Eine kurze Erzählung des Lebens und Todes Johannes Ökolampads.
Indem ich wieder der reformirten Kirche eine Auswahl von Schriftwerken eines ihrer Reformatoren biete, will ich in kurzen Zügen erzählen, wer der Gottesmann gewesen, dessen Schriftwerk der christliche Leser hier vor sich hat.
Johannes Ökolampadius oder Hausschein ward 1482 zu Weinsberg in Württemberg geboren. Seine Eltern waren wohlhabend, wahrscheinlich kaufmännischen Berufes. Unter mehreren Kindern, die ein frühzeitiger Tod hinrief, blieb unser Johannes allein am Leben. Nach dem Willen des Vaters sollte er den kaufmännischen Beruf ergreifen, aber die fromme und einsichtsvolle Mutter (eine geborne Pister aus Basel), erlangte durch ihre Bitten, dass er sich den Wissenschaften widmen konnte. Zu diesem Ende bezog er zuerst die Schule von Heilbronn, dann diejenige von Heidelberg. Frühzeitig entfaltete der Knabe außerordentliche Anlagen, so dass er unter seinen Altersgenossen als ein Wunder galt; schon im zwölften Jahre schrieb er ziemlich gute Verse und im vierzehnten Jahre wurde er mit der gelehrten Würde eines Baccalaureus bekleidet. Wie durch Gelehrsamkeit zeichnete er sich auch durch Frömmigkeit und Reinheit der Sitten aus, indem der Herr ihn frühzeitig zu dem Werke zu bilden anfing, zu dessen Ausführung er ein auserwähltes Werkzeug werden sollte. Nachdem er noch die gelehrte Würde eines Magisters erlangt, begab er sich, dem Willen des Vaters folgend, nach der damals so berühmten Hochschule von Bologna, um sich der Rechtsgelehrsamkeit zu widmen. Aber sein Aufenthalt daselbst war nicht von langer Dauer; denn teils sagte das italienische Klima seiner Gesundheit nicht zu, teils ward ihm das Geld, welches ihm der Vater durch einen Kaufmann hatte zuschicken wollen, nicht richtig geliefert worden.
So kehrte er nach Deutschland zurück und bezog wieder die Hochschule Heidelberg, wo er das Studium der Rechtswissenschaft mit demjenigen der Theologie vertauschte. Sein frommer Sinn konnte sich nicht mit den geistlosen Spitzfindigkeiten der großen Menge unter den damaligen Schul- und Schriftgelehrten befreunden, sondern suchte Nahrung in den Schriftwerken jener tiefsinnigen Männer, welche die Geheimnisse des Lebens in Gott und Christo schildern. So wenig er zu glänzen suchte, so sehr ward ihm stille Anerkennung zu Teil. Der Ruf seiner Bildung, Frömmigkeit und seiner reinen Sitten bewog den Kurfürsten von der Pfalz, ihm die Erziehung seiner Söhne anzuvertrauen. Diese Stelle, welche ihm die glänzendsten Aussichten für die Zukunft eröffneten, gab er bald wieder auf, um die heiligen Studien fortzusetzen. Immer mehr fühlte er sich zum Dienste der Kirche hingezogen. Schon hatte er damals die Weihen erhalten und in seiner Vaterstadt mit großem Beifalle gepredigt; da bewog er seine Eltern, daselbst eine Predigerstelle zu stiften, die er selbst bekleiden wollte. Nicht lange darauf erhielt er aber wieder die Erlaubnis nach Heidelberg zu gehen, um sich in der Theologie noch weiter auszubilden. Hier machte er nun Bekanntschaft mit Capito, dem damaligen Prediger in Bruchsal, der ihm auch bis zum Tode treue Freundschaft bewahrte. Nach der Rückkehr in seine Vaterstadt predigte er daselbst mit großem Beifalle, obschon seine Lehre noch nicht ganz vom päpstlichen Sauerteige gereinigt war. Sein Freund Capito, der inzwischen nach Basel gekommen, empfahl ihn dem Bischofe von Basel, und dieser berief ihn im Jahre 1515 nach dieser Stadt zum Prediger am Münster. Er sollte nach der Absicht des Bischofes den Kreis der gebildeten und aufgeklärten Männer, die damals in Basel weilten, vergrößern und zur Anbahnung einer gemäßigten Reformation im Sinne des gelehrten Erasmus das Seinige beitragen. Diesem letzteren Gelehrten war er bei der Herausgabe seiner Anmerkungen zum neuen Testamente behilflich und Erasmus bekennt, dass er namentlich in der Kenntnis der hebräischen Sprache ihn übertreffe.
Ökolampad blieb nicht lange in Basel, sondern nachdem er auf den Rat seiner Freunde sich hier die Doktorwürde in der Theologie erworben hatte, folgte er 1518 dem Rufe als Prediger an der Hauptkirche zu Augsburg. Die Verdorbenheit der Geistlichkeit, die hier seiner Wirksamkeit entgegenstand, bewirkte, dass er auch diese Stelle bald aufgab, und sich in das benachbarte Kloster Altenmünster, dessen Mönche sich durch Frömmigkeit und Gelehrsamkeit auszeichneten, aufnehmen ließ. Bei seinem Eintritte hatte er sich die Freiheit ausbedungen „nach dem Worte Gottes zu leben“, indem er hinzufügte: „Gesetzt auch, dass ich mich mit sechshundert Eiden verpflichtet, werde ich sie doch nicht halten, wenn ich einmal dem Dienste am Worte Gottes nützlich werden kann.“ Die Mönche verwarfen diese Bedingungen nicht. Seine Freunde bedauerten und zürnten, dass er, abergläubischer Frömmigkeit huldigend, der Welt seine Dienste entzogen habe. Ökolampad sagt über die erste Zeit seines Klosterlebens: „In den ersten Monaten gefiel mir die Lebensweise und mein Geist ward nicht beunruhigt, so sehr auch die Freunde über mich spotteten. Denn ich fing an, selbst dazu zu lachen und die eitlen Gedanken der Menschen über mich zu verachten, weil ich mir vorgenommen hatte, mir selbst zu leben und nicht ferner nach den Meinungen der Menschen mich zu richten.“ Bald aber trübte sich der Himmel seiner Hoffnungen, hier eine Freistätte des inneren Lebensglückes gesunden zu haben. Nach den ersten sechs Monaten seines Klosterlebens befiel ihn wahrscheinlich in Folge der ungewohnten Lebensweise und der übermäßigen Anstrengung im Studieren eine schwere Krankheit. Sodann hatte er auf Verlangen und zu Händen seiner Freunde in einer Schrift seine Urteile über Luthers Thesen abgegeben, die günstig für dieselben lauteten. Diese Schrift wurde von Capito veröffentlicht und erregte großen Hass von Seite der altgesinnten Partei gegen ihn. Ferner ließ er um diese Zeit auf den Rat seiner Freunde das Büchlein von der Beichte und einige andere Schriften, die aufgeklärte Grundsätze über kirchliche Gegenstände aussprachen, drucken. Die Bekanntmachung dieser Schriften zog dem Ökolampad schwere Leiden zu. Jene Büchlein, schreibt er, brachten Viele gegen mich auf, die mir mit lebenslänglichem Gefängnisse und fürchterlichem. Tode drohten. Aber Gott sei Dank, es wuchs der Mut desto höher, je mehr mir gedroht wurde. Denn mich tröstete ein gutes Gewissen. Es war mir wohl bekannt, welche Nachstellungen mir während des Reichstages zu Worms meine Feinde (worunter vorzüglich der Beichtvater Carls V. der Franziskaner Glapio) mir bereitet hatten; was ein gewisser Fürst (wohl der Herzog von Bayern) öffentlich mir gedroht. Einige Monate lang erwartete man im Kloster die Ankunft der Abgeordneten jenes Fürsten, welche den Befehl geben, ihn ins Gefängnis zu setzen oder selbst ihn zur Hinrichtung fortzuführen.
„Die Mehrzahl der Ordensgenossen drang in mich, dass ich die Flucht ergreifen möchte, ich aber bat sie mehr Vertrauen zu haben. Den Mönchen gezieme es, auch mit Gefahr des Lebens die Wahrheit zu bekennen, so dass sie selbst die Mönche darob wunderten, und um meinetwillen für sich selbst zu fürchten anfingen, und ich ihnen bereits beschwerlicher wurde als sie mir.“ Von Tag zu Tag ward ihm immer deutlicher, dass die Mönchsfrömmigkeit gewissenhafter sei in der Beobachtung der Menschensatzungen als der Gebote Gottes. So drängte sich ihm schon damals der Widerspruch zwischen dem Mönchsleben und seiner schon jetzt erworbener Kenntnis der Wahrheit immer mehr auf und ließ ihm keine Ruhe. Daher folgte er dem Rate seiner Freunde und trat mit Vorwissen seiner Ordensgenossen aus dem Kloster. „Ich habe den Mönch aufgegeben und den Christen gesunden,“ schrieb er nach diesem Schritte einem seiner Freunde. Er wählte seine Zufluchtsstätte auf der Ebernburg beim heldenmütigen Franz von Sickingen und versah daselbst die Predigerstelle. Unter seinem Schutz gab er mehrere Schriften heraus. Bald wandte er wieder seine Blicke nach Basel, wohin ihn sein Freund Kratander eingeladen hatte. Hier hatte der Kampf begonnen zwischen den Anhängern der von Luther und Zwingli in Wort und Schrift verkündigten evangelischen und denjenigen der päpstlichen Lehre. Von Ersteren wurde Ökolampad freudig begrüßt, vom Bischofe und seiner Partei mit Misstrauen angeschaut. „Bete für mich zu Gott, schrieb er an Capito, dass mir vergönnt werde auch nur kurze Zeit hier zu bleiben. Doch sein Wille geschehe, nicht der meine.“ Er wohnte bei seinem Freunde, dem Buchhändler Kratander und arbeitete für seine Druckerei kleinere Schriften aus. Gegen Ende des Jahres 1522 ward er Vikar des Krankenpfarres zu St. Martin und zwar versah er diese Stelle zwei Jahre hindurch ohne Besoldung. Der Geist der neuen Lehre war inzwischen in Basel im gewaltigen Kampfe mit den alten Vorurteilen. Die Hochschule und ihre Lehrer, die so wohltätig früher den Anbruch des neuen Lichtes befördert, wollte nun eine Burgfeste der Vorurteile werden, an welchen die Strömungen des neuen Geistes sich brechen sollten. Ökolampad war vermöge seiner innigen Frömmigkeit, seiner tiefen und vielseitigen wissenschaftlichen Bildung und seiner gemäßigten Gesinnungen vor Andern geeignet in Basel die Reformation in allmähliger Entwicklung zum Siege zu führen. Zu der Zeit war Zwingli zu Zürich auf der Bahn der Reformation in klarer Einsicht dessen, was dem Vaterlande und der Kirche Not tue und mit kühnem, festem Willen schon weit fortgeschritten. Zu dieser Heldenseele fühlte sich nun Ökolampad mächtig hingezogen: „Ich mag wollen oder nicht, schreibt er an Zwingli, es zieht mich hin, dass ich mich dir empfehlen muss, um durch deinen Feuereifer umso reichlicher erquickt zu werden. Wer würde den nicht lieben, der Christi Werk mit so viel Eifer betreibt? der den Wölfen so furchtbar ist und sich zur Mauer hinstellt für das Haus Israel, der uns durch Werk und Wandel jene ersten Begründer der christlichen Religion vergegenwärtigt. Ich freue mich unserer Nachbarschaft, auf dass, wenn ich dich auch nicht persönlich sprechen kann, mir doch vergönnt sein möge, meine Neigung zu dir zu bezeugen. Obschon ich zu denjenigen gehöre, die beim Gepäcke sitzen, werde ich oft den Trieb fühlen dir Glück zu wünschen und dich durch meine Briefe zum Fortfahren zu ermuntern. Jauchzen doch auf dem Kampfplatz nicht bloß die hohen, sondern auch die gemeinen Leute den Kämpfenden zu. So fahre denn fort und siege, nicht bloß für dich, sage ich; denn das würdest du vielleicht nicht gerne hören, da du wohl weißt, dass wir nicht suchen sollen, was unser, sondern was des Nächsten ist. So siege denn für uns, siege für Christum; sorge mein Zwingli, dass dieses Brieschen den Grund lege zu einer christlichen, vertraulichen Verbindung.“ Sein Wunsch ward erfüllt; eine Freundschaft der großen Zeit und der edlen Männer würdig verband von nun an bis zum Tode diese beiden treuen Streiter für die Sache des Herrn.
Je mehr die Reformation in Basel fortschritt, erweiterte sich auch der Wirkungskreis Ökolampads. Im Jahre 1523 ward er vom Rate, zwar wider den Willen der Hochschule, zum Professoren der Theologie ernannt und 1525 ward er Helfer zu St. Martin. Täglich predigte er nun, um das Wort Gottes der Gemeinde nahe zu bringen, und zwar schlossen sich seine Predigten an seine Vorlesungen an, indem er den in gelehrter Weise bei seiner Vorlesung behandelten Abschnitt in volksfasslicher Weise der christlichen Gemeinde erklärte und einschärfte. Die folgenden „Bibelstunden“ sind die bedeutendsten Denkmale dieser letzteren Wirksamkeit. So pflegte er den neuerwachten evangelischen Geist an der Hochschule und in seiner Gemeinde, bis er den vollständigen Sieg über die Menschensatzungen und Vorurteile errang.
Die reformatorische Wirksamkeit des Ökolampads beschränkte sich aber nicht allein auf die Kirche von Basel, sondern er erwarb sich wesentliche Verdienste für die ganze reformirte Kirche. Bei der Disputation in Baden stand er an der Spitze der reformirten Gelehrten dem Dr. Eck und dem Generalvikar Faber gegenüber und nötigte der Gegenpartei den Wunsch ab: „Wäre doch dieser gelbe Mann auf unserer Seite und auf unserem Glauben.“ Auch dem Religionsgespräche in Bern wohnte er mit Zwingli, Bucer und Anderen im Anfange des Jahres 1528 bei und half an seinem Teil den Sieg über die alte Partei daselbst erkämpfen. Auf dem Religionsgespräche von Marburg vertrat er mit Zwingli die schweizerische reformirte Kirche, und mit Bucer und Blaurer ordnete er die kirchlichen Angelegenheiten in Ulm.
Nachdem die Reformation in Basel mit dem 9. Hornung 1529 völlig obgesiegt, ging sein Streben auf die innere Ordnung seiner Kirche. Unter den eigentümlichen Einrichtungen der baslerischen Kirche, die von Ökolampad ausgingen, gehörte der Bann. Das große Prüfungs- und Leidensjahr der schweizerischen reformirten Kirche 1531 setzte auch diesen treuen Kämpfer für evangelische Freiheit ein Ziel für seine Wirksamkeit hienieden. Zwingli, ohne dessen Rat er seit Beginn seiner Freundschaft mit ihm keinen wichtigen Schritt getan und dem er sich wie die edle Rebe der kräftigen Ulme, ohne seine Eigentümlichkeit aufzugeben, angeschlossen, hatte seine Heldenseele auf dem Schlachtfelde von Kappel den 11. Oktober 1531 ausgehaucht und die Trauer über seinen Fall war der Keim des Todes für Ökolampad. Der Herr rief noch in diesem Jahre diesen getreuen Arbeiter in seinem Weinberge heim zu jener großen Gemeinschaft aller derer, welche hienieden die Wahrheit und das Kreuz mehr geliebt als den eitlen Dunst und die Wohlfahrt dieser Welt.
Ein Geschwür am sogenannten heiligen Beine((Das Os sacrum oder Kreuzbein ist ein keilförmiger Knochen, der aus 5 zusammengewachsenen Wirbelknochen, den Kreuzbeinwirbeln (Sakralwirbeln), besteht. Es ist ein Teil der menschlichen Wirbelsäule und bildet den hinteren Teil des knöchernen Beckens.)), welches eine Entzündung über den ganzen durch Arbeit und Leiden erschöpften Körper verbreitete, war die äußere Ursache seines Todes. Am 21. November 1531 sprach er zu seiner Familie, um sie auf seinen nahen Hinschied vorzubereiten: „Grämt euch nicht, meine Lieben. Ich scheide nicht auf ewig von euch. Ich gehe jetzt aus diesem Jammertale hinüber in das ewige Leben. Freuen soll es euch, mich bald an dem Orte der ewigen Wonne zu wissen.“ Hierauf feierte er mit seiner Frau und seinen Anverwandten und den Dienern des Hauses das heilige Abendmahl. „Dieses Abendmahl, sprach er, das ich jetzt mit euch genieße, ist ein Zeichen meines wahren Glaubens an Christum Jesum, meinen Herrn, Heiland und Erlöser. Ein treues Zeichen der Liebe, das er uns hinterlassen hat, soll auch mein letztes Lebewohl für euch sein.“ Den 22. November berief er die sämtlichen Geistlichen zu sich und redete zu ihnen in folgender Weise: „Ihr seht, Brüder, wie es um mich steht; der Herr ist da, er ist gekommen; schon führt er mich von hinnen hinweg. Da die Sachen also stehen, habe ich euch zuerst rufen wollen, um meine Seele mit meinen geliebten Freunden durch aufrichtige Freude im Herrn zu erquicken. Was soll ich euch denn in der letzten Zusammenkunft sagen, ihr Diener Christi, welche die gemeinschaftliche Liebe zum Herrn, dasselbe Streben, dieselbe Lehre aufs Innigste untereinander verbunden hat? Erworben ist uns durch Christum das Heil, erworben die volle Hoffnung auf den Eintritt in das Reich Gottes, die gewisse Lehre, die Leuchte unseren Füßen. Ferne sei daher von uns alle Traurigkeit, alle Furcht des Lebens und des Todes, aller Zweifel und Irrtum. Das allein, Brüder, liegt uns ob, dass wir in den Fußstapfen Christi, welche wir schon längst betreten, beständig und treu verharren, die Reinheit der Lehre unbefleckt erhalten, und unser Leben in Allem dem Worte Gottes gemäß gestalten. So wird Christus der Herr, welcher mächtig genug ist und über das Seinige wacht, für das Übrige wohl sorgen und seine Kirche beschützen. Wohlan denn, o Brüder, lasst euer Licht also leuchten, dass Gott der Vater in euch verklärt, und der herrliche Name Christi durch das Licht eures Lebens und durch aufrichtigen Glauben gepriesen werde. Umfasst euch in wahrhafter Liebe und bringt euer ganzes Leben zu als in der Gegenwart Gottes. Vergebens sucht man durch bloße Worte Frömmigkeit einzuflößen; es ist Wahrheit und Licht des Lebens und eine wahrhaft himmlische Gesinnung dazu nötig, wenn wir den Satan besiegen und besonders zu unserer Zeit die Welt zu dem Herrn Christo bekehren wollen. Denn, o Brüder, welches trübe Gewölke steigt auf, welcher Sturm naht sich! Wie sehr nimmt die Entfremdung der Menschen von Gott, der Mangel an Glauben überhand. Es geziemt euch aber fest zu stehen und auszuharren, der Herr selbst wird den Seinen beistehen. O könnte ich mit euch die Gefahren teilen und dieses Leben für die Wahrheit dahin geben; doch es bleibt ja unzertrennt die Liebe und unauflöslich das Band in Christo; die an ihn Glaubenden haben Alles untereinander gemein.“ So viel sprach er von den gemeinsamen Angelegenheiten der Kirche; mit wenigen Worten berührte er noch die eigene Person. „Dass ich des Verbrechens beschuldigt werde, die Wahrheit verfälscht zu haben, kümmert mich nicht. Durch die Gnade Gottes trete ich mit meinem Gewissen vor den Richterstuhl Christi. Da wird offenbar werden, dass ich die Kirche nicht verführt habe. Ich lasse euch als Zeugen dieser meiner Versicherung zurück, und bestätige euch als solche in diesen meinen letzten Atemzügen.“ In der letzten Nacht seines Lebens waren wieder alle Geistlichen bei seinem Bette. Einen eintretenden Freund fragte er, was er Neues bringe, und als dieser „Nichts“ antwortete; so sprach Ökolampad: „Aber ich will dir etwas Neues sagen: in Kurzem werde ich bei dem Herrn Christo sein.“ Auf die Frage, ob ihm das Licht beschwerlich falle, deutete er aufs Herz und sprach, „es ist hier Licht genug.“ Am Morgen des 24. Novembers schlug seine Todesstunde. Das letzte Gebet, welches er mit bebender Zunge hersagen konnte, war jenes herrliche Flehen Davids wegen seiner Sünden (Ps. 51), welches er von Anfang bis Ende mit tiefen Seufzern vortrug. „Herr Jesu, komme mir zu Hilfe,“ waren die letzten Worte, mit denen er seine fromme Seele aushauchte! So lebte und starb dieser getreue Arbeiter im Weinberge des Herrn!
Möge nun auch gegenwärtiges Werk an seinem Teile beitragen, dass ein ähnlicher frommer Sinn, wie er den Ökolampad beseelte, immer herrschender werde in der reformirten evangelischen Kirche.
Wintersingen den 8. September 1850.
R. Christoffel.