Blutzeuge 1541
Anno 1541. ist zu Brüssel in Braband einer mit namen Jost Jußberg / seines handwercks ein Kirschner / bey dem man das newe Testament / und etliche Predigten Lutheri gefunden hatte / geköpft worden. Da die Richter mit aller macht in ihn gedrungen / daß er seine gethane bekantnus wider verläugnen und abfallen solte / mit bedräwung / wo ers nicht thete / daß er sterben müßte: sagte Jost / Ich bin bereit entweder etwas bessers auß Gottes wort von euch zu lernen / oder auch meine bekantnus auß Gottes wort zu beweisen. Wo jhr mich nun weder underweisen noch hören wollet / sondern wider alle recht und billichkeit nur mit gewalt mit mir umbgehen: so denckt doch / daß ihr dermal eins für dem gestrengen gericht Gottes hievon schwere rechenschaft werdet geben müssen. So vil mich angehet / wil ich mich / ob Gott wil / wol fürsehen / daß ich die ewige warheit Gottes hie auf erden vor den menschen nicht verleugne / davon ich in jenem himlischen leben begere zeugnus zu haben / für dem himlischen vatter. Die Richter aber antworteten ihm / Es gült da nit vil disputirens. Oder wann er sich ja für einen so guten disputatoren hielte / so wolten sie jm nach essens zween oder drey gelehrten schicken / da möchte er so lang mit disputiren / biß er müde werde.
Da ihn die Mönche zur Ohrenbeicht vermahneten / auf daß also der gemeine mann wissen möchte daß er stürbe wie ein guter Christ: sagte Jußberg / Ich bekümmere mich nit darumb / was der gemeine mann von mir halte / Sondern da hab ich allein verlangen nach / daß Gott an mir einen gefallen haben möge / durch welches gnad und barmhertzigkeit ich mit frid und freud meines Gewissens dahin fahre. Dann ich ihm vorlangst meine sünde bekennet hab / welchem auch die heimlichkeit meines herzens offen stehet / und der mir umb seines sohns willen meine sünde vergeben kan und wil. Dannoch bekenne ich auch jetzund / daß ich durchauß ein armer sünder bin / und nichts anderst als ein erdenkloß mit unzehlbaren sünden besudelt und beflecket / in dem ich die götliche Majestet so oft erzörnet habe. Ich glaube aber gewiß / daß der himlische vatter umb seines sohns Jesu Christi meines seligmachers willen / mir versöhnet und gnedig sey / und mit seiner barmhertzigkeit meine sünd bedecke / daß sie mir also an meiner seligkeit nicht schaden können.- Ja er wird mich auch widerumb bekleiden mit seiner gerechtigkeit / und mich erheben in das ewige leben / da ich in kurtz mit freuden vor seinem gericht zu erscheinen gedencke. Was das Sacrament und verbündnis des leibs und bluts unsers Heylands Jesu Christi anlanget / so hab ich dasselbige nun vorlangst durch den glauben im geist empfangen / und behalt es auch noch vest und bestendig / nicht zwar unter der gestalt brots und weins / sondern mit lebendigen buchstaben in die tafeln meines herzens eyngehawen und geschrieben.
Da ihn der Droß / so ihn verdammet hatte / bat daß er ihm verzeihen wolte: sagt er /So vil mich angeht / wil ichs euch hertzlich verzeihen / sehet aber jr zu / wie ihr solches im gericht Gottes verantworten wolt. Darauf / wie gesagt / ist jm der kopf abgeschlagen / dadurch dan vil gute leut zu Brüssel sind betrübt worden / dieweil sie sahen / daß man einen menschen / der nichts anders / dann vonn Gott und dem Evangelio Jesu Christi redete / umbs leben gebracht hette.
Gilles Tillemann
„O gütiger Gott, wie wunderbar sind doch deine Gerichte! Ihr sehet da, lieben Brüder und Freunde, unsern Mitbruder Jost, der vom weltlichen Gericht zum Tode verdammt, von jedermann verlassen und bereit ist, sich aus dieser Welt hinwegräumen zu lassen, wie ein Kehrigt und Unflat. Aber ihr sollt wissen, daß er dennoch, wie auch sein christliches Bekenntniß gezeigt haben wird, ein rechtschaffenes Kind seines himmlischen Vaters ist. Aergert euch darum nicht an seiner äusserlich geringen und verachteten Gestalt, oder an dem Urtheilsspruche, der über ihn ergangen ist, sondern bedenkt vielmehr fleißig, daß auch der sohn Gottes, dessen Fußstapfen wir ja alle nachfolgen sollen, ein gleiches Schicksal hatte. Denn es steht von ihm geschrieben: wir hielten ihn für den, der von Gott geschlagen wäre, aber er ist um unserer Sünden willen gemartert worden, was nichts anders sagen will, als, daß er die allergrößte Marter und Pein unsertwillen erduldet hat. Nun ist aber, wie der Heiland selber sagt, der Schüler nicht über den Meister.
Wir halten euch demnach, lieber Bruder Jost, für selig, dieweil wir sehen, daß ihr in dem Herrn stark und getrost seyd, und alles Irdische und Vergängliche für Koth achtet, gegen das freimüthige Bekenntniß der evangelischen Wahrheit. O wie selig werdet ihr doch seyn, wenn ihr morgen, von aller Unreinigkeit abgewaschen und gesäubert, mit den Kleinodien Christi, eures Bräutigams geschmückt, vor dem Angesichte des lebendigen Gottes erscheinen werdet!
Lieben Brüder, laßt uns niederknieen und beten, und die Seele unsers lieben Mitbruders Jost dem Herrn empfehlen: O lebendiger und ewiger Gott, Vater unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi, der du unsere Herzen erkennest, unser Thun und Lassen regierest, und die Gebete deiner Kinder erhörest, wir sind hier vor deinem heiligen Angesichte in deinem Namen versammelt, und bitten dich demüthiglich, du wollest dir gefallen lassen, die Seele dieses deines getreuen Dieners Jost zu stärken bis an sein letztes Ende und Seufzen. Und wenn seine letzte Stunde kommen wird, in welcher er dich durch das Opfer seines Leibes preisen soll, so wollest du seine Seele rein und unbefleckt aufnehmen zur ewigen Freude und Herrlichkeit. Amen!
Die Märtyrer der evangelischen Kirche in den ersten Zeiten nach der Reformation von A.W. Heckel, Pfarrer in Wirbenz bei Baireuth Nürnberg verlegt von Haubenstricker und von Ebner 1828