Pothinus und Blandina und die anderen Märtyrer zu Lyon.

Der Herr, der gesagt hat: „Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein“ (Luc. 14, 27.), der hat auch sagen lassen durch einen seiner Apostel: „Alle, die gottselig leben wollen in Christo Jesu, müssen Verfolgung leiden“ (2 Timoth. 3, 12.). So giebt es denn keinen Zeitpunkt, wo die wahren Jünger Jesu Christi geschützt sind vor dem Hasse der Welt. Aber diese Feindschaft nimmt, je nach der Verschiedenheit der Zeiten, auch andere Formen an. Die gläubige Kirche hat Tage der Ruhe, wie die sind, in denen wir leben, wo der Herr sie verschont und ihr Erholung gewährt; aber sie hat auch Tage der Unruhe, wo der Herr sie der ganzen Gewaltthätigkeit ihrer Feinde übergiebt, um sowohl die höllische Bosheit des Geistes, welcher durch diese Gegner sich thätig erweist, als auch die Macht der Gnade, welche wirksam ist in diesem bösen Treiben, zum Vorschein kommen zu lassen. Mehr als einmal sind diese trüben aber glorreichen Tage herangebrochen für die Kirche; nach einander hat der Satan wider sie erregt das heidnische Rom, nach den Arbeiten der heiligen Apostel, und das christliche oder angeblich christliche Rom, nach den Arbeiten der seligen Reformatoren. Jener blutigen Seiten eine oder die andere von Zeit zu Zeit wieder zu lesen: das thut uns wohl, und wird uns besser die Ruhe würdigen lassen, deren wir genießen, wir, die wir „noch nicht bis aufs Blut widerstanden über dem Kämpfen wider die Sünde“ (Hebr. 12, 4.); bis auch uns vielleicht Gott beruft, unser Blut für ihn hinzugeben, – falls überhaupt Er uns reif erachtet für eine solche Versuchung und würdig einer solchen Ehre!

An keinem Lande hat die Wuth des alten Versuchers sich mehr geübt, als an Frankreich, Besonders gegen den Süden hat sie sich gewandt, und namentlich gegen den Theil des Südens, als dessen Hauptstadt Lyon von jeher gegolten. Lyon, welches so berühmt unter den Städten dieses großen Landes durch sein Alterthum und seine Wichtigkeit, und so glücklich gelegen ist an zwei Usern, ist mehr als einmal der Schlüssel der Evangelisirung Franker eines Theils von Europa gewesen, wie es der Schlüssel der Civilisation und des Handels dieser Länder war. Die Schläge, welche diese Stadt und ihre Umgegend trafen, mußten, in dem Plane des großen Widersachers, sich bis an die äußersten Enden des weiten Umkreises, dessen natürlichen Mittelpunkt Lyon bildet, fühlbar machen. Ein furchtbares, aber zugleich für unsern Glauben höchst ermuthigendes Beispiel hiervon hat man gesehen, bald nachdem das Evangelium in Gallien Eingang gesunden: es ist das zu Lyon im Jahre 177 von dem ersten Bischofe der Stadt, Pothinus und einer großen Anzahl Mitglieder der beiden Kirchen zu Lyon und zu Vienne im Delphinat erlittene Martyrthum. Hier folge eine kurze Erzählung desselben, ausgezogen aus einem gleichzeitigen Document, einem der köstlichsten, die uns aus dem christlichen Alterthum geblieben, einem Briefe nämlich, der von den Kirchen zu Lyon und Vienne an die Kirchen in Asien und Phrygien gerichtet, und vielleicht von Irenäus, welcher dem Pothinus im Bisthum Lyon folgte, verfaßt, vom Eusebius aber in seiner Kirchengeschichte, Buch V. Cap. 1. u. 2. aufbewahrt worden ist. Leider fehlt uns der Raum, um diesen, von wahrhaft apostolischem Geist erfüllten Brief ganz wiederzugeben; doch werden wir wenigstens ab und zu den alten ehrwürdigen Zeugen selbst reden lassen.

Diener und Dienerinnen Jesu Christi, welche den beiden Kirchen angehörten und schon verschiedene Prüfungen hatten bestehen müssen, wurden auf den öffentlichen Platz von Lyon vor den Statthalter der Provinz geführt und von ihm öffentlich vernommen. Er behandelte sie so hart, daß ein dem Verhör beiwohnender junger Christ, Epagathus, der noch nicht als solcher gekannt war, um die Erlaubniß bat, ein Wort zu sagen und die Unschuld seiner Brüder zu vertheidigen. Dies genügte dem Richter, um, nachdem er ihn seinen Glauben bekennen lassen, ihn den Märtyrern zuzugesellen, wobei er ihn zum Hohne den Christenadvokaten nannte. Ein solches Beispiel regte andre Christen an, sich von den Heiden zu trennen, mit denen sie bisher vermischt geblieben waren. Neue Verhaftungen vermehrten noch die Zahl der Zeugen Jesu Christi; und die Wuth des Volkes und der Obrigkeit gegen sie stieg aufs höchste durch unwürdige Verleumdungen, welche die Furcht vor den Martern den heidnischen Sklaven entriß, die man mit den Christen, ihren Herren, verhaftet hatte. Man schritt nun, ohne Rücksicht auf Alter oder Geschlecht, zu den grausamsten Foltern, um die Standhaftigkeit der Märtyrer wo möglich zu erschüttern.

Einige unter diesen, naher unter denjenigen, welche sich jetzt zum ersten Male erklärten, waren zum Kampfe gekommen, ohne sich mit Kraft bewaffnet zu haben, oder vielmehr, ohne von dem Gefühle ihrer Schwachheit hinlänglich durchdrungen zu sein. Sie unterlagen; zehn Christen verleugneten ihren Glauben. Das war eine allgemeine Betrübniß für die Kirche, welche zitterte, die Zahl der Abfälle vom Glauben sich mehren zu sehen.

Aber die Meisten blieben unerschütterlich, trotz der höllischen Kunst, welche die Heiden, in der Hoffnung, sie endlich zu bezwingen, darauf verwandten, die Dualen mannichfaltiger zu machen und zu verschärfen. Welch erschreckliches Zeichen der natürlichen Bosheit des Menschen, und seines erbitterten Hasses gegen die göttliche Wahrheit, wenn man Henker, Volk und Obrigkeit ganze Tage, ja Nächte damit beschäftigt sieht, alle ihre Geisteskräfte auf die Erfindung einer Marter zu richten, die erkünstelter als die vorigen, und geeigneter wäre ihren Opfern ein Wort der Einwilligung und der Untreue zu entreißen. Aber auch, welch sichtbares Zeugniß der Gnade des unsichtbaren Gottes, wenn man sieht, wie diese Opfer, Eines nach dem Andern, Männer und Frauen, Greise, Jünglinge und Jungfrauen, ja selbst Kinder, alle Macht und List des Widersachers herausfordern, all den vielfachen Schmerzen Stand halten, und ihren Verfolgern nur mit dem demüthigen aber unüberwindlichen Bekenntnisse ihres Glaubens antworten. Alles das konnte man in der Lyoner Verfolgung sehen. Ein oder zwei Beispiele davon sind anzuführen, wie sehr es auch widerstrebe, diese Greuelscenen zu schildern.

„Der selige Pothinus, welcher zu jener Zeit der Kirche von Lyon vorstand, und in einem vor Alter gebrechlichen Körper Gefühle einer jungen und kräftigen Seele zeigte, ward, von Soldaten getragen, vor das Tribunal gebracht. Die nahe Aussicht auf das Martyrthum verbreitete einen Ausdruck der Freude über sein Antlitz. Seine durch die große Zahl der Jahre und eine neuerliche Krankheit abgezehrten Glieder hielten die Seele nur zurück, um Jesum Christum durch sie triumphiren zu lassen. Eine Menge Volks war hinzugelaufen, die ein großes Geschrei wider ihn ausstieß, und ihn mit Beleidigungen überhäufte, so erbittert, als wäre er Jesus Christus in Person gewesen. Als der Statthalter ihn gefragt, wer der Gott der Christen wäre, antwortete er, um den Lästerungen, die er vorhersah, zuvorzukommen, daß Jener es erfahren würde, sobald er dessen würdig wäre. Darob wurde er mit Schmähungen überhäuft. Die ihm nahe standen, versetzten ihm, ohne Ehrfurcht für sein Alter, derbe Schläge; die Entfernteren warfen nach ihm, was sich ihren Händen darbot; Pothinus, der nur einen Hauch von Leben hatte, wurde in Gefängniß zurückgebracht, wo er zwei Tage nachher starb.“

Sanctus, aus Vienne gebürtig und Diacon der Kirche von Lyon, hielt unerhörte Qualen mit außerordentlicher Geduld aus. Die Heiden schmeichelten sich, durch wiederholte Folterungen ihm einige unziemliche Worte zu entlocken; aber er hielt ihre Angriffe mit einer Festigkeit aus, die Nichts besiegen konnte. Auf jede Frage, die man an ihn richtete, antwortete er: „ich bin Christ:“ dieser Titel diente ihm statt Namen, statt des Vaterlandes und Standes, vertrat ihm Alles; und nie konnte man eine andre Antwort von ihm erlangen. Der Statthalter und die Henker hielten sich nicht mehr vor Wuth. Nach allen künstlich ersonnenen Grausamkeiten, die sie auszudenken vermochten, brachten sie noch glühende Eisenstäbe an die empfindlichsten Theile; aber durch eine mächtige Gnade aufrecht erhalten, beharrte der Märtyrer bei seinem Glaubensbekenntnisse. Sein Leib war dermaßen zermartert und mit Wunden bedeckt, daß er nicht mehr das Aussehen eines menschlichen Körpers hatte. Jesus Christus, den man in ihm verfolgte, hatte aus seiner Person ein vornehmstes Werkzeug gemacht, um über den Feind zu triumphiren, und zu zeigen, daß es keinen Schmerz giebt, den man nicht überwinden kann, wenn man zu Seinem Ruhme leidet. Einige Tage nachher wurde der Märtyrer einer neuen Prüfung unterworfen: die Henker fielen darauf, Eisen und Feuer wieder in die noch ganz entzündeten Wunden zu bringen; sie hofften, entweder seine Standhaftigkeit zu ermüden, oder sein Leben zu endigen, und so die andern Christen einzuschüchtern. Ihre Hoffnung wurde getäuscht. Wirklich sah man nunmehr, zum großen Erstaunen der Zuschauer, wie der Körper des Märtyrers wieder zu Kräften kam und den Gebrauch seiner Glieder wieder erlangte.“

Wenige Tage nachher wurde Sanctus mit seinem Freunde Maturus, der kaum weniger ausgestanden hatte, in das Amphitheater geführt, um den Thieren preisgegeben zu werden. „Man nahm mit ihnen alle die Grausamkeiten wieder vor, die sie bereits erduldet hatten. Nach einer fürchterlichen Geißelung wurden sie der Wuth der Thiere überliefert, welche sie um das Amphitheater herumzogen. Sic erlitten noch andre Arten von Martern, nach dem Belieben des Volkes, welches verlangte, daß man sie bald auf die eine, bald auf die andre Art folterte. Endlich schlugen die Heiden vor, sie auf einen ganz glühenden Stuhl von Eisen zu setzen. Der unerträgliche Geruch, welchen ihr verbranntes Fleisch von sich gab, weit entfernt die Wuth des Volkes zu maßigen, erregte sie nur immer mehr. Man konnte Sanctus Munde nichts andres entlocken, als sein erstes Bekenntniß: „ich bin Christ.“ Nachdem er noch lange mit Maturus gelitten, wurden Beide erwürgt.“

Der Herr war Seiner Barmherzigkeit eingedenk zu Gunsten der weniger befestigten Jünger, die zuerst aus Furcht vor den Martern nachgegeben hatten, – und wer von uns möchte wagen, den ersten Stein auf sie zu werfen? Unter ihnen wurde zuerst eine Frau, Namens Biblia, wieder aufgerichtet. Nicht zufrieden damit, sie zur Verleugnung ihres Glaubens gebracht zu haben, wollten die Heiden sie noch zwingen, ihre Brüder zu verleumden; sie brachten das Weib auf die Folter. Aber das Uebermaß ihrer Bosheit ließ sie die Frucht derselben verlieren. Schwach, aber aufrichtig, willigte Biblis niemals darein, von der Kirche übel zu reden; der Schmerz einer vorübergehenden Marter richtete zugleich ihre Gedanken auf die ewigen Qualen der Hölle; sie erwachte gleichsam aus einem tiefen Schlafe, gab Gott die Ehre, und erwarb sich wieder die Krone des Martyrthums.

Bei den übrigen Abgefallenen bediente sich der Herr eines andern Mittels, um sie zurückzuführen. Die treulosen Henker warfen sie ins Gefängniß mit ihren Brüdern, ließen sie deren Leiden theilen und hielten ihnen dabei mit Bitterkeit ihre Feigheit vor. Groß war in dieser gemeinsamen Prüfung die Verschiedenheit der Empfindungen. Die Abgefallenen fanden einen Zuwachs von Schmerz in den Vorwürfen ihres Gewissens, während die Bekenner durch das Wort Gottes und den himmlischen Geist, der sie belebte, aufrecht erhalten wurden. An ihrem Aussehen allein konnte man sie leicht von einander unterscheiden: die Märtyrer waren fest und heiter, traurig und niedergeschlagen die Abgefallenen. Wer würde auch, wenn sie in diesem Augenblick ihren Abfall widerrufen hätten, an ihre Aufrichtigkeit geglaubt haben? Ihre Lage war verzweifelt und scheinbar ohne Ausweg. Aber die Gelegenheit, für den Herrn zu leiden, wurde ihnen durch einen besonders von der Vorsehung geordneten Umstand wiedergegeben.

Der Statthalter hatte in Erfahrung gebracht, daß Attalus, einer der treuen Märtyrer, römischer Bürger war, und wagte nicht, ihn sterben zu lassen, ohne die Befehle des Kaisers entgegengenommen zu haben, den er zugleich um Anweisungen in Betreff der andern Gefangenen bat. Die Antwort mußte abgewartet werden. Diesen Aufschub benutzten die Bekenner, um wo möglich durch ihre Bitten und Ermahnungen die Erhebung ihrer gefallenen Brüder zu erlangen. Endlich kamen die Befehle des Kaisers an: der weise Mark Aurel wollte, daß man diejenigen hinrichtete, welche bei ihrem Bekenntniß beharren würden, und die, welche abgeschworen, freiließe. Hier nun kam die Gnade Jesu Christi zum Vorschein in den zaghaften Jüngern, welche ihn einen Augenblick verleugnet hatten. Man vernahm sie besonders, um sie wieder in Freiheit zu setzen. Aber die Meisten erklärten, daß sie Christen waren, und wurden mit den Andern zum Tode verurtheilt. Welch ein Triumph für die Kirche! welche Freude für die Engel im Himmel!

Was von Märtyrern übrig blieb, wurde, zur Vollstreckung des kaiserlichen Urteils, unter neuen Qualen bis ans Ende, allmählig erwürgt: Malus, Alexander, der sich wie Epagathus und unter ähnlichen Umständen ausgeliefert hatte, und alle Andern. Aber wem möchte man in dieser kleinen Schaar von Helden die Palme zuerkennen, wenn es erlaubt wäre, zu wählen? Einer armen Magd, Namens Blandina, deren Martyrthum selbst auf die Heiden einen größeren Eindruck machte als das aller Andern, und die in dem Amphitheater eine lange Reihe der grausamsten Leiden mit dem Tode beschloß.

Zuerst war sie, zu gleicher Zeit mit Sanctus und Maturus, auf die Folter gebracht worden. „Sie war, sagt der Brief, der uns als Führer dient, von einer so schwachen Leibesbeschaffenheit, daß wir alle für sie zitterten. Zumal ihre Gebieterin, die selbst zu den Märtyrern gehörte, fürchtete, sie möchte weder Kraft noch Dreistigkeit haben, ihren Glauben zu bekennen. Aber das bewunderungswürdige Weib war, durch Hülfe der Gnade, im Stande, den verschiedenen Henkern, welche sie vom Tagesanbruch bis in die Nacht marterten, Trotz zu bieten. Endlich bekannten Jene sich besiegt. Sie betheuerten, daß alle Hülfsquellen ihrer barbarischen Kunst erschöpft wären, und bezeugten das größte Erstaunen, daß Blandina, nach Allem was sie sie hatten erdulden lassen, noch lebte. „Wir begreifen nichts davon, sagten sie; nur einer einzigen der Folterqualen, die wir angewendet, bedurfte es, um ihr, nach dem gewöhnlichen Verlaufe der Tortur, das Leben zu rauben.“ Aber Blandina schöpfte neue Kraft aus dem Bekenntnisse ihres Glaubens. „Ich bin Christin,“ rief sie häufig, und diese Worte stumpften die Spitze ihrer Schmerzen ab.“

Am Tage da Sanctus und Maturus im Amphitheater erwürgt, wurden, ward Blandina an einen Pfahl befestigt, um von den Thieren verzehrt zu werden. Aber keines rührte sie an, weßhalb man sie dann losband. Sie wurde in das Gefängniß zurückgeführt und für einen andern Kampf aufbewahrt.

Am letzten Tage der Fechterspiele kam es zu diesem Schlußkampfe. Man brachte Blandina in die Arena, zu gleicher Zeit mit einem Jünglinge, ja einem Kinde von fünfzehn Jahren, Namens Ponticus, nachdem man Beide, alle vorhergehenden Tage, der Hinrichtung der Märtyrer hatte beiwohnen lassen. Man wollte sie nöthigen, bei den Götzenbildern zu schwören, und rechnete auf die Jugend des Einen und das Geschlecht der Andern. Aber bei dieser Berechnung hatte man Jesum Christum vergessen, welcher sich des Schwachen bedient, um das Starke zu beschämen. Beide weigerten sich, zu gehorchen. Das Volk, gleich einem wilden Thiere, welches seinen Raub entweichen sieht, wollte, daß man an ihnen alle Arten von Folterqualen erschöpfte. Man fing mit Ponticus an, der, durch seine treue Gefährtin ermuthigt, alle Grade des Martyrthums mit Festigkeit durchmachte und mit einem ruhmvollen Tode endigte. Blandina blieb allein, wie Jesus Christus in der Wüste (Marc. 1, 13.) mit der Hölle die ihn versucht, der Erde die ihn verläßt und dem Himmel, der ihn aufrecht hält. „Sie wurde gepeitscht, von den Thieren zerrissen, und auf den heißen Stuhl gesetzt; worauf sie in ein Netz gewickelt wurde, um einem wilden und wüthenden Stier vorgeworfen zu werden, der sie ganz zerdrückt in die Luft warf. Zuletzt wurde sie erwürgt. Die Heiden selber staunten über so viel Muth; sie bekannten, daß unter ihnen niemals ein Weib gewesen, das eine so seltsame und lange Reihe von Martern erlitten hätte.“

Leser, ist auch in dir der Geist dieses Weibes? War sie doch von sich selber nur was du bist. Suche, wo sie gesucht hat; du wirst finden, wo sie gefunden. „Wenn ich schwach bin, so bin ich stark“ (2 Korinth. 12, 10.).

Adolf Monod in Paris.

Mariona Adriani eines Schneiders fraw zu Tourneck

Dise ist auch sampt ihrem mann gefangen gesetzt worden / umb des Evangelii willen / doch in underschiedene gefengnus. Der mann ist abgefallen / und hat an stat des Fewers das schwert erlanget. Die fraw aber ist bestendig blieben / und lebendig begraben worden. Da man sie für dem thurn fürüber führete / da ihr mann Adrian in gesessen war / meynte sie / er lebte noch: Wendet derhalten ihr angesicht gegen den thurn / und schrye mit lauter stimm / Gute nacht / lieber Adrian / ich gehe nu zu einer andern hochzeit. Da sie auf den platz kommen / und die außgegrabene erde und den sarck ansichtig worden war / hat sie mit frölichem hertzen gesagt: Ja, lieber seyt ihr auß mir eine solche pastete zuzurichten willens? Dadurch sie verstund / daß ihr leib in den holen sarck / als fleisch in einer pasteten solte verschlossen und gemartert werden. Es war aber derselbige sarck ein schrecklich spectackel anzusehen. Dann er erstlich so lang und weit war / daß ein vollgewachsener mensch darinnen ligen konte. Und daß das arme weib drinnen befestigt möchte werden / giengen drey eisterne stangen oder laynen zwerch herüber: die eine ober die brust / die ander uber den bauch / die dritte uber die füß / daß sie also allenthalben möchte vest gemacht und undergehalten werden. Darzu war ihr ein stick umb den hals gebunden / damit sie solte gewürget werden / derselb stick gieng an einem end durch ein loch / das im sarck derwegen gemacht war / herausser. Und dieweil die erde eyngescharret wurde / ward zugleich an disem strick gezogen / und sie also im sarck gewürget.

Märtyrbuch:; Denckwürdige Reden und Thaten viler H. Märtyrer, Welche nach der Aposteln biß auf unsere Zeiten / hin
und wider in Teutschland / Franckreich / Engelland / Schotland / Niderlanden / Italien / Hispanien / Portugall / ec umb der
götlichen warheit willen jämmerlich verfolget / gemartert und endlich auf allerley weise entleibet seind worden.

Alles auß den Frantzösischen Geschichten der Märtyrer trewlich außgezogen.

Gedruckt zu Herborn / 1698

Martha Constantina

Noch gräßlicheres erlitt Martha Constantina von St. Jean, Ehefrau Jakob Barral’s. Ihr ward die Scham ausgeschnitten, der Bauch aufgeschlitzt, die Brüste abgerissen. Die letzteren wurden von den Soldaten zu Mocel in Piemont in der Pfanne gebraten und andern Soldaten zum Essen vorgesetzt.

Johann Leger, waldensischer Schriftsteller und Augenzeuge,

Dr. Theodor Fliedner,
Buch der Märtyrer,
Verlag der Diakonissen-Anstalt zu Kaiserswerth,
1859

Sara Rostagnol

Sara Rostagnol, eine Arbeiterin in den Weinbergen von Lucerna, eine Greisin von 60 Jahren, wurde zu Epral erwischt. Die Soldaten befahlen ihr, zu beten, und „Jesus, Maria“ dazu zu sprechen; sie aber sagte nur Jesus, und berief sich auf das Wort der Heiligen Schrift: „Es ist kein anderer Name den Menschen gegeben, darin wir sollen selig werden.“ Da nahm einer aus der rohen Bande die Sichel, welche sie in der Hand hatte, und riß ihr damit den Unterleib bis zum Nabel auf. Als nun das arme Weib unter den entsetzlichsten Schmerzen mit dem Tode rang, kam ein anderer Soldat und schlug ihr den Kopf ab.

Johann Leger, waldensischer Schriftsteller und Augenzeuge.

Dr. Theodor Fliedner,
Buch der Märtyrer,
Verlag der Diakonissen-Anstalt zu Kaiserswerth,
1859

Simon Marschall und Johanne seine Haußfraw

Anno 1547 seind dise beyde Eheleut neben fünf andern Christen zu Langres in Franckreich verbrennet worden / und ist sonderlich obgesetzte Johanna in disem ihrem creutz sehr mutig und unerschrocken geweßt / und hat neben den andern auch ihren ehemann zur bestendigkeit vermahnet / und under andern auch dise wort gebraucht: Lieber mann / daß wir bißher im ehestand mit einander gelebt haben / das halt ich nur als ein verlöbnus: nun aber wird unsere rechte hochzeit erst angehen / auf welcher uns der sohn Gottes nach diser geringschätzigen marter in ewigkeit under einander vertrawen wird.

Märtyrbuch:; Denckwürdige Reden und Thaten viler H. Märtyrer, Welche nach der Aposteln biß auf unsere Zeiten / hin
und wider in Teutschland / Franckreich / Engelland / Schotland / Niderlanden / Italien / Hispanien / Portugall / ec umb der
götlichen warheit willen jämmerlich verfolget / gemartert und endlich auf allerley weise entleibet seind worden.

Alles auß den Frantzösischen Geschichten der Märtyrer trewlich außgezogen.

Gedruckt zu Herborn / 1698

 

Vetius Epagathus, Blandina, Sanctus, Biblia, Pontius, Atthalus, Maturus und andere

Brief aus Vienne und Lyon (Südfrankreich) nach Phrygien (um 177)

Die Knechte Christi, die in Vienna und Lugdunum in Gallien (in Vienne und Lyon) als Ausländer wohnen, an die Brüder in Kleinasien und Phrygien: Der Feind schlug mit Macht auf uns ein. Er zeigte im Vorspiel seiner Schmach, wie seine Zukunft hereinbrechen wird.

Einer unserer Brüder hieß Vetius Epagathus. Eine Fülle der Liebe zu Gott und zum Nächsten wohnte in ihm. Er zögerte nie, dem Nächsten einen Dienst zu tun. Reichen Eifer für Gott trug er in sich. Er brannte im Feuer des Geistes. Auch er wurde als ein Vertreter und Anwalt der Christen in den erlesenen Kreis der Märtyrer aufgenommen, er, der den vertretenden Anwalt, den Geist des Zacharias in sich trug. Er war und ist ein Jünger Christi im vollen Sinne des Wortes. Er folgte dem Lamme, wohin es zog. Der Statthalter hatte in Gegenwart des Volkes den Befehl gegeben, daß wir mit allen Hausgenossen inquiriert werden sollten. Auf Betreiben des Satans, aus Furcht vor den Qualen, die sie die Heiligen erleben sahen, auf das Drängen der Soldaten, die gerade daraufhin ihnen zuredeten, brachten heidnische Sklaven, die bei den Unseren in Dienst standen, gegen uns Lügen auf. Es waren die bekannten Beschuldigungen der Menschenfresserei und der Verbindungen unnatürlicher Unzucht sowie ähnliche gräßliche Dinge, die man weder aussprechen noch ausdenken soll, von denen man kaum glauben darf, daß sie jemals unter Menschen vorgekommen wären. Als das unter den Heiden bekannt wurde, gerieten alle gegen uns in eine wahrhaft tierische Wut. An der Sklavin Blandina offenbarte Christus, daß das, was vor Menschen ärmlich, unscheinbar und unansehnlich gilt, bei Gott großer Herrlichkeit wert geachtet wird, auf die Tatsache hin, daß sich die Liebe zu ihm in Kraft erweist und sich nicht etwa um des Ansehens willen hervortut. Ihre Aufrichtung, ihr Aufatmen, ihre Erquickung, ihr schmerzstillendes Mittel gegen alles, was sie litt, waren die Worte: „Ich bin Christin, und bei uns geschieht nichts Schlechtes.“ Auch Sanctus, ein dienender Bruder, duldete über alles Maß und über Menschenkraft hinaus standhaft alle Qualen, die Menschen antun können. Die Gesetzlosen hofften, durch die Fortdauer und die Furchtbarkeit der Marter von ihm etwas für die Christen Nachteiliges erpressen zu können. Er aber widerstand mit unerschütterlicher Festigkeit. Nicht einmal seinen Namen gab er an, nicht sein Geschlecht, nicht seinen Heimatort, nicht, ob er Sklave oder Freier wäre. Auf alle Fragen hatte er nur die eine Antwort in lateinischer Sprache: „Ich bin Christ.“ Das war sein Ruhm, statt der Angabe des Namens, der Heimat und der Familie, ja für alles und jedes. Keinen anderen Laut bekommen von ihm die Heiden zu hören. Darüber wurden der Statthalter und seine Henker sehr erbittert. Als sie nichts anderes mehr wußten, legten sie zuerst auf die empfindlichsten Körperteile glühende Metallblättchen. Diese erloschen, er aber blieb bei seinem Bekenntnis. Biblia war eine von denen, die verleugnet hatten. Allein sie kam gerade unter den Folterqualen zur Besinnung; sie erwachte, wenn man so sagen darf, wie aus einem tiefen Schlaf; unter den Martern der Zeit gedachte sie der Strafen der Ewigkeit und widerlegte die Verleumder. Auch der glückselige Potinus, der Vorsteher der Gemeinde in Lugdunum, der das hohe Alter von mehr als neunzig Jahren erreicht hatte, wurde vor den Richterstuhl geschleppt. Er war körperlich so schwach, daß er vor Schwäche kaum noch atmete. Aber er war stark an innerer Freudigkeit, voll Sehnsucht nach der Märtyrerkrone. Sein Körper war todmüde vor Alter und Kränklichkeit. Aber seine Seele war ihm so stark erhalten, daß Christus in ihm triumphieren sollte. Soldaten führten ihn vor den Richter. Städtische Behörden begleiteten sie. Eine große Menge schrie wild durcheinander. Es ging her wie bei der Verurteilung Christi. Er legte ein schönes Bekenntnis ab. Der Statthalter fragte ihn: „Wer ist der Gott der Christen?“ Er antwortete: „Wenn du dessen würdig sein würdest, würdest du es erkennen.“ Darauf wurde er auf das Schonungsloseste mißhandelt. Die ihm nahe waren, bearbeiteten ihn von allen Seiten mit Händen und Füßen ohne jede Rücksicht auf das Alter. Die weiter entfernt waren, warfen nach ihm, was jeder unter seine Hände bekam. Potinus atmete kaum noch und wurde so ins Gefängnis geworfen, und gab nach zwei Tagen seinen Geist auf. Maturus, Sanctus, Blandina und Atthalus wurden vor aller Augen zu den wilden Tieren geführt, zum gemeinsamen unmenschlichen Schauspiel für die versammelte heidnische Menge. Sie liefen unter Geißelhieben Spießruten. Sie waren das schon gewohnt. Sie ließen sich von den Bestien hin- und herreißen. Sie ertrugen alles, was die rasende, schreiende Menge hier und dort haben wollte. Sie saßen auf dem eisernen Stuhl, auf dem ihr Körper geröstet wurde, daß der Rauch aufstieg. Und dennoch bekam man von Sanctus nichts zu hören als das Bekenntnis, das er schon anfänglich stets aufs neue abgelegt hatte. Als trotz aller schwerer Martern in ihnen immer noch Leben war, wurden sie zuletzt getötet. Blandina wurde an einem Holz aufgehängt. So wurde sie als Fraß den wilden Tieren vorgeworfen. Und als sie nun, in der Stellung des Kreuzes aufgehängt, so weithin zu sehen war, flößte sie durch ihr anhaltendes Gebet den Kämpfenden verstärkte Bereitschaft ein; sahen sie doch in dem Kampf und mit ihren eigenen Augen durch die Schwester hindurch den, der für sie gekreuzigt war, da er denen, die an ihn glaubten, bezeugen wollte, daß jeder, der um der Herrlichkeit Christi willen leidet, immer Gemeinschaft hat mit dem lebendigen Gott. Als keins von den Tieren Blandina anrührte, wurde sie vom Holz herabgenommen und von neuem ins Gefängnis geworfen und für einen neuen Kampf bereitgehalten. Die meisten von denen, die verleugnet hatten, wurden in den Schoß der Gemeinde wieder aufgenommen. Das Feuer ihres Lebens wurde aufs neue wieder helle angefacht. Sie lernten bekennen, und lebendig und stark traten sie wieder vor den Richterstuhl, um nochmals von dem Statthalter geplagt zu werden. Indessen war die Entscheidung des Kaisers eingetroffen, daß die, welche verleugneten, freizugeben seien, die anderen aber hingerichtet werden sollten. Es hatte gerade der Markt begonnen. Viele Menschen waren aus weiter Ferne zusammengeströmt. Der Statthalter ließ vor den Augen des Volkes die Glückseligen alle in feierlichem Aufzug vor dem Richterstuhl erscheinen. Er nahm die Untersuchung wieder auf. Allen, die offenbar das römische Bürgerrecht besaßen, wurden die Köpfe abgeschlagen. Die übrigen schickte man zu den wilden Tieren. An denen, die vorher verleugnet hatten, verherrlichte sich jetzt Christus in großartiger Weise. Die Heiden konnten es nicht begreifen. Sie bekannten. Attalus saß auf dem eisernen Stuhl. Sein Leib verbrannte. Der Rauch stieg empor. Auf die Frage: „Welche Namen hat Gott?“ gab er zur Antwort: „Gott führt keinen Namen wie ein Mensch.“ Die verklärte Blandina hatte bereits Geißelhiebe, wilde Tiere. glühenden Rost kennengelernt. Zuletzt legte man sie in ein Fischernetz und warf sie einem Stier vor. Sie wurde lange von dem Tier umhergeschleudert und so getötet. Sie war bereits empfindungslos für das, was mit ihr geschah, nur noch lebend in der Hoffnung und Erwartung dessen, was ihr zugesichert war, in der Gemeinschaft mit Christus. Selbst die Heiden gestanden, nie hatte eine ihrer Frauen so viele und so schwere Qualen erlebt; aber auch damit war ihre Wut und Grausamkeit gegen die Heiligen noch nicht gesättigt. Die Leiber der im Gefängnis Umgekommenen warfen sie den Hunden vor und hielten Tag und Nacht sorgfältig Wache, daß keiner von uns begraben würde. Die von den wilden Tieren zerfleischten und im Feuer verkohlten Überreste stellten sie aus, wie sie waren. Die Köpfe und Rümpfe der anderen ließen sie ebenfalls unbeerdigt, viele Tage sorgfältig durch Soldaten bewachen. Die einen waren voll zähneknirschender Wut und suchten nach immer weitergehender Rache an ihnen. Andere verlachten und verhöhnten sie und priesen ihre Götzen. Sie schrieben diesen die Bestrafung der Märtyrer zu. Die Mildesten, von denen man glauben konnte, daß sie bis zu einem gewissen Grade Mitleid kannten, stießen Lästerungen aus: „Wo ist euer Gott? Was hat ihnen ihr Glaube geholfen, den sie mehr geliebt haben als ihr Leben?“ Sechs Tage lang waren die Leichname der Märtyrer, auf jede Art verhöhnt, der freien Luft ausgesetzt. Dann wurden sie von den Gesetzlosen verbrannt, zu Asche gemacht und in die nahe vorbeifließende Rhone geschüttet. Kein Rest von ihnen sollte mehr auf der Erde zu finden sein. Dies taten sie, als ob sie Gott überwinden und ihnen ihre Wiederherstellung rauben könnten. Sie sagten, daß sie keine Hoffnung der Auferstehung haben dürften. Denn im Vertrauen auf sie hätten sie eine fremde und neue Religion eingeführt. „Nun laßt uns sehen, ob sie auferstehen werden, ob ihnen ihr Gott helfen kann, ob er sie unseren Händen entreißen kann.“

Apothekerin zu Löwen und drei andere

Eben in demseligen Jahr (1540) seind zu Löven in Braband zween männer verbrennet / zwey weiber lebendig begraben worden / under welchen auch geweßt eines Apoteckers haußfraw / sonst mit jhrem Taufnamen nicht vermeldet. Dise / da sie von den Theologen daselbst war gefragt worden / was sie von der anruffung der heiligen hielte / sie aber geantwortet / Man solle nur Gott anbeten / und ihm allein dienen: wurden die zarten Herren sehr ungedultig / und fuhren sie mit harten und unfreundlichen worten an / und sagten / Woltestu dann wol so keck und unverschämt seyn / und mit aufgerichter stirn / mit unflätigen stinckenden händen und füssen also stracks für Gottes angesicht kommen / den du doch mit deinen so manigfaltigen sünden so oft erzürnet hast? Dencke doch / daß du solches auch bey einem fürnemen menschen nicht thun würdest. Zwar wann du dem Keiser eine klag oder bitt fürbringen woltest / würdestu dich nicht zuvor an den herrn von Granvells / oder andern machen / und ihm deine not zuvor fürbringen / ehe dann du für K.M. selbst erscheinen woltest? Darauf antwortet die Christliche matron unerschrocken: Wie aber / wann der Keiser selbst etwa an einem offenen fenster stünde / und wüßte / daß ich seiner hülf benötiget were / und spreche mich derwegen mit seiner eigenen stimm selbst an / und sagte / Weib komme herauf / da ich bin / ich wil dir werden lassen / das du begerest: Woltet ihr mir alsdann rahten / daß ich mich erstlich umb gute freunde und fürsprecher zu Hof bewerben solte? Nein: Sondern es wolt am besten seyn / und sich durchauß gebüren / daß ich selbst persönlich für den Keiser käme / wie er befohlen. Dieweil er allein derjenige were / der mir helffen könte und wolte. Auf welche rede dann die vermeynten Theologen ihr kein wort zu antworten wußten. Darauf sie dann auch / wie gesagt / lebendig ist begraben worden. Dann solchs vermochte das Keiserliche mandat / in welchem / wie auch zuvorn vermeldet / befohlen / daß man solche und dergleichen mannspersonen lebendig verbrennen / die weibspersonen aber lebendig begraben solte.

Wendelmut

Blutzeugin 1527

Wendelmuht ein Holländerin

Anno 1527. den 20. Novembris / ist zu Hagen in Holland eine Holländische witwe / mit namen Wendelmuht / gewürgt und verbrennet / und alle ihre güter confiscirt worden / darumb / daß sie die lehr des heiligen Evangelii frey herauß bekennet hatte. Da ihr einer sagt / Es liesse sich wol ansehen / als wann sie den tod nicht förchtete / aber sie hette ihn noch nicht recht geschmeckt. Darauff sagte Wendelmuht / Es ist wahr / ich hab den tod noch nicht geschmecket / und wil ihn auch in ewigkeit nit schmecken/ dieweil ihn Christus für mich geschmecket und erlidden / auch außdrücklich gesagt / Wer sein wort halte / der werde den tod nicht schmecken ewiglich.

Als sie von der Messz gefraget wurde: sagte sie / Ich weiß wol / daß ihr die runde und vom teig gebackene Hostia für ewern Gott haltet. Haltet aber ihr sie für ewern Gott / so halte ich sie vil mehr für ewern Teuffel.

Da man sagte / sie solte bey zeiten einem Priester ihre beicht thun / dieweil sie noch im leben were: antwortet sie / Ich bin allbereit tod / aber der geist Gottes macht mich lebendig. Denn ich lebe in Christo / und Christus in mir. Ich habe meine sünd meinem Herrn Christo gebeichtet / welcher mir auch alle meine sünd vergeben hat. Hab ich aber sonst jemands von meinen nechsten beleidigt / den bitte ich umb verzeihung.

Da sie von einer andern frawen gefragt wurde / ob sie nit stillschweigen / und sich ein wenig anderst mit eusserlichen geberden und worten anstellen könte / als sie es im hertzen meynete? Dann also möcht sie noch ihren hals retten: Hat sie geantwortet / Meine liebe Schwester / mir ist befohlen daß ich reden sol / und darzu bin ich beruffen / also daß ich nicht schweigen sol noch kan. Als sie vom ganzen Raht vermahnet wurd / sie solte sich bekehren / und ein widerrufg thun: Antwortet sie / Ich halte mich an meinen Herren und Gott / den wil ich weder umb lebens noch umb sterbens willen verlassen.

Da sie der Inquisitor für eine ketzerin erkant / und sie der weltlichen Obrigkeit zu strafen ubergeben wolte / protestirt er dannoch / daß er in ihren tod nit bewilligen wolte. Eben wie seine vorfahren die Phariseer / vom tod Christi zu Pilato sagten / Wir dörffen niemand am leben strafen.

Als ein Mönch sie mit gewalt plagete / daß sie ein hölzines crucifix küssen solte / hat sie sich zum heftigsten gesperret und geweigert / und bald hernach mitten im fewer ihre augen sanft zugethan / und ist im HERRN entschlafen.

Anna Asceya

Anna Asceya, eine edle jungkfraw in Engelland

Dise edle / gotselige und viltugentsame jungkfraw / wann ihr mehr an diser welt pracht und wollust / dann an Christo und seinem H. Evangelio were gelegen geweßt / hette auch wol für der welt in grossen ehren und würden seyn und schweben können. Aber Christus war ihr lieber / dann ihr edles geschlecht / ihrer eltern reichthumb / ja alles was die weltkinder für jre höchste güter achten. Die historia vergleichet dise jungkfrau mit der alten Märtyrin Blandina / welche von Eusebio in der Kirchenhistori so hoch gelobt wird. Dann sie schier auf eben so vil art und weise / als die liebe Blandina / ist geplaget und gemartert worden. Die sie foltern und martern liessen / die waren zugleich / wider Gott und alle billichkeit / ihre ankläger und richter. Auf der reckbanck haben sie sie bald im anfang also gezogen / daß ihr die adern zersprungen / und das blut häufig herfür geflossen ist. Und sonderlich ist ihr / umb verachtung der Bäpstlichen Messz willen / zum heftigsten zugesetzt worden.

Da sie einer / den sie für einen spötter und Epicurer ansahe / vil auß Gottes wort fragen / und wie sie disen und jenen Spruch verstünde / erforschen wolte: sagt sie zu ihm / Man solte die perlen nicht für die säw werfen / welchen besser mit eicheln gedienet were.

Da dise zu rede gestellet wart / darumb / daß sie gesagt hette / sie wolte lieber fünf verß in der H. Bibel lesen / dann in der ‚Kirchen eben so vil Messen hören: sagt sie / sie were solches nicht in abreden. Sie wolt aber solches nicht von den Evangelien und Episteln / so auß Gottes wort genomen würden / verstanden haben. Was aber sonst in gemein die H. Schrift anlangete / fühlete sie in der that / daß sie auß verlesung und betrachtung derselben / besserung und erbawung spürete / Auß der Messz aber gar nichts.

Da sie auch von einem Messzpriester gefraget wurde / Wann die genante Ostia in der Messz auf die erde fiel / und etwa von einer mauß oder hund gesssen würde / ob man auch glauben solte / daß dieselbige maß oder hund / Gott selbst gessen hette? Antwortet sie / Wie er dises sein retzel aufgegeben hette / so solte er es auch selber solviren und lösen. Dann es mir / sage sie / nicht geliebet darauf zu antworten / dieweil ich sehe / daß du nur versuchenshalben hie bist.

Da ein ander von den Geistlichen Prelaten zu ihr kommen war / und sie ungefehr ein buch in der hand hatte: hat der Prelat jr das buch auß der hand genomen / und ehe dann er noch wußte / oder gesehen hatte / was es für ein buch were / hat er zu diser Jungkfrawen Anna gesagt / Dise und dergleichen bücher haben dich in dise ungelengenheit gebracht. Darumb vermane ich dich / daß du dich hinfüro für solchen büchern hüten wollest. Dann der Scribent dises buchs selbst ist öffentlich seiner ketzerey halben geschmähet und verbrennet worden. Darauff ihn Anna gefragt / ob er auch gewiß wüßte / daß es wahr were / was er sagte? Der Prelat sagt / JA / Er wüßte gewiß / daß es Johann Fryths buch were. Da hat ihm die Jungkfraw einen guten text gelesen / und unter andern gefragt / Ob er sich nicht schämete / daß er also zuplumpete / und ein urtheil von einem buch fellete / welches er doch nicht gelesen hette. Zwar / sagt sie / solche unbesonnene gewaltsame urtheil seind eine gewisse anzeigung eines unweisen gemüts. Und thet zugleich das buch auf / und zeiget es jm / daß er erst recht zusehen solte ehe dann er ein ding durchauß verdammete. Da sagt der Prelat: Ich meynete gewiß / es were ein ander buch gewesen / dieweil er nichts darinnen zu tadeln wußte. Hierauff hat jn die jungkfraw gar ernstlich vermahnet / daß er hinfüro im richten und verdammen nit allzu sehr eylen und zuplumpen / sondern sich aller sachen zuvorn gründlich erkündigen wolte. Damit ist der Prelat davon gangen.

Da sie ein ander Priester zur beicht vermahnete / und unter andern auch dise gleichnis gebrauchte / Wie ein Wundartzt kein pflaster auf eine wunde legete / er wüßte dann zuvorn / wie groß und tief die wundt were: also könte er jr auch keinen raht geben / ehe dann sie ihm zuvorn die wunden und kranckheit ihres gewissens geoffenbaret hette. Darauf jm Anna geantwortet / Sie were ihr / Gott lob / nichts böses bewußt: Were derhalben unweißlich gethan / wan man auf eine gesunde unverletzte haut ein pflaster auflegen wolte.

Da ihr auch fürgeworffen wurd / als solte sie gesagt haben / Wann einer von einem ruchlosen unverschämten Priester das Sacrament empfienge / daß derselbige nicht Christum / sondern den Teufel empfienge: Sagt sie / Sie hette solches nit geredt / sondern also hette sie gesagt: Wasi es sich schon zutrüge / daß der Kirchendiener ein gotloser unflat were / so hinderte mich doch dasselbige gar nit: Dieweil ich dennoch mit geist und glauben Christi leib und blut empfienge. Dann ohne geist und glauben kan dises Sacrament weder würdiglich noch heilsamlich empfangen werden.

Da der Bischoff von Winton zu ihr sagte / Er wolte freundlicher und vertrawter weise mit ihr handelen: sagte sie: Ja eben wie Judas / da er Christum verrahten wolte.

Da der Bischoff sagte / Wo sie sich nicht bekehrete / so würde man sie mit fewer verbrennen: Sprach Anna / Ich habe die H. Schrift etlich vil mal durchlesen / aber nirgends drinn gefunden / daß Christus oder die Aposteln jemands getödtet haben. Nu wolan / der Herr wird euch und ewer drawen schwechen und zu schanden machen.

Ihr bekantnus / die sie in der gefangnus gestellet / hat sie mit disen worten unterschrieben / Anna Asceva / die weder den tod wünschet / noch alzusehr sich für jm fürchtet / sondern also von hertzen lustig und frölich ist / als eine solche person seyn möchte / die auf dem weg gen himmel ist.

Da man sie weiter fragte / Ob sie nicht glauben wolte / daß der natürliche wesentliche leib und blut Christi im Sacrament mündlich empfangen würde: sagt sie / Nein. Dann der sohn Gottes auß Maria geboren / nach unsers Chrstlichen Glaubens bekantnus regierte nun in der höhe im himel / und würde eben also von dannen wider kommen zum gericht / wie er hinauff gefahren were / Actor. 1. Ich leugne zwar nit / sagt sie / daß dises Sacrament mit gebürlicher reverentz und ehererbietung sol gehandelt werden: Aber dieweil ihr mit ewrem aberglauben ubers ziel schreitet / und dises Sacrament gantz und gar zu einem Gott machet / und ihm götliche ehr beweiset: so sag ich darentgegen / daß das jenige nur brot sey / das von euch als ein Gott geehret wird / und bekreftige solches mit disem wahrzeichen: Wann jr disen ewern Gott drey monat lang etwa in einem kasten aufhebet und ligen lasset / so wird er schimlich / vermodert und verfaulet / und wird endlich zu nichten / und ist also ein Gott der zum lengsten drey monat lang wären kan. Dadurch dann genugsam kan erwisen werden / daß es brot / und ein Sacrament sey / aber mit nichten Gott selbst / oder der natürliche wesentliche Leib Christi / der in ewigkeit nicht verfaulen oder verwesen wird.

Da man ihr wider vom beichten sagt / antwortet sie: Es ist gnug wann ich Gott meine Sünd bekenne / von dem ich nicht zweifele daß er meine beicht anhören könne: und dieweil ich ein bußfertiges hertz habe / mir auch meine sünde vergeben wolle. Was er aber kan und wil / das muß in alle ewigkeit unverhindert bleiben.

Da ein abtrünniger / mit namen Nicolaus Saxton / mit seinem exempel sie bewegen wolte / daß sie auch widerruffen und abfellig werden solte: sprach sie / Es were besser / daß sie nie geboren were / wann sie solches thun solte.

Da ihr der Cantzler / nach einer unmenschlichen folterung (darinn man ihr die glider schier voneinander gerissen / und sie eine zeitlang für tod gehalten hatte) widerumb sagen ließ / Wann sie ihre gefaßte meynung wolte fallen lassen / so solte es ihr hinfüro nirgend an mangeln: Hat sie jm sagen lassen: Es were kein tod so schrecklich / schwer und grawsam / welchen sie nicht etlich mal lieber leiden und außstehen wolte / dann die wahre Religion einmal verläugnen. Dieweil sie nu auf der folterbanck zu vil malen also jämmerlich zugericht war / daß sie in solcher schwachheit nicht lang leben / und in geheim auch von wegen ihrer feinde nit sterben mochte: hat man sie / dieweil sie von ihr selbst nicht konte / auf einem stul zu London auf dem pfersmarck getragen / und ist mit einer ketten an den pfal gebunden worden. Dann nu alles zur marter fertig / kamen noch Königliche briefe / die ihr das leben verhiessen / wo sie abfallen wolte. Welche briefe sie nit allein nicht annemen / sondern auch nit hat ansehen wollen. Und ist also dise edle / frome / gotselige jungkfraw nach so vilerley schmach / folterung / streit / kampf / pein und marter / endlich noch dazu neben dreyen andern manspersonen verbrennet worden / anno Christi 1546. den 16. Julii. Auf welchen tag auch so ein grosses erschreckliches donnern und blitzen sich erhaben hat / daß die anschawer dises erbärmlichen spectakels zum heftigsten darüber erschrocken seind.

Märtyrbuch:; Denckwürdige Reden und Thaten viler H. Märtyrer, Welche nach der Aposteln biß auf unsere Zeiten / hin und wider in Teutschland / Franckreich / Engelland / Schotland / Niderlanden / Italien / Hispanien / Portugall / ec umb der götlichen warheit willen jämmerlich verfolget / gemartert und endlich auf allerley weise entleibet seind worden. Alles auß den Frantzösischen Geschichten der Märtyrer trewlich außgezogen. Gedruckt zu Herborn / 1698