„Ich halte dafür, daß wir, so wir Christen sein wollen, nicht ohne Sünde schweigen mögen das herrlich Bekenntnis der Wahrheit, so Herr Leonhard Kayser aus großer Gnade Gottes gethan hat; und wir schuldig sind, Gott zu danken für seine überschwängliche Gnade, daß er unsern Glauben und Lehre mit solchem großen schönen Exempel hat wollen stärken und trösten zu dieser bösen Zeit, da so viel Gräuel und Aergernis toben und wüthen wider das heilsame Wort Gottes.“ So beginnt Luther seinen Bericht über die Leiden des evangelischen Märtyrers Leonhard Käser, oder wie Luther zu schreiben pflegte, Kayser. Darnach wollen auch wir thun und uns nicht beirren lassen durch römische Schwindelforschung, die neuerdings gewagt hat, Käser für einen der auch von der evangelischen Kirche verworfenen Wiedertäufer auszugeben. Er ist ein treuer Blutzeuge der Wahrheit, dessen Name in der evangelischen Kirche nicht vergessen werden soll.
Leonhard Käser ward in einer wohlangesehenen Familie geboren zu Raab, vier Meilen von Passau in dem damals zu Baiern gehörigen Landgericht Schärding. Ueber sein früheres Leben erfahren wir nichts, als „daß er für seine Person ein ehrbares, züchtiges Leben führte als ein sonderlicher frommer Priester, bei Jedermann darum lieb und werth gehalten.“ Sieben Jahre lang wirkte er als Vikar des Passauer Domherrn Johann Berger in der benachbarten Pfarrei Waizenkirchen. In dieser Zeit ward er mit der evangelischen Wahrheit bekannt und verschwieg sie nun auch der Gemeinde nicht. Die Reformation gewann ja überhaupt damals in jenen Gegenden schon viele Anhänger, so daß die geistlichen und weltlichen Fürsten anfiengen, sich zu fürchten. Unter dem Vorsitze des Cardinal Campegius schlossen sie am 6. Juli 1524 zu Regensburg ein Bündnis, bekannt unter dem Namen der „Regensburger Reformation“, durch welches den Fortschritten der evangelischen Predigt im südöstlichen Deutschland ein Ende gemacht werden sollte. Die bayrischen Herzöge erließen am 24. Sept. ein scharfes Religionsedikt und ordneten den geistlichen Ketzerrichtern landesherrliche Commissäre bei. Diese begannen alsbald ihr Werk. Schon im Oktober konnte Luther von der heftigen in Baiern ausgebrochenen Verfolgung berichten. Und die Verfolgung traf auch Käser. Bereits im Sommer war er vor den Bischof von Passau geladen und drei Tage lang dort im Gefängnisse behalten worden. Man legte ihm auf, der lutherischen Lehre zu entsagen und er war damals noch schwach genug, sich schriftlich hierzu zu verpflichten. So erhielt er die Erlaubnis, nach Waizenkirchen Zurückzukehren; allein nun ließ ihm sein Gewissen keine Ruhe. Er konnte nicht schweigen von dem, was ihm wirklich im Herzen lebte, und da die Verfolgung ihm in Baiern das Reden nicht gestattete, verließ er das Land. Im Januar 1525 war er bei Luther in Wittenberg, um sich weiter in der Erkenntnis der Wahrheit fördern zu lassen, und hielt sich hier und an einigen andern Orten etwa zwei Jahre lang auf. Als ihm die Kunde zukam, sein Vater sei schwer erkrankt und sehe seinem Ende entgegen, eilte er im Januar 1527 in die Heimath zurück und traf den Vater noch zwei Stunden vor dessen Tode. Dann aber verfiel er selbst in eine Krankheit, die ihn fünf Wochen festhielt und so gewann der Pfarrherr zu Raab Zeit, ihn bei den kirchlichen Obern anzugeben und seine Gefangennehmung zu bewirken. Auf Befehl des Fürstbischofs zu Passau ward er ergriffen, am 10. März nach Schärding geführt und am nächsten Tage auf dem Inn nach Passau gebracht. Hier warf man ihn in dem Oberhaus oder Schloß in ein Loch, „darin er Mäuse und Stanks genug hatte“.
Nun begannen die Verhöre, an denen der Bischof selbst theilnahm, und die Versuche, ihn zur Rückkehr zu bewegen. Besonders eingehend war die Verhandlung am Pfingsttage, über welche Käser selbst einen Bericht aufsetzte. Und hier vornehmlich zeigte es sich, wie der Mann durchweg die evangelische Wahrheit vertrat und von allem wiedertäuferischen Wesen sich freihielt. Er bekannte beim Verhöre als seine Ueberzeugung, daß der Glaube allein ohne Zuthun der Werke gerecht mache, die Werke aber seien Zeichen des Glaubens; die müsse man herunter lassen bei dem Nächsten, ihm damit zu dienen und nicht über sich zu führen vor Gott. Man müsse Glauben und Werke soweit von einanderscheiden als Himmel und Erde, Engel und Teufel; „nur nichts vor Gott mit Werken gehandelt, sondern Christo allein die Ehre gelassen“. Von den Sacramenten wollte er nur Abendmahl und Taufe als nach der Schrift begründet gelten lassen, lehrte aber dabei ausdrücklich, daß die Taufe nicht zu versäumen sei, ein Gottes Werk, dadurch der alte Mensch ersäuft und ein neuer Mensch geboren werde. Er vertheidigte die christliche Freiheit und sprach gegen eine Reihe römischer Misbräuche. Dies Alles zog ihm natürlich den Zorn der Richter in hohem Maße zu und besonders scheint man ihm die zufällige Aeußerung verübelt zu haben, „er glaube, daß Deutschland das Evangelium noch nie gehabt noch recht gehört habe“. Es half ihm nichts, daß er erklärte, nach göttlicher Schrift sich weisen lassen zu wollen; daß er bat, man möge auf seine Kosten die Sache an angesehene Reichsstädte senden und sein vermeintes Verbrechen dort vorbringen lassen; werde er dort verurtheilt, so begehre er weiter keine Gnade. Es war umsonst, daß angesehene Männer, daß selbst der Kurfürst von Sachsen Fürsprache für ihn einlegten. Seine Verurtheilung war eine beschlossene Sache. Der 11. Juli ward ihm als Rechtstag angesetzt, doch ließ der Bischof dies den Angehörigen erst am Tage zuvor ansagen, so daß sie keine Vorkehrungen zur Vertheidigung treffen konnten. Eine Erstreckung des Termins ward verweigert. Am Morgen des 11. Juli führte man den Gefangenen in das Capitelhaus auf den Pfaffenhof, wo der Bischof mit den Richtern und vielen Theologen, unter ihnen auch Joh. Eck von Ingolstadt, saß. Man verlas die Anklage, in der man sich besonders auf das Wormser Edikt, die Regensburger Verordnung und die von Käser selbst eingegangene Verpflichtung berief. Gegen alles das habe er sich vergangen. Er vertheidigte sich mit großer Freudigkeit in deutscher Sprache, so daß alles Volk ihn hören konnte. Aber es half nichts mehr. Der Bischof las selbst das Urtheil vor und übergab ihn dem weltlichen Gericht. Bis zum 13. August blieb er in Passau im Gefängnis; dann führte man ihn mit Ketten auf ein Pferd gebunden nach Schärding, dessen Landrichter vom Herzog Wilhelm von Baiern den ernsten Befehl erhalten hatte, „er solle Herrn Leonhard ohne alle Urtheil und Recht mit dem Brand richten lassen“. Diesem Befehle, an dem die Einwohner von Schärding kein Wohlgefallen hatten, ward Folge geleistet. Am Morgen des 16. Aug. ward Käser auf den Gries, eine Insel im Inn gebracht, wo man den Scheiterhaufen hergerichtet hatte. Die Glaubensfreudigkeit, die ihn während der ganzen Gefangenschaft nicht verlassen hatte, hielt auch jetzt im Angesicht des Todes Stand. Als man ihn band, bat er das Volk: „Komm heiliger Geist“ zu singen, und als das Feuer aufloderte, rief er: „Jesus, ich bin dein, mach mich selig“. In seines Heilandes Hände gab er seinen Geist.
Luther, der ihm ein Trostschreiben ins Gefängnis geschickt hatte, beschrieb seine Geschichte und mit ihm betrauert die evangelische Kirche Leonhard Käser, den Märtyrer in Baiern. In Baiern aber loderten der Scheiterhaufen noch mehrere; die Scenen des 11. Juli wiederholten sich und Finsternis lagerte sich über das Land für Jahrhunderte.
Plitt in Erlangen.
Die Zeugen der Wahrheit
Dritter Band
Piper, Ferdinand (Herausgeber)
Verlag von Bernhard Tauchnitz
Leipzig 1874