Johannes Gileck wurde 1707 im Chrudimer Kreise in Böhmen geboren, gerade als seine frommen Eltern voll Angst waren, daß der Vater um seines Glaubens willen ins Gefängniß geschleppt werden würde. Die Erzählungen seines Vaters von dem Herrn Jesu machten tiefen Eindruck auf ihn, so daß er oft zu ihm betete und auch wunderbar erhört wurde, besonders einmal, da er eine Krankheit plötzlich wegbetete, wodurch er einen tiefen Eindruck von der Allgegenwart des Herrn bekam. Er kam im 19. Jahre zu seinem Großvater, der ihm viel von den vorigen Zeiten in Böhmen erzählte und oft Tage lang schöne geistliche Lieder sang, die aber der junge Gileck nicht verstand. Darauf kam er zu einem gottlosen Meister, der über Religion spottete; bald fanden sich auch böse Buben, die ihn ganz in ihr Netz zogen und in Sünden und Laster verstrickten. Er faßte Vorsätze, aber sie hielten nicht. So ging es fort, bis er in eine entsetzliche Angst fiel, in der ihm ein altes Buch vom Leiden und Tode Jesu die Augen öffnete und ihm ward, als sähe er Jesum leibhaftig vor seinen Augen gekreuzigt. Er zerfloß in Thränen und es hieß in ihm: Sieh, was der Herr für dich erduldet hat, und du hast ihn bis jetzt nur mit Sünden betrübt. Sein Gewissen wachte auf, und er klagte jedem seine Noth. Sein Vetter rieth ihm, zu wallfahrten, so würde er Ruhe finden. Er ging wirklich nach Mähren mit einem ganzen Haufen Wallfahrern, die ein Bild auf einer Stange vorantrugen und sangen, daß die Luft davon schallete; aber weder dieß, noch der Wallfahrtsort selbst gab ihm Ruhe. Einige sah er da, wie sie, um ihre Sünden abzubüßen, schwere Kreuze schleppten, andere geißelten sich, bis das Blut vom Rücken herablief. Der Anblick griff ihn an, daß er ohnmächtig wurde. Er ging weiter nach Brünn; da führte man ihn in eine Kapelle, die das Fegefeuer hieß, wo alle Wände mit Plageteufeln bemalt waren; Furcht und Schrecken überfielen ihn. Er blieb aber bei allem trostlos und seine Last wurde schwerer. Seine Mutter und erleuchtete Freunde bemitleideten ihn, getrauten sich aber nichts zu sagen. Er kam zu einem Bauer in Arbeit, der erzählte ihm von der alten Zeit in Böhmen, welche schöne Bücher sie gehabt, wie sie Versammlungen gehalten, gelesen, gesungen und wie wohl ihnen dabei zu Muthe gewesen sei. „Sie hatten auch eine Bibel,“ sagte er, „und Hussens Gesangbuch – Thränen strömten dabei von seinen Wangen auf den Tisch – und als der Jesuit uns die Bücher wegnahm, konnte ich vor Schmerz nicht mehr bleiben, Blut stürzte mir aus der Nase vor Bewegung des Herzens.“ Gileck hörte dem Manne mit Erstaunen zu und fragte: Sage mir, wer redet denn in der Bibel? „Ach Bruder,“ antwortete der Bauer mit gefaltenen Händen, „Gott, unser Herr Jesus und seine Apostel und Propheten.“ Da hieß es in Gilecks Herzen: Das ist ewige Wahrheit. Die alte Mutter, die sie so reden hörte, bestätigte alles und sagte noch mehr von den Versammlungen und der Erbauung auf den Feldern zur Verfolgungszeit. Jetzt dachte er an die Bücher, die er oft als Kind seinen Vater hatte mit Thränen lesen hören, und vermuthete, seiner Mutter Bruder würde dieselben noch haben. Er begehrte sie, und dieser gab sie ihm, aus Furcht, daß er sie anzeigen möchte. Denn, sagten sie, er ist wallfahrten gewesen, wer weiß, was ihm der Priester befohlen hat. Er las die Bücher mit heißer Begierde: das erste, welches er las, handelte von den Thaten Christi. Es gingen ihm die Augen auf, er erkannte seine Blindheit, schämte sich seines Wallfahrens, riß seine Bilder ab. Er hörte von Leuten, die man Lutheraner nannte, machte Bekanntschaft mit ihnen, und sprang vor Freuden in die Höhe, als ihm einer ein Neues Testament und ein Gesangbuch auf einige Tage lieh. Aus letzterem schrieb er sich sogleich 130 Lieder aus. Endlich erhielt er eine ganze Bibel und erkannte daraus, daß er ein armer, blinder, unseliger Mensch sei. Er fand aber um sich her keinen einzigen solchen Menschen, wie sie in den Briefen der Apostel beschrieben sind. Ach, dachte er, wenn ich doch wüßte, wo solche heilige Leute zu finden wären, ich ginge zu ihnen, sollte ich bei Wasser und Brod leben müssen. Mein Leben würde ich nicht achten, wenn ich nur selig werden könnte. Einige entdeckten ihm: in Sachsen würde er solche finden. Nun wurde er aber den Katholiken verdächtig; sie sagten zu ihm: Du hast wohl deine Bilder verbrannt, man wird dich auch verbrennen. Darüber erschrak er, und sobald als ein Ausgewanderter auf Besuch kam, so ging er, obwohl ihn seine Mutter mit Thränen bat zu bleiben, mit ihm im Dunkel der Nacht aus dem Lande und kam glücklich in Gerlachsheim an. wo A. Schulz gerade predigte und das Abendmahl ankündigte. Er fand da eine solche Rührung und Belegung, ein allgemeines Weinen, einer bekannte dem andern und baten einander ab. Da dachte er, das sind die Leute, die ich suchte. Er sah sie mit Ehrerbietung an und ging mit Thränen in den Augen in sein Wohnplätzchen. Da sah er, welche herzliche Liebe, welche Offenherzigkeit und ungeheucheltes Wesen, welche Liebe und Einfalt, welcher Eifer im Gebet und im ganzen Wandel unter ihnen herrschte. Eine Kohle zündete die andere an. Herr Schulze stand selbst in kindlicher Herzenseinfalt und seine Predigten waren gewaltig; er schonte niemand, er drang auf die innigste Herzensverbindung mit Jesu. Gileck, im Schmerzgefühl seiner Sündennoth, schrie dann unaufhörlich um Gnade und Erbarmen, und siehe: da wiederfuhr ihm Barmherzigkeit, sein Herz wurde voll Friede, und er ist da in Wahrheit selig geworden. Run wünschte er aber auch, daß seine Mutter, seine Brüder und Schwestern derselben Seligkeit theilhaftig würden, darum besuchte er sie öfters in Böhmen, Sie waren willig, besonders die Mutter, alles zu verlassen, er führte auch jedesmal Einen oder den Andern mit nach Gerlachsheim. Durch seine Erzählungen von dem Segen und der Gnade daselbst, entstand eine große Erweckung unter der Jugend in Hermanitz. Allein bei seinem dritten Besuche in Böhmen wurde ihm aufgepaßt; doch Gottes Engel weckte ihn, als er mit seinen Begleitern ermüdet am Wege im tiefen Schlafe lag. Kaum waren sie in den dicken Wald gesprungen, als sie die Leute kommen sahen, die sie fangen wollten. Bei seinem sechsten Besuch wanderten 20 Personen in einer Nacht mit ihm aus. Am Tage lagen sie in den Wäldern oder bei bekannten Freunden still, und zur Nachtzeit wanderten sie. Mit Lebensgefahr mußten sie über einen angeschwollenen Floß, blos auf zwei gewaltig schwankenden Bäumen passiren, aber der Herr half ihnen glücklich hinüber, In Gerlachsheim fanden sie es immer lebendiger im Geist. Da war im ganzen Orte nur Ein Sinn und Ein Herz. Lieblich und schön tönte ihnen die Harfe in den Liedern: Fahre fort, Zion fahre fort im Licht! – Ringe recht rc.
Nach einem Fahre wurde er gebeten, seinen Stiefbruder aus Böhmen abzuholen. Er machte sich, begleitet von drei Freunden, mit Freuden auf den Weg; aber diesesmal ging es ihm übel, sie wurden verrathen und gefangen. Er wurde vorher gewarnt; denn es träumte ihm zweimal: er sähe den Jesuiten und den Todtengräber auf fohlen Pferden kommen und sagen: Führet sie nach Litomischl ins Gefängnis. Es war ihm, als stieß ihn Jemand an die Seite und sagte: eile, errette dich, und säume nicht. Er stand auch auf und wollte fliehen, aber sein Kamerad lachte über seinen Traum. In der andern Nacht geschah dasselbe, und da er nicht folgte, kam der Jesuit mit dem Todtengräber nicht mehr nur im Traume, sondern wirklich angejagt, stieg sogleich auf den Heuboden, wo sie lagen, und sie waren gefangen. Unbeschreibliche Angst überfiel ihn. Wirst du nun, hieß es in ihm, deinen Heiland bekennen, oder durch Furcht und Schmerzen dich zum Abfall und Verleugnen zwingen lassen? Doch er bekam Muth und sein Herz wurde fest, so daß es ihm unmöglich war, die heiligen Wahrheiten abzuschwören, die sich an seinem Herzen so kräftig erwiesen hatten. Der Jesuit nahm ihm sogleich sein Neues Testament aus der Tasche und ließ sie von jungen Leuten nach Litomischl führen, wo sie in das Stockhaus, von einander abgesondert, gelegt wurden. Gileck kam in das festeste Loch, wo die Torturwerkzeuge waren. Er wurde in Ketten geschmiedet und mit 40 Schlössern und Haken angeschlossen. Seine Bettstelle war der Stock, sein Bett etwas Stroh; an den Stock wurden seine Beine noch besonders fest angebunden. Zwei Nächte konnte er nicht schlafen. Zu essen bekam er nichts. Die Frau, in deren Hause sie gefangen genommen wurden, hatte der Jesuit auch einsetzen lassen. Sie saß nicht weit von ihm, so daß sie einander zurufen und mit Liedern ermuntern konnten. Ein Traum in der dritten Nacht kündigte ihm wieder alles an, was kommen würde, doch endigte er damit, daß er wieder nach Gerlachsheim zu seinem lieben Pastor Schulz kommen und von ihm geküßt werden würde. Da er lange nichts mehr gegessen hatte, wurde er heißhungrig, bekam große Schmerzen im Leibe, und war wie ohnmächtig, daß er glaubte, sie wollten ihn Hungers sterben lassen. Er fiel auf seine Knie, betete und glaubte zu sterben. Der Heiland aber tröstete ihn. Er bekam nun ein wenig, aber noch ganz warmes Brod, welches er heißhungrig verschlang, so daß er gleich die entsetzlichsten Kolikschmerzen bekam und sich wie ein Wurm winden mußte. Er wurde verhört, und weil er nicht an die alleinseligmachende Kirche, an die Fürbitte der Heiligen und an das Fegefeuer glaubte, als ganzer Ketzer erklärt. Falsche Zeugen brachten viele falsche Beschuldigungen gegen ihn an, und da er widersprach, wurde der Richter so zornig und fuhr ihn an, daß er in Ohnmacht fiel. Und als er wieder zu sich kam und der Lüge nicht beistimmte, riß man ihm gewaltsam die Kleider vom Leibe und wollte ihm 50 Peitschenhiebe geben. Da sie aber seinen elenden Leib sahen, ließen sie davon ab. Tages darauf wurde er vor den Rath geführt. Zwölf Rathsherren saßen auf ihren rothen Stühlen und er in ihrer Mitte vor ihnen. Drei sahen ihn mitleidig an, als wenn sie heimliche Freunde wären. Man gab sich viele Mühe, ihn seines Irrthums zu überführen, und erzählte ihm so viele päbstliche Alfanzereien, daß er lachen mußte. Da führten sie ihn fort ins Gefängniß – dann wieder aufs Schloß – endlich noch einmal auf das Rathhaus – wollten ihn mit allerlei Drohungen – ihn in Stücken zu zerhauen, ihm 100 Streiche zu geben rc. katholisch machen. Was denkst du? fragten sie zuletzt. Antw.: Ich denke ganz und gar nicht daran, eure Religion anzunehmen; denn ich begehre blos allein durch die Gnade Jesu Christi und um Seines Leidens und Todes willen selig zu werden. Da brachten sie ihm wieder die albernsten Dinge vor und schickten ihn endlich wieder in sein finsteres Loch zurück. Das Stockhaus war nun voll Bekenner der Wahrheit, die sie seit einiger Zeit aufgegriffen hatten. Und die Lüge ging frei umher und herrschte. Da man mit diesen genug zu thun halte, ließ man ihn in seiner Torturkammer eine Zeitlang ruhig sitzen. Diese Muße benutzte er, in sein Herz zu gehen, sich mit Jesu zu unterhalten, und hatte nun – in der Torturkammer – so selige Zeit, wie kaum je in seinem Leben. Es war ihm, als wenn er Tag und Nacht leibhaftig mit dem Heiland redete; fiel ihm etwas Arges ein, seufzte er zu ihm, gleich war ers wieder los, so daß ihm der Heiland immer lieber und süßer wurde. Sein Herz war so voll Freude, daß sein Mund in lauter Loblieder überfloß – gewiß hoffend, daß er wieder errettet und zu seinem lieben P. Schulze kommen würde. Ein Jesuit beunruhigte ihn mit der Lüge, die Auswanderer würden alle von Sachsen wieder zurückgeschickt werden, so daß er drei Tage weinte und drei Nächte schlaflos blieb. In der dritten Nacht tröstete ihn Gott durch einen Traum, in welchem ihm gesagt wurde, der Herr werde die Anschläge der Feinde zu nichte machen; im Jahre 1740 würde eine ganz eigene Zeit anfangen. Die Zahl 40 war ihm etwas Neues, denn er kannte noch keine Jahreszahl – fand es aber doch endlich heraus, daß noch 7 Jahre bis zum 40sten wären. Nun stimmte er sein Liedchen an: Fahre fort! Zion, fahre fort! Wenn ihm die Nase blutete, so nahm er einen Strohhalm und schrieb mit seinem Blute auf die Stückchen Papier, worin ihm wohlthätige Leute zuweilen eine kleine Gabe zugesendet hatten, ein Lied auf und warf es dem ihm sehr lieben Bruder Wosny aus dem Fenster zu. Diesem setzten sie auch sehr zu; da sie aber nichts mit ihm ausrichteten, schickten sie ihn seiner Herrschaft zurück. Er nahm bei Gileck an seinen Fenstern Abschied mit den Worten: Mein Bruder, ich empfehle dich dem Herrn Jesu! Nun war Gileck allein im Gefängniß – doch der Herr blieb bei ihm, das erhielt sein Herz freudig und getrost. Der Jesuit kam noch zweimal, um ihn zu bekehren; aber Gileck erklärte rund heraus: Kopf, Hände und Füße wolle er sich lieber abhauen lassen, als seinen Glauben hingeben. Da sich der Jesuit rühmte, sie hätten den apostolischen Glauben, fragte Gileck: Warum handelt ihr nicht wie die Apostel? Wann haben die Apostel je die Leute mit Gefängniß und Martern zum Glauben zwingen wollen? Da ging er davon.
Nun wurde es Winter und so kalt, daß seine einzige Nahrung, Brod und Wasser, in seinem Loche erfror. Und da er kein gutes Hemd am Leibe hatte, sondern das seinige schon vom Stroh zerrieben war und er sich nun mit seinem Rock zudecken mußte, so wurde seine Lage in die Länge sehr drückend, nur die Gnadennähe seines Heilandes erhielt ihn gefaßt. Die Tschermatzky kam vor sein Fenster und erkundigte sich, ob er lebe und nicht erfroren sei; denn der Stockmeister hatte ihr gesagt, es sei unmöglich, daß er es länger aushalten könnte. Da antwortete er mit etwas Selbstvertrauen – wie er selbst bekennt – wie Petrus, daß er lieber erfrieren, als verleugnen wollte. Gleich kam eine Versuchung zur Schuftigkeit; er willigte ein und gab sich dem Schlafe hin, erwachte aber mit Angst und Schrecken, als ob er unter Steinen begraben läge; seine Freudigkeit war weg, er war trostlos und leer; vorher konnte er mit seinem Heiland vertraut umgehen, jetzt war er wie ein Stein, der Heiland schien weit entfernt zu sein und ihn verlassen zu haben. Es regten sich böse Gedanken und Phantasien. Er wurde sich selbst zur Last. Endlich erkannte er seine Schuld, es sagte ihm sein Gewissen: Du hast den Heiland und Er dich verlassen; du wolltest ja lieber ohne ihn liegend schlafen, als mit ihm wachen. Er weinte jetzt Tag und Nacht, drei Wochen lang, fastete zweimal drei Tage, seine Augen wurden krank vor Weinen, und sein Leib von großer Kälte durchfroren. Da verzagte er und dachte: Höllenqual kann nicht größer sein, ich muß sie enden und mir das Leben nehmen. Er ergriff wirklich das Messer – aber jetzt war es, als ob eine liebreiche Stimme ihm zurufe: Thue dir kein Leid! Wenn Jesus dich tragen will, so überlaß dich Ihm! Das durchschnitt sein Herz, er zerfloß in Thränen, flehte um Gnade – und der gnädige Heiland schenkte ihm Trost und Hoffnung. Nach Weihnachten wurde er in eine große gewölbte Stube gebracht, ein Freund schenkte ihm ein Hemd und er mußte spinnen für den Stockmeister. Das schien zuerst erwünscht, aber es kam bald so, daß er oft an sein voriges Loch dachte. Denn nun wurden die gottlosen Kerle, Räuber und Mörder zu ihm eingesetzt, die seine Seele Tag und Nacht quälten und ihn ermorden wellten. Die Zeit wurde ihm unerträglich, er sehnte sich nach Erlösung. Es fiel ihm ein, Soldat zu werden – er wurde auch untersucht, aber für untüchtig zum Dienst erklärt. Im Herbste kam er in ein häßlicheres Gefängniß, welches mit Mäusen, Fröschen und Schlangen angefüllt war, welche, da er immer auf der Erde sitzen oder liegen mußte, über ihn hin und her krochen. Hier verlahmte sein Fuß, daß er nicht mehr auftreten konnte, und damit verschwand ihm alle Hoffnung zum Wegkommen. Seine Nahrung war täglich für 1 Kreuzer Brod und Wasser. Nun ängstete er sich so ab, daß er mit Schweiß bedeckt war. Endlich fiel er dem Heiland wieder in die Arme und bat kindlich um seine Hülfe, fiel in einen sanften Schlaf und erwachte heiter und wohl. Auch der lahme Fuß war wieder gut. Seine Seele lobte den Herrn und er schöpfte neue Hoffnung. Er nahm seine Harfe (Gesangbuch), die bisher an den Weiden hing, wieder in die Hand und stimmte, Tag und Nacht manch Loblied an für das, was Gott an ihm gethan.
Da kam sein Jesuit wieder, bedauerte ihn jesuitisch, und rieth ihm, Brandtwein zu trinken; auch wollte er ihm vorbeten, wie er es wünschte, Gileck verbat sichs aber, sagend: wir können nicht zusammen beten. Sie werden beten, daß ich mich zu ihrem – und ich, daß sie sich zu meinem Glauben bekehren möchten. Da ward der Jesuit zornig, lief davon und kam lange nicht mehr. Dann kam ein Bischof in seinem ganzen Ornat zu ihm, um ihn katholisch zu machen; er redete aber in so hochmüthigen Ausdrücken, daß es Gileck nicht ertragen konnte, sondern sich von ihm wegwandte; da verließ er ihn.
Jetzt kam er in eine Stube, wo einer der früher Verfolgten saß, der ihm erzählte, wie damals hier die Leute gemartert worden wären; die Stube wäre so voll gewesen, daß sie nicht liegen, sondern nur neben einander knieen und sich auf die Ellenbogen lehnen konnten. Viele habe man vor den Pflug gespannt und mit ihnen geackert.
Nach einiger Zeit kam ein alter Jesuit, der ihn vorforderte und blos grimmig anblickte, ohne ihn anzureden, schickte ihm aber ein Büchlein, und da Gileck dasselbe nicht annahm, ließ er ihn in den Stock legen, wo er weder sitzen noch liegen konnte. Nun war er aber der unaufhörlichen Qual so satt und müde, daß er den Heiland mit Thränen bat, ein Ende mit ihm zu machen; möchten sie ihn tödten, wie sie wollten. Allein erst nachdem zwei Jahre seiner Gefangenschaft verflossen waren, wurden seine Peiniger selbst müde. Einmal kam Her Richter ganz betrunken um Mitternacht zu ihm und schlug ihn, da er sagte, er sei evangelisch, mit geballter Faust so an den Kopf, daß er umfiel und wie todt dalag; darauf gab er ihm mit seinem spanischen Rohr drei so starke Hiebe in die Seite, daß er erwachte; und als er auf die Frage: willst du katholisch werden? Nein! antwortete, befahl er dem Diener, ihm 30 Schläge zu geben. Da dieser aber sahe, daß er nicht auf den Beinen stehen konnte, und er den barmherzigen Heiland anrief, unterließ er es für dieses Mal, und der Herr tröstete ihn kräftig. Der Richter aber kam sieben Nächte hinter einander und verursachte jedesmal den grausamsten Lärm. Darauf mußte er wieder vor den Rath und ein 6stündiges Examen aushalten. Man bedrohete ihn mit den fürchterlichsten Martern, z. B. ihn im Schornstein aufzuhängen, und mit Erbsenstroh zu schmauchen, mit spanischen Stiefeln zu peinigen, und dann zu verbrennen. Aufs Gelindeste sollten ihm Nase und Ohren abgeschnitten, Galgen und Rad auf die Stirne gebrannt werden, und so verstümmelt sollte er zeitlebens auf dem Spietberg gefangen bleiben. Er mußte auf eine Weile abtreten; da sagte ein Rathsherr ihm leise ins Ohr: fürchte nichts, man schreckt dich nur. Das stärkte ihn so, daß er dem Herrn hätte die Füße küssen mögen. Den folgenden Tag mußte er wieder vor den Rath, und da man alles wiederholte, und er doch standhaft blieb, wurde ein Geistlicher so wüthend, daß er ihn mit den Zähnen zerreißen wollte.
Nun wurde er zum Schloßhauptmann geführt, den man als einen sehr zornigen Mann schilderte. Gileck betete aber auf dem Wege, und jener fragte ihn: Gileck willst du bei deinem Glauben beharren, wenn man dich verbrennt? „Ja!“ Willst du beharren, wenn man dich aufhängt? Antw.: Ja, ich will. Gileck ich frage dich noch einmal: willst du beharren, wenn man dich zum ewigen Gefängniß verdammt? Antw.: Ja, ich will. Da sah der Hauptmann den Jesuiten an und sagte: ich weiß nichts mehr mit ihm zu machen; er thut recht, daß er redet, wie er’s meint; hieß ihn fortführen und schickte ihm 1 Groschen Almosen nach. Der Jesuit kam noch einmal. Da sich aber Gileck voraus erklärte, er wolle ihn weder sehen noch hören, blieb er ganz weg. Aber nun wurde er feierlich excommunizirt von dem ganzen Magistrat und der Geistlichkeit. Ein Jesuit stieß ihn aus der Kirchengemeinschaft, erklärte ihn für verlustig aller Gebete und Fürbitten der Heiligen und übergab ihn dem Teufel und der Hölle auf immer und ewig. Er aber übergab dabei sich ganz aufs neue seinem allgenugsamen Heiland, der allein Herr ist über Leib und Seele. Alle sahen in starr an (- sie hatten noch nicht anders gelernt seit Hussens Zeit -); er stand unverändert ruhig und gelassen vor ihnen. Beim Herausgehen aus der Kirche kamen nun die Priester mit glatten Worten, er solle ihnen nur alle seine Sünden beichten, so grob sie auch wärm, auch Mordthaten, sie würden ihn nicht verrathen; sie würden das Unheil aufheben rc. Er lächelte und sagte: es möge immer dabei bleiben. Am folgenden Tage wurde ihm auf dem Rathhause das Urtheil, das von Prag kam, vorgelesen, nach welchem er zwei Jahre an Ketten geschlossen öffentliche Arbeit ihm, und sein ferneres Urtheil erwarten müßte. Auf der Stelle gab man ihm eine Axt in die Hand, um Eis aufzuhacken. Er konnte vor Mattigkeit die Axt kaum halten. Alles Volk blieb vor ihm stehen, einige lachten und spotteten, andere bezeugten Mitleiden. Da der Jesuit dieses letztere sah, ließ er ihn gleich wieder einsperren. Er wurde aber mit der linken Hand an den rechten Fuß geschlossen und mußte in der Passionswoche so die Straßen reinigen u. dgl.
Endlich kam die Stunde seiner Erlösung; es ertönten plötzlich die Sturmglocken und Feuerlärm. Er half so gut er konnte löschen, und eine arme kranke Frau aus den Flammen ziehen, die ihre Hände empor hob und sagte: „Ach, das kommt von Gott, als eine gerechte Strafe; da müssen wir schweigen.“ Dann bat ihn ein Mann, seine Kuh aus der Stadt zu den drei Scheunen zu führen, welches er auch that, indem er zugleich betete, der Herr möchte ihm anzeigen, was er nun thun sollte. Da war’s, als sagte ihm Jemand: lege dich hinter die 3 Scheunen, und wenn bis am Abend dich niemand sucht, so entflieh. Als es nun dunkel ward, machte er sich über die Felder auf, dem Walde zu, schlug mit Steinen seine Fußeisen ab, verscharrte sie nebst den zwei Klafter langen Ketten in die Erde und vergoß einen Bach von Thränen, gebeugt über seinen oftmaligen Mangel an Vertrauen. Dann lief er mit Lobgesängen seine Straße die ganze Nacht hindurch, wurde aber vor Hunger ganz matt. Bei Tagesanbruch kam er zu einer Buschschenke, und ließ sich Brod und Bier geben. Die Wirthsleute machten große Augen, einen Menschen ohne Rock und Schuh, im leinenen Unterkleid, mit langem Bart und Haaren zu sehen. Sie examirten ihn scharf, woher und wohin? In der Angst rief er den Heiland an, und als sie ihn zum dritten Male fragten, fragte er dagegen: ob sie nicht wüßten, was für ein großes Ding sich gestern zugetragen hätte? Sie veränderten ihre grimmigen Blicke und fragten: was denn? Er erzählte den großen Brand von Litomischl und fügte hinzu: ich komme daher und gehe jetzt wieder nach Hause. Er ging, und sie ließen ihn im Frieden ziehen. Dies Frühstück mußte auf 2 Tage ausreichen. Er verirrte sich ein paar Mal, sein unsichtbarer Führer half ihm aber wieder zurecht. Nachdem er um Mitternacht den höchsten Gipfel des Gebirges mit 2 Stöcken erklettert hatte, labte er sich an einer Quelle und schlief ein. Geweckt durch seinen Engel, wie schon mehrere Male, sah er sich furchtsam um und erblickte zwei Wölfe auf ihn zuspringen, er flehte zu seinem Heiland, die Thiere drehten sich um und liefen davon. Er aber kam glücklich nach Gebhardsdorf und endlich in Gerlachsheim an.
Die letzte Periode seines Pilgerlebens war nicht minder reich an merkwürdigen innern und äußern Erfahrungen. Er blieb geraume Zeit in Gerlachsheim als Gehilfe des Schulhalters Holub, nicht ohne innere Kämpfe mit seinem alten Adam, dabei er seufzte: Ach wenn ich ihn doch recht kreuzigen könnte! wenn ich doch den Herrn Jesum ganz hätte! Im Aeußern ging es ihm auch schwer, er hatte oft nichts als ungeschmalzene Kleienklösel zu essen, welches er indeß nicht so sehr achtete.
Es kamen aber nun Verfolgungen, die den Pastor Schulz vertrieben. Sie folgten ihn, und reisten über Sorau und Cottbus nach Berlin. Beim Eintritt in diese Stadt wurde ihm ängstlich zu Muthe und nicht ohne Ursache. Sie hielten sich erst zu den bereite hier wohnenden Böhmen und arbeiteten mit ihnen. „In ihren Versammlungen, erzählt er selbst, hatten wir gehofft, Kraft und lieben zu finden, fanden sie aber nicht. Als Herr Liberda nach seiner Entlassung aus dem Gefängnisse wieder hieher kam, und in seinen Predigten immer vom Schleifstein der Vernunft redete, um seine Zuhörer zu recht geschliffenen Menschen zu machen, so faßten die Böhmen große Widrigkeit gegen uns Gerlachsheimer, und fingen an uns zu verfolgen. Pastor Schulze zog dann mit uns Gerlachsheimern nach Rixdorf; ich blieb jedoch hier in Berlin, lebte aber ganz in der Stille.“
Nach mancherlei Erfahrungen schloß er sich – da die Brüdergemeinde hier entstand – an dieselbe an, wurde auch aufgenommen und in verschiedenen Fächern gebraucht.
Bis hieher ist ihm selbst alles nacherzählt. Das letzte lange Krankenlager dieses ausgezeichneten Glaubenskampfers und Märtyrers war überaus schwer. Seine Gesundheit war, wie leicht zu erachten ist, in seinen Gefängnissen und durch die grausame Behandlung bei fast gänzlichem Nahrungsmangel unheilbar zerrüttet worden. Er hatte von den vielen innern und äußern Leibesgebrechen viele Schmerzen zu erdulden, und die letzten anderthalb Jahre mußte er gänzlich im Bette verbringen. Da opferte er bei Tag und Nacht Gebet und Flehen, oft mit lautem Weinen, zu dem, der allein ihm aushelfen konnte, und der ihm auch durchhalf, bis die Stunde seiner Erlösung von allem Uebel schlug.
Von Augustin Schulze, den Gileck und die Böhmen so sehr liebten, ist noch nachzutragen, daß er in Breslau geboren ist, in Jena studirt, und in Witschen polnisch gelernt, auch in Görlitz bei M. Schäfer eine Zeit lang sich aufgehalten hat. Er kam nach Großhennersdorf zu den Böhmen, und wurde dann 1728 von der böhmischen Colonie in Gerlachsheim als ihr Prediger gerufen. Er lebte mit ihnen sehr arm, ohne Salarium; fand viel Erkenntnis bei ihnen, aber kein Leben im Herzen (was wohl zu merken ist). Er war aber unermüdet in seinem Amte, hielt den Kindern alle Tage Schule und den Erwachsenen, außer den Sonntagspredigten, die gewöhnlich drei Stunden Vor- und auch Nachmittags eben so lange währten, auch in der Woche Erbauungsstunden, besuchte und sprach alle einzeln; die Sakramente ließ er ihnen von deutschen Pfarrern geben, denn er wollte sich nicht ordiniren lassen, um seine Böhmen in der Freiheit zu erhalten. Seine Zuhörer hatten ihn so lieb, daß sie nach seinen langen Predigten ungern aus der Kirche gingen. Es entstand unter ihnen eine Erweckung, die gesegnete Folgen hatte. 1732 kam Gileck von Hermanitz mit 14 andern Böhmen; ihm folgten 1733 und 1834 noch einige Familien, z. B. Niemetz, Janowschek, Pakosta rc. Schulz hielt noch besondere Ermahnungen an die Kinder, au die ledigen Manns- und Weibs-Personen, an die Verheiratheten und an die Wittwen. Er theilte jede dieser Abtheilungen noch in besondere Gesellschaften, die sich über ihren Seelenzustand unterredeten und die Aufseher derselben brachten ihm alle Sonnabend Nachricht von dem Zustand der Seelen. „Was mein Amt (schreibt er selbst in seiner historischen Einleitung zu dem Kirchenbuche der böhmischen Gemeinde in Rixdorf) noch anmuthiger und gesegneter machte, war, daß sie es nicht nur auf meine Predigten ankommen ließen, sondern sich unter einander selbst treulich ermahnten und in allen Stücken den ganzen Tag hindurch mit Beten, Singen und gottseligen Gesprächen zubrachten, ohne ihre Arbeit zu versäumen. Wer am besten lesen konnte, machte sich an seinem Spinnrad oder Webestuhl ein kleines Pult fest, daß die Bibel darauf liegen konnte, lind las den andern (denn es waren in einer Stube oft 12 bis 16 Personen) etwas vor; darüber redeten sie unter sich und beteten u. s. w. In jeder Stube waren zwei Aufseher bestellt, um alle Unordnung zu verhüten und ihm Nachricht über ihr Verhalten zu geben; und da die ledigen Weibspersonen von dem andern Geschlechte abgesondert zu wohnen wünschten, so miethete er ihnen ein Haus, wo sie für sich sein und arbeiten konnten. Desgleichen versorgte er die Wittwen mit einer besondern Wohnung und mit nöthigem Unterhalt an Arbeit und Lebensmitteln. Auf äußere Zucht und Ordnung wurde streng gehalten, und wer anstößig wandelte, wurde aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, bis er öffentliche Abbitte that und sich änderte.“
Da sie im Jahre 1737 genöthigt wurden, von Gerlachsheim wieder auszuwandern, führte sie der Pastor Schulze nach Berlin und Rixdorf, wo er in einer elenden Kammer unter dem Dache wohnte und sich mit Frau und Kindern eine Zeit lang kümmerlich behelfen mußte.
Dieser Augustin Schulze bemerkt noch über die Böhmischen Auswanderer überhaupt: „In Ansehung des Geistlichen sind die guten Leute meistentheils in die Hände schlechter Hirten gerathen, die selbst nicht gewußt, wie es um die Seele steht. Man hat es wenigstens dabei bewenden lassen, wenn sie ein stilles, ehrbares Leben geführt, wozu schon in Böhmen durch die Schrecken des Gewissenszwangs der Grund gelegt worden. Man hat sie selig gepriesen, daß sie alles verlassen und die evangelische Confession angenommen haben. Ihre Nachkommen sind meistentheils aus der Art geschlagen, und haben die Sitten der Leute, unter denen sie wohnten, angenommen. Nach der böhmischen Brüder Zeiten bis auf das Jahr 1720 hat man nichts von einer sich ausbreitenden Erweckung, noch weniger von guter Verfassung und Bewahrung der Seelen unter den Böhmen gehört.“
Möge nun der Herr, der Geber alles Guten, Segen geben, daß die neue Bekanntmachung dieser böhmischen Verfolgungsgeschichte, die gewiß wenige oder gar keine ihres Gleichen hat, eine neue Erweckung und Belebung unter ihren Nachkömmlingen sowohl als unter allen Deutschen, die sie lesen, hervorbringen. Möge besonders Jeder, der von diesen Glaubenshelden und Blutzeugen der evangelischen Wahrheit abstammt, in sich selber gehen, und sie – als ständen sie leibhaftig vor seinen Augen – anhaltend und genau betrachten, nach Hebr. 12, 9: Schauet an den Ausgang ihres Wandels und folget ihrem Glauben nach.
Gossner, Johannes –