Jahre alt-; David Simpson fragte er um seine Meinung von den Sakramentern, und als derselbe Micronius beipflichtete, hieß es: „was willst du Schneider von der Lehre urteilen, hättest sollen bei der Schere bleiben, statt in England Pastor zu werden!“ David war nämlich römischer Priester gewesen und hatte nach seinem Übertritt ein Handwerk gelernt, um sein Brot in Ehren verdienen zu können! Westphal selbst merkte die Flegelhaftigkeit seines Benehmens, rechtfertigte sich aber damit, er könne eben so gut friedfertig auftreten, wenn er nur – wolle! Als Micronius ihn daran erinnerte, wie unchristlich er in seinen Schriften verlange, man solle die Sakramentierer mit dem Schwerte statt mit Gründen bekämpfen, leugnete er, das geschrieben zu haben, bis ihm Micronius die Stelle zeigte, worauf Westphal ihn mit den Worten entließ: „Pack di, du Martlerken!“ Was nun zu erwarten stand, liegt nahe. Plakate gegen die Wiedertäufer wurden angeschlagen, und so lange von den Kanzeln gelärmt, bis die Flüchtlinge vertrieben waren. Andere, die noch nachkamen aus England, wurden nicht einmal in die Stadt gelassen und durch Polizeimannschaften auch aus den nahen Dörfern vertrieben, so dass sie nur mit Noth Obdach für eine Nacht in einer Scheune erhielten, (sie ins Haus aufzunehmen, wurde bei Geldstrafe verboten) bis sie endlich die Erlaubnis erwirkten, wenigstens die nächste Schiffsgelegenheit nach Emden abzuwarten. Es gibt wohl wenig traurigere Belege für die Bosheit der streitlustigen Zunge (Jac. 3)! Die bessergesinnten Bürger und Obrigkeiten wurden übertäubt von den Geistlichen und so groß war die Gewalt der Schreier, dass auch mildere, einflussreiche Theologen wie Hemming in Kopenhagen und Chyträus in Rostock nicht wagten, den Mund aufzutun. Aepinus in Hamburg war kurz zuvor gestorben. Desto minder darf man die Beispiele besserer Gesinnung verschweigen; der Herzog Johann Albert von Mecklenburg äußerte brieflich an a Lasco seine Geneigtheit, den Bedrängten zu helfen, wenn er nur könne, und der König Gustav von Schweden bedauerte, dass sich die Flüchtlinge nicht sofort nach Schweden gewendet, und erbot sich, trotz des Unterschiedes in der Lehre, noch für diejenigen sorgen zu wollen, die zu ihm kämen. In Ostfriesland vollends stand die Sache ganz anders.

Als die Flüchtlinge etwa um Ostern 1554 in Emden anlangten, wetteiferte alles, ihnen ihr Leid zu vergüten. Wo man erwarten durfte, ankommende Flüchtlinge zu treffen, an den Thoren und den Landungsplätzen, ließen sich die Bürger sehen um sie zu empfangen und zu unterstützen oder je nach den Umständen zu sich ins Haus zu nehmen; eine eigene Diakonie für die Fremdlinge wurde eingerichtet, die nach dreihundertjährigem nicht ungesegnetem Wirken bis auf diesen Tag – freilich den Umständen gemäß mit veränderter Tendenz – noch besteht, Gottesdienste in englischer und französischer Sprache wurden angeordnet, auch für die Pastoren wurde gesorgt. Micronius kam nach Norden, wo sich überhaupt viele Fremdlinge niederließen, Petrus Dathenus wurde durch Tido von Kniphusen angestellt, Hermes Backerel wurde Pastor zu Jemgum, wo er am Tage der Schlacht zwischen Ludwig von Nassau und Herzog Alba von spanischen Soldaten in den Armen seiner Tochter erstochen wurde. Auch verdient hervorgehoben zu werden, dass von lutherisch gesinnten Pastoren in Ostfriesland, – man weiß freilich nicht, ob dieselben dazumal zahlreich und von scharfem Gepräge waren – kein scheltendes Wort gegen die Fremdlinge aus damaliger Zeit berichtet wird.

Für a Lasco erwuchs aus dem allen zunächst neue Arbeit. Das erste nach seiner Rückkehr war gewesen, den König von Dänemark wegen seines Verfahrens in einem ernsten Brief zur Rede zu stellen und brieflich sich nach Schweden und Mecklenburg zu wenden für seine flüchtende Gemeinde. Jetzt schien es notwendig, in öffentlichen Schriften gegen Westphal und seine Mitschreier aufzutreten, und während er selbst schon an einer Widerlegungsschrift arbeitete, wurde auch eine Geschichte dieser Flucht und der Verfolgung der Londoner Gemeinde vorbereitet. Doch blieb es vor der Hand bei einer Apologie, welche Micronius herausgab. Utenhoves Darstellung erschien erst mehrere Jahre später, a Lasco sah vom Schreiben ab, teils wegen seiner durch die letzten Erlebnisse gesteigerten Kränklichkeit, teils weil er meinte, der Ton seiner Gegner belehre jeden, der nur nicht blind sein wolle, genugsam über deren Wesen und Character: solchen gegenüber sei jede Antwort Oel ins Feuer. Der Ton eines Westphal ist allerdings über alle Maßen empörend: a Lasco sei ein bissiger Polacke, von eigener Weisheit und verfluchten Gotteslästerungen so aufgeblasen, dass er sie ausspeien müsse, sonst würde er bersten. Viele stimmten mit in diesen Ton ein, selbst Bugenhagen sagte, dieser Landstreicher suche überall eine Stelle, um eine Kirche zurecht zu zimmern, die nie eine christliche gewesen sei. Offen sprach man es Westphal nach, die Obrigkeit müsse diesen Ketzern Gewalt entgegensetzen. a Lasco hätte mehr als ein Engel vom Himmel sein müssen, um solche Kinder des Hadergeistes zu überzeugen oder auch nur zu beschwichtigen. Aber er verrechnete sich, wenn er dachte, sein Stillschweigen werde ihm die Besseren gewinnen. Es gehört viel dazu, einem Schreihals gar keine Konzession zumachen; so^ gar Hardenberg und Melanchthon ließen sich berücken und sahen einen Augenblick sauer, dass a Lasco den Gegnern nicht anders antwortete, als mit Verachtung, und dass er jetzt grade am unbeugsamsten auf seinem Stucke bestand. Das Schlimmste war freilich, dass man in Ostfriesland entscheidenden Orts die Sache nicht sah, wie sie war. Die Gräfin und ihr Bruder fürchteten den Lärmen der Theologen und den Unwillen aller derer, welchen sie durch die christliche Aufnahme der Flüchtlinge stillschweigend einen Stachel ins Gewissen gedrückt hatten. Die Höflinge benutzten den Augenblick: jetzt werde, so hieß es, die Gräfin es bald mit allen Ständen des Reichs verdorben haben um dieses unverträglichen Menschen willen, Ostfriesland werde allenthalben für ein Ketzernest verschrien, in Brabant spitze man schon die Ohren auf die Kunde voll a Lascos erneuertem Wirken, dem man nicht müßig zusehen wolle, und in Ostfriesland selber habe er sofort bei seiner Ankunft die kaum gedämpfte Zwietracht durch seine Starrköpfigkeit wieder wach gerufen und seinen Katechismus durchgesetzt gegen die Absichten des Hofes: der Störenfried müsse fort, sonst werde er noch großes Unheil anrichten. Hardenbergs und Melanchthons kurzsichtige Schwachheit machte das Maß voll; Hardenberg stimmte dem der Gräfin gemachten Vorschlag bei, sie möge Melanchthon berufen an a Lascos Stelle und die Augsburgische Konfession als Lehrnorm einführen, ja selbst Gellius Faber und Petrus Medmann, damals Bürgermeister zu Emden, sollen darum gewusst haben. Die Sache wurde ganz in der Stille betrieben, und a Lasco erfuhr nicht eher davon, als bis ein dahinzielender Antrag vor die Landstände gebracht werden sollte. Damit war aber das ganze Project auch schon total gescheitert: die Ritterschaft voran, erhoben sich die Stände gegen den Antrag.

a Lasco hatte so etwas nicht erwartet; nach scharfen Erörterungen mit seinen Freunden kam es jedoch zu einer baldigen Versöhnung. Er gedachte nun in Frieden seine Tage in Emden zu beschließen und machte in Gegenwart seiner Kollegen, auch des Gellius, im April 1555 sein Testament. Das Ende der Arbeit und des Leides war noch so nahe nicht. Jetzt am Ende seines Lebens geschah, was er seit 20 Jahren vergebens gehofft hatte: in Polen, wo die evangelische Lehre festen Fuß fasste, sah man sich nach ihm um, und eine Aufforderung nach der andern kam: „komm herüber und hilf uns.“ Schon ließ es sich deutlich voraussehn, dass auch eine Aufforderung oder Erlaubnis vom Könige nicht lange mehr ausbleiben werde. Aber ein schmerzlicher Stoß bewirkte seinen Abschied aus Ostfriesland, noch ehe es dahin gekommen war. Der brabantische Hof drang wieder auf a Lascos Entlassung, und diesmal mit Erfolg auch bei der endlich ermüdenden Gräfin; sie ließ ihm sagen: „er sei den Burgundern so verhasst, dass sein Bleiben dem Lande Gefahr bringe.“ Trauernd schied er von der trauernden Gemeinde, die auch jetzt bei der Trennung nicht ablassen wollte, ihn für den ihrigen anzusehen: „ich müsste ein Buch schreiben, wollte ich die Dienstleistungen erzählen, durch die sie mir ihre Liebe bewies und noch beweist, schrieb er an Bullinger; in der Lehre habe ich eine solche Einigkeit zurückgelassen, wie sie dort nie zuvor gesehen worden. Gott sei Dank. Nur der Hof kennt keine Furcht des Herrn, auch die Gräfin scheint völlig erkaltet zu sein.“ Sie hatte, wie a Lasco und viele mit ihm vermuteten, ihm durch Medmann eine ansehnliche Geldunterstützung, ohne sich nennen zu wollen, zugehen lassen, um ihr eigenes Gewissen wegen ihres Verfahrens gegen ihren treuen Diener zu beschwichtigen. Da hatte sies aber vollends mit ihm verdorben; er war durchaus nicht zu bewegen, das Geld zu behalten, wie gut er es auch gebrauchen konnte: „so lange die Gräfin in ihrer Heuchelei verharrt, habe ich nichts mit ihr zu schaffen; ihre Entschuldigungen wollen wir erörtern, wenn wir vor unsrem Richter stehen.“ Er verließ Emden zu Ausgang des April 1555.

5. Die Heimfahrt nach Polen. 1555 u. 56.

Theils die Notwendigkeit, erst noch nähere Nachrichten aus Polen abzuwarten, teils der Blick auf einige Häuflein von englischen und niederländischen Flüchtlingen veranlassten a Lasco, seinen Weg nach Frankfurt am Main zu nehmen. Valerandus Polanus, Pastor der wallonischen Abtheilung der Londoner Fremdengemeinde war mit den Seinigen aus London ebenfalls entflohen und hatte sich nach Frankfurt gewendet, welches er etwa um Ostern 1554 erreichte, also um dieselbe Zeit, wo Micronius mit den Seinigen in Emden anlangte. Ein anderes Häuflein hatte sich nach Wesel gewendet. An beiden Punkten ging es ihnen besser als in den Ostseestädten, indem man sie wenigstens aufnahm, und ihnen in Frankfurt sogar die Weißfrauenkirche zum Gebrauch anwies. Im Sommer 1554 folgte ihnen ein Haufe englischer Flüchtlinge mit dem Prediger William Wittingham an der Spitze, und diesen wurde sofort der Mitgebrauch der Weißfrauenkirche gestattet. Doch traten zwischen den Engländern und Wallonen alsbald Zwistigkeiten ein wegen der Gottesdienstordnung, indem die Wallonen an ihrer einfachen Liturgie, die Engländer ebenso entschieden an ihrer komplizierteren englischen festhielten. John Knox, der berühmte Reformator Schottlands, der vom November 1554 bis März 1555 auch in dieser Gemeinde wirkte, brachte unter Mitwirkung Calvins eine Revision und Vereinfachung der englischen Liturgie zu Stande, aber neuer Zuzug aus England fachte den Streit wieder an, und als der Magistrat von Frankfurt Knox bat, sich zu entfernen, um nicht den Hass des Kaisers, den er sich durch Ausfälle gegen die Vermählung der blutigen Maria mit Philipp von Spanien zugezogen hatte, auf Frankfurt zu richten – da bekam die englische Partei die Oberhand. Ein paar Monate nachher traf nun a Lasco ein und legte zu Gunsten der Wallonen sein Ansehen in die Waagschale, zumal er vom Rath sich die Erlaubnis auswirkte, neben der wallonischen und englischen auch eine niederländische Gemeinde zu organisieren. In ein förmliches Amt wird er bei derselben nur provisorisch getreten sein, obwohl er tatsächlich durch sein Ansehen an ihrer Spitze stand, vielmehr wurde Micronius von Norden zur Aushülfe berufen, bis Petrus Dathenus als Pastor der Niederländer in Frankfurt eintrat. Der Hader über die Liturgie ging fort, und a Lasco, Calvin und Martyr bemühten sich vergebens, ihn zu schlichten; aber bald brach auch der Streit mit den Lutheranern los, der a Lascos Tätigkeit vorzugsweise in Anspruch nahm.

Frankfurt war keineswegs eine entschieden lutherische Stadt, – sie war öfter der Sympathien mit den „Zwinglianern“ angeklagt worden – erst seit etwa 10 Jahren hatten die eigentümlich lutherischen Anschauungen an Hartmann Beyer einen kräftigen Vertreter und Förderer gefunden. Das hatte aber die Aufnahme der Fremden, die sich der Gunst angesehener Frankfurter Familien erfreuten, nicht hindern können, und Calvin, der ebenfalls in freundschaftlichen Beziehungen zu Frankfurt stand, widmete noch im August 1555 dem Frankfurter Magistrat feine Auslegung der drei ersten Evangelien zum Dank für die den Fremden bewiesene Gastfreundschaft. Doch sammelte sich bereits vor a Lascos Ankunft eine Wolke auf der Stirne der Frankfurter Geistlichen, und der unermüdliche Westphal säumte nicht, Frankfurt vor dem Gift dieser fremden Ketzer zu warnen. Er schickte den Fremdlingen einen Brandbrief nach, worin er dem Magistrat von Frankfurt sagte: „so jemand der Obrigkeit anzeigte, es wären Brenner in der Stadt oder Vergifter, so Wasser und Weide verunreinigten, außer der Stadt aber Räuber und Mörder, der täte ein löblich Werk und verdiente wohl wegen seiner Treue ein löbliches Trinkgeld. Als verhoffe ich demnach, es sei lobenswert, dass die von mir angezeigt worden, die ein viel ärgeres Feuer und schädlicheren Brand anstecken, mit Gift die Brunnen und heilsame Weide der gesunden Lehre verderben, rauben und stehlen uns das Wort Gottes, die ewigen Güter und verderben die Seelen. Darum werden sie von dem Herrn Christo gestraft, dass sie Diebe sind und Mörder. Aus Antrieb des heiligen Geistes (Luc. 9:55 ff.) hat diesen Rath der Mann Gottes Lutherus gegeben, dass man die Sakramentierer meiden und aus der bürgerlichen Gemeinschaft sie verjagen sollte.“ Dazu kam die Uneinigkeit der Fremden unter einander, der Neid einiger Frankfurter Zünfte auf die größere Kunstfertigkeit der Fremden, und endlich das Verlangen derselben, da die Weißfrauenkirche ihnen zu klein, auch eine der lutherischen Kirchen mitbenutzen zu dürfen. Im September 1555 erhoben die Frankfurter Geistlichen Klage beim Rath, die Fremden feien in der Lehre mit der Augsburgischen Konfession in Streit, a Lasco antwortete: nicht mit der Lehre der Augsburgischen Konfession sei er in Streit, sondern mit neuaufgebrachten unschriftmäßigen Ausdrucksweisen und Lehren, mit der Augsburgischen Konfession wenn man sie nur aus ihr selbst erkläre, sei er einverstanden; „wir glauben und bekennen“, sagt er, „dass mit Brod und Wein Leib und Blut des Herrn den Essenden im Abendmahl wahrhaftig dargereicht werden“ wie die Augsburgische Konfession Art. 10 sagt, „das heißt“, wie dieselbe Art. 13. erklärt, „denen, die im Glauben die von den sakramentlichen Zeichen dargestellte unsichtbare Gnade und den heiligen Geist annehmen.“ Die Gegner wollten sich mit a Lascos Erklärung, die er später – Oct. 1556 – in einer besonderen Rechtfertigungsschrift weiter auseinandersetzte, nicht zufrieden geben, und besonders Westphal fiel mit Wut darüber her. a Lasco aber war um seiner Gemeinde wie um seiner Person willen viel daran gelegen, nicht in den Ruf eines Feindes der Augsburg. Konfession zu kommen, denn eben damals war durch den Augsburg. Religionsfrieden (25. Sept. 55) den Bekennern der Augsburg. Konfession Duldung zugesagt mit Ausschluss aller andern; in Westphals Eifern kündigte sich schon die berüchtigte spätere Taktik der Streitgeister an, ihren Widerpart als Gegner der Augsburg. Konfession den Katholiken zu denunzieren und für außer dem Religionsfrieden stehend zu erklären. Es kam hinzu, dass König Sigismund von Polen zu erkennen gegeben hatte, er werde nur für den Fall in a Lascos Heimberufung willigen, dass derselbe die Augsburg. Konfession ausdrücklich akzeptiere. Um sich und seine Gemeinde nun gegen das Geschrei der Gegner so viel wie möglich zu decken, wandte a Lasco sich an alle friedliebenden deutschen Fürsten, um ihren Eifer zu spornen für die Beilegung des kirchlichen Haders und ihre Fürsprache für seine Gemeinde in Frankfurt zu gewinnen. Bei dem Landgrafen von Hessen und dem Churfürsten Ottheinrich von der Pfalz war sein Bemühen auch nicht vergebens; seine Hoffnung, bei dem Herzog Christoph von Württemberg, der trotz der Lehrdifferenz sich äußerst mildtätig gegen die Vertriebenen aus England bewiesen hatte, ebenfalls durchzudringen, wurde leider durch Brenz vereitelt.

Den 22. Mai 1556 kam es in Stuttgart zu einem Gespräch zwischen Brenz und a Lasco, in welchem Ersterer zu beweisen suchte, dass, weil Christus sitze zur allgegenwärtigen Rechten Gottes, Gottheit und Menschheit aber untrennbar in ihm vereinigt seien, auch der Leib Christi allgegenwärtig (folglich im Abendmahlsbrot und -Wein) sein müsse, a Lasco entgegnete, dass es nicht die Abendmahlslehre sei, über die sie sich auseinander zu setzen hätten, man möge ihm, dem Fremdling, auch nicht zumuten, dass er sich in eine Kritik der verschiedenen Ansichten vom Abendmahl einlasse, es handle sich nur darum, ob er und die Seinigen mit der Lehre der Augsburg. Konfession in Widerspruch ständen. Wir lehren, fuhr er fort: dass Christus unser Herr, wahrhaftig Gott und Mensch, wirklich und wesentlich in seinem Abendmahl uns gegenwärtig sei und uns sich selber, auch seinen eignen Leib, der für uns in den Tod gegeben, und sein Blut, das für uns vergossen, als eine Speise zum ewigen Leben darreiche, wirklich und wirksam, damit wir es im Glauben ergreifen zugleich mit dem Abendmahlsbrot und -Wein, d. h. während des Genusses derselben nach seiner Einsetzung; soll nun nachgewiesen werden, dass dies der Lehre der Augsburg. Konfession zuwider sei, dann muss man mir widersprechende Stellen derselben nachweisen. Brenz antwortete, er habe die Augsburg. Konfession mitgestellt und müsse daher wohl wissen, was dieselbe lehre: diese Lehre sei ihr fremd. Damit ließ sich aber a Lasco nicht abfertigen, sondern stellte Artikel 10 der Augsburg. Konfession als seiner Auffassung nicht widersprechend hin und verteidigte das mit Art. 13, weiterhin an die Apologie der Augsburg. Konfession und die Akten des Regensburger Gesprächs appellierend. Brenz zog sich auf seine Ubiquitätslehre zurück, a Lasco darauf, dass die nicht hierher gehöre, übrigens unvereinbar mit der heiligen Schrift sei, auch die altkatholische Kirche wisse nichts von den wunderlichen Dingen, die Brenz vortrage. Es kam zu keiner Verständigung. Die beiden Herren sind einer über des andern Erörterungen höchst verwundert gewesen, und, so wunderlich es klingen mag, beide hatten sie nicht so ganz Unrecht. Brenz musste allerdings wissen, dass zur Zeit der Aufstellung der Augsburgische Konfession (1530) Melanchthon so ziemlich vollständig von Luther beherrscht und gegen die Schweizer eingenommen gewesen war, mag er nun in der ersten Fassung von Artikel 10 seine Antipathie gegen die Schweizer haben ausdrücken wollen oder nicht. Andererseits, abgesehen davon, dass Brenzens Ubiquitätslehre durch sich selbst a Lascos Verwunderung rechtfertigt, ist es doch Tatsache dass für Melanchthon nach 1530 Luthers Auffassung eine immer fremdere geworden war, dass er mit Bucer, Bullinger, Calvin sich verständigt hatte und seine Auffassung im Reich die offiziell gültige war, gegen die erst eben die Gegenpartei unter Flacius ihre Waffen schliff. Aber auf diesen innern Entwicklungsgang des Protestantismus wurde nicht eingegangen, auch von einem Unterschied, geschweige von einem Gegensatz der Ausgaben der Augsburgische Konfession, namentlich von 1530 und 1540, hat Brenz keine Silbe erwähnt. Vergebens suchte a Lasco brieflich sich mit ihm zu verständigen, er antwortete einigermaßen barsch, er habe keine Zeit weiter zu verhandeln und müsse abreisen. Auch beim Herzog selbst erreichte a Lasco seinen Zweck Nicht, obgleich derselbe ihn seiner Liebe zum Frieden versicherte und ihn gnädig entließ. Natürlich konnte dieser Ausgang des Gesprächs mit Brenz nur nachtheilig auf die Lage der Fremden in Frankfurt einwirken, und trotz aller Bemühungen a Lascos und Calvins, trotz der Fürsprache des Landgrafen von Hessen kam es dahin, dass der Magistrat am 21. Oktober 1556 den Beschluss fasste, die Fremden müssten Frankfurt verlassen.

Grade an demselben Tage brach a Lasco von Frankfurt auf; nicht in Folge dieses Beschlusses, sondern weil er dringend nach Polen, wo die Sache des Evangeliums gedeihlichen Fortgang nahm, gerufen worden war, und je eher desto lieber dort zu sein wünschte. Es kam auch in Frankfurt nicht zur Vertreibung. Melanchthons Verwendung und das Bekenntnis, welches die Fremden den 1557 in Frankfurt versammelten Fürsten vorlegten, sicherte sie einstweilen. Aber der innere Hader über die englische Liturgie ging fort, eine offene Spaltung trat ein – gerade wie später in England zwischen Episkopalen und Puritanern – und dies fortwährende Hadern wie der Widerwille des. geistlichen Ministeriums fachten immer den Streit wieder an. Es kam zur Schließung des Gottesdienstes: ein Theil der Fremden zog nach Hanau, wo ihre Gemeinde noch besteht, ein Theil nach Frankenthal in der Pfalz mit Dathenus, ein Theil blieb, hielt aber seinen Gottesdienst auf hessischem Boden zu Bockenheim, und erst am Ende des vorigen Jahrhunderts, 1792 und 93, wurde in Frankfurt der Bau einer wallonischen wie einer niederländischen Kirche frei gegeben. Den Brüdern zu Wesel ging es noch schlimmer. Auch gegen sie ward Sturm geläutet und trotzdem von Melanchthon und Calvin, so wie von Ostfriesland aus Fürsprache eingelegt wurde, kam es doch so weit, dass die Fremden und ihre Prediger auf offener Straße misshandelt und mit dem blanken Schwert verfolgt wurden. Je mehr aber die eifrigen Lutheraner alles Maß überschritten, desto enger schlössen sich die Anhänger Melanchthons mit den Fremden zusammen, bis ein Streit über den Exorzismus die Sache vollendete: im Jahr 1564 wurde Wesel vollständig reformiert und nahm den Heidelberger Katechismus an.

a Lasco aber wendete sich von Frankfurt erst noch an den Landgrafen von Hessen, um denselben zur Veranstaltung eines Convents aller friedsamen Theologen der ganzen protestantischen Christenheit behufs Beilegung der Lehrstreitigkeiten zu bewegen. Er fand außerordentlich wohlwollende Aufnahme und geneigtes Gehör für seine Vorschläge. Die Schweizer Freunde versprachen sich allerdings von allen diesen Bemühungen a Lascos nichts; verhandeln mit den fehdelustigen Theologen sei nur Oel ins Feuer, auf dem Wege der Verhandlung sei überhaupt nichts auszurichten. Sie scheinen sich bereits mit dem bitteren Gedanken an eine unheilbare Spaltung innerhalb des Protestantismus vertraut gemacht zu haben, wie sie etwa 20 Jahre später über den Gräbern Melanchthons, Calvins und a Lascos sich vollzog, a Lasco war nicht müde zu machen durch alle seine bitteren Erfahrungen, er wollte noch immer Friedensverhandlungen! (der Pole verläugnet sich nicht!) Man hat oft gesagt, a Lasco sei nach seiner Rückkehr aus England schroffer gewesen als vordem; seine unermüdlichen konziliatorischen Bemühungen zeugen nicht dafür. – Mit Briefschaften des Landgrafen von Hessen begab er sich im November 1556 nach Wittenberg zu Melanchthon. Hatte Melanchthon früher es mehrmals missbilligt, dass a Lasco seinen eifernden Gegnern eine entschlossene Stirn zeigte, von keiner Beugung unter ihren Willen wissen wollte und den kirchlichen Frieden wie die kirchliche Gemeinschaft als fein Recht in Anspruch nahm bei allem Unterschied der theologischen Erkenntnis und Überzeugung, wegen der gottlob vorhandenen fundamentalen Einheit einerseits und andrerseits in dem Bewusstsein, „dass der heilige Geist nicht aufhört, täglich mehr an den Tag zu bringen“ und sich keine Lehrformeln als „Stacken und Pallisaden“ um die Schrift herumbauen lässt – so sah Melanchthon jetzt die Sache mit andern Augen an. War es doch jetzt offen zu Tage getreten, dass die von ihm immer mit dem Handschuh angefasste Gegenpartei von Amsdorf und Flacius es mit vollem Bewusstsein darauf anlegte, ihn zum Dank für feine Verdienste um die evangelische Kirche zum Ketzer und erwiesenen Irrlehrer zu stempeln, seiner Sache „nicht nur einen Stich zu geben, sondern ihr die Gurgel ganz abzuschneiden“, a Lasco wurde mit offenen Armen von Melanchthon und allen Lehrern in Wittenberg aufgenommen. Mit Freuden ging man auf seine Vorschläge ein, eine Versammlung aller friedsamen Theologen für den folgenden Herbst in Frankfurt zu veranstalten. Die Sache sollte aber ohne Mitwirkung der Regierungen und in aller Stille betrieben werden, damit, wie Melanchthon sagte, die unruhigen Geister keine Gelegenheit erhielten, ihre Ränke spielen zu lassen, um das moralische Gewicht einer Einigung der erleuchtetsten Gottesgelehrten der gesamten protestantischen Christenheit zu schwächen, a Lascos Schriften über seinen Standpunkt gegenüber der Augsburgische Konfession wurden von Melanchthon ebenso offen gebilligt, wie sie Calvin gebilligt hatte, und die Einigkeit im Geist von ihm vor den Studierenden und den Lehrern der Universität wie in Briefen an den König von Polen offen und freudig bezeugt. Diese Tage in Wittenberg bei Melanchthon warfen zuletzt noch ein milderndes Licht zurück auf die letzten trüben Jahre, die a Lasco in Deutschland verlebt hatte. Leider durfte er nicht lange weilen; gedrängt durch Briefe aus Polen und durch die Vorboten seiner wiederkehrenden körperlichen Leiden eilte er, noch vor dem Winter nach Polen zu gelangen, welches er denn auch den 3. Dez. 1556 erreichte.

3. Der Lebensabend in der fremden Heimat. 1556 – 60.

Wir haben wiederholt hervorgehoben, mit welcher Liebe a Lasco an Polen hing, mit welcher Freude er jeden Schimmer von Hoffnung begrüßte, auch sein Vaterland der evangelischen Kirche gewonnen zu sehen und selber gewinnen zu helfen. In den vierziger Jahren war manches geschehen, ihn in dieser Hoffnung zu bestärken: die Evangelisch gesinnten in Polen gewannen an Zahl und Kraft, feit der Übertritt Herzog Albrechts von Preußen zur evangelischen Kirche und die Stiftung der Universität Königsberg (1544) den deutschen Einfluss stärkte, viele böhmische Brüder sich in Polen niederließen, endlich auch Sigismund August (1548) den Thron bestieg, an welchem man entschiedene Hinneigung zum Protestantismus bemerken wollte. Je mehr vollends das schweizerische Bekenntnis unter den eigentlichen Polen Anklang fand, desto mehr Aussicht war für a Lascos Heimberufung vorhanden, zumal auch der König sich grade dieser Seite näherte, mit Aufmerksamkeit Calvins Institutio las und mit diesem in brieflichen Verkehr trat. Dennoch währte es lange, ehe a Lasco gerufen wurde; so lange er für einen Feind der Augsburgischen Konfession galt, wagte es der König nicht, a Lasco aber wollte gerufen sein: war er nicht gerne gesehen, dann konnte er sein Werk nicht angreifen, wie es in Polen durchaus Noth tat. Er wartete also, aber blieb nicht müßig. Theils arbeitete er in der erzählten Weise, um sich zu den deutschen Theologen in ein freundschaftliches Verhältnis zu setzen, teils suchte er brieflich den König und die Stände des Reichs in die rechte Bahn zu bringen. Seine Flucht aus London (1553) hatte ihn bei der Ausarbeitung der Londoner Kirchenordnung gestört, in Emden hatte er diese Arbeit fortgesetzt, in Frankfurt eilte er, damit zu Ende zu kommen und schickte sein Buch Ende 1555 mit einer Widmung an den König und die Stände von Polen. Mit den ernstesten Worten legte er allen die Reformation der Kirche ans Herz: „jetzt sei die Zeit der Heimsuchung, entschuldigen könne sich niemand, eine so kräftige Erweckung durchdringe das ganze Polenvolk, wie nie zuvor, auch die Kinder auf der Gasse, ja die Bischöfe selber erkennten die Verderbtheit des Kirchenwesens. Polen sei an einem entscheidenden Wendepunkte seiner Geschichte angelangt, es dürfe nicht glauben, nur so unbekümmert dem Evangelio den Rücken kehren zu können; habe der Ernst Gottes je und je auch in den Zeiten der Unwissenheit durch sein richterliches Walten sich kund getan, um so vielmehr werde sich sein Zorn entladen in plötzlichen und vernichtenden Schlägen über das ganze Land, wenn es die gegenwärtige Zeit der Gnadenheimsuchung verwahrlose. Es gelte, die Augen aufzutun, um zu prüfen, damit man sich nicht durch die heuchlerische Miene römischer Geistlichkeit irre machen lasse; es gelte, Ernst zu machen mit dem, was David im 2. Psalm auf diese Zeit allen Fürsten und Völkern geweissagt und geboten habe, Christo seinem Gesalbten allein zu dienen und ehrlich mit aller Menschengefälligkeit zu brechen; es gelte aber andererseits auch, allem willkürlichen Wesen in Lehre und Gottesdienstordnung Thür und Thor zu sperren, sonst werde der böse Geist, zur einen Thür hinausgeworfen, durch die andere wieder hereinkommen mit sieben Gesellen, die ärger seien denn er.“ Ohne alle Wirkung konnten solche Worte nicht bleiben: von Tage zu Tage wurden die Stimmen lauter und zahlreicher, die a Lascos Heimkehr von ihm und vom Könige begehrten. Dieser konnte auch nicht länger widerstehen und erklärte: wolle a Lasco zurückkommen, so sei es ihm recht; gebieten wolle ers nicht, verbieten auch nicht. Darauf hin brach a Lasco auf; mit Melanchthons Empfehlungen und Ermahnungsbriefen an den König, die unverkennbare Nachklänge jener Sendschreiben a Lascos enthalten, betrat er endlich den heimatlichen Boden wieder nach zwanzigjähriger Fremdlingschaft.

In Polen brachte die Nachricht von seiner Ankunft große Bewegung hervor. Die zum Reichstage in Warschau versammelten Bischöfe, berichtet Utenhove, traten sofort mit dem päpstlichen Legaten, Lipomani, Bischof von Verona, beim Erzbischof von Gnesen zusammen und hielten den ganzen Tag Rath, wie sie a Lasco wieder fortschafften; denn, wenn er bleibt, sagte der Bischof von Krakau, so wird er unser aller Henker sein. Lipomani voran, zogen sie am folgenden Tag insgesamt zum Könige, und begehrten, er möge diesen Ketzer doch ja nicht vor sich lassen, wenn ihm die Ruhe seines Landes lieb sei. Die geistlichen Herren müssen polnisch gelärmt haben; der König gebot ihnen Stillschweigen und fertigte sie nicht sehr freundlich ab. Da die Festung sich nicht überrumpeln ließ, wurden andere Maßregeln ergriffen: man streute aus, a Lasco organisiere einen Aufstand, er streife mit hundert und mehr Reitern im Bistum Krakau umher, und allenthalben sei sein Erscheinen das Signal zu Bilderstürmereien und allerhand Unruhen. Kaum gelang es einem Verwandten a Lascos, dem schon wankenden König diese Lügen zu enthüllen, a Lasco aber säumte nicht, dem Könige zu zeigen, wer er sei und was er wolle. Unverzüglich nach seiner Ankunft setzte er denselben in einem ausführlichen Schreiben von seiner Rückkunft in Kenntnis, stellte ihm die Briefe Melanchthons zu und beschwor ihn, die Augen aufzutun und allein auf den zu hören, den der lebendige Gott selber versiegelt habe mit dem Zeugnis: den sollt ihr hören. „Nicht seiner selbst wegen sei er zurückgekehrt, nicht seiner selbst wegen begehre er, im Vaterlande tätig zu sein, er müsse es um Gottes willen; der König sei von Gott zum Vater des Vaterlandes gesetzt, deshalb wolle er in aller Ehrfurcht des Königs und des Landes Heil zu fördern trachten an feinem Theil: indem er ihm die Wahrheit sage. Andere mögen schmeicheln und reden, was Menschen gefällig ist, aber solche suchen sich selber und verlassen ihren König, sobald einmal die Wellen hoch gehen. Die heimlichen Verkläger sollen nur ans Licht kommen, so wolle ers Angesichts des Königs wohl mit ihnen ausmachen. Das sei freilich sehr wahr, Gefahr drohe dem Könige, nach welcher Seite er sich auch hinneigen möge; doch nicht dorther drohe Gefahr, woher die Bischöfe sie weissagen, von den Neuerungen; sie täten besser, sich zu fragen, durch was für „Neuerungen“ denn das griechische Reich in die Knechtschaft der Türken geraten sei? Die einzige Neuerung, die die Griechen zur Zeit ihres Untergangs vorgenommen, sei die, dass sie aufgehört hätten, dem Einfluss des Papstes sich zu verschließen! Wolle der König darin den Griechen und dem Drängen der Bischöfe folgen, so möge er sich auf gleiche Folgen gefasst machen. Wolle er lässig sein im Werk der Reformation, so möge er nur nach Ungarn blicken, um auch davon die Folgen zu sehen. Nichts könne ihn und Polen retten als die Hingabe eines ungeteilten Herzens in den Gehorsam Christi; dass er unbekannt sei mit der Wahrheit des Evangeliums und den Schäden des Papsttums, wie seine Vorfahren, könne der König nicht mehr sagen: so möge er sich denn hüten, dass ihn nicht dermaleinst, trotz aller Ausflüchte, der Richter überführe, wie er die Finsternis mehr geliebt habe als das Licht.“

Günstig standen eben für a Lasco die Verhältnisse nicht, als er in Polen zur Förderung der Reformation Hand ans Werk legte. Zwar waren die hervorragendsten Männer unter dem Adel der Reformation günstig, aber die klerikale Partei hatte noch viel Macht und zwei eifrige Führer an dem päpstlichen Legaten Lipomani und noch mehr an dem Bischof Hosius von Ermeland. Während die Römischen unter diesen Häuptern in geschlossener Einheit ihm gegenüberstanden, herrschte im protestantischen Heerlager große Zerklüftung. Die wirklich Evangelischen unterschieden sich in drei Gruppen: die ersten Evangelischen in Polen waren Lutheraner, meist auch deutscher Herkunft, gewesen; aber je weniger es die Deutschen verstanden, die Polen an sich zu ziehen, je mehr andrerseits die schweizerische Lehre bekannt wurde, desto entschiedener neigten sich die eigentlichen Polen in Lehre und Verfassung den Reformierten zu; zwischen beiden standen, jedoch durch Stammesverwandtschaft und Lehre mehr nach der reformierten Seite hingezogen, die böhmischen Brüder. An Vereinigungsversuchen hatte es nicht gefehlt, auch war eine vorläufige Verständigung zwischen den Reformierten und Brüdern schon 1555 zu Stande gekommen, indes blieb für a Lascos konziliatorische Geduld und Geschicklichkeit noch ein weites Arbeitsfeld. Weit schlimmer aber war es, dass unter die Evangelischen sich viele eingeschlichen, die entweder keine Spur von ehrlich evangelischer Gesinnung hatten oder auf zwei Seiten hinkten. In Polen hatte sich schon bald nach dem Beginn der reformatorischen Bewegung eine Richtung herausgebildet, die mit den mittelalterlichen Irrtümern auch zugleich die Grundlagen des Christentums antastete; an sie schlossen sich mehrere Italiener, die ähnlich gesinnt waren, – wie überhaupt der polnische und der italienische Volkscharakter viel verwandtes zu haben scheinen, – und von dieser Seite her fürchteten a Lasco und die Seinigen mit Recht das Meiste. So hatte unser Reformator nach allen Seiten hin schwere Arbeit vor sich – und wenig tüchtige Stützen. Von seinen bisherigen Mitarbeitern war ihm Johann Utenhove, sein getreuer „Achates“ gefolgt, Paul von Wingen sollte mit a Lascos Frau und den Kindern nachkommen. An König Sigismund fand er keinen Eduard und keine Gräfin Anna, man konnte nie klug daraus werden, was er eigentlich war: ein ziemlich sicherer Beweis, dass er nichts recht war. Wenig besser stand es mit den meisten polnischen Adligen; nur Nicolaus Radziwill gibt sich auf jedem Schritt und Tritt als einen ganzen durch und durch evangelischen Charakter zu erkennen.

Leider haben wir nur äußerst spärliche Nachrichten über a Lascos Tätigkeit am Abend seines Lebens, so dass wir darauf verzichten müssen, ein vollständiges und ausgeprägtes Bild davon zu entwerfen. Die Polemik mit den Bischöfen scheint ihn nicht sehr in Anspruch genommen zu haben; der Adel war jetzt schon meist entschieden gegen Rom; einstimmig bewillkommnete er den Legaten Lipomani, wenn er den Saal der Stände betrat: „wir grüßen dich, Natternbrut.“ Die Maßlosigkeit der römischen Polemik, skandalöse Ausbrüche blutdürstigen Ketzerhasses machten den Legaten von selber bald unmöglich, und da vollends Hosius von Ermeland an Vergerius, dem ehemaligen Bischof von Capo d’Istria, einen mehr als ebenbürtigen Gegner gefunden hatte, so konnte sich a Lasco einem andern seinem Charakter angemesseneren Werke zuwenden, dem positiv aufbauenden. Er wurde Superintendent der reformierten Gemeinden in Kleinpolen (setzt russisch) und wohnte auf einer ihm gehörenden Besitzung Rabstein. Seine Hauptsorge war, die Gemeinden innerlich zu heben und mit den verwandten Bekenntnissen so innig wie möglich zu verbinden, zu welchem Ende er zunächst die Übersetzung der Bibel ins Polnische betrieb, ein Werk, das unter der energischen Mitwirkung Radziwills durch a Lasco im Verein mit mehreren polnischen und ausländischen Gelehrten zu Stande kam und von den Polen noch jetzt für ein Meisterwerk, auch in sprachlicher Hinsicht, anerkannt wird. Die erste Ausgabe erschien erst nach a Lascos Tode. – In Lehre, Cultus und Verfassung hätte er alles gern nach dem Muster der ehemaligen Londoner Gemeinde eingerichtet, aber das hatte seine Schwierigkeiten. In Betreff der Kirchenzucht mahnten die Schweizer mit Recht zur Vorsicht, weil man eben einen großen Theil von Menschen vor sich hatte, die dem Evangelio erst gewonnen werden mussten, nicht solche, die um des Evangeliums willen schon Opfer gebracht, wie die Londoner Flüchtlinge. Nicht minder schwierig stand es in Betreff der Lehre. Wenn irgendwo so tat in Polen Einigung not, aber auf welcher Grundlage? Während man von einer Seite auf die Augsburgische Konfession drang, warnten die Schweizer mit Recht vor den Streitigkeiten, die mit ihr wie in Deutschland so auch in Polen einziehen würden; sei doch selbst die Auslegung derselben im Sinne ihres Verfassers sehr prekär, da Melanchthon einzelne Lehrpunkte zu verschiedenen Zeiten verschieden aufgefasst habe. Von andern Seiten stützte man sich auf das Bekenntnis der Brüder, das jedoch auch wieder in seinen Ausdrücken dehnbar war. Dennoch einigten sich auf einer 1557 unter a Lascos Vorsitz gehaltenen Synode die Brüder und die Reformierten so, dass beide fortan ein Ganzes bildeten. Eine Einigung mit den Lutheranern erlebte a Lasco nicht, vielmehr musste er sich bis an sein Ende mit dem auch nach Polen hinüberlärmenden Streit der deutschen Theologen befassen. Unter den letzten Arbeiten seiner Hand war eine Vorrede zu Utenhoves Bericht über die Schicksale der Londoner Flüchtlinge und eine Gegenschrift gegen Westphal; beide Stücke erschienen gleich nach seinem Tode.

Doch sollte ihm auch gerade vom Ausland her noch einige Freude kommen, noch einige Hoffnung, dass er nicht ganz vergeblich gearbeitet habe. In der Schweiz und in Straßburg sah er seine Ziele von jüngeren tüchtigen Männern noch fest im Auge behalten, dorthin sandte er seine jungen Landsleute, um sich zum Dienst der polnischen Kirche auszubilden. In England, wo Elisabeth den Thron bestieg, und die Gräuel der Verfolgung ein Ende nahmen, konstituierte sich die Londoner Gemeinde aufs neue; sein getreuer Utenhove eilte dorthin, und von London wie von Emden aus konnte nun den Niederlanden Hülfe geboten werden. Elisabeth sah er vollends Anstalten treffen zur Verwirklichung seines Lieblingswunsches, alle Evangelischen trotz aller Lehrdifferenz zu einem großen Bunde zu vereinigen.

Allein über Polen blieb die dunkle Wolke gelagert, aus der er mit ahnendem Geist das Verderben hervorbrechen sah. Abgesehen davon, dass eine Einigung zwischen Lutheranern und Reformierten immer nicht zu Stande kommen wollte, stellte sich die Krankheit täglich deutlicher heraus, an der die polnische Kirche und die ganze Nation untergehen musste. In das eigentliche Volk drang die evangelische Erkenntnis und die Zucht der Wahrheit gar nicht ein, und schon hierin gab sich zu erkennen, wie wenig sie bei dem Adel, der das große Wort führte, Wurzel geschlagen hatte. Es konnte nicht ausbleiben, dass die Lauheit, gepaart mit dem äußeren Interesse an der Polemik gegen Rom, ihre Früchte brachten: die Disputierwut und die Tyrannei der Phrase. Selbst Leute, die a Lasco scheinbar nahe standen, die Italiener Lälius Socinus, Lismanini und Stancaro bildeten in einer besonderen Gesellschaft unter dem Schein des religiösen Interesses sich zu Disputatoren heran, die über das Wesen Gottes und die Person Christi so viel und so fein zu schwatzen wussten, dass ihnen das Göttliche und Christliche unter den Händen in Nebel zerrann, dass nur Fragen und Spitzfindigkeiten übrig blieben für die Langeweile. Und, wie mit der Flachheit sich so gerne die Intoleranz verbindet, so trat schon damals, wenigstens bei Stancaro, die Absicht hervor, sich gegen die seinen Einflüsterungen widersprechenden Evangelischen mit den Bischöfen zu verbinden, vermutlich, um sich durch Verrat freien Spielraum zu erkaufen. a Lasco erlebte nur die ersten leisen Regungen, die sich noch nicht offen ans Licht wagten, aber er hatte genug daran, um zu sehen, dass er ein dorniges Feld bebaue, und ohne Murren zu folgen, sobald sein Herr ihn abberief aus einem Arbeitsfelde, das sein nicht wert war. Es geschah bald. Wir vernehmen nichts von besonderer Krankheit, die ihn ergriffen hätte; es steht zu vermuten, dass seine alte Kränklichkeit, gesteigert durch die ergreifenden Erlebnisse der letzten Jahre und die angestrengteste Tätigkeit, seine Kräfte aufrieb, bis nach kurzem Krankenlager, welches leider kein nahestehender Freund uns beschrieben hat, den 13. Januar 1560 seine Stunde schlug. Den 29. Januar wurde er in der Kirche zu Pinczow mit hohen Ehren beigesetzt. Hatte er im Leben gewandelt nach dem Wort des Paulus: „wäre ich noch Menschen gefällig, so wäre ich Christi Knecht nicht“, er hat es wie Paulus mit seinem Ende besiegelt, indem er den schönsten Wunsch seines Lebens zu Grabe trug: Polens Bekehrung zum Evangelio, – gleich wie Paulus vergebens die Hand ausstreckte nach Israel, dem in Unglauben versinkenden, weil der, der Glauben verlangte, nicht bot, was Menschen gefällt. Doch ist das Siegel der Wahrheit seinem Werke aufgeprägt durch Gottes richterliches Walten in der Weltgeschichte. „Verwahrlost ihr die Zeit der Heimsuchung, so wird das Heil verhüllt vor euren Augen“, hatte a Lasco den Polen geweissagt; so ists geschehen. Von der Zeit Sigismund Augusts an ist Polens Stern zutal gegangen; a Lasco und Radziwill (1565) wurden in Frieden heimgeholt, ehe der unrettbare Verfall offenbar wurde. Hosius, jetzt den federleichten Denkern gegenüber ohne viel Mühe Meister des Schlachtfeldes, erreichte mit Hülfe der Jesuiten Vorteil über Vorteil. Seit der Hof entschieden auf die Seite Roms übertrat, folgte eine Familie aus dem Adel der andern, und Nicolaus Radziwills eigner Sohn ließ die Bibeln aufkaufen und verbrennen, in deren Verbreitung der Vater seinen höchsten Triumph gesehen hatte; a Lascos Verwandte traten gleichfalls in die römische Kirche zurück; er selber hinterließ ohne Vermögen eine Witwe mit neun Kindern, man weiß nicht, was aus ihnen geworden ist. Die Evangelischen sind in Zwiespalt und Mangel an Pflege verkümmert. Von 122 reformierten Kirchen, die zu a Lascos Zeit in Kleinpolen waren, sind noch 6 übrig mit 4500 Seelen; viele dieser verschwundenen Gemeinden sind jedoch nur durch blutige Gewalttat aus dem Wege zu räumen gewesen. Äußerlich glänzende Erfolge winken dem, der Menschen zu gefallen versteht; wer Christi Knecht sein will, der wisse, dass der Meister sein „Vollbracht“ aussprach, als er am Kreuze hing und sein Werk vor Menschenaugen nicht vollendet, sondern gescheitert war; das ewig Bleibende ist, was sich den Augen der Welt entzieht. Auch außerhalb Polens sind a Lascos schönste Erfolge die unsichtbaren; doch seine Schriften und Einrichtungen dauern teilweise fort bis diesen Tag und sorgen, dass der Nachwelt sein Andenken in Ehren bleibe. Ein Anderes freilich ists, der Gerechten Gräber schmücken (Matth. 23: 29 ff.), ein Anderes, ihrem Glauben nachfolgen. –

Johannes a Lasco

Johannes a Lasco

Unter den wenigen Männern höheren Standes, welche zur Zeit der Reformation Rang und hervorragende Stellung, glänzende Aussichten auf Ehre und Lebensglück ihrem evangelischen Glauben und Berufe zum Opfer brachten und welche darum auch verdienen, von der evangelischen Christenheit in treuem Andenken bewahrt zu werden, ist keiner der letzten Johannes Laski, gewöhnlich der Reformator der Polen genannt, obschon er weit länger anderswo wirkte und nur den letzten Rest seines Lebens seinem Vaterlande widmen durfte.

Johannes Laski (a Lasco), geb. 1499, stammte aus einer sehr angesehenen polnischen Freiherrnfamilie, deren Glieder in Staat und Kirche hohe Würden bekleideten und im In- und Auslande bedeutende Rollen spielten, Von Jugend auf zur geistlichen Laufbahn bestimmt, genoss er nach der Gewohnheit des polnischen Adels einer sehr sorgfältigen Erziehung in wissenschaftlicher – weniger aber, wie es schein, in religiöser Hinsicht. Um seine Bildung zu vollenden bereiste er 1523-1525 die vorzüglichsten Länder Westeuropas. Zu Löwen entstand schon damals seine erste Bekanntschaft mit Alb. Hardenberg, nachherigem Prediger zu Bremen, welche sich später zum dauernden innigen Freundschaftsbunde befestigte. Zu Zürich ermunterte ihn Zwingli zum Studium der heiligen Schrift als der einzig sichern Quelle religiöser und christlicher Wahrheit – ein Samenkorn, das, wenn auch nicht sogleich, doch nachher aufging und seine Frucht brachte. Am folgenreichsten für Laski wurde jedoch sein Aufenthalt zu Basel im Jahr 1525. Er sah und hörte daselbst die Männer der verschiedensten Richtungen, die Theologen Oekolampad und Pellikan auf der einen – die Humanisten Glarean und B. Rhenanus auf der andern Seite. Am meisten aber schloss er sich dem großen Des. Erasmus an, dessen Hausgenosse er war und den er mit polnischer Freigebigkeit und bemerkenswerter Zartheit unterstützte. Besonders günstig wirkte dieser gerade auf seine religiöse Entwickelung. Während Erasmus bekennt, durch den Umgang mit diesem jungen Manne selbst besser geworden zu sein und als Greis von ihm die Tugenden gelernt zu haben, welche eigentlich der Jüngling vom Greise lernen sollte, bezeugt Laski dagegen noch zu einer Zeit, in welcher Erasmus Name schon viel von seinem guten Klange verloren hatte, dieser sei es gewesen, der seinem Gemüte zuerst eine religiöse Richtung gegeben, ja ihn im wahren Glauben unterrichtet habe. Zu früh für Alle erhielt Laski bereits 1525 von Hause den Befehl, Basel zu verlassen, um eine diplomatische Sendung nach Frankreich und Spanien zu übernehmen, von welcher er im folgenden Jahre nach Polen heimkehrte.

Es folgte nun eine Zeit von elf Jahren in Laskis Leben, auf welche er späterhin stets nur mit Schmerz und Scham zurückblickte. Äußerlich sah er sich zwar mit Ehren und Einkünften überhäuft; durch den Einfluss seines Bruders Jaroslav wurde er 1529 Bischof von Vesprin in Ungarn; er war ferner Probst von Gnesen und sein Oheim Johann Laski Erzbischof daselbst und Primas des Reichs. Allein eben dadurch lief er auch Gefahr, unter beständigen Reisen und Staatsgeschäften, im Hof- und Kriegsleben sein besseres Selbst zu verlieren. „Ich war, so schrieb er nachmals an Bullinger, – ich war ein rechter Pharisäer, mit vielen Titeln geziert, mit vielen und fetten Pfründen von Kindheit an hübsch vollgestopft, bis Gottes Gnade mich dies Alles aufgeben ließ.“ In der Tat blieb der bessere Kern seines Wesens unverdorben, er las nicht nur seines Lehrers Erasmus, sondern auch Luthers Schriften; er verlor die religiöse Frage der Zeit nicht aus den Augen; er kam endlich zu der klaren Überzeugung, dass er daheim unter diesen Verhältnissen, diesen Umgebungen niemals ein echt christliches Leben führen und Gott mit Ernst werde dienen können. Eben hatte ihm der König auch noch das Bistum Cujawien übertragen, als er 1537 den freiwilligen Entschluss fasste, allen diesen Stellen, Ehren und Vorteilen zu entsagen und sein Vaterland so lange zu verlassen, bis es ihm vergönnt sein würde, demselben seine Dienste in christlicher und evangelischer Weise zu widmen. Er teilte seinen Entschluss dem König Siegmund I. mit und dieser missbilligte ihn so wenig, dass er ihn vielmehr mit ehrenvollen Empfehlungen und Aufträgen versah.

Laski richtete seine Pilgerfahrt zunächst nach Deutschland und den Niederlanden. In Mainz traf er aufs Neue seinen Hardenberg, damals noch Lektor in einem Kloster bei Gröningen, und ruhte fortan nicht, bis er den noch Unentschiedenen für den Dienst des Evangeliums gewonnen hatte. Zu Löwen verheiratete er sich mit einem Mädchen bürgerlichen Standes; allein in den kaiserlichen und streng katholischen Niederlanden konnte, besonders nach diesem Schritte, seines Bleibens nicht sein. Deswegen begab er sich 1540 nach Emden in Ostfriesland, in dessen Nähe er sich ankaufte. Bald zog er hier die Augen des Grafen Enno II. und nachher die seiner Witwe, der Regentin Anna von Oldenburg auf sich. Sie drangen in ihn, eine Predigerstelle zu Emden und zugleich das Ephorat über sämtliche Geistliche des Landes zu übernehmen, eine Stelle, zu welcher er vermöge seines freundlichen und würdevollen Wesens, seiner Gewandtheit in Geschäften und im Umgange, so wie seiner Charakterfestigkeit vorzugsweise geeignet war. Nachdem der von ihm empfohlene Hardenberg abgelehnt, nahm Laski endlich 1538 den Ruf unter zwei Bedingungen an, erstlich dass er jedem Rufe seines Vaterlandes sofort folgen dürfe, wie es ihm sein Bruder Stanislaus noch auf dem Sterbebette zur Pflicht gemacht hatte – und zweitens dass er nur so lange bleiben wollte, als es der Regentin und der Gemeinde mit dem Dienste Gottes nach seinem Worte ein rechter Ernst sei. Nach dieser Regel der Schrift und nach dem Muster der ersten Christengemeinden suchte er nun die ostfriesische Kirche einzurichten; er drang vor Allem auf apostolische Einfachheit des Gottesdienstes, auf Entfernung auch der letzten Reste päpstlichen Aberglaubens und alter Missbräuche, z.B. der Bilder, und auf strenge Kirchenzucht; die Geistlichen versammelte er häufig zur Besprechung und gegenseitiger Beaufsichtigung. In der Lehre schloss er sich aus innerer Verwandtschaft wesentlich den Schweizern an; so besonders in der Abendmahlslehre; in anderen Stücken dagegen hegte er eigene Gedanken, die er ihnen jedoch freimütig mittheilte, ohne sie zu veröffentlichen; denn nichts dünkte ihn eitler, kindischer, schädlicher für die evangelische Kirche, als dass jeder Theologe seine besonderen Meinungen und Einfälle zu Markte bringen und behaupten wolle. Daneben bewies er sich in hohem Grade weitherzig; die Wiedertäufer und andere Sekten, die von allen Seiten, besonders aus den Niederlanden vertrieben, in Ostfriesland zusammenströmten, schützte er Anfangs gegen Verfolgung und suchte sie vielmehr durch Milde und Überzeugung zu gewinnen. So wurde der bekannte Menno Symons auf seine Fürsprache eine Zeit lang geduldet und selbst mit dem enthusiastischen Sektenhaupte David Joris wechselte er Briefe, ohne ihm jedoch seine stolzen Einbildungen ausreden zu können.

Laskis Name und Tüchtigkeit in kirchlichen Geschäften wurde bald auch in weitern Kreisen bekannt und verschaffte ihm manche ehrenvolle Einladung; der Churfürst Herrmann von Wied berief ihn 1545 nach Köln, um bei der Reformation des Erzstifts mit Melanchthon und Bucer behilflich zu sein; der Herzog Albrecht von Preußen suchte ihn nach Königsberg zu ziehen usw.. Obschon er diesen letzteren Ruf zum Theil aus kirchlichem Unabhängigkeitssinn, zum Theil aus gewissenhafter Anhänglichkeit an seine ostfriesischen Gemeinden ablehnte, so hatte er doch zu Emden selbst manchen harten Kampf zu bestehen, manche Anfechtung zu erdulden. Der Hof von Brüssel verklagte ihn bei der Gräfin unausgesetzt als Ruhestörer und Begünstiger aller Sekten. Dadurch ermutigt bildete sich auch zu Emden eine starke Partei wider ihn, bestehend aus den katholischen und lutherisch Gesinnten und aus vielen Vornehmen und Lebemenschen, denen seine ernste Kirchenzucht verhasst und im Wege war. An sie schloss sich sogar der junge Graf Johann, dessen Stimme natürlich bei der Regierung kein geringes Gewicht haben musste. Mit starken Zügen schildert Laski dem Sekretär der Gräfin diese Lage der Dinge. „So viele Jahre schon, schreibt er, ist hier gepredigt worden und was für Frucht lässt sich davon aufweisen? Wir sehen den öffentlichen Götzendienst und Gräuel der Mönche, ohne ihn nur berühren zu dürfen. Wir sehen alle kirchliche Zucht unterdrückt und aufgehoben. Wir sehen fast alles Gute, das zum Unterhalte des öffentlichen Kirchendienstes und zur Förderung der Jugendbildung gestiftet worden, verschleppt und verschleudert. Wir sehen bei uns einen Schlupfwinkel aller Sekten und zwar haben wir die Fliegen verjagt, während wir die Wespen und Hornissen füttern und den Raben Alles gestatten müssen. Ja es herrscht bei uns solche Duldung aller Laster, dass derjenige schon für einen Sektierer gilt, der ein wenig mäßiger und eingezogener als die Übrigen leben will.“

Allerdings blieb ihm die Gräfin, so wie ihr Bruder Christoph von Oldenburg fortwährend gewogen; sie unterstütze ihn bei manchen Einrichtungen, die er vornahm, z.B. bei der Bestellung eines Presbyteriums zu Emden mit der Gewalt zu bannen, bei der Erlassung einer strengeren Disziplinarordnung für die Geistlichen; sie erklärte mehrmals sowohl ihm als Andern, die seine Entlassung forderten, dass sie seiner nicht entbehren könne. Gleichwohl machte sich auch hier die Schwäche eines Frauenregiments geltend; ihr guter Wille wurde öfter durch ihre Räte und Umgebungen vereitelt; sie durfte gewisse Personen und Kreise nicht geradezu vor den Kopf stoßen und so ernst und unerschrocken auch Laski sie an seine und ihre Pflicht erinnerte, zu einem festen, durchgreifenden Handeln in seinem Sinne konnte er sie doch nicht bewegen. Er sah sich dadurch schon 1546 veranlasst, das Ephorat niederzulegen, um nicht einen leeren Titel zu führen und Christum dem Gespötte preiszugeben, – nahm es indessen bald wieder auf, nachdem seinen Forderungen größere Strenge gegen die Geistlichen in Betreff der Lehre entsprochen worden war.

So wenig übrigens Laski selbst seine hohen Begriffe von einer nach Gottes Wort gereinigten und hergestellten Kirche in der ostfriesischen für verwirklicht halten und sich mit dem Zustande derselben befriedigen konnte, so sehr müssen wir doch seine Leistungen in so kurzer Zeit bewundern. Er hat die reformirte Kirche Ostfrieslands recht eigentlich gegründet und in Bezug auf Lehre, Zucht, Freiheit der Verfassung und Reinheit des Gottesdienstes zu einer solchen Stufe erhoben, dass sie auch andern zum Muster dienste und bis in neuere Zeiten als eine der blühendsten und bestgeordneten dastand.

Dieser zwar mühe- und dornenvollen, aber doch auch gesegneten Wirksamkeit Laskis machte der Sturm, der nach der gewaltsamen Auflösung des schmalkaldischen Bundes über Deutschland erging, ein Ende. Die Gräfin Anna fühlte sich zu schwach, um die Annahme des vom Kaiser den protestantischen Ständen aufgedrungenen Interims zu verweigern, und unter diesem mehr als halb-katholischen Provisorium zu bleiben, war für Laski schon wegen seiner biblisch-kirchlichen Grundsätze und wegen seines reformirten Bekenntnisses rein unmöglich. Zudem erneuerte die kaiserliche Regierung, die längst einen Zahn auf ihn hatte, das Begehren seiner Entfernung, welches jetzt aber den Charakter eines mit Drohungen begleiteten Befehls annahm. Genötigt einen andern Zufluchtsort zu suchen, wurde Laski eben zur rechten Zeit nach England eingeladen, wo er schon im Jahre 1548 mit Bucer und P. Martyr Vermili bei der Kirchenverbesserung tätig gewesen war. Jetzt sollte er an die Spitze der dortigen Fremdengemeinde treten, die hauptsächlich aus geflüchteten Wallonen und Niederdeutschen bestand. Nach einem Aufenthalte bei Hardenberg in Bremen und mehreren Reisen in Norddeutschland verreiste er im Frühjahr 1550 – nicht für immer, wie er hoffte; er betrachtete sich vielmehr stets noch als Vorsteher der ostfriesischen Kirche und auch diese wollte das Band durch die zeitweilige Entfernung keineswegs gelöst wissen. In dieser Hoffnung schrieb er noch von Hamburg an die Geistlichen zu Emden: „Glaubet indes ja nicht, ich nehme Abschied von Euch und von Eurer Kirche; als würde ich Eurer und unserer Kirche fortan nicht mehr gedenken. Die kirchliche Sorge um Euch, teure Brüder, um unsere Gemeinde kann und will ich nicht lassen, so lange ich lebe. Beharret, ich bitte Euch, in der Pflicht Eures Amtes und der wohltätigen Ausübung desselben; erhaltet unsere Gemeinde auf dem Wege des Gehorsams, ermahnet sie zur Bekenntnistreue und aller Geduld mit Gelindigkeit und Danksagung. Gebe der Herr, wenn es zu seiner Ehre dienet, dass wir dereinst bei Euch wieder vereinigt sein können, denn dass es möglich sei, glaube ich auch jetzt noch. Der eingetretene Wechsel wird nicht lange andauern und bald wird Gott diese Verbesserer in ihren eigenen Anschlägen zu Schanden machen.“

In London angekommen fand Laski überall, besonders auch bei dem Erzbischofe Cranmer von Canterbury die zuvorkommendste Aufnahme. Der Boden, auf welchem er hier bauen sollte, schien für die Durchführung seines kirchlichen Ideals durchaus geeignet. Er hatte es mit lauter evangelisch gesinnten Fremdlingen zu tun, deren Glaube bereits in der Verfolgung geprüft und gestärkt worden war und deren Zahl bis auf 4000 anstieg. Von diesen durfte er keine allzu starke Anhänglichkeit an alte Formen, keinen Widerstand gegen seine apostolischen Einrichtungen besorgen. Seiner Festigkeit gelang es auch, ein königliches Patent zu erwirken, wodurch ihnen große Rechte und Freiheiten in Bezug auf Selbstregierung und Anordnung ihres Gottesdienstes gewährt wurden; mit dem anglikanischen Prunk der Gewänder namentlich konnte sich Laski durchaus nicht befreunden und so wusste er auch für sich und die Seinen die Einführung der sitzenden Kommunion zu erlangen, auf die er nach dem Vorbilde Christi und der Apostel viel – und wohl nur allzu viel Gewicht legte. Die Gemeinde bestand eigentlich aus dreien, einer französisch-wallonischen, einer deutsch-niederländischen und einer italienischen mit ihren besonderen Predigern. Auf ihre merkwürdige Verfassung mit ihrer weisen Mischung des demokratischen, aristokratischen und monarchischen Elements, mit ihren drei Kirchenämtern, den Diakonen oder Armenpflegern, den lehrenden und „andern“ Ältesten, welchen die Regierung und Kirchenzucht oblag, und den Doktoren, welche die christliche Wissenschaft vertraten, ist hier nicht der Ort näher einzutreten, so große Aufmerksamkeit sie auch verdient und neuerdings erregt hat. Laski selbst führte als Superintendent die Oberaufsicht über das Ganze und besorgte die allgemeinen Interessen desselben, während er zugleich als Doktor nicht anstand, lateinische Vorlesungen über das Neue Testament zu halten. Zwar fehlte es auch hier nicht an unerfreulichen Erfahrungen, sittlichen Vergehen selbst von Geistlichen, theologischen Irrungen und Zwistigkeiten; allein dessen ungeachtet ist diese in so kurzer Zeit zu Stande gebrachte, wohlgeordnete Schöpfung ein glänzendes Denkmal und Zeugnis, in welch hohem Grade Laski christliche Einsicht und praktisches Geschick vereinigte und wie sehr er zu dem schwierigen Geschäfte der Kirchenleitung befähigt und berufen war.

Der frühzeitige Tod Eduard VI. rief indessen schon 1553 seine ungleich geartete Schwester und mit ihr den Katholizismus in seiner finstersten, verfolgungssüchtigsten Gestalt auf den Thron. Auch der Fremdengemeinde wurden ihre Privilegien genommen; sie sollte sich der allgemeinen Kirchenordnung und damit auch allen den Maßregeln, welche auf vollständige Wiederherstellung des Papsttums hinzielten, unterziehen. Die Meisten wählten die Auswanderung, wozu ihnen Laski die Erlaubnis auswirkte. In rauer, stürmischer Jahreszeit, zu Anfang des Winters verließ er mit seiner Familie – er hatte sich in London nach dem Tode seiner Gattin wieder verheiratet – und einem Theil der deutschen Gemeinde das „treulose“ England. In dem protestantischen Dänemark glaubten sie wenigstens überwintern zu können. Wie bitter sahen sie sich getäuscht, als man sie hier aus blindem lutherischen Parteieifer abwies. Laski eilte daher nach Kopenhagen, um eine freundlichere Behandlung vom Könige zu erbitten. Umsonst! Erst musste er in der Kirche eine Strafpredigt wider „Sakramentierer“ mit anhören, dann wurde er zwar vom Könige gnädig empfangen, ihm und seiner Familie Schutz und Aufenthalt gestattet, die Andern jedoch davon ausgeschlossen. Ähnlich erging es ihnen zu Hamburg, Lübeck, Rostock, Wismar; überall trat ihnen der Einfluss der lutherischen Geistlichkeit feindselig entgegen. Doch fanden sie zum Theil endlich, besonders in Wismar Aufnahme und hier war es, wo wenigstens der Wiedertäufer Menno Symons den einst auf Laskis Fürsprache genossenen Schutz an dessen Unglücksgefährten durch teilnehmende und hilfreiche Liebe vergalt. Mit dem Rest der zerstreuten Heerde in Emden angelangt, beeilte sich Laski, dem Könige Christian III. von Dänemark die an den vertriebenen Christen begangene Sünde in einer sehr ernsten und würdevollen Zuschrift vorzuhalten; er forderte ihn unter Anderem auf, „zu bedenken, wie schmählich er die Gemeinde unverdienter Weise, gegen die Lehre des Evangeliums und das Gebot der christlichen Liebe behandelt, und auf sein Gewissen zu achten, ob er es wohl, nicht bloß vor der Welt, auch nicht vor seinen Beichtvätern, – sondern vor seinem Herrn und Gott selbst im tiefsten Herzensgrunde rechtfertigen möge.“

Mit um so größerer Liebe kam man Laski und seinen Leidensgenossen in Emden entgegen – nicht ohne Grund; hatte er sich doch auch in der Entfernung seiner alten Gemeinde in jeder Beziehung treulich angenommen. Indessen bemerkte er bald, dass er in Emden ziemlich überflüssig sei. Seine mitgebrachte Heerde besaß an Mart. Mikronius einen Hirten, der ihn ersetzen konnte; seine Stellung in der Landeskirche hatten Andere eingenommen; die anfängliche Gunst und der religiöse Eifer der Gräfin erkaltete immer mehr; die Insinuationen des Hofes von Brabant erneuerten sich und die maßlosen Angriffe und Schmähungen von lutherischer Seite, worin besonders der Hamburger Eiferer Joachim Westphal sich auszeichnete, blieben, obschon Laski dagegen nicht schwieg, doch nicht ohne Wirkung. Auch durfte er laut der Nachrichten aus Polen hoffen, bald zurückkehren und dem Evangelium daselbst wesentliche Dienste leisten zu können. Er verließ daher Emden noch vor Ablauf eines Jahres zur Betrübnis und unter Segenswünschen der Gemeinde und begab sich zunächst nach Frankfurt am Main, wo er sich bemühte, die Trümmer der Londoner Fremdengemeinde, zu denen sich bald auch englische und schottische Flüchtlinge, unter Andern Joh. Knox, gesellten, zu sammeln und ihre Verhältnisse zu ordnen. Anfangs gewährte ihnen der Rath Glaubensfreiheit, Schutz und eigene Kirchen; bald aber trug der reichlich ausgestreute Same der Verdächtigung und der Unduldsamkeit auch hier seine Früchte, und besonders nach dem Religionsfrieden von 1555, der nur die Augsburgischen Konfessionsverwandten im Reiche anerkannte, forderte man auch von den Fremden Anschluss an dieses Bekenntnis als unerlässliche Bedingung ferneren Schutzes. Laski war um so weniger abgeneigt, derselben zu genügen, als er stets die Trennung der beiden evangelischen Kirchen beklagt und sie auch durch die Lehrdifferenz, besonders über das heilige Abendmahl, nicht für gerechtfertigt gehalten hatte. Von jeher hatte er sich auch bestrebt, den Eifer seiner Schweizerfreunde im Streite mit Luther zu mäßigen, ja nach dessen Tode zu einer öffentlichen Anerkennung seiner Verdienste zu bewegen; was am Ersten, wie er hoffte, zu einer Verständigung den Weg bahnen würde. Auch jetzt nahm er daher keinen Anstand, eine Erklärung über das heilige Abendmahl abzugeben, die sich ziemlich wörtlich an die (veränderte) Augsburgische Konfession anschloss und die auch von dem, damals in Frankfurt anwesenden Calvin mit geringer Änderung gebilligt wurde. Gleichwohl erhoben sich Zweifel, ob denn auch der Sinn übereinstimme, und teils um dieselben zu heben, zumal ihm aus Polen geschrieben wurde, der König verlange, dass er sich über seine Zustimmung zur Augsburgischen Konfession genügend ausweise, bevor er zurückkehre, – teils um eine Zusammenkunft lutherischer und reformirter Theologen zum Zwecke der Vereinigung zu Stande zu bringen, bereiste Laski im Sommer 1556 die Pfalz und Württemberg. Seine Bemühungen scheiterten jedoch, wie seine Freunde vorhergesehen, soviel als gänzlich, indem Joh. Brenz, dem es hauptsächlich galt, alle Versuche einer Annäherung und Verständigung zurückwies.

Stets dringender lauteten indessen die Einladungen nach Polen; mehr als vierzig Briefe der angesehensten Männer forderten ihn auf zu kommen, weil wichtige Dinge für das Evangelium bevorständen-. Laski wollte zwar erst den Ruf des Königs abwarten, allein zuletzt siegte doch das Zureden seiner Freunde, besonders der Schweizer. Um aber auch noch auf der Reise für seine Zwecke tätig zu sein, nahm er seinen Weg über Kassel und Wittenberg; dort wurde er vom Landgrafen überaus gnädig und günstig, hier von der Universität auf das Ehrenvollste aufgenommen. Melanchthon empfing ihn wie einen alten lieben Hausfreund und gab seine volle Zustimmung zu Laskis Schrift vom Abendmahle, so wie zu der vorgeschlagenen Zusammenkunft; nur müsse sie nicht von den Fürsten, sondern von den gemäßigte Theologen beider Theile ausgehen und der Schreier wegen in aller Stille betrieben werden. Die Reise zum Churfürsten nach Dresden widerriet er ihm gänzlich. Mit Zeugnissen und Briefen von Melanchthon an den König und den vielvermögenden Fürsten Radziwill versehen, eilte nun Laski nach Polen und langte, nachdem er währen eines Krankheitsanfalls in Breslau den Schweizern vom Erfolg seiner Reise Nachricht gegeben und ihnen das Friedenswort noch ans Herz gelegt hatte, den 8. Dezember 1556 mit seinem treuen Gefährten Johann Utensch in Krakau an.

Seit 1548 saß Siegmund II. August, der Letzte der Jagellonen auf dem polnischen Throne. Schwach von Charakter, sah er die Fortschritte der Reformation in seinem Reiche persönlich nicht ungern, durfte sich aber nie öffentlich für sie entscheiden. Dagegen begünstigte ein großer Theil des mächtigen Adels die evangelische Predigt offen und ungescheut, manchmal mehr aus Eifersucht wider den Klerus als aus eigener Überzeugung, und Viele unterhielten evangelische Prediger auf ihren sehr ausgedehnten Gütern. Von dieser Adelspartei, an deren Spitze der besonders in Litauen hoch angesehen und mächtige Fürst Nik. Radziwill Cherny und andere der ersten Magnaten standen, war Laskis Berufung ausgegangen; er hatte auch schon früher jede Gelegenheit benutzt, um die Sache des Evangeliums in Polen zu fördern, hatte z.B. den Prediger des Königs, Laur. Prasnicki, zum Bleiben und Ausharren am Hofe ermuntert, dem Könige seine Schrift über die Verfassung der Fremdengemeinde in London zugeeignet, ihn so wie den Reichsrath und die weltlichen Mitglieder des Reichstages zum Achten auf die Fingerzeige und Heimsuchungen Gottes, zur ungesäumten Vornahme einer geregelten Kirchenverbesserung aufgefordert. Kein Wunder also, dass seine Ankunft die katholische Partei und besonders die Bischöfe, deren Einer ihn geradezu ihren künftigen Henker nannte, in Furcht und Bewegung versetzte. Vereint mit dem päpstlichen Legaten Lipomani drangen sie mit der Forderung in den König, dem Ketzer und Aufruhrstifter keinen Aufenthalt im Reiche zu gestatten. Der König ließ sich jedoch eines Bessern berichten und Laski wusste sich schriftlich so gut zu rechtfertigen und seine Ankläger ins gehörige Licht zu stellen, dass er unangefochten und wenigstens stillschweigend geduldet blieb. Bald übernahm er als Superintendent die Leitung der evangelischen Kirche von Kleinpolen. In dieser Stellung suchte er, den Verhältnissen Rechnung tragend, nicht sofort seine kirchlichen Ideen in ihrer Strenge durchzuführen; sein Bestreben war vielmehr auch hier, teils die zerstreuten Glieder und Gemeinden in ein Ganzes zu sammeln, zu ordnen und zu organisieren, teils die verschiedenen protestantischen Parteien und Richtungen zu vereinbaren, wie es so eben erst (1555) zwischen den Reformirten und den Böhmischen Brüdern in Großpolen geschehen war. Leider war ihm die Zeit des Wirkens daheim nur noch kurz zugemessen; er sollte es eben bis zuletzt erfahren, dass der Christ auf Erden kein bleibendes Vaterland habe; schon der 8. Januar 1560 rief ihn zu seiner Ruhe; nur 3 Monate später folgte ihm Melanchthon. Sein Tod raubte der evangelischen Kirche Polens den einzigen Mann, welcher durch seinen Charakter, sein Ansehen, seine durch Erfahrung gereifte Weisheit die auseinanderstrebenden Richtungen hätte zusammenhalten, dem polnischen Erbübel, der Zwietracht hätte wehren können, welche späterhin ihre Unterdrückung herbeiführte.

Laski erscheint uns als ein von Hause aus kräftiger, gediegener, echt adeliger Charakter, durch das Evangelium noch geläutert und veredelt, durch schwere Lebenserfahrungen geprüft und durchgebildet. In seinem Privatleben sehen wir ihn schlicht, einfach, genügsam, über jeden Eigennutz und jede Gemeinheit hoch erhaben. Beim Verluste eines großen Theiles seines Vermögens entschlüpft ihm nicht die leiseste Klage; seinem Freunde Hardenberg stellt er wiederholt seine ganze Kasse zu unbedingter Verfügung und schreibt ihm scherzhaft: „Wirst Du einmal reich, so kannst Du mirs wiedergeben.“ Wie er Allen, auch den Geringsten und Fremdesten, nach Kräften diente, so schämte er sich hinwiederum keineswegs, im Notfalle von seiner Gemeinde Unterstützung anzunehmen; wohl aber verweigerte er die Annahme eines Geschenkes von unbekannter Hand, weil er mutmaßte, es komme von der Gräfin Anna, die sich dadurch mit ihrem Gewissen abfinden wolle. Seine Frömmigkeit war weniger gefühlig und beschaulich, als vielmehr klar, praktisch, ins Leben ein- und durchgreifend: Gottes Wort über Alles, galt ihm als Grundsatz; dem beugte er sich unbedingt, dem sollte sich aber auch, so weit sein Wirken reichte, Alles beugen. Seine Friedensbestrebungen hatten daher auch nicht in dogmatischem Indifferentismus ihre Quelle, – er wusste vielmehr seine Überzeugung, wo es not tat, sehr wohl, obschon mit Mäßigung und Würde zu vertreten, – sondern in der Milde seines Charakters, in der praktischen Richtung seines Geistes, in dem großartigen, durch die Schule der Staatsgeschäfte gewonnen Überblick über die Verhältnisse, der ihn lehrte, dass, so lange vorerst noch die Existenz, die Konsolidierung, die Fortdauer der evangelischen Gesamtkirche auf dem Spiele ständen, Alle die im Glaubensgrunde eins wären, auch vereinigt dastehen sollten. Am ehrwürdigsten aber erscheint uns Laski in der heroischen Treue, womit er seiner Überzeugung als freiwillig Verbannter, als flüchtig von Land zu Land, unter allem Wechsel widriger Geschicke unwandelbar anhing, – die glaubensfrohe Ausdauer, womit er sein Werk, war es auch an Einem Orte dem Scheine nach zertrümmert, stets wieder an einem andern zu bauen begann. Welch großen, eben so imponierenden als herzgewinnenden Eindruck Laskis Persönlichkeit auf seine Zeitgenossen hervorbrachte, erkennt oder fühlt man vielmehr am Schönsten aus der an ihn gerichteten Anrede eines edlen Polen: „Mann Gottes! ich reiche Dir die Hand!