Oluf Peterson, der Reformator Schwedens.

Die deutsche Reformation war noch in ihrer ersten Entwickelung begriffen, als sie sich schon in Europa nach allen Seiten hin auszubreiten begann. So einleuchtend waren ihre Grundgedanken, so handgreiflich die Irrwege der bestehenden Kirche, so unwiderleglich die Gründe, auf welche sich der Angriff gegen die verderblichen Mißbräuche stützte, daß fast in einem Augenblick ein großer Theil der lateinischen Christenheit für das neue Licht gewonnen wurde. Aber sofort erhob sich auch überall der Kampf des Bestehenden, gegen den Hauch des Geistes, der über die Welt hinwehete, und nichts ist interessanter, als das großartige Schauspiel, welches dadurch unter den verschiedenen Völkern und in den Staaten Europas zur Erscheinung kam. Von Luther und Melanchthon ging die Anregung aus: in ihrer Nähe nährten sich Unzählige an den Anschauungen, denen sie Ausdruck gaben: von Wittenberg aus eilten die Einzelnen in ihr Vaterland und begannen mit Begeisterung eine Arbeit, welche großer Kräfte bedurfte, um zur Vollendung zu gelangen. Jedes Land aber, welches in den Kampf hineingezogen wurde, zeigt dem Blicke des sorgfältigen Forschers eine ganz eigenthümliche, von allen übrigen Ländern sich unterscheidende Gestalt und Farbe. Die Reformatoren waren unter einander so verschieden, wie die Lebenskreise der Völker, aus deren Mitte sie hervorgingen. An vielen Aehnlichkeiten konnte es nicht fehlen, und doch war die individuelle Verschiedenheit der bewegenden Elemente bei weitem größer und hervorragender. Die handelnden Männer folgten zwar Luthers Rathe und Beispiel, wußten sich mit seinen Sätzen in Uebereinstimmung, und gehen doch im Vergleich mit Luther und mit einander auf sehr verschiedenen Bahnen.

Den größten Einfluß übte Deutschland auf Schweden. Wie das stammverwandte Scandinavien überhaupt, so nahm insbesondere Schweden die lutherische Fassung der Reformation in sich auf und hat sie bis auf den heutigen Tag energisch festgehalten, ja ist durch sie groß und welthistorisch bedeutend geworden: und doch wie ganz anders ist der Gang der Ereignisse, durch welche der evangelische Glaube den Sieg davontrug, dort als hier!

Sehr einfach ist der Anfang reformatorischer Thätigkeit in jenen Gegenden. Zu Oerobro in der Provinz Nerike lebte in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts ein Schmiedemeister, Peter Olufson, dem zwei Söhne geboren wurden, 1497 gleichzeitig mit Melanchthon Oluf, 1499 Lorenz Peterson, auch wohl Olauf Petri und Laurentius Petri genannt. Vater und Mutter (Karin Lorenz Tochter) waren einfache, im Sinne jener Zeit fromme, treue und tüchtige Menschen, denen das Wohl ihrer beiden Söhne außerordentlich am Herzen lag. Da diese heranwuchsen, wurden sie Mönchen des Carmeliterordens übergeben, der sich damals dort den Ruf besonderer Gelehrsamkeit erworben hatte. Rasch eigneten sie sich die Elemente des Unterrichts an, ragten weit über ihre Altersgenossen hinaus und wurden für den geistlichen Stand bestimmt. Die Eltern wünschten, daß sie zum Zweck ihrer theologischen Ausbildung nach Rom gingen und in einer von der schwedischen Heiligen Brigitte (gestorben zu Rom 1373 und 1391 heilig gesprochen) daselbst gestifteten, für schwedische Jünglinge eingerichteten Anstalt weiter erzogen würden. Dorthin oder nach Paris, wo ähnliche Institute zu Gunsten Schwedens bestanden, pflegte die Jugend ihre Schritte zu lenken, um mit dem Glanz, den der Besuch dieser Städte gewährte, geschmückt, in die Heimath zurückzukehren und eine bedeutende Wirksamkeit zu erhalten. Die Brüder aber wurden auf einen Lebensweg von ganz entgegengesetzter Richtung geführt. Denn kaum hatten sie Schweden verlassen und die Grenzen Deutschlands überschritten, so hörten sie von Luther und begaben sich nach Wittenberg, wo sie Ostern 1515 ankamen und ohne Zögern ihre theologischen Studien begannen. Die jungen Männer waren äußerst willkommen und wurden auf das freundlichste aufgenommen: mit einem günstigen Zeugniß trug man nach einer Prüfung ,ihre Namen in die Matrikel ein. Luther war in seiner ersten Epoche, in welcher er sich von Jahr zu Jahr innerlich mehr zum Ergreifen seines großen, reformatorischen Berufes entfaltete. Oluf hörte mit seinem Bruder Luthers Vorlesungen über das alte und neue Testament, fand Aufnahme im Augustinerkloster, und stellte sich ganz unter die Aufsicht seines Meisters. Bald gewann er dessen volles Vertrauen. Als Luther im Jahr 1516 von J. Staupitz zum Verweser des Augustinerordens ernannt wurde, begleitete ihn Oluf bei seinem Besuche der Augustinerklöster in Meißen und Thüringen und nahm als Augenzeuge an der Thätigkeit Antheil, welche Luther bei dieser Gelegenheit zu übernehmen hatte. Hierdurch wurde er immer tiefer in Luthers Denk- und Lebensweise eingeführt, lernte die Mängel der Klöster aus eigner Anschauung kennen und sah, mit welchen Mitteln sie gehoben werden könnten. Co ward es ihm leicht, sich ganz nach dem Muster seines verehrten Lehrers zu bilden. Zugleich nahm er Theil an Allem, was damals Luthers Seele beschäftigte und durchdrang sich mit voller Erkenntniß der christlichen Wahrheit. Er war gegenwärtig, als Luther im Jahr 1517 den muthigen Entschluß faßte, sich dem Ablaßhandel entgegenzusetzen, und zur Erklärung der Kraft des Ablasses seine Thesen anschlug, und an den Kämpfen, welche dies herbeiführte. Im Februar 1518 wurde er im 21., sein Bruder im 19. Lebensjahre zum Doctor der Philosophie promovirt. Im Sommer desselben Jahres (im August) erschien der nicht minder jugendliche Philipp Melanchthon als Professor in Wittenberg und gab der hier waltenden Richtung einen neuen Schwung; die Brüder waren unter seinen ersten Zuhörern, und ließen sich von ihm in die Kenntniß der griechischen Sprache und in die Philosophie einführen; und wenn Luther sagte: „an der Universität ist man fleißig, wie es die Ameisen sind“, so waren auch die jungen Schweden mit in dieses Lob eingeschlossen. Alles führte zuletzt zum tieferen Verständniß der heiligen Schrift: und darin lag der vornehmste Gewinn, den sie aus Wittenberg mit hinwegnahmen, als sie im Jahr 1519 nicht ohne Luthers Rath die Universität verließen und in die Heimath zurückeilten.

In Schweden hatten sich, während Oluf und sein Bruder sich in Wittenberg aufhielten, wichtige Ereignisse vollzogen. Christian der Zweite, bereits im Besitz von Dänemark und Norwegen, wollte die Union wieder aufrichten, forderte auch die Krone von Schweden, war aber am 22. Julius 1518 von dem Reichsverweser Eten Sture in einer großen Schlacht in der Nähe von Stockholm geschlagen worden und rüstete sich zu einem neuen Einfall. Das ganze Jahr 1519 ward mit den Vorbereitungen ausgefüllt. Zugleich hatte der Papst Bann und Interdict über Schweden verhängt und Christian beauftragt, beides mit den Waffen in der Hand in Vollzug zu bringen. Gerade während dieser Wirren eilte Oluf mit Lorenz nach Hause zurück. Von Lübeck aus ging er zur See, wurde aber durch einen Sturm verschlagen und wendete sich zunächst nach Wisby auf Gothland, wo er sofort Gelegenheit fand, in Luthers Sinne zu wirken. Eben war Antonellus Arcimboldus von seinem Bruder, dem päpstlichen Legaten Angelius Arcimboldus, dorthin geschickt worden, um Ablaßhandel zu treiben. Oluf belehrte sogleich das Volk und den Admiral Norby über das Verderbliche und Eigennützige dieses Handels und hatte den Erfolg, daß der Ablaßkrämer ausgewiesen wurde. Norby ließ ihm zugleich das gesammelte Geld wieder abnehmen, bewog aber eben dadurch Oluf, dem der Eigennutz zuwider war, sich von ihm loszumachen. Nun eilte er nach Strengnäs, wo der alte Bischof Matthias ihn mit großer Freude aufnahm und bald zum Canonicus und Archidiaconus seiner Stiftskirche ernannte. Damit war Olufs Bildungsepoche beendet; er hatte nun eine amtliche Wirksamkeit gewonnen, in welcher er, was in ihm sei, zeigen und seinen Ueberzeugungen Bahn brechen konnte. Mit jugendlichem Eifer und Hingabe aller seiner Kräfte schritt er unverweilt zur That und wendete sich zunächst an die jungen Präbendaten und Chorpriester, denen er Vorlesungen über die Bibel hielt, welche mit großem Beifall aufgenommen wurden und von allen Seiten Schüler um ihn sammelten. Eine öffentliche Zwistigkeit mit dem Dechanten. der Stiftskirche ward ihm zu großem Gewinn. Der größte Vortheil, den er für sich und sein Vaterland hier erreichte, war die Freundschaft und innige Uebereinstimmung des Archidiaconus Anderson, eines Mannes von fast gleichem Alter, der sich der neuen Lehre und ihm unbedingt und für das ganze Leben anschloß und mit seinen Lebensanschauungen und ausgebreiteten Kenntnissen der guten Sache die kräftigste Stütze wurde. Anderson, Oluf und Lorenz Petersen, mit einander vereinigt, sind die Träger der Schwedischen Reformation geworden.

Zuerst wurde durch sie Strengnäs ein Sitz reformatorischen Geistes, der sich mit reißender Schnelligkeit über Stadt und Umgegend ausbreitete und auch in die weiter entfernten Provinzen vordrang. Um aber Olufs ganzes Talent für die kirchliche Bewegung in Thätigkeit zu setzen, ernannte ihn Matthias zugleich zum Rector der Stiftsschule, wobei er Andersons Rathe folgte. Nach allen Seiten hin ergab sich daraus eine außerordentliche Wirksamkeit: Oluf konnte nun mit der Jugend beginnen und allmählich einen immer tieferen Einfluß auf seine ganze Provinz und sein Vaterland üben.

Ehe dies aber geschah, kamen Oluf und sein Bruder und die ganze neue evangelische Richtung in eine sehr große Gefahr. Christian II. hatte indeß im Anfange des Jahres 1520 seinen Einfall in Schweden wiederholt, seine Gegner auseinander getrieben und die Hauptstadt eingenommen. Unter den friedlichsten und freundlichsten Zusagen lud er die Vornehmsten zur Krönung nach Stockholm, entschlossen eine blutige Rache zu nehmen, zu welcher der Erzbischof Gustav Trolle seinen Rath lieh. Am 8. November 1520 war es, am dritten Tage der Krönungsfeierlichkeiten, als gegen Mittag die Bürger auf den Marktplatz berufen wurden, wo 2 Bischöfe, 12 weltliche Herren und viele Bürger hingerichtet werden sollten. Auch Oluf, als er hörte, daß dem Bischof Matthias, obwohl er fast am entschiedensten für Christian in Schweden gewirkt hatte, der gewaltsame Tod dort bevorstehe, war nach dem Orte der Hinrichtung geeilt und brach bei dem Anblick der Leiche seines geliebten Gönners in die Worte aus: „o welch‘ eine tyrannische, unmenschliche That ist es doch, daß man einen frommen Bischof so behandelt.“ Sofort wurde auch er mit seinem Bruder ergriffen und wäre hingerichtet worden, wenn nicht Eduard Leuf, der mit beiden in Wittenberg umgegangen war, plötzlich ausgerufen hätte: „Schont doch dieser jungen Leute, welche nicht Schweden, sondern Deutsche sind; schont doch ihrer um Gottes willen.“ So gerettet, kehrte er nach Strengnäs zurück, auch dadurch in dem Bewußtsein gestärkt, daß Gottes Obhut ihm sichtbar zu Theil geworden sei.

Der blutige Act zu Stockholm erwarb dem König Christian den Namen eines grausamen Tyrannen, dem Erzbischof G. Trolle unter allen Zeitgenossen den größten und verdientesten Haß seiner Nation, dem schwedischen Staate und Volke aber durch Gustav Erichsson, jenen „edlen, schönen, verständigen, hurtigen jungen Mann, den Gott das Vaterland zu retten erweckte,“ die Befreiung vom dänischen Joche. Denn nach vielen das Land furchtbar verwüstenden Kämpfen wurde Gustav Wasa „durch Gott und Schwedens Bauernschaft“ am 7. Juni 1523 auf dem Reichstage zu Strengnäs zum König ausgerufen, und eine neue glücklichere Epoche fing mit ihm an, in welcher allmählich die alten Wunden geheilt und der Neubau der evangelischen Kirche freudig unternommen und fortgeführt wurde.

Zwar die Kämpfe hörten nicht auf, aber an die Stelle des äußern Kriegs traten die inneren Streitigkeiten, deren glückliche Lösung ächte Weisheit des neuen Regenten, des Erwählten des Volkes, erheischte. Luther hatte in Deutschland nichts so eifrig zu verhüten getrachtet, als die erhobene Opposition vom geistlichen Gebiete auf die politischen Verhältnisse hinübertragen zu lassen; in Schweden war es schon vom ersten Anfange an nicht möglich, das Religiöse nur aus eignen Antrieben zu entwickeln und von politischen Bestrebungen ganz fern zu halten. War es doch der König selbst, der sich in den Mittelpunkt aller Interessen, der politischen wie der religiösen stellte, und beide mit einander zum Wohle des Reiches zu heben und die verschiedenen Forderungen mit einander auszugleichen unternahm. Seine Erlasse und Reden an die Nation umfassen eben so häufig die Angelegenheiten der Religion, wie des Staates: durch das, was er als König erstrebte, hat er anfangs die katholischen, später die evangelischen geistlichen Würdenträger verletzt und zu Klagen veranlaßt, über welche er sich öffentlich rechtfertigen zu müssen glaubte.

Die Predigten Oluf Petersens in Strengnäs während des Reichstags, welcher ihm die Königswürde decretirte, erregten die allgemeine Aufmerksamkeit der Freunde und Gegner. Gustav schloß sich den Ersteren an und begann das, wofür Oluf und Lorenz nebst Anderson gestrebt hatten, jetzt zu öffentlicher, staatlicher Anerkennung zu bringen. Er ernannte Anderson zu seinem Kanzler, zu Matthias Nachfolger, und nachdem er auch Luthers Urtheil über sie gefordert hatte, Oluf zum Prediger in Stockholm, Lorenz zum Professor der Theologie zu Upsala. Alle drei arbeiteten mit rastlosem Eifer, jeder suchte seine Stellung für die großen Ziele der Nation so fruchtbar als möglich zu machen. Anderson gab eine Uebersetzung des neuen Testaments mit Benutzung des Lutherschen Vorganges heraus; sie erschien schon 1526 und förderte die Reformation Schwedens in ausgezeichneter Weise, weil nun die Leser sich von der Wahrheit der Predigten und Vorträge Olufs aus eigener Lectüre zu überzeugen vermochten. Erst später seit dem Jahre 1549 ließen Lorenz und sein Bruder das Buch Hiob und die andern alttestamentlichen Schriften folgen.

Mit großer Behutsamkeit mußten die Begründer der evangelischen Kirche zu Werke gehen, weil theils das Volk an die Gebräuche und Formen des katholischen Gottesdienstes gebunden war, theils die eifrigsten Geistlichen der Gegenpartei, welche zugleich zum Theil Häupter der Aristokratie blieben, ihre Aemter behielten und bei Priestern und Laien großen Einfluß behaupteten. Daher behielt Gustav persönlich einen großen Theil der katholischen Ceremonien bei, und verfuhr so, daß er alle Extravaganzen zu unterdrücken bemüht war. Er setzte sich jungen Predigern entgegen, welche im Staate hochmüthig und unvorsichtig verfuhren, und mahnte sie, überall die Grenzen der Wohlanständigkeit und sittlichen Haltung inne zu halten. Als aber 1524 Melchior Ring und Knipperdolling den Unfug der deutschen Wiedertäufer nach Schweden zu übertragen versuchten, wurden sie nicht nur aus dem Reiche verwiesen, sondern auch Oluf, der ihnen gegenüber geschwiegen hatte, deswegen ernstlich zur Rede gesetzt.

Deßungeachtet schritt Alles rasch vorwärts. Die drei Freunde, in der Nähe des Königs lebend und unter einander eng verbunden, erregten zwar den Neid und die Feindseligkeit ihrer Gegner nun um so mehr, aber der Schutz des Königs stand ihnen zur Seite, und ihr eigner Muth wuchs in hohem Grade; noch ein andrer Schüler der Universität Wittenberg, Michael Langerben wurde zum Prediger in Stockholm ernannt und arbeitete für die gute Sache. Ihr Vertrauen auf die Erfolge ihrer Arbeiten bekundeten sie auch durch ihr Siegel, auf welchem eine brennende Lampe das Licht der evangelischen Wahrheit sinnbildlich darstellte. Auch ließ der König selbst auf seinen Reisen durch das Land keine Gelegenheit vorübergehen, ohne mit Weisheit und Mäßigung seine Geistlichen zur Sanftmuth zu ermahnen und den innern Frieden zu empfehlen. Ende des Jahres 1524 ging er nach Upsala, nahm Oluf mit sich, und veranlaßte ein feierliches Gespräch zwischen ihm und dem Vertreter der entgegengesetzten Richtung Dr. Galle, für welches Gustav die Fragen, welche besprochen werden sollten, selbst ausgewählt hatte. Die Redenden wurden zuletzt so heftig gegen einander, daß der König das Gespräch abbrechen ließ; aber Oluf bezeugte er seinen Beifall, weil er alle seine Ansichten durch die heilige Schrift begründete, während sein Gegner immer auf Tradition und Kirchenväter zurückkam. Schriftliche Verhandlungen über die wichtigsten Fragen jener Zeit traten nun an die Stelle der mündlichen Besprechungen und förderten das Werk der Reformation. Im Jahr 1525 wagte es Oluf, sich zu verheirathen um durch sein eignes Beispiel zur Aufhebung des Cölibats das Seine beizutragen. Der König selbst war bei der Trauung gegenwärtig, und vertheidigte den Schritt in einem Briefe an den Bischof Bräsch, der ihn deswegen getadelt hatte, indem er die Ehe eine göttliche Ordnung für Alle nannte und die Priesterehe als rechtmäßig erkannte. Ein Reichstag zu Westeräs im Sommer 1527 schien anfangs für die Reformation einen ungünstigen Verlauf zu nehmen; der König erklärte, abdanken zu wollen, und führte dadurch eine entschiedene Aenderung der Stimmung herbei. Ein Rezeß kam zu Stande, der alles in die Hände des Königs legte, und ihm die Kirchengüter völlig überließ. Die feindlichen Bischöfe und Geistlichen verließen das Land; Oluf und seine Freunde hatten den Haupttheil ihrer Wirksamkeit in Schweden erreicht. Ein neuernannter Erzbischof vollzog feierlich in der Domkirche zu Upsala die Krönung des Königs (11. Januar 1529); Oluf verrichtete dabei das Amt des Herolds und rief in der Kirche Gustav zum gesalbten König des schwedischen Reiches aus.

Die reformatorische Wirksamkeit Olufs nahm seitdem immer größere Dimensionen an; in vielen wichtigen Schriften kämpfte er für die großen Ziele, welche sein rastloser Eifer verfolgte, konnte aber auf dem Concil zu Oerebro, dessen Vorsitzender Lorenz war, nicht so viel erreichen, als er wünschte, und mußte geschehen lassen, daß ein Theil der alten Gebräuche der päpstlichen Kirche vorläufig festgehalten wurde, in einer Weise jedoch und mit andern Nestimmungen, welche das Bestehen der neuen Lehre für die Zukunft sicherten. Den Beifall des Königs erhielt er sich so weit, daß dieser ihm 1531 das Reichssiegel übergab und ihn zu den geheimsten Staatsgeschäften zog, daß er ihm die Oberaufsicht über die Schule in Stockholm übertrug und ihn aufforderte, für die Bildung von Lehrern zu sorgen, während sein Bruder Lorenz die Stelle eines Erzbischofs in Upsala erhielt. Immer großartiger und erfolgreicher gestaltete sich dadurch seine Einwirkung auf die Jugend und die Studien: er übersetzte auch einen Theil der Bibel und schrieb sehr wichtige historische Werte.

Damit hatte er seine höchste Stuft erlangt: seine historischen Schriften entzogen ihm die Gunst seines Königs, dem er eigennützige Verwendung der Kirchengüter zum Vorwurf machte. Er fiel 1538 in Ungnade, verlor seinen Einfluß, beging immer größere Fehler, zog sich eine schwere Anklage zu, und ward, weil er höchst gefährliche, verrätherische Anschläge gegen den König gekannt und verschwiegen hatte, im Jahr 1539 von einem zu diesem Zweck niedergesetzten Gerichtshofe unter dem Vorsitz seines eignen Bruders Lorenz, sammt seinem Freunde Anderson zum Tode verurtheilt, vom König aber begnadigt. So weit kam er durch jene unselige Verflechtung in politische Händel, welche in Schweden in jener Zeit eingetreten war. Deutliche Zeichen großer Zuneigung, in welcher Oluf bei einem großen Theil der Nation stand, milderten für ihn die Schwere der Ereignisse. Doch kehrte er nicht wieder zu seiner vorigen Freudigkeit zurück. Sein geistliches Amt erhielt er im Jahr 1543 wieder und hielt am 7. April eine rührende und ergreifende Predigt über sein Mißgeschick. In diesem Amte wirkte er segensreich fort, bis er am 7. April 1552, „nach einer christlichen und erbaulichen Zubereitung und dem ausdrücklichen Bekenntniß des Glaubens an Jesum Christum,“ sein Leben beschloß. Auch der König war über diesen Todesfall seht betrübt, die Gemeinde beweinte ihn und setzte ihm in der Nicolaikirche ein steinernes Grabmal. Der Kummer über die gerechte Mißstimmung des Königs hatte seinem Leben ein frühes Ende bereitet. Die Größe seiner Schuld kann nicht mit Sicherheit aus den vorhandenen Nachrichten entnommen werden.

Unter unsäglichen Mühen und Arbeiten hatte im neunten Jahrhundert der Franke Ansgar, der Apostel des Nordens, die christliche Kirche in Schweden gegründet: nicht mindere Gefahren hat im sechzehnten Jahrhundert der Schwede Oluf bestanden, um an die Stelle der völlig verwüsteten, in Unsittlichkeit und Hochmuth versunkenen römisch-katholischen Kirche in seinem Vaterlande die evangelische zu setzen und dadurch dem reinen Worte Gottes eine Stätte zu bereiten. Beider Männer Heldenmut!) und Gotteskraft verdienen es, daß ihr Andenken immer von neuem unter uns belebt und angeregt werde. Oluf hat mit den reinsten Absichten und mit rastlosem Eifer sein Werk begonnen und durchgeführt: hat er zuletzt sich selbst wieder hierarchischen Zielen zugewendet, und durch Unvorsichtigkeit und Heftigkeit, wohl auch durch Selbstüberschätzung mannichfache Fehler begangen, so hat er dafür auch hart gebüßt. Schweden wird ihn für immer hoch und werth halten, weil er als Patriot für seine Nation gearbeitet, durch seine Schriften Schwedens Sprache, durch seine Kirchenlieder Schwedens Poesie erfolgreich gefördert, die Kenntniß seiner Geschichte gemehrt, die Gesetzgebung und die gelehrten Studien gehoben, und weil er als Christ in Luthers Sinne dem Volke lange vorgeleuchtet und es in eine Bahn geleitet hat, welche ihm später durch Gustav Adolf welthistorische Bedeutung verschaffte.

F. Ranke in Berlin.