Heinrich von Zutphen

Probst, Jacob – Ein erschreckliche geschicht wie etliche Ditmarscher den Christlichen prediger Heinrich von Zutfeld newlich so jemerlich umbgebracht haben – in einem sendbrieff Doctor MArtino Luther zugeschrieben

MD XXV

Jakob Probst

Dem waren Junger Christi

MArtino Luther. Jacobus von Hypern

Gnad unnd frid von Gott dem vatter unnd unserm herren Jesu Christo / der unnser einiger mitler unnd priester in ewigkeit ist. Was sol ich sagen alerliebster Bruder? Wa soll ich anhebenn? mein seel ist in engsten / unnd mein geist schreyet zu dem herren / unnd ich hab keyn stillung. So sage ich / Sihe wie stirbt der frumm? unnd nyemants bedenckts in seinem hertzen. Die gotseligen werden umbbracht / Dann nyemants versteet es / Wann der frumm ist vom angesicht der boßheyt wegk genommen. Unser heinrich der unerschrocken prediger gottis worts / ist umbbracht worden / und ist also umbkommen / als were jm Gott nicht holdt geweßt.

Doch ist seyn blut kostlich vor Got / wiewol es vor den Ditmarschen ist gering wordenn. Ach herr wie lang schreyen wir und du wilt uns nicht erhören. Warumb sihestu die verachter an unnd schweigest stil wenn der gotloß den undertritt der frummer ist dann er? Ja vatter also hat es dir wolgefallenn / Wann der junger ist nicht mer dann sein meister / noch der knecht uber sein herren. Es ist dem junger genug wenn er ist als sein meister / unnd dem knecht / wenn er ist als sein herre / haben sy den haußvater genennt Beelzebub / wie vil mer werden sy die haußknecht also heyssenn / Unnd darumb sollenn wir unns vor jn gar nicht förchtten / wann das ist jr stund / und der gwalt der finsternuß / Darumb tragen wür liiebhaber der warheit leyd unnd geen trawrig hereyn. Die feynde aber frewen sich und geen mit aufgerecktem halß / doch bekümmeren wir uns also umb des heinrichen tod / das wir uns nit weniger dess vor Got dem herren erfrewen / und seind des gewiß / das wir einen newen mertrer und getzewgen Christi haben. Sy aber frewen sich vor der welt / Ich byn auch ungezweyfelt jr frewd werd seyn wye ein augenplick.

Aber vernempt die sach mit wenig wortenn / wann mein gemüt ist betrübter denn das ich vil kunt schreiben. Heinrich ist in Ditmarschen beruffen worden vom pfarherr zu Meldorff einem frommen Christlichen und Evangelischen mann / mit wissen und bewilligung etlicher der fürnemsten desselben orts. Darauff ist er als ein williger und rechtschafner gezeüg Christi dahyn gezogen / und hat sein vertrauen auf Got den herren gestelt / wiewol es jm von guten freünden ist widerraten worden / die hatt er nicht hören wollen / wann er sagt / er were von Got beruffen.

Als er nun gen Meldorff in Ditmarsch ist kommen / haben jn die Christen auffs freüntlichst angenomen. Die münchen aber als feynde des waren Gotisdienst und der Christlichen warheit / sind seiner zukunft betrübt worden / haben gelauffen gerannt / sie bemüet unnd so emsiglich angehaltten / das sy endtlich bey etlichen des lands obristen so vil erlangt habenn das man dem Heinrichen das predigen verbotten hatt.

Weil er aber wüßt das man got mer solt gehorsam sein dann den menschen / Derhalben hat er am andern sontag im advent zwu predig gethon / also das sich der alle so sy gehört / erfreüt und got seiner gaben gedanckt unnd gelobt haben. An sant Niclastag hat er auch zwu predig gethon / do ist das volck schyer auß allen winckeln zugelauffenn. Deßgleichen hatt er auch am tag unser lieben frawen entpfengknus zwir gepredigt / also das sich meniglich ob seiner leer verwundert hatt.

Nun haben sich die münch in dem mit höchstem fleyß bearbeyt / geheult und ein aufrur gemacht / Unnd iren willen erlangt. Wann am freytag volgent in der nacht nach zwelff ur vor dem dritten sontag im Advent / seind die münch kommen mit latern beleuchtet und bey fünffhundert wapner mit jnen / die seind vol hamburger byers geweßt / und seind als die veynde dem pfarherr zu Meldorf in sein hauß gefallen / haben den merterer Christi jemerlichen auß dem bette gezogen / darnach eynem pferdt an schwantz gebunden unnd also mit grosser frolockung gen der heyde ein grosse meyl wegs vonn Meldorff gefürt und geschleyft.

Als sy gen der Heyde kommen seind / haben sy den guten man in eines pfaffen keller geworffen / sye aber alle getruncken gespilt und gesungen.

Auf den morgen haben sy den frommen man mit höchster schande zum fewr geschlept.

Do hatt sich ein Christlich weib zwischen den guten mann und das fewr gestelt / und jn zuerhalten Tausent gulden zu geben geboten / byß er mit recht uberwunden verbrant wurd. Aber do hat nyemant wellen hörn / Sonder ist das gut weyb jemerlich an kopff geschlagen worden / das sy also hat müssen entweichen.

Nu ist das urteil so hernach folget / durch einen gesprochen worden der diß jars nit Richter ist / Aber er hat vom richter der das urteil gesprochen solt haben zehen guldin genommen und solch urteil gesprochen.

Urteyl

Diser ubelthetter der Gott und sein mutter gelestert hat soll verbrent werden.

Darauf hat der frumm man geantwurt. Das hab ich nit gethon. Aber das geschrey hat uber hand genommen / verbrent jn verbrennt jn.

Unnd als der Christlich mann den himlischen vatter für sy gebeeten hat / ist er von jn verlacht und verspeyet worden.

Nu ist das fewr vor allen menschen die vorhanden gewest seind / zweymal außgangen und erloschen. Das haben sy (wie solchen leutten wol gebürt) für zawbrey außgeben.

Als er auch von jnen etlich wunden entpfangen / der man under zweyntzig nicht an jme gezelet hatt / ist er in das dritte fewr geworffen worden / Also hat er Got dem vater sein geist auffgeben.

Nun ist sein Cörper den gantzen tag uber / gantz unnd unverbrannt gebliben.

Des Andern tags / welchs der drit sontag im Advent gewest ist / haben sy dem todten cörper die hende und füsse abgehawen / ein new feür gemacht und sy darinn verbrannt / Dann den strumpf als man sagt / haben sy begraben / und umb den cörper getantzt.

Also sterbenn die diener Christi / Also werden die wortt des meister erfült. Ich kan nit mer schreyben. Bitt die Götlich maiestat / das sy uns auch ein solche bestendigkeit geben woll. Ach das ich doch nur ein tröflin solcher gnad und bestands gehabt het / so rwet ich yetz on alle sorg in dem herren Christo. So weltz ich mich yetz in mancherley ellend trübsalen / jamer engsten unnd sünden. Gehabt ewch wol / der gayst Christi sey mit ewch. Mein allerliebster vatter in Christo Martine / dyse geschicht hett ich den zu Antorff geschriben / Aber der bott war weg gelauffen und hett den Brieff hye gelassen. Darumb schick ichs deiner vätterlichen lieb / und flehe dein gütigkeyt durch Jesum / du wellest unns mit einem einigen Sendbrieff trösten / an die gantz Christlich gemeyn zu Bremen zu schicken. Demnach bit ich dich du wellest mir das nicht abschlahenn / Dann ich nicht alleyn / sonder vil Bitten darumb. Preyse den mertrer Christi / und straff die arglistigkeyt der münchen. Ich bit dich du wellest mir meine unschicklicheit verzeihen / mein seel ist trawrig byß in todt / Dann mich verdreüßt lenger zu lebenn weyl ich allenthalbenn so vil ubels sehe. Demnach ist mein altter Adam nit gestorben. Bitt Got für uns.

Aus dem Original abgeschrieben.

Heinrich von Zutphen

Luther, Martin – Vom Bruder Heinrich, in Dithmar verbrannt

1524

… Da nun Gott der Allmächtige die Zeit ersahe, daß der gute Henricus mit seinem Blute die Wahrheit, von ihm gepredigt, bezeugen sollte, sandte er ihn unter die Mörder, die er darzu bereitet hatte. Denn es begab sich im vier und zwanzigsten Jahr kleiner Zahl nach Christi Geburt, daß er gerufen ward von Nicolao Boye, Pfarrer, und andern frommen Christen derselbigen Pfarre zu Meldorf in Dithmar, ihnen das Wort Gottes zu verkündigen, und sie aus des Antichrists Rachen zu bringen, denn er gewaltig daselbst regiert; welche Berufung er als von Gott annahm, und derhalben ihnen zusagte, da er zu ihnen kommen wollte.

Darnach auf Montag der ersten Woche im Advent zog Henricus mitten durch das Stift von Bremen in Dithmar, und kam gen Meldorf, da er denn hin berufen war, da er auch mit großen Freuden von dem Pfarrer, sammt andern frommen Christen, empfangen ward. Alsbald er darkommen war, wiewohl er noch keine Predigt gethan hatte, ward der Teufel zornig mit seinen Gliedmaßen, und insonderheit erregte er Augustinum Torneborch, Prior des schwarzen Klosters, die man nennet Jacobiter oder Prediger, welcher von Stund an lief zu seinem Mitgesellen M. Johann Snicken, des Officials von Hamburg Vicarien oder Commissarien, und hielt Rat, was zu thun stünde, damit ihr Reich nicht unterginge.

Endlich beschlossen sie, daß sie vor allen Dingen zuvorkommen müßten, daß er nicht predigte; denn wo er würde predigen, daß ihn der gemeine Mann hörete, so würde ihre Schalkheit an Tag kommen, und würden darnach nichts ausrichten können; denn sie wußten wohl, wie es zu Bremen zugegangen war. Auf diesen Beschluß machte sich der Prior Predigerordens des Morgens früh auf, denn er vor großer Sorge die Nacht nicht viel schlief, und kam gen der Heide auf Sonnabend vor dem andern Sonntag des Advents, vor die acht und vierzig Regenten des ganzen Landes, und beklagte sich höchlich und zeigte an, wie der Mönch von Bremen gekommen wäre, das ganze Land Dithmar zu verkehren, wie er denen von Bremen gethan hätte; hatte auch zu Hülfe M. Günter, des Landes gemeinen Kanzler, und Peter Hannen, beide große Feinde des Wortes Gottes. Diese zween halfen dem Prior mit allem Fleiß, und hielten den andern sechs und vierzig Ungelehrten, Einfältigen vor, wie ein groß Lob in ganzem Niederland, und wie großen Dank sie insonderheit bei dem Bischof von Bremen verdienen würden, wo sie diesen ketzerischen Mönch zum Tode bringen würden. Da sie das hörten, die armen ungelehrten Leute, schrieben sie bald, und beschloßen ihn zu tödten, den sie doch nicht gesehen, vielweniger gehöret noch überwunden hatten. …

In mittlerer Zeit ruhete der Prior sammt M. Johann Snicken nicht. Denn da der Prior sah, daß seine Bosheit nicht konnte fort gehen, zog er mit Doctor Wilhelmo, Prediger-Ordens zu Lunden, zu den grauen Mönchen, die man Barfüßer nennet oder Minores, da Hülfe und Rath zu suchen, wie er seinen Willen vollenden möchte; denn dieselbigen Mönche fast geschickt sind, mit ihrer Gleisnerei die armen Elenden zu verführen.

Alsbald schickten die grauen Mönche nach etlichen von den Regenten, als mit Namen Peter Nannen, Peter Swin und Claus Roden, und zeigte ihnen mit großen Klagen, wie denn ihre Gewohnheit ist, wie der Ketzer predige und das Volk verführe, welches ihm zum Theil anhängig wäre; wo sie nicht da zusehen würden und den Ketzer umbrächten, würde Mariä Lob sammt den zwei heiligen Klöstern zu Boden gehen. Das war die Schrift, da sie den Ketzer gedachten mit umzubringen; als denn geschah. Als die armen unverständigen Leute das höreten, wurden sie zornig und antwortete darauf Peter Swin: Man hätte dem Pfarrer sammt Henrico geschrieben, weß sie sich halten sollen; wärs vonnöthen, sie wollten noch einmal schreiben.

Antwortete der Prior: Nein, denn ihr müßt den Sachen anders beikommen. Denn, beginnet ihr dem Ketzer zu schreiben, wird er euch antworten, und würdet ohne Zweifel auch mit ihm in die Ketzerei kommen, ehe ihrs gewahr würdet; denn würde er zu Wort kommen, möchte man ihm nichts anhaben. Da beschloßen sie einen Rath, daß man ihn in der Nacht heimlich müßte fangen, und alsbald verbrennen, ehe es das Land inne würde, und er zu Wort käme. Solcher Rath gefiel ihnen allen wohl, und sonderlich den grauen Mönchen. Auf solchen Rath wollte Peter Nannen, als ein sonderlicher Freund des Priors, den Dank verdienen, und zog zu sich etliche Ammeral (Hauptleute) aus andern Dörfern, mit Hülfe und Rath M. Günters.

Man sollte hie billig der Namen schonen; nachdem sie aber Ehre gesucht haben zu erlangen, muß man sie ihrer Ehre nicht berauben. Das sind die Namen der Hauptleute: Peter Nannen, Peter Swins Sohn, Henick zu Lunden, Johann Holm, Lorenz Hannemann, Ludwig Hannemann, Bastel Johann Bren, Claus von Weslingburen, Brosi Johann zu Wockenhausen, Marquard Krämer zu Henstede, Ludecke Johann zu Wessing, Peter Großvogt zu Hemmingstedt. Diese Hauptleute sammt den andern, die sie bei sich hatten, wurden gefordert auf die Pfarre zu der Neuenkirchen, und kamen in M. Günters des Schreibers Haus zusammen, und hielten Rath, wie sie ihn fiengen und nicht zu Wort kommen ließen; denn das Urtheil schon geschloßen war, daß sie den guten Henricum verbrennen wollten.

Beschieden sie sich zusammen auf den andern Tag nach Conceptionis gen Hemmingstedt, eine halbe Meile von Meldorf, und belegten mit Fleiß die Straßen zu Meldorf, auf daß sie niemand warnete. Ward auch verordnet, daß auf allen Dörfern, als die Nacht kam, und man Ave Maria läutet, sie zusammen kämen. Und kamen zusammen bei die fünfhundert Bauern. Als sie nun zusammen gekommen waren, ward öffentlich angezeigt, aus was Ursache sie gerufen wären. Denn niemand, ohne die Hauptleute, wußten die Ursache und was sie thun sollten. Als der gemeine Mann das hörete, wollten sie zurückziehen und solche böse That nicht begehen. Aber die Hauptleute geboten ihnen, bei Leib und Gut nicht fortzuziehen. Hatten auch gesoffen daselbst drei Tonnen Hamburger Bier, daß sie desto muthiger wären. Und kamen in der Mitternacht um zwölf Schläge mit gewappneter Hand gen Meldorf.

Die Jacobiter oder Predigermönche gaben ihnen Licht und Fackeln, daß sie ja sehen könnten, und der gute Henricus nicht entlaufen könnte. Hatten auch einen Verräter bei sich, mit Namen Hennicks Hanß, welcher alle Dinge verrathen hatte; fielen mit Gewalt in die Pfarrei, zerschlugen alles, was da war, wie der vollen unsinnigen Bauern Gewohnheit ist, Kannen, Kessel, Kleider, Becher; was sie aber fanden von Silber und Gold, nahmen sie mit. Fielen auch zu dem Pfarrer ein mit Gewalt, hieben und stachen und schrieen: schlag todt! schlag todt! Einestheils stießen ihn auf die Straße nackend in den Dreck, und nahmen ihn gefangen, er sollte mit ihnen gehen. Das andere Theil schrie, man sollte ihn gehen laßen, denn sie hätten keinen Befehl, ihn zu fangen. Darnach, als sie ihren Muthwillen mit dem Pfarrer geübet hatten, fielen sie zu dem guten Bruder Heinrich ein, und nahmen ihn nackend aus dem Bette, schlugen, stachen, wie die unsinnigen vollen Bauern, und banden seine Hände fast hart auf den Rücken, zogen und stießen ihn also lang, daß auch Peter Nannen mit Barmherzigkeit bewegt wurde, der sonst ein giftiger Feind des Wortes Gottes war, und sagte, daß man ihn gehen ließe, er würde wohl folgen; befahl ihn Balke Johann zu leiten, der ihn mehr schleifte denn führte. Als sie ihn gen Hemmingstedt brachten, fragten sie ihn: wie er ins Land gekommen wäre, und was er da suchte? Antwortete er ihnen freundlich mit der Wahrheit, da sie auch bewegt wurden, und riefen: Nur weg mit ihm, wo wir lang ihn höreten, würden wir mit ihm Ketzer werden! Da begehrte er, daß man ihn auf ein Pferd setzen wollte, denn er sehr müde und matt war, und seine Füße ihm ganz wund waren; denn er in dem Kalten und Eise die Nacht nackend und barfuß gegangen und geführet war.

Als sie das höreten, spotteten sie und verlachten ihn, und sprachen: Ob man dem Ketzer Pferde halten solle, er müßte wohl laufen; schleppten ihn also die Nacht bis zu der Heide. Da brachten sie ihn in eines Mannes Haus, mit Namen Raldenes, und wollten ihm einen Stock mit eisernen Ketten angehängt haben. Aber der Hausvater hatte Mitleiden, und wollte solches nicht leiden. Da er ihren Muthwillen nicht wollte gestatten, brachten sie den guten Heinrich in eines Pfaffen Haus, mit Namen Herr Reimer Hotzecken, ein Diener des Officials von Hamburg, gaben ihn den vollen Bauern zu verwahren, die ihn fortan die ganze Nacht verspotteten und verhöhneten. Unter andern kam zu ihm Herr Simon, Pfarrer von Altenvorden, und Herr Christian, Pfarrer von der neuen Kirchen, beide fast ungelehrte Verfolger des Wortes Gottes; fragten ihn, aus was Ursache er das heilige Kleid abgelegt hätte? Welchen er freundlich aus der Schrift antwortete; aber sie verstandens nicht, was er sagte.

Kam auch zu ihm M. Günter, fragte ihn, ob er wolle lieber an den Bischof von Bremen geschickt sein, oder lieber in Dithmar seinen Lohn empfahen? Antwortete Henricus: Habe ich etwas Unchristliches gelehret oder gehandelt, könnten sie mich wohl darum strafen; der Wille Gottes geschehe. Antwortete M. Günther: Hört, lieben Freunde, er will in Dithmar sterben. Aber das Volk insgemein wartete die ganze Nacht ihres Saufens. Des Morgens um achte giengen sie auf dem Markt zu Rathe, was ihnen zu thun stände. Da riefen die vollen Bauern: Immer verbrannt! zum Feuer zu! so werden wir heute von Gott und von den Leuten Ehre gewinnen; denn je länger wir ihn leben laßen, je mehr er mit seiner Ketzerei verkehrt. Was hilft viel langes Bedenken? Er muß doch sterben. Also ward der gute Heinrich unverhöret zum Feuer verdammt.

Darnach ward ausgerufen: Alle, die ihn hätten helfen fangen, sollten mit ihrer Wehre mit zum Feuer hinaus ziehen. Da waren auch die grauen Mönche oder Barfüßer, stärkten die armen Leute und sprachen: Jetzund gehet ihr der Sachen recht nach; und hetzten das arme elende trunkene Volk. Da nahmen sie ihn und banden ihn an Hals, Füßen und Händen, führten ihn mit großem Geschrei zu dem Feuer. Als dieß geschah, stund eine Frau in ihrer Hausthüre, und sah dieses Elend und Jammer, und begann bitterlich zu weinen; sagte der gute Heinrich zu ihr: Liebe Frau, weinet nicht über mich. Als er an die Stätte kam, da das Feuer bereitet war, saß er nieder vor großer Schwachheit. Da kam der Vogt, Schöffer Maes, durch Geld dazu erkauft, wie man gläublich saget, verdammt den guten Bruder Heinrich mit dieser Sentenz oder Urtheil zum Feuer: Dieser Bösewicht hat geprediget wider die Mutter Gottes und wider den Christenglauben, aus welcher Ursache ich ihn verurtheile, von wegen meines gnädigen Herrn, Bischofen von Bremen, zum Feuer. Antwortete der gute Bruder Heinrich: Das habe ich nicht gethan; doch, Herr, dein Wille geschehe; warf auf seine Augen in den Himmel, und sprach: Herr, vergib ihnen, denn sie wißen nicht, was sie thun; dein Name ist allein heilig, himmlischer Vater!

Da gieng hinzu eine gute christliche Frau, Clauß Jungen Frau mit Weibs-Namen, eine Schwester Peter Nannens, wohnhaftig zu Meldorf, vor das Feuer, und erbot sich, man sollte sie zur Staupen schlagen, auf daß ihr Zorn gebüßet würde; dazu wolle sie tausend Gulden geben, man solle den Mann nur wieder einsetzen bis auf den nächsten Montag, daß er von dem ganzen Lande verhöret würde, und dann verbrannt. Da sie das hörten, wurden sie rasend und unsinnig, und schlugen die Frau zu der Erde, traten sie mit Füßen, schlugen mit aller Gewalt den guten Märtyrer Christi. Einer schlug ihn mit einem Stoßdegen in den Hirnschädel. Aber Johann Holm von der neuen Kirche schlug ihn mit einem Fausthammer; die andern stachen ihn in seine Seite, in den Rücken, in die Arme, wo sie ihn nur erreichen konnten; und nicht einmal, sondern so oft er begann zu reden.

Da ermahnte und hetzte das Volk M. Günter, und rief sie an und sprach: Frei zu, lieben Gesellen, hier wohnet Gott bei! Darnach brachte derselbige M. Günter einen ungelehrten grauen Mönch zu ihn, daß er beichten sollte; sprach aber zu ihm der Märtyrer Christi: Bruder, habe ich dir auch etwas zu leide gethan oder je erzürnet? Antwortete der Mönch: Nein. Sprach zu ihm der gute Bruder Heinrich: Was soll ich dir denn beichten, das du mir vergeben solltest? Da schämte sich der graue Mönch und trat zurück. Das Feuer aber wollte nicht brennen, wie oft sie es anzündeten. Nichts destoweniger übten sie ihren Muthwillen an ihm, und schlugen ihn mit Helleparten und Spießen. Das verzog sich wohl zwei Stundenlang, in welcher Zeit er in seinem Hemd nackend vor den Bauern stund mit aufgehobenen Augen in den Himmel. Zuletzt kriegten sie eine große Leiter, auf welche sie ihn fast hart banden, auf daß sie ihn in das Feuer würfen. Da hob der gute Märtyrer Christi an, seinen Glauben zu sprechen; schlug aber einer her mit einer Faust in sein Maul, und sprach zu ihm: Er sollte erst brennen, darnach möchte er lesen was er wollte. Da trat einer mit einem Fuß auf seine Brust, und band ihn also hart an einer Sprosse an seinen Hals, daß ihm Maul und Nase blutete, auf daß er ersticken sollte, denn er sah, daß er von so viel Wunden nicht sterben könnte.

Darnach richteten sie ihn auf mit der Leiter. Da setzte einer die Helleparte an die Leiter, dieselbige helfen aufzurichten; denn das Land keinen Scharfrichter hat. Da glitt die Helleparte von der Leiter ab, und durchstach den heiligen Märtyrer Christi mitten durch. Warfen also den guten Mann mit der Leiter auf das Holz. Aber die Leiter sprang zu der Seite ab. Da lief zu Johann Holm, und nahm den Fausthammer, und schlug ihn auf seine Brust, also lang, daß er starb, daß er sich darnach nicht regete. Brieten ihn also auf den Kohlen; denn das Holz wollte nicht brennen.

Das ist kürzlich die wahre Historie von dem Leiden des heiligen Märtyrers Henrici von Zutphen.

Luther Deutsche Briefe - Schriften - Lieder - Tischreden,
Ausgewählt und lebensgeschichtlich verbunden von Dr. Tim Klein,
München-Ebenhausen/Leipzig bei Wilhelm Langewiesche-Brandt
1917

Heinrich von Zutphen

Heinrich von Zutphen

Zutphen, Heinrich von

Heinrich von Zütphen, ein Augustinermönch im Anfange der Reformationszeit, der mit kühner Beredsamkeit an mehreren Orten für die evangelische Sache auftrat, bald aber einen grausamen Märtyrertod erlitt. Die Stadt Bremen verdankt ihm den Anstoß zur Einführung der Reformation. H., dessen Familienname unbekannt ist (die frühere Annahme, er habe Moller oder Müller geheißen, hat sich als ein Irrthum erwiesen), trägt seinen Beinamen von seiner Vaterstadt Zütphen in den Niederlanden, wo er wahrscheinlich 1488 geboren ist. Ueber seine Jugendzeit wissen wir nichts. Zu Anfang des 16. Jahrhunderts trat er zu Dordrecht unter die Augustiner und erhielt den Klosternamen Johannes, den er jedoch später nie gebraucht hat. 1508 finden wir ihn unter den Studierenden an der neugegründeten Universität Wittenberg. Die Gemeinsamkeit des Orden und Congenialität der Gesinnung brachte ihn Luther nahe, der ihn in seinen Briefen mit Auszeichnung nennt. 1505 wurde H. Vorleser im Wittenberger Kloster, bald aber berief man ihn nach Köln als stellvertretenden Prior des dortigen Augustinerklosters; 1515 finden wir ihn als Prior des heimischen Klosters zu Dordrecht. Bei solchem Bildungsgange mußte H. ein Anhänger der Bewegung werden, die 1517 von Wittenberg ausging und namentlich in den Niederlanden einen empfänglichen Boden fand; wurden doch die Augustiner fast überall Parteigänger Luther’s. Schon 1517 und 1518 hören wir von einer Verfolgung der Evangelischen in Dordrecht. H. scheint daran noch nicht betheiligt gewesen zu sein, hat aber muthmaßlich seine Priorstelle niedergelegt, da sich 1520 für diese ein anderer Name findet. Wir treffen H. in diesem Jahre wieder in Deutschland und zwar, vielleicht auf Luther’s Empfehlung, in der Umgebung des sächsischen Kurfürsten, mit dem er zu Köln der Uebergabe der päpstlichen Bannbulle wider Luther durch Carracioli und Aleander am 10. December beiwohnte. Er hat darüber einen noch erhaltenen Bericht verfaßt. Dann kam er aufs neue nach Wittenberg, wo er unter Melanchthon seine Studien fortsetzte und die akademischen Grade eines Baccalaureus und eines Licentiaten erwarb, 1521. Nun aber fühlte er sich reif genug, in seiner Heimath für die Reformation aufzutreten, 1522. Ein Edict Karls V. und dessen blutige Ausführung durch die Statthalterin Margarethe schien zwar alle Mühe daselbst vergeblich zu machen; angesichts der zahlreichen Hinrichtungen hatte selbst Heinrichs Freund, der Antwerpener Augustinerprior Jacob Probst, widerrufen, derselbe, der später, seinen Widerruf bereuend, H. nach Bremen gefolgt ist; H. aber scheute sich nicht, gerade in Antwerpen aufzutreten. Das Volk strömte ihm zu, aber die Feinde ruhten nicht. Am 29. September 1522 wurde der kühne Mönch bei einer Predigt am Ufer der Schelde verhaftet. In der Nacht sollte er nach Brüssel geschleppt werden, sein Schicksal schien entschieden. Aber das Volk, an der Spitze die Frauen, erbrach das Gefängniß mit Gewalt und setzte den bewunderten Prediger in Freiheit. H. floh. Er sah für den Augenblick keine Möglichkeit, in den Niederlanden zu wirken, und beschloß, nach Wittenberg zurückzukehren. Auf dieser Reise, die er über seine Vaterstadt Zütphen und, wohl der Sicherheit halber, auf einem Umwege machte, kam er nach Bremen, wo er einen ungeahnten Wirkungskreis finden sollte. – Die Stadt Bremen hatte sich, wie ganz Niedersachsen, der Reformation bisher fern gehalten, obwohl Empfänglichkeit für sie vorhanden war. Man wußte hier von Heinrichs Schicksal und seinem Kommen; deshalb wurde er von angesehenen Männern sofort angehalten und um eine Predigt ersucht. H. war bereit und predigte am Sonntag den 9. November 1522 in einer Capelle der Anscharii-Kirche. Man bat ihn nun zu bleiben, und mit Bewilligung seines Provinzialoberen blieb H. in Bremen, dessen Reformator er jetzt werden sollte. Die Geistlichkeit setzte natürlich alle Mittel in Bewegung, den Neuerer zu hindern oder seiner habhaft zu werden, der Rath aber, der allerdings keine entschiedenen Schritte für H. that, duldete ihn doch und hinderte das Volk nicht, sich seiner und seiner Sache thatkräftig anzunehmen. Man ließ H. auf das vom Erzbischof Christoph (s. Bd. IV. S. 235 ff.) angesetzte Provincialconcil zu Buxtehude (10. März 1523) nicht ziehen, zerstörte die der Stadt nahe und gefährlich gelegene Abtei St. Pauli, und berief an die Stadtkirchen zwei neue Prediger des Evangeliums, nämlich jenen Freund Heinrichs Jacob Probst und den Amsterdamer Johann Timann (1524). Bei diesem günstigen Verlauf der Dinge glaubte H. einem neuen Rufe folgen zu müssen. Er war aufgefordert worden, nach Meldorf im Lande Dithmarschen zu kommen, wo seit einiger Zeit der evangelische Prediger Nicolaus Boje (s. Bd. III. S. 85) für die Reformation arbeitete. Nur wenigen Bremern zeigte er sein Vorhaben an und zog, um die Feinde nicht aufmerksam zu machen, heimlich fort (28. November 1524). Auf dem neuen Schauplatz ging es anfangs gut. In Meldorf nahm man den Fremdling freudig auf und hörte begierig seine Rede. Aber es sollte nicht lange dauern. Das stolze Bauernvolk der Dithmarsen, welches solange seine Freiheit gegen die umliegenden Fürsten behauptet, liebte keine Glaubensänderung. Dem Prior des Meldorfer Dominikanerklosters, Augustinus Torneborch, wurde es daher leicht, die Gemüther gegen den Ketzer zu entflammen. Es wurde ein heimlicher Schlag gegen denselben beschlossen und ausgeführt. Man überfiel in einer Nacht das Meldorfer Pfarrhaus und schleppte den unglücklichen Mönch unter den rohesten Mißhandlungen nach dem Orte Heide, wo er am anderen Morgen einen qualvollen Tod im Feuer fand. Das war am 11. December 1524. Ein jähes Ende hatte den 36jährigen Mann aus einer verheißungsvollen Laufbahn gerissen. Aber auch das trug seine Frucht. In Wittenberg beklagten Luther und Melanchthon den Frühvollendeten aufs schmerzlichste, und ersterer sandte den Bremern einen Trostbrief nebst einer Erzählung von Heinrichs Wirken und Märtyrertod, die nicht wenig zu der ernsten Durchführung der Reformation in Bremen beitrugen. Auch im Lande Dithmarschen fand dieselbe bald Eingang. Das Andenken des Blutzeugen aber hat sich der evangelischen Kirche unvergeßlich eingeprägt. Seit 1830 erhebt sich an der Stelle seines Märtyrertodes ein Denkmal. Viele Schriften haben sein Leben und Leiden dargestellt.

 

Huldrych Zwingli#

Huldrych Zwingli

Den 1. Jan. 1484 wurde in Wildenhaus in der Grafschaft Toggenburg in der Schweiz, wo sein Vater Amman (Schultheiß) war, geboren: Ulrich Zwingli. Da er schon als Knabe einen fähigen Kopf verrieth, so wurde er dem geistlichen Stande gewidmet, und von seines Vaters Bruder, welcher Dekan in Wesen war, in den Anfangsgründen der Wissenschaften unterrichtet, hierauf aber 1494 auf die Schule zu Basel und von hier nach Bern gesandt. Weil ihn in letzterer Stadt Mönche, um seiner musikalischen Anlagen willen, in einen Orden ziehen wollten, so nahmen ihn seine Verwandten wieder weg, und schickten ihn nach Wien, wo er in der Philosophie sehr gute Fortschritte machte. Hierauf als Lehrer an die Martinsschule in Basel berufen, setzte er neben dem, daß er Andere unterrichtete, seine Studien eifrig fort, und wurde 1506 Magister. Auf Anrathen seines Lehrers Wittebach studierte er die Kirchenväter und das Neue Testament sehr fleißig, und wurde bald darauf Prediger zu Glarus; auch hier setzte er die Schriftforschung fleißig fort, und fing an, Anmerkungen über die Briefe Pauli abzufassen, welche er im Grundtexte auswendig lernte. 1512 zog er als Glarus’scher Feldprediger in den Mailändischen Krieg, und wohnte mehreren Treffen bey. Schon im J. 1516 lehrte er zu Glarus, daß Christi Tod das einzige Opfer für unsere Sünden sey, und rügte, jedoch mit großer Vorsicht und Mäßigung, die Irrthümer der verdorbenen Kirche. Es streiten daher seine Anhänger mit den Lutheranern darüber, ob Zwingli oder Luther zuerst das Reformationswerk begonnen habe? Das Wahre ist, daß weder der Eine noch der Andere von ihnen der Erste war, der auf die Nothwendigkeit der Reformation aufmerksam machte, daß Keiner von ihnen den Plan zu diesem Werke machte, sondern Luther, fast gegen seinen Willen, von Gott dazu gedrungen wurde, das größere Stück Arbeit dabey zu übernehmen, und in der ihm von Oben herab gegebenen Kraft auszuführen.

Auch als Prediger zu Marien-Einsiedel, wohin Zwingli gegen das Ende des Jahrs 1516 berufen wurde, verkündigte er unumwunden, daß alle päbstlichen Indulgenzen (Freisprechungen von Sünden) nichts als eine Erdichtung seyen; hiedurch erwarb er sich bald einen solchen Rum, daß er 1518 an’s Münster nach Zürich berufen wurde, wo er sogleich über das Evangelium Matthäi der Reihe nach zu predigen anfing, und die gewöhnlichen Sonntags-Evangelien aufgab. Auch setzte er noch immer seine Studien eifrig fort, und trug viel zur Emporbringung der Künste und Wissenschaften in Zürich bey. Als 1519 der Ablaßkrämer Bernhard Samson sein gottloses Gewerbe ich der Schweiz ebenso unverschämt trieb, wie Tetzel zwey Jahre zuvor in Sachsen, so widersetzte sich ihm Zwingli mit so glücklichem Erfolge, daß er Zürich mit leerer Hand verlassen mußte, und schon 1525 brachte er es dahin, daß von dem Magistrat zu Zürich der dortigen Geistlichkeit befohlen wurde, Nichts zu lehren, als was aus Gottes Wort sich erweisen lasse. Muthig und ohne im Geringsten die Gefahren zu scheuen, denen er sich damit aussetzte, fuhr er sodann mit dem Reformationswerke fort, und gerieth darüber 1522 mit dem Bischof von Konstanz und seinem Vicar Johannes Faber in einen heftigen Streit über das Speise-Verbot, der ihn veranlaßte, zum ersten Mal auch in Druckschriften sich hören zu lassen. Mit sehr glücklichem Erfolge bestritt er auch gegen den Barfüßer-Mönch Lambertus die Lehren von der Anrufung der Heiligen und der Messe; entging aber kaum dem Gift und Dolch seiner Gegner. 1523 sandte Pabst Adrian eine eigene Gesandtschaft nach Zürich, um die Reformation zu hintertreiben, und Zwingli erhielt ein eigenes, sehr schmeichlerisches Schreiben; nichtsdestoweniger vertheidigte er in der angestellten Disputation den Satz, „daß in Glaubenssachen allein die H. Schrift entscheidt“, mit standhaftem Muthe, und brachte es noch in diesem Jahre dahin, daß die Kaplane sich weigerten, fernerhin Messe zu lesen; er schaffte 1524 die Prozessionen nach Einsiedel, das Fronleichnamsfest und andere römische Gebräuche ab, und verheirathete sich mit einer adeligen Witwe: Anna Reichart. Was Luther um diese Zeit in Sachsen zur Reinigung der Kirche that, das that Zwingli in der Schweiz, er wollte es aber – und zwar mit Recht – nicht leiden, daß man ihn einen Lutheraner nannte, weil er, wie er sagte, die Lehre Christi aus der H. Schrift, und nicht von Luther gelernt habe. „Wenn Luther Christum predigt, so thue ich es auch, und obgleich durch seinen Dienst, Gott sey Dank! ungleich mehr Menschen Christo zugeführt werden als durch den meinigen, so will ich doch nach Niemand sonst genannt werden als nach Christo; denn Er ist mein einziger Herzog und ich bin Sein Streiter.“ Die Punkte, in welchen sie hauptsächlich von einander abgingen, waren folgende: Luther wollte nur diejenige Zierrathe und Bilder aus der Kirche entfernt wissen, welche zu abergläubischer Verehrung und irrigen Vorstellungen Anlaß geben, Zwingli dagegen eiferte mit unerbittlicher Strenge gegen Alles, was an das Pabstthum erinnerte, und wollte Anfangs sogar das Singen abgeschafft wissen; Luther empfahl dringend den Gehorsam gegen die Obrigkeit, und warnte vor aller bewaffneten Widersetzlichkeit gegen Gewaltthätigkeit; Zwingli redete mehr der Volks-Freiheit das Wort, dagegen lehrte er über die Erbsünde minder strenge als Luther, und hatte auch dessen tiefe, erfahrungsmäßige Einsicht in die Rechtfertigung durch den Glauben nicht; vornehmlich aber wichen sie in der Lehre von den Sakramenten, Taufe und Abendmahl, von einander ab, welche Zwingli als bloße Kennzeichen der christlichen Gemeinschaft betrachtete, und vergeblich war der Versuch, sie bey dem Religions-Gespräch zu Marburg 1529 zusammenzubringen, so wie auch spätere Versuche des wohlmeinenden Bucer fehlschlugen.

Zwingli starb schon im J. 1531 (11. Okt.). Er war seinen Zürichern als Feldprediger in einen Religionskrieg gefolgt, wurde, wie ihm vierzehn Tage zuvor geahnt hatte, in der Schlacht bey Kappel durch einen Spieß am Kinn verwundet, und durch einen Unterwaldener Offizier mit dem Schwerte getödtet. Seine letzten Worte waren: „Ob sie gleich den Leib tödten, können sie doch die Seele nicht tödten.“ Sein Leichnam kam den Feinden in die Hände, die ihn viertheilten und verbrannten. Sein Herz soll drey Tage darauf unversehrt in der Asche gefunden worden seyn; man brachte es dem Oekolampadius; dieser aber, nachdem er sich bestimmt erkundigt hatte, ob das Zwingli’s Herz sey, warf es in den Rhein, der Abgötterey zu wehren. Zwingli war ein eifriger, muthiger und kluger Mann, predigte scharf wider Sünden und Laster, war mitleidig gegen Arme, ein großer Freund des Vaterlandes, ein unterhaltender Gesellschafter und nicht allein in der Theologie, sondern auch in der Kriegswissenschaft und Taktik wohl bewandert.

Der Christen-Bote.
Herausgegeben von
M. Johann Christian Friedrich Burk,
Pfarrer in Thailsingen und Nebringen bey Herrenberg.
Jahrgang 1833
Stuttgart,
bey Johann Friedrich Steinkopf