Wenceslaus Linck, geboren 1483 zu Colditz, wurde als Jüngling Augustinermönch und schon im 24. Jahre Prior des Convents zu Wittenberg und Prediger daselbst. Früh erkannte er die Irrthümer seiner Kirche. Schon vor Luther zeigte er die Nichtigkeit äusserlicher Bussmittel und den alleinigen Weg zur Seligkeit. Als Luther zuerst klar und deutlich aussprach, wovon er bisher gestammelt hatte, wuchs seine Begeisterung und seine Kraft. Von Nürnberg aus, wo er 1518 Prediger an der Katharinenkirche geworden war, begleitete er Luther, dem er eine neue Kutte lieh, als Augustinerprovinzial nach Augsburg zum Gespräch mit Cajetan. Als Staupitz sich in die Stille nach Salzburg zurückgezogen hatte, erhielt Linck dessen Generalvikariat. In dieser Stellung wirkte er besonders bei der Visitation der Klöster für die Reformation. 1521 ward er zum Prediger nach Altenburg berufen. Hier wurden ihm Anfangs von den Domherren die Kirchen verschlossen; aber er liess sich nicht hemmen, sondern predigte auf offener Strasse unter einer Linde, bis der freie Gottesdienst in der Franziskaner- und Bartholomäuskirche durchgesetzt wurde. Seine Verheirathung im J. 1523 – wobei Luther die Trauung vollzogen haben soll – hatte seine Entfernung vom Generalvikariat zur Folge. 1526 wurde er Prediger an der neuen Spitalkirche zu Nürnberg. Das Vernehmen der Nürnberger Prediger, von denen er Osiander vorfand und zu denen später Veit Dietrich kam, war, unstreitig durch Osiander’s Schuld, nicht das beste. „Ich will hoffen“ – schreibt Luther am 3. Januar 1532 an Linck – „dass meine Besorgniss nicht wahr sei, die ein gewisses kleines Gerücht in mir erregt hat, als wenn unter euch Dienern des Evangelii zu Nürnberg heimliche Missverständnisse ernährt würden; ein Unheil, dergleichen fast kein traurigeres mit könnte hinterbracht werden“ (Schütze, Luther’s Briefe, deut. Ausgabe I. S. 318). Bei Gelegenheit des Streites über das Beichtformular schrieb Luther an Linck in Bezug auf Osiander am 8. Oct. 1533 in einem lateinischen Briefe: „Jetzt bitte ich dich durch Christus, dass du zugleich mit deinen Freunden die Augen des Erbarmens nicht schliessen und diesen von seinen Meinungen gefangenen Menschen wie einen Kranken beurtheilen und Dies bedenken wollest, nicht, wie er öffentlich verwirrt und verdammt werde, damit nicht aus einem Funken eine Feuersbrunst entsteht, sondern vielmehr, mit wie grosser Bescheidenheit, Klugheit und Geduld es irgend geschehen kann, dass er befreiet und geheilt werde. Ich hätte nicht geglaubt (hierüber wirst du weder prahlen, noch wirst du es in’s Publicum ausstreuen), dass jener Mensch von so vielen Meinungen eingenommen und, wie ich aus seinen Schriften erkenne, so weit entfernt sei von der Reinheit unserer Lehre; doch würden, wie gesagt, wenn man ihn mehr reizte, grössere Scandale ausbrechen, durch die er, auch wenn er nicht siegte, doch die Massen bewegte und Händel machte, denen man besser zuvorkommt. Wenn euch daher unser Rath gefällt, so hoffen wir, dass mit der Zeit die Sache stiller und er inzwischen uns näher kommen werde“ (De Wette, Briefe, IV. 48).
Mit Luther stand Linck in der herzlichsten Freundschaft. Sie verhandelten mit einander nicht bloss die grossen Kirchenfragen, sondern auch ihre tieferen Privatherzensangelegenheiten. „Eure Tochter ist also gestorben“ – schreibt Luther an Linck (1530) – „wenn ihr je ganz Vater waret, dann könnt ihr’s nun sagen, was es ist, Vater zu sein, besonders in Rücksicht auf Kinder weiblichen Geschlechts, deren Verlust ungleich mehr, als jener der Söhne Etwas hat, das uns in’s Herz greift. Doch ihr wisset es, dass sie nun drüben ist in jenem Reiche, weit glücklicher, denn wir, die wir das Gespött der Menschen, der Gegenstand des Spiels der Teufel, das Liedlein der Welt und Probeschüler wider die Sünde sind. Dass doch auch uns Christus beistehe in jener Stunde! Amen“ (Schütze a.a.O. S. 166). In demselben Briefe schreibt Luther in Bezug auf seinen Vater: „Ich erhielt die Nachricht, dass auch mein theuerster Vater, jener alte, ehrliche Greis, gestorben sei. Ob ich ihm gleich von Herzen gönne jenen sanften, gottseligen Übergang zu Christo, dass er nun ruhe im Frieden, befreiet von den Trübsalen und dem Jammer dieser Welt: so schmerzt es mich doch in die innerste Seele; denn durch ihn gab mir Gott Leben und Erziehung.“ Selbst in die unscheinbaren Liebhabereien Luther’s war das Interesse Linck’s verflochten. So bittet Luther in einem noch vorhandenen Briefe seinen Freund um Besorgung von Handwerkszeug zu Drechseln, die Bemerkung hinzufügend, er wolle sich, falls einmal die Welt um des Wortes willen ihn nicht mehr ernähren möchte, durch Drechseln seinen Unterhalt verschaffen. schreibt Luther von Coburg aus an Linck: „Wenn ihr bei guten Freunden für meinen Herrn, die Käthe, etwa ein Schock Pomeranzen bekommen könntet, wollt ich’s euch gerne bezahlen. Sie quält mich in vielen Briefen darum, da es zu Wittenberg keine giebt. Lebet wohl mit eurer Hausrebe und den süssesten Trauben.“ In einem Briefe vom folgenden Jahre aus Wittenberg heisst es: „Habet meinen Dank für das Geschenk, die überschickten Pomeranzen. Es war noch dabei ein kleines Waschbecken und ein zweiarmiger Leuchter. Ich weiss nicht, ob dieses von euch ist. Gehabt euch wohl und betet für mich.“
Auch mit Melanchthon war Linck befreundet. Besonders innig wurde das Verhältnis durch ihre gemeinschaftliche Verehrung Luther’s des Dritten in ihrem Bunde. Die Entführung Luther’s im J. 1521 schlug Beide tief nieder; aber kaum hatte Melanchthon die Kunde von seiner Bewahrung erhalten, als er seinem Freunde schrieb: „Unser allerliebst Vater lebt!“
Er wirkte in Nürnberg, da ihn die Gemeinde durchaus nicht fortziehen lassen wollte, trotz der ehrenvollen Vocation Herzog Heinrich’s von Sachsen zur Anordnung des Kirchenwesens in dessen Landen, bis an seinen am 12. März 1547 erfolgten Tod.
Die bedeutendsten Kanzelredner der lutherschen Kirche des Reformationszeitalters, in Biographien und einer Auswahl ihrer Predigten dargestellt von Wilhelm Beste, Pastor an der Hauptkirche zu Wolfenbüttel und ordentlichem Mitgliede der historisch-theologischen Gesellschaft zu Leipzig Leipzig, Verlag von Gustav Mayer. 1856