Justus Jonas wurde am 5. Juni 1493 zu Nordhausen, wo sein Vater Bürgermeister war, geboren. Früh schon erkannte er die Spuren der behütenden Gnade auf sichtbare Weise. Sein von der Pest befallener Vater hatte eine Zwiebel auf die Pestbeule gelegt und, nachdem er sie abgenommen, auf eine Bank geworfen. Unversehens verzehrte sie der arglose Knabe; aber sie brachte ihm nicht den geringsten Schaden. Nach dem vorbereitenden Unterrichte in seiner Vaterstadt studirte er mit Auszeichnung zu Erfurt und Wittenberg die Rechte, ging aber später zur Theologie über und wurde schon 1521 Probst am Allerheiligenstift zu Wittenberg., Doctor der heiligen Schrift und Professor des kanonischen Rechts. Letztere würde vertauschte er bald mit einer Professur der Theologie, indem er fünfzig Gulden von den Einkünften seiner Präbende an Dr. Schwerdfeger abtrat, damit dieser über das kanonische Recht las. Mit Luther wurde er bald so innig befreundet, dass man ihn Luther’s Jonathan genannt hat. Er begleitete ihn nach Worms, auf seinen Visitationssreisen und nach Marburg. 1530 war er auf dem Reichstage zu Augsburg zugegen und unterhielt hier mit Luther eine lebhafte Correspondenz. Wie hoch dieser in stellte, bewies er zu einer Zeit, als Jonas bei’m churfürstlichen Hofe in Ungnade gefallen war und eine Gehaltsverkürzung erlitt, durch folgendes Urtheil: „Jonas ist ein Mann, den man auf Erden theuer kaufen und behalten sollte. Gott wird uns aber doch wohl versorgen, dass uns nichts fehle, wenn ihr uns von unserm Bisschen Geld und Unterhalt noch abziehet.“
Im Jahre 1539 organisirte Jonas mit Luther, Melanchthon, Spalatin, Creutziger, Mykonius u.A. auf Heinrich’s Einladung die luthersche Kirche im Herzogthum Sachsen und 1541 wurde er zur Durchführung der Reformation auf vier Jahre nach Halle berufen, wo er am Charfreitage in der Marienkirche seine erste Predigt hielt. Trotz des heftigen Widerstreites der Mönche, vor denen er sogar seines Lebens nicht sicher war, gewann er in Halle seinem Werke einen immer breiteren Boden, und als 1544 die Zeit seiner Rückkehr nach Wittenberg herannahete, liess die grosse Zahl seiner Anhänger mit Bitten nicht nach, bis durch Luther’s Vermittelung eine Verlängerung seines Urlaubs erwirkt wurde.
Luther besuchte seinen Freund häufig in Halle, das letzte Mal auf seiner Reise nach Eisleben im J. 1546. Am 24. Januar kam Luther in Halle an, und da die Saale an demselben Tage aus ihren Ufern trat, so musste er vier Tage in der Stadt verweilen. Es geschah entweder in Jonas‘ Hause, in welchem Luther herbergte, oder im Gasthofe zum goldenen Schlosse, dass Luther seinem Freunde einen (noch jetzt zu Nürnberg aufbewahrten) Glasbecher überreichte, der die Bildnisse Beider und folgende Inschrift trug:
Dat vitrum vitreo Jonae vitrum ipse Lutherus,
Ut vitro fragili similem se noscat uterque.
Dem alten Doctor Jonas
Bringt Dr. Luther ein schön Glas,
Das lehrt sie alle Beide fein,
Dass sie zerbrechliche Gläser sein.
Wegen Luther’s Kränklichkeit und der noch nicht verschwundenen Wassersgefahr mochte Jonas den Freund nicht allein ziehen lassen, sondern begleitete ihn nach Eisleben. Luther aber war guter Dinge und scherzte trotz Wind und Wetter in dem schwankenden Kahne: „Lieber Doctor Jonas, wär‘ das dem Teufel nicht ein fein Wohlgefallen, wenn ich, Doctor Martinus mit dreien Söhnen und Euch in dem Wasser ersöffe?“
Es war Jonas vergönnt, die letzten Lebenstage Luther’s pflegend, tröstend und betend zu erleichtern, auch die bedeutsame Frage an ihn zu richten: „Reverende Pater, wollet Ihr auf Christum und die Lehre, wie ihr sie gepredigt, beständig sterben?“ und von den sterbenden Lippen das laute Bekenntniss — Ja zu vernehmen. Am Tage nach Luther’s Tode, den 19. Februar hielt ihm Jonas die erste Leichenpredigt über 1. Thessal. 4,13-18.
Der Schmalkaldische Krieg brachte grosses Elend über ihn und die Stadt. Er musste auf Moritz‘ Befehl Halle verlassen und konnte erst zurückkehren, als Johann Friedrich am Neujahrstage die Stadt wieder erobert hatte. Doch die Schlacht bei Mühlberg verschlimmerte seine Lage auf’s neue. Der Kaiser kam mit seiner Armee nach Halle. Ein spanischer Hauptmann, der bei Jonas im Quartier lag, erhielt Befehl, diesen zu ermorden. Doch des Gastfreundes herzliche Freundlichkeit entwaffnete ihn, und er rief aus: „Herr Doctor! ich kann euch nicht bergen, dass ich Befehl habe, Euch umzubringen; ich sehe aber, dass Ihr ein ehrlicher, frommer Mann seid, dass ich Euch unmöglich Etwas zu Leide thun kann.“ Abermals flüchtig wurde er nach Hildesheim berufen, das er aber wegen des Interims schon nach neun Monaten wieder verlassen musste. Hierauf war er eine Zeit lang Professor in Jena, wurde sodann Hofprediger bei den Prinzen des gefangenen Churfürsten Johann Friedrich, zu Coburg und starb den 9. Oktober 1555 als Superintendent des Fürstenthumes Coburg zu Eisfeld.
Die bedeutendsten Kanzelredner der lutherschen Kirche des Reformationszeitalters, in Biographien und einer Auswahl ihrer Predigten dargestellt von Wilhelm Beste, Pastor an der Hauptkirche zu Wolfenbüttel und ordentlichem Mitgliede der historisch-theologischen Gesellschaft zu Leipzig Leipzig, Verlag von Gustav Mayer. 1856