Herzog Sigismund August von Mecklenburg.

(Geb. 1560, gest. 1600.)

Von keinem souverainen, auch keinem thatenkräftigen Fürsten handeln diese Mittheilungen, sondern nur von einem apanagirten Prinzen, von dessen fürstlichem Stillleben indessen uns mehrere Züge erhalten sind, welche in Wort und That den christlichen Charakter erkennen lassen.

Sigismund August geboren 1560, ist der zweite Sohn des durch Regententugenden, wie durch persönliche Frömmigkeit ausgezeichneten Herzogs Johann Albrecht I., des Begründers der evangelischen Kirche in Mecklenburg, eines Regenten, welcher zu einem reicheren Gemälde den Stoff gegeben haben würde, der indeß in demselben Jahre (1576) stirbt, mit welchem der Zeitraum beginnt, dem diese biographischen Skizzen gewidmet sind. Auch von mütterlicher Seite einem der frömmsten und edelsten Fürsten jener Zeit entstammt, ein Enkel Herzog Albrechts von Preußen, stellten sich von früh an dem aufwachsenden Prinzen erlauchte Vorbilder christlicher Gottseligkeit vor Augen. Zu seinem ersten Lehrer erhielt er den von seinem frommen und gelehrten Vater hochgeschätzten und berühmten Humanisten Caselius, einen Mann der melanchthonschen Schule. Erst 16 Jahr alt, verliert der Prinz bereits seinen preiswürdigen Vater und tritt unter die Vormundschaft der beiden Churfürsten August von Sachsen und Georg von Brandenburg, wie auch seines Oheims, des Herzogs Ulrich von Mecklenburg-Güstrow. Wie auch andre der Mündel von Churfürst August, wird er an den Hof dieses großen Churfürsten gezogen, und genießt daselbst eine dreijährige Bildung. Im Jahre 1582 begleitet er seinen Oheim Ulrich auf den Augsburger Reichstag, 1590 an den Hof Christian IV. von Dänemark, im Jahre 1593 vermählt er sich mit Clara Maria, einer Schwester des frommen Philipp II. von Pommern. – Nur eine sehr bescheidene Wirkungssphähre war ihm vergönnt. Die Weisheit Johann Albrechts hatte testamentarisch in seinen Landen das Erstgeburtsrecht eingeführt: so erfolgte bei der eingetretenen Majorennität seiner beiden Söhne eine Abfindung, nach welcher Sigismund, als der zweite derselben, nur den Niesbrauch der Aemter Strelitz, Joenack und Mirow erhielt, während sein älterer Bruder Johann VII. 1585 als regierender Herr in das Regiment des Schwerinschen Landestheiles eintrat.

Eine schwere vom Vater her ererbte Schuldenlast ruhte drückend auf beiden Brüdern. Einen Begriff von der außerordentlichen Einschränkung, welcher selbst das regierende Ehepaar sich zu unterwerfen hatte, giebt folgende Schilderung in einer Selbstbiographie der Herzogin Sophie, der Gemahlin Johann VII.: „Mein Herr hatte selten Geld in der Kammer, und wenn er davon einen Schilling ausgab, so pflegte er den sehr genau anzuschreiben, denn er meinte ja alle seine Sachen so genau aufzuzeichnen, weil er aus den Schulden kommen wollte. Ich kann wohl vor Gott mit gutem Gewissen sagen, daß ich nichts wüßte in den vier Jahren, die ich mit ihm im Ehestande gelebt, das er für mich gekauft hätte, als 18 Ellen schwarzen Sammt und 14 Ellen weißen Atlas zu Kleidern, die hat er mir zu zwei Malen gegeben, den letzteren, als mein Sohn Adolf Friedrich geboren wurde, ersteren, als Anna Sophie jung ward. Einmal wollte er mir einen Spiegel für 60 Thaler kaufen, da nahm ich aber lieber das Geld und ließ dem Krämer den Spiegel. Ich weiß wohl, daß andere in einem halben Jahr mehr bekommen, als ich in den vier Jahren. Ich hatte alle Jahre 400 Gulden (nach jetzigem Course 2409 Gulden), da mußte ich mein Frauenzimmer und Mägde von halten, auch Schuhe und Strümpfe, und was ich zu meiner Nothdurft haben mußte, davon kaufen. Ich wäre damit wohl nicht ausgekommen, wenn meine selige Frau Mutter mir nicht ausgeholfen, die mir Kleidung für die Jungfern gegeben, außerdem noch Leinwand und Geld um abzulohnen. Wenn ich zu Gevatter oder zur Hochzeit gebeten wurde, mußte ich sehen, wo ich’s krech. Wenn mein Herr und ich zu Gevattern gebeten wurden von fürstlichen Personen, mußte ich das Geschenk austhun, sollte es wieder haben, was aber nicht geschehen ist. Es wäre wohl noch viel davon zu schreiben. Es wird kein ehrlicher Mensch sagen können, daß bei meines gottseligen Herrn Lebzeiten viel auf mich und die meinen gegangen ist, oder meinethalben Schulden gemacht sind, sondern dies wird nur von leichtfertigen, verlogenen Leuten geredet, die nichts darvon wissen, oder auch nur aus bösem Herzen mich zu verunglimpfen bedacht sind; es mag aber auch wohl von denen geschehen seyn, die es besser genossen haben als ich, und wohl zum Theil des Galgens und anderer Strafe werth gewesen wären, wozu ich sie auch hatte bringen können, wenn ich’s nicht um Gottes willen gelassen hätte.“

Auf Herzog Sigismund scheint auch durch anhaltende Siechheit ein schwerer physischer Druck gelastet zu haben, es heißt, daß er geistig und leiblich an Schwäche gelitten habe. Als der hervorstechendste Charakterzug wird an ihm Herzensgüte und Herablassung gegen seine Unterthanen gerühmt: „Ich will kein Unrecht leiden, will es auch niemand zu thun verstatten, ist in der Herrschaft über sein kleines Gebiet sein oft wiederholter Wahlspruch gewesen. Dieses Wohlwollen erfuhr zunächst die Geistlichkeit seines Gebietes, indem eine von ihm veranstaltete Kirchenvisitation die Absicht hatte, nach Kräften das Einkommen derselben zu verbessern. Aber auch dem schwerbedrückten, leibeigenen Landmann war er bedacht, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Es wird die Antwort berichtet, welche er einst einem Amtmann gegeben, der über die Halsstarrigkeit der Bauern geklagt, und das Zugvieh denselben nehmen zu lassen gedroht: „Thust du dieses, so werde ich dich selbst an den Pflug spannen.“ Seine Gnadenerweise wurden mit kindlicher Anspruchslosigkeit geübt. „Was habe ich davon, als den guten Namen?“ pflegte er zu sagen. Zwar soll auch der Jähzorn ihm eigen gewesen seyn, doch scheute er nicht das Geständniß seines Fehlers, so oft er sich von einer Uebereilung überholen ließ, und suchte dieselbe nach Möglichkeit wieder gut zu machen.

Noch kurz vor seinem Ende hatte Johann Albrecht seinen beiden Söhnen die Aufrechthaltung der unveränderten Augsburgischen Confession an’s Herz gelegt, einige Monate nach dessen Tode war von Herzog Ulrich Chytraeus nach Torgau gesandt worden, um zur Abfassung der Concordienformel mitzuwürken, auf welche dann auch 1577 die Verpflichtung der Geistlichen in den Mecklenburgischen Landen erfolgte. Auch Herzog Sigismund kannte keinen andern als diesen rein lutherischen Glauben, dem er in altväterlicher Pietät ergeben war. Sein Leichenredner, der eifrige lutherische Theologe Lucas Badmeister erzählt, daß er das Handexemplar des Psalters dieses Herrn gesehn, in welches derselbe mit eigner Hand in kindlicher Einfalt geschrieben: „Psalmi, quos Sigismundus Augustus dux Megaloburgensis tenet memoriter,“ es waren deren 49, worunter besonders hervorgehoben wurden Psalm 6, 51, 74, 79, 80, 83 und 130. Das Exemplar trug die Zeichen, wie viel es von dem Besitzer gebraucht worden. In seiner täglichen Morgenandacht ließ er durch nichts sich unterbrechen. Als einst sein Arzt ganz in der Frühe ihm eine Arzenei reichen wollte, weigerte er sich, indem er sprach: „Das Gebet muß vorgehen, sonst würkt die Arzenei nichts.“ Bei der Vorbereitung auf sein Ende während des letzten Krankenlagers war von seinem Beichtvater mit großem Ernst von den Forderungen Gottes gesprochen worden. Als ein Hofmann dem Prediger zusprach, nicht so ernst aus dem Gesetz zu reden, sondern aus dem Evangelium, entgegnete der kranke Herr: „Eins muß beim andern seyn.“ – Vergeblich hatte er in seiner letzten Krankheit noch in Karlsbad Linderung gesucht: sie war ihm nicht zu Theil geworden. So kam er krank nach Ivenack, seinem Fürstensitze, zurück, wo er im Jahre 1600 sanft entschlief. Vor seinem Ende hatte er das Abendmahl genossen und darauf noch eine ihm vorgelegte Unterschrift vollzogen. Nach diesem letzten weltlichen Geschäfte sprach er: „Nun will ich nichts mehr unterschreiben, nun will ich mein Leib und Seele dem Herrn befehlen.“ Mit diesen Worten entschlummerte er.

Quelle: Lebenszeugen der lutherischen Kirche, August Tholuck, Berlin, Wiegandt & Grieben, 1859